3.


[258] Ich habe bei Gelegenheit meines Wiener Gastspieles von dem fühlbaren Mangel an hervorragenden Darstellungskräften für die Tragödie gesprochen. Seit Sofie Schröder sich vorzugsweise den älteren Heldinnen zugewendet hatte, fehlte dem Burgtheater[258] eine bedeutende Darstellerin für das Fach der jugendlichen Liebhaberinnen und Heldinnen.

Um diese Lücke genügend auszufüllen und die Gesammtleistungen im Trauerspiele jenen im Lustspiele ebenbürtig zu machen, warf Schreyvogl, unablässig thätig, spähende Blicke nach allen deutschen Bühnen, die endlich auf Mannheim haften blieben.

Dort machte ein jugendlich blühendes Mädchen von kaum 19 Jahren ganz ungewöhnliches Aufsehen.

Sofie Müller war einer jener Lieblinge der Natur, bei deren Schöpfung die gütige Allmutter das Füllhorn ihrer Gaben ausschüttet, und einem auserkorenen Wesen ein Cumulat von Eigenschaften verleiht, die sie sonst mit ausgleichendem Gerechtigkeitssinne auf eine Reihe van Erdenkindern vertheilt.

Eine blühende Gestalt, von so ebenmäßiger Fülle der Formen, mit einem so angenehmen Verhältnisse zwischen Klein und Groß, daß sie gemeißelt schien, um sich jeder Sphäre der Bühnendärstellung anschmiegen zu können; liebliche Gesichtszüge und ein Auge, das von sittlicher Reinheit und geistigem Leben strahlte, machten Sofie Müller zu einer der reizendsten Frauenerscheinungen, durch welche die deutsche Bühne geweiht und verherrlicht worden ist.

In diesen schönen Körper mit der schönen Seele hatte eine andere Göttin, die tragische Muse, den belebenden Athem künstlerischer Weihe gehaucht, den befruchtenden Samen des Talentes niedergestreut.

Sofie Müller gehörte jenen genialen Schauspielernaturen an, die, wie Ludwig Devrient, unwillkürlich Wunderbares[259] schaffen müssen, die niemals fehlgreifen innerhalb der Grenzen ihres unerschöpflichen Naturells. Sie werfen in fast kindlicher Unbefangenheit ihre kostbaren Perlen aus und wissen selbst nicht, welche Schätze sie der Welt zu Füßen legen.

Aber das Genie hat sein besonderes Schicksal. Der Götterfunke, dem Sterblichen im Uebermaße verliehen, wird zum flüssigen Feuer, das statt Blutes die Adern durchströmt. Entweder schlagen diese Flammen in die Außenwelt und der Götterliebling sucht sich an den Genüssen der Sinnenwelt zu betäuben, oder das überirdische Feuer, ein anderes Brautgeschenk Kreusa's, zerfrißt das Innere des sterblichen Gefäßes, bis der zerstörte Organismus zerfällt und zerstäubt.

Es erfüllte sich bei Sofie Müller. Sie hatte in wenigen Jahren eine Stufe erstiegen, die ihr in der Kunstgeschichte eine Stelle neben den ersten Größen deutscher Bühnenwelt sicherte. Aber diese Siegeslaufbahn sollte nur kurz sein, vielleicht weil sie zu stürmisch war. In hastig schaffender Ungeduld hatte sie ihre triumphirenden Fahnen nach dem Norden getragen; das ruhig überlegende Berlin, das kunstsinnige Dresden hatte ihr im feurigsten Enthusiasmus gehuldigt. Aber Sofie ward zur Semele, die Glorie, womit ihre Göttin sie umgab, verzehrte sie.

Bald nach diesem letzten Triumphzuge stellten sich die Vorboten eines körperlichen Leidens ein. Periodische Heiserkeiten, Hustenanfälle begannen ihre künstlerischen Eingebungen zu beirren. Das Hinderniß zu besiegen, wollte sie, was ihr an innerlichem Ausdruck versagte, durch äußere Zuthat ersetzen. Sie wollte gewaltig erscheinen und übernahm sich, sie wollte liebenswürdig[260] sein und ihre herrliche Naivetät bekam einen Beigeschmack von Geziertheit.

