Einbalsamirung der Todten.

[36] Das Einbalsamiren der Leichen, welches bei den alten Aegyptern gebräuchlich war, verdient hier zuerst in Betrachtung gezogen zu werden. Man hatte damals verschiedene Methoden zur Einbalsamirung, [36] wovon die erste und kostbarste auf 12- bis 1300 Thaler zu stehen kam. Sie geschahe folgendermaßen: Die Balsamirer zogen zuerst mit einem krummen Eisen das Gehirn durch die Nase aus dem Kopfe heraus, und füllten den leeren Raum mit Spezereien an. Hierauf machten sie mit einem scharfen äthiopischen Steine in der linken Seite des Bauches eine Oeffnung, um durch dieselbe alles Eingeweide, bis auf das Herz und die Nieren, heraus zu nehmen. Alsdann erfülleten sie den hohlen Bauch mit gestoßenen Myrrhen, Caßien und andern wohlriechenden Dingen, nur nicht mit Weihrauch, und näheten hernach die Oeffnung wieder zu. Hierauf wurde der Körper noch über 30 Tage lang mit Cedernöhl und andern dergleichen flüssigen Dingen gesalbet, oder auch 70 Tage in Salpeter gelegt. Wenn dieses geschehen war, ward er gewaschen, jeder Theil mit Tüchern von feiner Leinewand umwunden, und sodann mit Schlehenharze bestrichen, dessen sich die Aegypter statt des Leims bedienten. Bei dieser Operation behielt der Körper seine völlige Gestalt und Aehnlichkeit, so daß sogar die [37] Haare in den Augenbraunen und Augenliedern sitzen blieben.

Die andre Art der Einbalsamirung war geringer, und kostete ungefähr 300 Thaler. Man spritzte, vermittelst eines Clystiers, Cedernsaft in den Leib, ohne ihn vorher auszunehmen, und legte ihn 70 Tage in Salpeter. Nach dieser Zeit zapfte man den Cedernsaft wieder ab, da er dann, wie man glaubt, alle Gedärme und Eingeweide zerfressen hatte und mit abführte. Der Salpeter hingegen hatte alles Fleisch verzehrt, so daß nichts als Haut und Knochen übrig war.

Die dritte und wohlfeilste Art der Einbalsamirung bestand in der 70tägigen Salpeterbeize und einigen Einspritzungen. Die Körper müssen nach dieser Operation unstreitig mit Bergpech oder Judenleim übergossen worden seyn, ob man gleich hiervon keine Nachrichten findet; denn es sind alle Mumien in eine solche Materie eingehüllt.

Das Wesentlichste bei allen diesen Arten der Einbalsamirung ist, wie man sieht, die 70tägige [38] Salpeterbeize, die Anfüllung des Unterleibes mit Cedernsafte, und das Umwinden und Uebergießen der Leichname, wodurch der Einfluß der Luft in dieselben verhütet wurde. Man weiß aber auch aus andern Erfahrungen, daß der Kalk (auch der Kampfer) ebenfalls geschickt sey, die Körper von der Verwesung zu befreien. Denn man findet in der Kalkerde oft unverwesete Leichen. Galenus hat schon diesen Gebrauch des Kalks gekannt, und sagt, daß er, wenn er einigemal gewaschen wird, stark austrockne, ohne zu zerfressen. Die Aethiopier überzogen ihre Leichname mit Gips, und Cicero erzählt von den Persern, Herodotus aber von den Scythen, daß sie sie mit Wachs übergossen haben, um sie aufzubehalten, und den übeln Geruch zu verhüten.

Es ist aber noch ein andres Mittel vorhanden, die Leichname unversehrt aufzubehalten, und dieses haben die alten Einwohner der Insel Teneriffa besessen. Ein Reisender, der sich zu Gumier, einer Stadt auf der Insel Teneriffa, aufhielt, welche meistentheils von solchen Leuten bewohnt [39] wird, die sich vom Geschlechte der alten Guanchen ableiten, ging in Gesellschaft einiger von diesen Einwohnern hin, ihre Todtenhöhlen zu besehen. Er fand die Leichname in diesen Höhlen in Ziegenfelle mit Riemen von eben solchen Häuten so künstlich eingenäht, daß die Näthe ganz unvergleichlich gerade und eben waren. Die Häute werden sehr knapp und dicht auf die Leichname gepaßt, welche meistentheils ganz sind. Man findet an denen von beiderlei Geschlechtern noch die Augen, wiewol verschlossen, die Haare auf den Köpfen, die Ohren, die Nase, die Zähne, die Lippen, den Bart, die Unterscheidungsgliedmaßen, ganz vollkommen, nur daß sie eine andre Farbe haben, und ein wenig eingeschrumpft sind. Der Reisende sahe ungefähr 3- bis 400 solcher Leichname in verschiedenen Höhlen. Einige von ihnen standen, andre lagen auf Betten von Holze, welches durch eine ihnen bekannte besondre Kunst so gehärtet war, daß kein Eisen hindurch dringen, oder ihm schaden kann. Jemand, der auf der Insel jagte, erblickte in einer Höle einen von diesen Leichnamen, welcher sehr lang [40] und groß war, und mit dem Kopfe auf großen Steinen lag. Nachdem die Furcht ein wenig verschwunden war, ging er hinein, und schnitt ein großes Stück von der Haut ab, welche auf der Brust dieses Körpers lag, und die geschmeidiger und biegsamer war, als man jemals einen Handschuh von Ziegenfell gesehen hatte. Es war noch so wenig vermodert, daß es ein Landmann noch viele Jahre an seinen Dreschflegel gebrauchen konnte. Diese Körper sind so leicht, als wenn sie von Stroh gemacht wären, und an einigen zerbrochenen konnte man die Nerven, Sehnen und die Adern, die wie Schnüre lagen, sehr genau beobachten.

