Pandóra

[1872] PANDÓRA, æ, Gr. Πανδώρα, ας, ein Frauenzimmer, welches Vulcan, auf Jupiters Befehl, aus Erde, nachdem er solche mit Wasser eingemacht hatte, also verfertigte, daß sie an Schönheit selbst den Göttinnen gleich war. Minerva wies ihr darauf alle ihr geziemende Künste. Venus theilete ihr die Annehmlichkeit und Begierde sich zu putzen mit, Mercurius seine List und Betrügereyen; und die Charites und Suada ziereten sie mit Kleinodien aus: die Horen aber setzeten ihr einen schönen Bluhmenkranz auf. Weil nun also fast alle Götter und Göttinnen sie mit etwas begabeten, so bekam sie daher den Namen Pandora, (von πᾶς, alles, und δῶρον, Geschenk). Es wollte aber Jupiter mit solcher die Menschen darum bestrafen, weil ihm Prometheus, wider seinen Willen, das Feuer aus dem Himmel entwendet hatte. Er gab ihr also noch eine Büchse mit, in welcher alle Noth und Plagen enthalten waren, welche die Menschen betreffen können Hiermit schickete er sie zu des Prometheus Bruder, Epimetheus. Ob nun dieser schon von jenem gewarnet worden, ja kein Geschenk vom Jupiter [1872] anzunehmen: so griff er dennoch zu, als; ihm Mercurius solche Pandora überbrachte. Er erfuhr aber gar bald, wie sehr er betrogen wäre. Denn so bald sie ihre Büchse aufmachte, und sehen wollte, was darinnen wäre, so fuhr alles bemeldete Unglück heraus; und, ungeachtet sie den Deckel so geschwind wieder darauf that, als sie konnte, so behielt sie dennoch nichts in der Büchse, als die einige Hoffnung, welche am Rande hängen blieb. Diese haben daher die Menschen noch allein in aller ihrer Noth und ihrem Elende. Hesiod. O. & D. v. 60–104. Man findet es noch auf einigen Gemmen vorgestellet, wie sie die Büchse eröffnet. Mus. Florent. T. II. t. 38. n. 5. Lipperts Dactyl. II Taus. 6 N. Indessen behielt doch Epimetheus solche Pandora zur Gemahlinn, und zeugete mit ihr die Pyrrha. Hygin. Fab. 142. Einige wollen, es habe sie Jupiter erst dem Prometheus selbst zuführen lassen, der aber die Absicht gemerket, und sich dafür bedanket; daher ihn denn Jupiter auf andere Art bestrafet. Nat. Com. l. IV. c. 6. Sieh Prometheus. Wie aber solche Pandora die allererste Frau gewesen seyn soll; Pausan. Att. c. 25. p. 44. also deuten sie einige nicht so gar uneben auf die Eva, unser aller Mutter. Huet. D. E. Propos. IV. c. 2. §. 3. Denn daß einige die Kunst, Tzetz. ap. Heins. ad Hesiod. c. 15. andere das τὸ ἄλογον τῆς ψυχῆς, das Unvernünftige der Seele, Proclus ap. eumd. l. c. u.d.gl. unter ihr verstehen, sind gezwungene Spitzfündigkeiten. Will man sie aber auch bloß für eine reiche Griechinn annehmen, die sich allemal, so oft sie ausgegangen, aufs prächtigste geputzet, so heißt solches nicht viel gesaget. Palæphat. de Incred. c. 35. Noch eher möchte sie auf die Sünde, Omeis Mythol. in Pandora, p. 191. oder die Erde, Philo ap. Masen. Spec. Ver. occ. c. 22. n. 39. oder der Menschen Fleisch und Blut, Rhod. lect. ant. l. VII. c. 20. gedeutet werden können. Vermuthlich aber hat der erste Dichter nichts, als das Frauenvolk überhaupt, damit bemerken wollen, welches oft alle Annehmlichkeiten hat, und dennoch [1873] dem Mannsvolke alles Unglück zuzieht.

Quelle:
Hederich, Benjamin: Gründliches mythologisches Lexikon. Leipzig 1770., Sp. 1872-1874.
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