Das sah ihre vorsorgende Mutter, die Natur. Um ihr geliebtes Kind vor einer unfreiwilligen Verirrung zu bewahren, um ihre herrliche Erscheinung den Zeitgenossen nicht durch Alter und Siechthum zu verkümmern, nahm sie das liebliche Geschöpf ihrer zärtlichsten Laune zu sich, ehe es von der Zeit angehaucht war. Ein Brustleiden fesselte die unvergleichliche Künstlerin durch fünfzehn Monate an die Krankenstube, und am 19. Juni 1830, als in ihrem Garten zu Hietzing alle Rosen in der Blüte standen, entblätterte die schönste unter ihnen die kalte Hand des schonungslosen Todes.

Im Frühling 1822 kam mit den ersten Schwalben dieses Paradiesvögelchen geflogen.

Wien, von dem Zauber der Schönheit und der Kunst gefesselt, warf sich huldigend ihr zu Füßen. Sofie Müller war dankbar; sie war freilich klug genug, den Zauber, in welchen sie Wien gebannt hielt, niemals zu lösen, aber für Liebe gab sie Liebe und warf im Dienste ihrer Kunst ihr junges Leben aufopfernd hin, um die entzückenden Träume ihrer begeisterten Bewunderer nicht zu stören.

Zu Ostern 1822 traten umfassende Pensionirungen ein. Nebst Lange, Ziegler, Klingmann und vielen Anderen trat auch Ochsenheimer in Ruhestand. Ochsenheimer war für mich eines der traurigsten Beispiele schauspielerischer Vergänglichkeit. Wo ich früher Charakteristik bewunderte, starrte mich Caricatur an. Sprache, Organ, Haltung, Gedächtniß waren verloren und Ochsenheimer ging in den letzten Jahren, von seinem[261] Lieblingsaufenthalt, dem Naturaliencabinet, wo seine Kenntnisse glänzten, nach dem Theater, um Mitleid und Lachen herauszufordern.

Nachdem Prag dem Hofburgtheater bereits Sofie Schröder und Julie Löwe abgetreten hatte, sollte es noch einen dritten Edelstein aus seinem Künstlerkreise an Wien verlieren. Friedrich Wilhelmi, eine der eigenthümlichsten Erscheinungen des deutschen Theaters.

Wilhelmi kam nach Wien mit der ursprünglichen Bestimmung, Ochsenheimer im Fache der Intriguants und Charakterrollen zu remplaciren. Wirklich übernahm er auch einen großen Theil dieses Repertoires und vertrat dasselbe ganz ehrenvoll durch eine Reihe von Jahren.

Einem Kenner wie Schreyvogl konnte es aber nicht lange entgehen, daß in der seltenen Künstlerindividualität ganz andere Elemente ruhten. In so mancher Rolle hatten einzelne Züge und Blitze eine ausgesprochene humoristische Begabung verrathen und bald machte Schreyvogl Versuche in dieser Richtung, wozu ihn die vorrückenden Jahre und die periodische Kränklichkeit Krüger's veranlaßten. Diese Proben fielen immer glänzender aus und Schreyvogl konnte nach Krüger's Tode dessen Fach mit voller Beruhigung in Wilhelmi's Hände legen.

Was Wilhelmi in diesem Fache geleistet hat, ist nicht nur in Wien, es ist in ganz Deutschland bekannt.

Wilhelmi selbst fühlte sich in dem Fache, für welches er nach Wien berufen worden war, nicht heimisch und oftmals versicherte er mich in späteren Jahren: »Siehst du, weeßt du, mein Alterchen, diese lustigen Gewänder (mittelalterliche[262] oder antike Costumes) sind nichts für mich, aber siehst du, weeßt du, so in hohen Kanonenstiefeln und in einem einfachen Rocke, da bin ich zu Hause.«

Sein Wunsch nach der Richtung seines von ihm selbst empfundenen Talentes ging denn, wie gesagt, bald in Erfüllung. Neben Lasarra, Jago, neben Heldenvätern wie Verrina, neben Anstandsrollen wie Gouverneur in »Benjowsky«, Amias Paulet, neben Alba und Geßler spielte er bereits um die Mitte der Zwanzigerjahre sein Glanzfach der alten Militärs, worin er keinen Nebenbuhler fand, und mit dem Tode Krüger's trat er sein unbeschränktes Monopol der humoristischen Väter an.

