Fackeltanz.

[47] Der Fackeltanz ist eine Feierlichkeit, welche nur bei den Vermählungen fürstlicher, gekrönter und regierender Herren Statt findet. Schon in der griechischen Geschichte finden wir den Gebrauch, daß bei Hochzeiten die Verlobte ihrem Brautigam durch Paranympfen tanzend ins [47] Haus zugeführt, und dabei die brennende Hochzeitsfackel vorgetragen wurde. Die Römer, welche bekanntlich die meisten Gebräuche und Feierlichkeiten der Griechen nachahmten und bei sich einführten, ließen bei ähnlichen Gelegenheiten den Bräuten eine, zwei oder wol drei Fackeln vortragen, weil sie die Fackeln überhaupt als ein günstiges Sinnbild schätzten. Bei den Griechen und Römern waren die Brautführer die ersten und würdigsten Personen in der Familie, die Fackelträger aber waren nach diesen die Hauptpersonen. Der Aufzug geschah unter Gesang und Klang und vielem Pompe öffentlich, und man lud dazu junge, wohlgebildete Leute ein. Dieses Fest gehörte sowohl bei den Griechen als Römern unter die kirchlichen Gebräuche, welches sich hernach in den christlichen Zeiten in eine weltliche Feierlichkeit umänderte, und sich so bis auf die gegenwärtigen Zeiten fortpflanzte. Als der erste christliche Kaiser Konstantin der Große, seine Residenz von Rom nach Byzanz verlegte, und dieser Stadt den Namen Constantinopel gab, ließ der Kaiser die Gebräuche des Hofes in Regeln [48] bringen, und ausführlich beschreiben, in welchem Werke denn auch eine genaue Beschreibung des Fackeltanzes enthalten ist. So war also dieser Tanz von Rom aus an dem ersten christlichen Hofe schon im vierten Jahrhunderte eingeführt, und pflanzte sich, so wie viele andre Gebräuche, bis an den Hof der deutschen Kaiser fort. Als im zehnten Jahrhunderte Heinrich der Vogler Turniere und andre Ritterspiele anordnete, und dazu den hohen deutschen Adel zusammenberufen ließ, suchte er zugleich die gefahrvollen Ritterübungen durch sanftere Belustigungen zu mildern, wozu die Damen von fürstlicher Abkunft, oder vom hohen Adel eingeladen wurden. Sie waren nicht nur Zeugen des ritterlichen Kampfes, sondern übernahmen auch das Geschäft, den siegenden Rittern diejenigen Belohnungen, welche ihnen durch den Ausspruch der Kampfrichter zugesprochen wurden, persönlich darzubringen. Der belohnte Ritter reichte darauf seiner Dame die Hand zum Vortanze, bei welchem mehrere brennende Fackeln vor- und nachgetragen wurden. So entstand in Deutschland der Fackeltanz, welcher[49] beinahe in allen Stücken eine unveränderte Nachahmung des ehemaligen Rittertanzes ist.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 47-50.
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