Römer-Mahlzeiten.

[245] Im ersten Zeitalter Roms, lebten die Römer mehrentheils von Gartengewächsen und Milch, und aßen nur Fleisch bei außerordentlichen Gelegenheiten; sie hatten auch eine grobe Art von Gemüse, welches sie Pulmentum nannten, und das ihnen anstatt Brod diente. Die Zeit des Abendessens war die zehnte Stunde des Tages. Zuweilen folgte eine Art von Collation, Commessatio [245] genannt. Der Ort, wo man es zu sich nahm, war ein Vorhof, zum Theil offen, und jedermanns Blicken bloß gestellt. Ein Privatzimmer würde die Schwelgerei begünstigt haben. Im Sommer speisten sie oft unter schattigten Bäumen. Ihre Tische, nur von Einem Fuße unterstützt, waren Anfangs von gemeinem Holze, viereckigt, vier Fuß lang und breit; nachher hatten sie runde und ovale, die kunstreich gearbeitet, mit Schnitzwerk versehen, und mit Citronenholz, Elfenbein und Muscheln ausgelegt waren; ihre Teller waren von Silber, Gold und kostbaren Steinen. Die Tische waren nicht bedeckt, allein bei jedem Gange, der aufgetragen ward, wurden sie sorgfältig mit einem Schwamme abgewischt. Es war erst zu den Zeiten der Kaiser, daß sie dieselben mit, mit Gold und Purpur durchwürkten, Decken belegten.

Im ersten Zeitalter saßen sie auf gemeinen Bänken, nachher nahmen sie den Gebrauch an, auf kleinen Betten bei ihren Mahlzeiten zu liegen, welches sie von den Asiaten lernten. Das Frauenzimmer glaubte anfänglich, daß diese Neuerung [246] mit ihrer Sittsamkeit nicht bestehen könne; sie blieben daher noch lange bei ihrer alten Gewohnheit, die sie ihrem Geschlecht anständiger zu seyn glaubten; aber seit der Zeit der ersten Cäsarn bis zum Jahre 320 der christlichen Zeitrechnung, folgten die Weiber dem Gebrauche der Männer, und legten sich ebenfalls bei Tische.

Die jungen Leute, die noch nicht die männliche Kleidung bekommen hatten, wurden noch lange unter der alten Disciplin gehalten.

Wenn die Gäste Platz genommen hatten, wurden Küchenzettel unter ihnen ausgetheilt, und man setzte ihnen Becher vor. Diese Becher wurden von einem Schenktische geholt, der mit allerlei Gefäßen von Gold und Silber beladen war, deren zierliche Arbeit einen größern Werth, als die reiche Materie selbst hatte.

Wenn man zum Abendessen eingeladen war, ging man in Begleitung eines Sclaven hin, der die Serviette trug, und sie auch wieder zurückbrachte, [247] aber niemals ledig, sondern mit eßbaren Dingen angefüllt. Zuweilen schickte man sogar während des Essens etwas davon seiner Frau, seinem Nachbar, oder Freunde. Das erste, was bei der Tafel geschah, war eine Libation, wobei man etwas Wein, zu Ehren der Götter, auf den Tisch goß, die man dabei anflehte. Außer den Hausgöttern, wurden auch Herkules und Merkurius in kleinen Bildern auf die Tafel gesetzt, für deren Schutzgötter sie gehalten wurden, und für welche man auch die Libationen machte. Neben diese Bilder schüttete man etwas Salz, um die Tafel einzuweihen. Sie sahen das Salz als eine heilige Sache an, und wenn es vergessen oder verschüttet wurde, so hielt man die Tafel für entweiht, und fürchtete ein Unglück; ein Aberglaube, der von den Griechen herkam, und der noch heut zu Tage bei vielen herrscht.

Die Römer hatten bei ihren Gastmälern gewöhnlich drei Gänge, den Nachtisch mit eingerechnet. Sie fingen mit Eiern an, und endigten mit Früchten. Der erste Gang bestand aus frischen [248] Eiern, Spargel, Oliven, Anstern, Salat u.s.w. Sie kochten den Spargel wenig, so wie wir. Wir wissen diesen kleinen Umstand von einem Sprüchworte August's, welcher, wenn er eine Sache beschleunigt haben wollte, sich der Worte bediente: »Du mußt nicht mehr Zeit dazu nehmen, als nöthig ist, Spargel zu kochen.« Der zweite Gang enthielt Ragouts, und gebratene Speisen, mit welchen sie immer auch einige Schüsseln Fisch aufsetzten, ein Lieblingsgericht der Römer, ohne welches das beste Gastmal gering geschätzt wurde. Im dritten Gange setzte man Früchte, Confecte, und alle diejenigen Leckereien auf, welche die Römer Adulciaria und Bellaria nannten.

In den ersten Zeiten der Republik war der Gebrauch bei den Festen, das Lob großer Männer zu besingen, wobei die Flöte und Leier mit einstimmten; aber kaum hatten die Römer Asien erobert, als Possenreißer, Taschenspieler, Tänzer, Pantomimen, und Instrumentenspielerinnen Mode wurden, welche zu einem guten Schmause unumgänglich [249] gehörten. Nach Tische spielte man Würfel, die schon in den Zeiten der Republik Gebrauch waren; denn obgleich das Spiel durch die römischen Gesetze, außer den Saturnalien, verboten war, so wurde doch dieses Verbot wenig geachtet. Beim Abschiednehmen erhielten die Gäste von ihrer Wirthinn Geschenke, welche sie Apophoreta nannten.

Es herrschte bei ihnen auch noch eine niedrige und abscheuliche Gewohnheit, die indessen bei mehreren alten Völkern im Gebrauch war: sie zwangen sich nehmlich zum Erbrechen, um ihren Appetit zu erwecken, und von neuem essen zu können. Dieses zu bewirken, tranken sie einen gewissen leichten Wein, der diesen Zweck beförderte. Seneka sagt: »sie übergeben sich, um zu essen, und essen, um sich zu übergeben; sie nehmen sich nicht Zeit, die Speisen zu verdauen, die sie mit so grossen Kosten vom Ende der Welt herkommen lassen.«

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 245-250.
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