Wenn Wilhelmi den Kopf zur Thür hereinsteckte, so lachte jedem Zuschauer das Herz, die behaglichste Heiterkeit kam mit ihm und begleitete ihn bis zur Coulisse, der grämlichste Kritiker stand vor diesen außerordentlichen Wechselwirkungen zwischen Wilhelmi und seinem Publicum entwaffnet und hatte nichts Besseres zu thun, als in die rauschende Anerkennung einzustimmen.

Dieser Meister der Jovialität, der liebenswürdigsten Laune hatte das beneidenswerthe Schicksal seiner Collegin Sofie Müller. Wilhelmi hatte weder Feinde noch Neider, die Liebe seiner Zeitgenossen begleitete ihn durch seine lange Laufbahn, und in dem Augenblicke, wo Alter und Krankheit seine künstlerische Thätigkeit zu beeinträchtigen drohten, endete ein freundliches Geschick auch seine Lebenstage.

Von Wilhelmi einzelne Rollen aufzuführen, ist ein unnützes Geschäft. Fast jede humoristische Rolle, die vor das[263] Jahr 1848 zurückreicht, ist seine Schöpfung. Fast jeder Schriftsteller seiner Zeit verdankte ihm einen Theil seiner Anerkennung, und namentlich Bauernfeld wird mit dankbarer Erinnerung keinen Augenblick Anstand nehmen, ein Blatt seines reichen Dichterkranzes ebensowohl an Wilhelmi, wie an Costenoble, Korn, Fichtner, Caroline Müller und Elise Fichtner abzutreten.

Ich hatte Ende 1821 das erste Christfest in Wien zugebracht. Für einen Abkömmling protestantischer Eltern gehört das Bescherungssest und die Feier der Sylvesternacht beinahezuden Cultusgegenständen. Auf mich hatten sie von Kindesbeinen an einen ehrwürdigen Eindruck gemacht. Die ideale Richtung meiner Natur, der Reiz, den das Wunderbare und Märchenhafte von jeher auf meine Fantasie ausgeübt hatte, ließ mich mit der Weihnachtsfeier einen poetisch religiösen Grundgedanken verbinden und die Gegenwart trat fast in den Hintergrund, wenn die süß geheimnißvolle Zeit heranrückte. Ich war immer ein großer Kinderfreund gewesen. Kaum hatte ich daher einen eigenen Haushalt gegründet, als ich mich beeilte, dem Bedürfnisse meines Herzens zu folgen und die Christbescherung in immer größeren Dimensionen zu begehen. Hier konnte ich über meine Kräfte verschwenden.

Als ich nun zur Weihnacht 1821 die vorbereitenden Einkäufe besorgen wollte, war ich nicht wenig erstaunt, auf beinahe gänzliches Unverständniß dieser lieblichen Feier zu stoßen. Es kostete mir Mühe, ein Tannenbäumchen aufzutreiben. Als ich mein Verlangen auseinandersetzte, hörte ich an[264] allen Verkaufsorten die verwunderte Frage: »Christbescherung? was ist das? Ah, Sie meinen den Niklo?«

Ich befand mich allerdings in einem katholischen Lande, wo man eigentlich von diesem Feste keine Notiz nimmt. Es war ja in Frankreich nicht anders. Dennoch wunderte ich mich, daß das lebensfrohe, fast kindliche Wien nicht längst eine freundliche Sitte nachgeahmt hatte, welche durch die Gemalin des Erzherzogs Carl, eine protestantische Fürstin, doch schon bekannt sein mußte. Und doch hatte dieses unvergleichliche Kinderfest factisch noch keine rechte Verbreitung gefunden.

