Brautwerberei in Finnland.

[26] Bei den Bauern in der Provinz Sawolaxa in Finnland herrscht eine seltsame Art [26] von Freiwerberei. Hat nämlich ein junger Mann Neigung zu einem Mädchen, so giebt er einer alten Frau den Auftrag, den Gegenstand seiner Liebe von seiner Leidenschaft zu unterrichten, und zu gleicher Zeit überschickt er ihr auch einige Geschenke. Die alte Frau wählt, als den günstigsten Zeitpunkt zur Ausrichtung ihres Auftrages, den Augenblick, wo das Mädchen zu Bette gehen will. Sie sucht auf irgend eine schickliche Art zu demselben zu kommen, und während es mit Auskleiden beschäftigt ist, spricht sie ihm von dem Liebhaber vor, überhäuft ihn mit allen erdenklichen Lobsprüchen, und schildert ihn auf die allervortheilhafteste Weise. Hat das Mädchen alles mit angehört, was sie darüber zu sagen weiß, so steckt sie ihm ein Geschenk, das entweder in einem Schnupftuche, oder in einem Bande, oder in einem Stücke Geld besteht, in den Busen. Will nun das Mädchen nichts von dem Anbeter hören, so giebt es der Unterhändlerinn das Geschenk sogleich wieder zurück, und diese überbringt die schlechte Botschaft auch unverzüglich dem jungen Manne. Diese erste Ausschlagung der Geschenke [27] wird jedoch noch keinesweges für einen entscheidenden Beweis von Abneigung gehalten, und der Liebhaber braucht noch nicht zu verzweifeln, daß er das Herz seiner Geliebten nicht einst noch erweichen, er hat noch Hoffnung, daß ein künftiger Versuch seinen Wünschen besser entsprechen werde. Aber das untrügliche Kennzeichen einer gänzlichen Abneigung, und einer durch nichts zu besiegenden Verwerfung, nach welchem auch gar keine weitere Unterhandlung statt findet, oder auch nur ein Schatten von Hoffnung übrig bleibt, besteht darin, daß das junge Mädchen, anstatt die Büchse, worin das Geschenk enthalten ist, der Abgesandtinn mit den Händen zurückzugeben, den Gürtel auflöset, womit ihr Kleid am Leibe festgebunden ist, und dieselbe zwischen der Brust und dem Hemde hindurch auf den Boden fallen läßt. Nimmt hingegen das Mädchen die Geschenke an, so halten sich die jungen Leute für förmlich mit einander versprochen, und es fehlt nur noch die Heirathszeremonie, um sie in Eheleute umzuwandeln.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 26-28.
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