Die Schatzgräber.

[88] »Hört, Kinder,« sprach ein kranker Mann,

Der durch den Weinbau viel gewann,

»In unsrem Berge liegt ein Schatz,

Grabt nur danach!« – »An welchem Platz?

Wo?« fragten alle, »sag' den Ort!«

»Grabt, grabt!« – Er starb bei diesem Wort.

Kaum war der Greis zur Gruft gebracht,

So ward gegraben Tag und Nacht,

Mit Hacke, Karst und Spaten ward

Der Weinberg um und um gescharrt;

Da war kein Kloß, der ruhig blieb,

Man warf die Erde gar durch Sieb,

Zog Furchen in die Läng' und Quer

Noch jedem Steinchen hin und her;

Allein es ward kein Schatz verspürt,

Und jeder hielt sich angeführt.

Doch kaum erschien das nächste Jahr,

So nahm man mit Erstaunen wahr,

Daß jeder Weinstock dreifach trug.

Da wurden erst die Söhne klug,

Und gruben nun, jahrein, jahraus

Des Schatzes immer mehr heraus.

G. A. Bürger.

Quelle:
Adelfels, Marie von: Des Kindes Anstandsbuch. Stuttgart [1894], S. 88-89.
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