Ich war eine bekannte Persönlichkeit, meine Einkäufe und Anstalten fielen auf, ein Freundeskreis, der die Vorbereitung meiner Mysterien mit Interesse beobachtete, hatte nichts Eiligeres zu thun, als meinem Beispiele noch in demselben Jahre zu folgen und ich kann wirklich sagen, daß mein Eintritt in Wien nicht wenig dazu beigetragen hat, das Christfest so schnell in allgemeine Aufnahme zu bringen, denn schon im nächsten Winter wurden förmliche Waldungen nach Wien geschleppt, und alle Spielwaarenhändler und Kaufleute richteten sich für die neuen Marktbedürfnisse ein.

Dieses Weihnachtsfest war mir dadurch besonders von Interesse, weil es Schubert zum ersten Male in mein Haus brachte. Franz Schubert war eines der thätigsten Mitglieder der ehemaligen fröhlichen Unsinnsgesellschaft. Dort hatten meine Brüder seit Jahren mit ihm in intimster Weise verkehrt und durch meine Geschwister kam er auch in mein Haus. Sein zweiter Besuch bei mir fiel auf einen in ganz anderer Weise bewegten Abend.[265]

Ich hatte einen Kreis von Freunden, mit ihnen auch Schubert zu mir geladen; es waren darunter eine Anzahl junger Damen und Männer. Meine Frau war selbst noch jung, mein Bruder Gustav ein leidenschaftlicher Tänzer und bald verwandelte sich die Conversation zum Tanze. Schubert, der schon ein paar Clavierstücke zum Besten gegeben hatte, setzt sich selbst in der heitersten Laune an das Instrument und spielt zum Tanze auf. Alles schwingt sich im Kreise, man lacht, man trinkt. Plötzlich werde ich abgerufen, ein fremder Herr will mich sprechen. Ich trete in das Vorzimmer. »Was steht zu Diensten, mein Herr?«

»Sie haben Tanzunterhaltung?«

»Man kann es so nennen, die jungen Leute springen herum.«

»Ich muß Sie ersuchen, das einzustellen, wir sind in den Fasten.«

»Wie kommen Sie dazu, wenn ich fragen darf?«

»Ich bin der Polizeicommissär N. N.«

»Ja so! Nun wohl, Herr Commissär, was habe ich zu thun? Muß ich etwa meine Gäste nach Hause schicken?«

»Ich verlasse mich auf Ihr Wort, daß nicht getanzt wird.«

Als ich mit der Hiobspost in das Gesellschaftszimmer trat und die Polizei nannte, stob in parodirendem Schrecken Alles auseinander. Schubert aber meinte: »Das thun's mir zu Fleiß, weil's wissen, daß ich gar so gern Tanzmusik mach!«

Schubert kam nun oft in mein Haus. Er war eine grundehrliche, treuherzige Natur, die man lieb gewinnen mußte.[266]

Das durch Kurzsichtigkeit blöde Auge leuchtete, wenn er musicirte oder über Musik sprach. Letzteres that er sehr gern, wobei sein stehendes Thema war, über den schlechten Geschmack des Publicums und über die italienische »Dudelei« zu raisonniren. Diesen Inhalt hatte selbst noch sein letztes Gespräch mit mir. Ich begegnete ihn kurze Zeit vor seinem Tode in einer Allee des Burgglacis. Nicht lange vorher hatte die Pachtunternehmung Barbaja's im Hofoperntheater aufgehört und Graf Gallenberg hatte die Direction übernommen. Wir kamen darauf zu reden. »Gott sei Dank,« meinte Schubert, »daß wir diese türkische Musik los sei'n!«

»Ich will die Ansichten eines Kunstverständigen nicht bestreiten, aber ich verdanke doch der Unternehmung Barbaja's viele genußreiche Stunden. Denken Sie an Lablache, Rubini, Tamburini, Donzelli, an die Fodor.«

»No ja, es ist Alles recht schön, aber lassen's mich mit der Musik aus. Mir kommts manchmal vor, als gehörte ich gar nicht mehr in diese Welt.«

Er sollte wahr gesprochen haben.

