Beerdigungs-Gebräuche bei verschiedenen Völkern.

[6] Die verschiedenen Völker des Erdbodens erwiesen von jeher ihren Leichen allezeit destomehr Achtung, je gesitteter sie waren; wie wir aus der Pracht der ägyptischen, griechischen und römischen Leichenbegängnisse abnehmen können. Besonders behaupteten die alten Philosophen, daß man sie als Ueberreste der Menschlichkeit betrachten müßte, die wieder zu ihrer ersten Mutter zurückkehren sollten. Weil Heraclit glaubte, daß alles in der Welt aus Feuer gemacht wäre, so gebot er, daß man die Leichname verbrennen sollte, um sie ihrem ersten Elemente wieder zu geben. Thales, der das Wasser für die allgemeine Mutter der Dinge hielt, wollte sie in die Erde verscharret haben, und Democrit, der eine Auferstehung glaubte, gab den Rath, sie in Honig zu legen, um sie zu erhalten.

Die alten Perser warfen ihre Todten, so bald sie verschieden waren, auf den Schindanger; [7] die Angehörigen hielten es für eine Ehre, wenn die Raubthiere den Leichnam geschwind zerrissen und auffraßen, und es war ihnen eine Schande, wenn sie ihn liegen ließen. Die Japaner bestatten zwar ihre Todten ehrlich zur Erde. Allein sie begraben sie mit großen Freudensbezeugungen, welche wol nicht aus zärtlicher Achtung für sie herrühren. Wenn ein Grönländer stirbt, so wird er aus dem Loche, das seine Wohnung gewesen ist, herausgeschleppt, und muß an der freien Luft hart und steif zusammenfrieren. Unter den Tartarn sind verschiedene Gebräuche in Absicht der Todten Mode gewesen. Bald haben sie sie an die Bäume gehangen, um sie austrocknen zu lassen; bald haben sie sie selbst gefressen, und bald begraben. Die Einwohner der barbarischen Inseln zerschnitten die Körper ihrer Todten in kleine Stücke und steckten sie in einen Topf. Alsdann begruben sie sie, und setzten einen Steinhaufen darauf. Die Massageten, Derbicier, und Essedonier fraßen das Fleisch abgelebter Leute, die sie umzubringen pflegten, mit Schöpsenfleische vermischt; die aber, welche an Krankheiten starben, [8] warfen die Essedonier auf den Schindanger. Die Hyrcanier hielten eigene Hunde dazu, welche die Todten fressen mußten, und die Iberier ließen sie den Geiern zum Raube. Die Fihtyophagi, welche nichts als Fische aßen, warfen die Todten in die Seen und Flüsse, um den Fischen die Nahrung wieder zu geben, die sie von ihnen erhielten. Die Cholchier steckten sie in Säcke, und hingen sie an die Bäume. Die Aegypter selbst, die ihre Leichen, so bald sie gestorben waren, den Zergliederern übergaben, um sie zum Einbalsamiren zuzubereiten, konnten dieses unmöglich aus Achtung gegen die Verstorbenen thun, weil sie den Zergliederer, nach gethaner Arbeit steinigten, und für unehrlich hielten. Die Caraiben begegnen ihren Todten anfangs ganz artig: sie waschen sie, setzen den Körper zusammengebogen hin, wickeln ihn in ein Tuch, beschreiben ihm, wie gut er's auf Erden hätte haben können, wie nützlich er gewesen wäre, und fragen ihn alle Augenblicke dazwischen: Warum bist du denn gestorben? Nach dieser Ceremonie setzen sie ihn auf einen Stuhl in eine Grube, bringen ihm [9] 10 Tage lang zu essen, und nöthigen ihn, seine Mahlzeit zu sich zu nehmen. Am Ende aber fällt es schlecht aus. Wenn sie sehen, daß er weder essen, noch wieder aufleben will; so werfen sie ihm aus Verdruß das Essen an den Kopf, und schütten die Grube zu.

Sind dieses alles wol Zeichen einer Achtung, die man den Verstorbenen erweisen will? Wenigstens sind sie schlecht ausgesucht, und möchten wol wenigen gefallen, die nicht so gesinnt sind, wie Diogenes, welcher in seinem Leben so wenig auf sich gehalten hatte, daß es ihm nicht schwer ankommen konnte, sich auch im Tode entheiligen zu lassen. Er wollte nicht begraben seyn, sondern befahl, ihn nach seinem Ableben über der Erde liegen zu lassen, damit die Raubvögel noch einigen Nutzen von ihm haben könnten. Andre sagen, er habe auf die Anfrage, wie er begraben seyn wolle? geantwortet: Mit dem Gesichte zu unterst. Denn, fuhr er fort, ich glaube, daß sich bald eine große Veränderung ereignen dürfte, wo das Unterste zu oberst gekehret werden wird. Es [10] hat inzwischen doch ganze Völker gegeben, deren Gleichgültigkeit gegen ihr eignes Begräbniß beweiset, wie wenig Achtung sie gegen ihre Todten gehabt haben müssen. Die Hyperboreer bereiteten sich selbst Tod und Begräbniß, indem sie sich ins Meer stürzten. Die Völker am caspischen Meere gaben diejenigen, die über 70 Jahre alt waren, den wilden Thieren in den Wüsteneien preis, und die Tibarenier stürzten ihre alten Leute von den Felsen hinab.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 6-11.
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