Nach dem Berichte des ältesten von diesen Leuten war ein besonderer Stamm, welcher diese Kunst allein besaß, die sie für etwas Heiliges hielten, welches dem gemeinen Volke nicht bekannt gemacht werden durfte. Als aber die Spanier den Ort einnahmen, wurden die meisten von ihnen ausgerottet, und die Kunst ging mit ihnen verlohren. Sie haben nur durch mündliche [41] Sage etwas weniges von den Materialien behalten, welche bei dieser Operation gebraucht wurden. Sie nahmen nämlich Butter, die, wie einige sagen, mit Bärenfette vermischt wurde, das sie zu dem Ende in Häuten aufbewahrten. Darin kochten sie gewisse Kräuter, unter andern eine Art von wildem Lavendel, welcher häufig auf den Bergen wächst, wie auch ein Kraut, Lata genannt, von einem gummösen und klebrigten Safte, eine Art von Cyclamen, oder Erdäpfeln, wilde Salbei und einige andre Kräuter, welche die Salbe zu einem vollkommenen Balsam machten. Wenn diese Salbe fertig war, nahmen sie erst das Eingeweide aus dem Körper, und wuschen ihn mit einer Lauge, die aus Fichtenrinde gemacht war. Sie trockneten ihn des Sommers in der Sonne, und des Winters ward er in einem Ofen gebacken. Dieses wurde oft wiederholt. Darauf fingen sie ihre Salbung sowohl innerlich als auswendig an, und trockneten den Leichnam, wie zuvor. Dieses wurde so lange fortgesetzt, bis der Balsam durch den ganzen Leib gedrungen war, die Muskeln in allen Theilen durch die zusammengeschrumpfte [42] Haut erschienen, und der Körper überaus leicht ward. Nach diesem näheten sie ihn in Ziegenhäute. Den ärmern Leuten ward das Gehirn hinten heraus genommen, und man nähete sie in solche Ziegenhäute, woran die Haare noch saßen. Die reichern hingegen wurden so fein und dicht in die Häute gekleidet, daß sie noch bis auf diesen Tag ungemein geschmeidig und biegsam blieben.

Edmund Story gedenkt ebenfalls dieser sonderbaren Einbalsamirung der Guanchen. Er sagt, daß die alten Guanchen einen eigenen Balsamirer für jedes Geschlecht gehalten haben, dessen Amt darin bestanden hätte, einen gewissen Balsam aus dem Pulver von Genst, aus einer Art rauher Steine, aus Fichtenrinden und verschiedenen Kräutern zu machen, welche zusammen mit geschmolzenem Ziegenfette untereinander gemischt wurden. Wenn sie nun den Leichnam gewaschen hatten, stopften sie ihn 15 Tage lang hinter einander mit diesem Balsame voll, legten ihn in die Sonne, und wendeten ihn oft um, bis er [43] steif und trocken war. Wenn dieses geschehen war, schlugen sie den Leichnam in Ziegenhäute, näheten ihn mit einer erstaunlichen Zierlichkeit zu, und trugen ihn darauf in eine tiefe Höhle, wohin niemand kommen durfte. Einige von diesen Körpern, die vor tausend Jahren begraben worden waren, fanden sich noch vor, als Story zu Teneriffa war. Purchas hat zwei von diesen Körpern in London gesehen.

Wenn man aus allen diesen Operationen dasjenige herausnimmt, was sie mit einander gemein haben, so entdeckt man die Mittel, welche der Kunst eigen sind, die Leichname unverweslich zu erhalten. Man findet bei allen, daß die Körper erst ausgeweidet worden sind. Dieser Umstand ist darum nothwendig, weil die Fäulniß in den flüssigen und weichsten Theilen des menschlichen Körpers gleich nach dem Tode sehr schnell Ueberhand nimmt. Hierauf folgte die Salzbeize. Die Aegypter beizten mit Salpeter, die Guanchen mit Fichtenlauge. Hierzu kam die Ausfüllung der Leichname mit Balsam aus Erdharzen,[44] Honig, Mirrhen, Kampfer, Kalk, balsamischen Kräutern, und dergleichen. Die Guanchen nahmen besonders noch das Auftrocknen der Körper zu Hülfe; und wenn dieses schnell und doch gemächlich geschieht, so ist es eins der zuverlässigsten Mittel zur Unverweslichkeit. Endlich kam die Verwahrung der Körper vor den Einflüssen der Luft und der Witterung hinzu. Zu dieser Absicht bedienten sich die Aegypter der Binden und des Uebergusses von Bergpeche, die Guanchen hingegen der Ziegenhäute, in die sie die Körper dicht einnäheten, und der tiefen Felsenhöhlen, worin sie vor der Witterung sicher liegen konnten.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 36-45.
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