Eine noch interessantere Bekanntschaft brachte mir der Sommer 1822.

Ich hatte meinen Aufenthalt in Döbling genommen. Die beständige Witterung dieses außerordentlichen Weinjahres lockte mich natürlich oft nach den anmuthigen Partien des nahen Hügellandes.

Ich hatte eines Tages ganz in der Nähe Heiligenstadts eine Einsattlung betreten, welche von zwei Hügelreihen gebildet wurde, und welche nebst einem Fußsteig nur noch Raum[267] für ein geschwätziges Bächlein gewährte. In Gedanken zwischen Gebüschen und Baumgruppen dahinschlendernd, weckt mich plötzlich ein unerwarteter Anblick. Auf dem Wiesengrunde des Hügelabhanges zwischen Bäumen und dem Bache sehe ich einen Mann gelagert, in etwas ungeordneter Kleidung, den gedankenschweren, geistreichen, wildschönen Kopf in die linke Hand gestützt, und den Blick auf ein Notenblatt geheftet, in das er mit der Rechten mystische Runenzüge eingrub, während er in den Zwischenpausen mit den Fingern trommelte.

Ah, Beethoven! rief ich in Gedanken aus.

Ich hatte ihn eine Weile mit dem höchsten Interesse beobachtet, und wollte mich soeben, um ihn in seinen Künstlerträumen nicht zu stören, nach der Richtung, woher ich gekommen, wieder zurückziehen, als er plötzlich das Haupt erhob, und unsere Blicke sich begegneten. Ich grüßte ihn, was er kurz erwiederte.

Unwillkürlich gefesselt, trat ich näher und entschuldigte, daß ich ihn gestört hätte.

»Der Weg ist für Jedermann.«

»Darf ich wissen, was da gerade im Entstehen ist?«

»Dummes Zeug! Ein Orchesterstück, das ich hier aufführen will, um die Gelsen (Mücken) nnd Ameisen zu vertreiben.«

Hiermit war die Unterhaltung aus. Er starrte in das Notenblatt, trommelte, schrieb und vergaß ganz und gar auf den Nachbar.[268]

Endlich entfernte ich mich leise, und er war so verloren, daß er es nicht bemerkte.

Ich begegnete ihn nun öfter. Obwohl damals schon sehr schwerhörig, war er doch dem Umgang mit Menschen noch nicht ganz verschlossen. Wir wurden bald näher bekannt.

Eines Tages begleitete ich ihn eine Strecke. Wir sprachen über Kunst, Musik und endlich über Lear und Macbeth.

Wie zufällig warf ich die Bemerkung hin, daß mich schon öfter der Gedanke beschäftigt habe, ob er nicht als Seitenstück zur Egmont-Musik den Macbeth musikalisch illustriren sollte?

Der Gedanke schien ihn zu elektrisiren. Er blieb wie angewurzelt stehen, sah mich mit einem durchdringenden, fast dämonischen Blicke an, und erwiederte hastig: »Ich habe mich auch schon damit beschäftigt. Die Hexen, die Mordscene, das Geistermahl, die Kesselerscheinungen, die Nachtwandlerscene, Macbeth's Todesraserei!«

Es war im höchsten Grad interessant, seinem Mienenspiele zu folgen, in welchem sich die blitzschnellen Gedanken jagten. In wenigen Minuten hatte sein Genius das ganze Trauerspiel durchgearbeitet.

Bei der nächsten Frage, die ich an ihn richtete, drehte er sich um und rannte nach einer flüchtigen Begrüßung davon.

Leider aber war seiner stürmischen Erregung nicht die That gefolgt. Als ich nach einiger Zeit das Thema noch einmal berührte, fand ich ihn verdrießlich und schwieg. Welcher Schatz ist der Musikwelt durch die wachsende Verdüsterung seines Innern entzogen worden! Was müßte Macbeth mit Unterstützung seiner Töne geworden sein!
[269]

Quelle:
Anschütz, Heinrich: Erinnerungen aus dessen Leben und Wirken. Wien 1866, S. 258-270.
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