I.

Das liebe Geld!

[929] 929. Geld ist bekanntlich das, was man nie hat, aber immer braucht; nach einer anderen, etwas sachlicheren Definition ist das Geld ein Tauschmittel, ohne das ein ausgebildeter Tauschhandel unmöglich wäre. Geld heißt lateinisch pecunia, dies ist gebildet nach pecus, das Vieh, weil man in den frühesten Zeiten mit lebendem Vieh bezahlte. Wer sein Weib, seine Sklavin oder sonst irgend etwas, was er gerne los sein wollte, an einen anderen abtrat, erhielt dafür schöne Ochsen, fette Schafe oder junge Tauben.

Ohne Geld kann selbst der beste Mensch nicht leben und darum müssen die Menschen, die nicht als Millionäre auf die Welt kamen, arbeiten und verdienen – das, was man verdient, nennt man bei dem Offizier Gage, bei dem Beamten Gehalt, bei dem Arbeiter Lohn, bei dem Künstler Honorar, bei dem Geschäftsmann Verdienst.

Der Name thut nur wenig zur Sache, weit wichtiger ist, daß die wenigsten nach ihrer Meinung genug verdienen. Es wäre schön, wenn mit den steigenden Einnahmen sich die Bedürfnisse verringerten, und man sollte dies eigentlich annehmen, da man doch mit jedem Jahr älter wird und alte Leute bedürfnisloser sein sollten, als die Jugend. Leider ist gerade das Gegenteil der Fall: je mehr einer verdient, desto mehr giebt er aus und man gebraucht von Jahr zu Jahr mehr, anstatt weniger.

Es ist schrecklich, wieviel man braucht und was heutzutage alles zum Leben nötig ist – das ist eine Klage, die man jede Minute sechzigmal hören kann.

Wir geben hierbei dem Leben die Schuld, aber in Wirklichkeit haben wir ganz allein die Schuld. Wir würden viel billiger leben und viel weniger gebrauchen, wenn wir soviel Stolz und Selbstbewußtsein hätten, daß wir uns nicht nach den anderen richteten, sondern wenn wir es den anderen überließen, sich nach uns zu richten.

Eher aber geht die Welt unter, als daß wir dies thun. Weil unser Kollege M. für seine Wohnung zweitausend Mark ausgiebt, können wir nicht für tausend Mark wohnen, und wenn sogar der Assessor auf seinem Diner französischen Champagner giebt, können wir, die wir zwei Rangstufen über ihm stehen, keinen deutschen Schaumwein geben.

In Wirklichkeit würden die Bedürfnisse nur dann wachsen, wenn die zum Leben notwendigen Dinge sich thatsächlich vermehrten, das aber ist nicht der Fall. Heute braucht man, um zu leben, um nicht zu verhungern, genau dasselbe wie bei der Erschaffung der Welt – alles, was wir uns einbilden, sonst zu gebrauchen, um existieren zu können, als da sind gefüllte Artischocken, Schwalbennestersuppe, Bartbinden, elektrisches Licht, Diamantringe, Pferd und Wagen, elegante Kostüme aus Paris, das Stück wenigstens zu 1000 Fr. etc. etc., alle derartige Dinge sind entbehrliche Bedürfnisse und alles, was man entbehren kann, sich aber dennoch anschafft, ist Luxus.

[929] 930. Verschwendung ist ein Güterverbrauch, welcher die künftigen Bedürfnisse und ihre Befriedigung nicht in vernünftigen Einklang bringt; ein Verschwender ist, wer da mehr ausgiebt, als er hat. Ein vielfacher Millionär, der wie ein Wahnsinniger drauf los lebt, aber trotzdem nicht mehr ausgiebt, als ihm die Zinsen seines Kapitals einbringen, ist kein Verschwender – wohl aber ist das derjenige, der im Jahr vielleicht dreitausend Mark zu verzehren hat, aber viertausend Mark gebraucht.

[930] 931. Der sparsame Mensch bringt seine Einnahmen und Ausgaben genau in Einklang, er sagt sich: soviel habe ich, folglich darf ich nur soviel ausgeben, denn für schlechte Zeiten muß ich einen bestimmten Teil meines Einkommens zurücklegen. Ich kaufe mir, was ich brauche, aber ich vermeide die unnötigen Ausgaben und selbst bei den Dingen, die ich zum Leben nötig habe, kaufe ich nicht blindlings darauf los, sondern ich sorge zuerst für den wichtigsten Bedarf, dann erst für das Uebrige.

[931] 932. Der Geiz ist die Wurzel alles Uebels und der Geizige verzichtet auf alles, was es giebt, er vernachlässigt seine Nahrung, seine Kleidung, seine Bildung, soweit sie mit Kosten verbunden ist, nur um Geld zurückzulegen, und der Anblick seiner Tausendmarkscheine läßt ihn Hunger und Durst vergessen, den Verfall seiner körperlichen und geistigen Kräfte übersehen.

Geizige Menschen sind schon deshalb schrecklich, weil sie ihren Mitmenschen dadurch das Leben verbittern, daß sie alles, was wir thun, unbegreiflich finden: sie tadeln uns, wenn wir ein Glas Bier trinken, weil man den Durst auch mit Wasser löschen kann; sie schelten, wenn wir rauchen, weil man auch ohne Tabak leben könne; sie finden es unbegreiflich, daß man in die Pferdebahn steigt, weil man die Füße zum Gehen hat und weil das Gehen doch viel gesünder ist; sie erklären uns für Verschwender, wenn wir im Sommer einen anderen Anzug tragen, als im Winter, und sie halten uns für geisteskrank, wenn wir uns die Hände nicht nur mit Wasser, sondern sogar mit Seife waschen, denn Seife ist teuer – unter Umständen hat der Geizige hierin recht, es giebt Seifen, die das Stück zwanzig bis fünfundzwanzig Mark kosten.

Wer weise ist, wählt die Mitte, und wer nicht nur für den Augenblick glücklich sein will, sondern daran denkt, daß man unter Umständen sehr alt wird und dann auch noch leben muß, wird weder ein Verschwender, noch ein Geizhals sein, er wird sparsam werden und das Kapital, das er hat, zu behalten und zu vermehren suchen. Hat er noch kein Kapital, so wird er sich bemühen, sich eins zurückzulegen.

[932] 933. Das Kapital ist jedes Gut, das einen Nutzen abwirft: es braucht deshalb nicht immer bares Geld zusein, das man in einem feuer- und diebessicheren Geldschrank aufbewahrt, sondern es kann auch jedes beliebige andere Ding sein, das Nutzen trägt, als da sind: Zinshäuser, Fabriken, Bergwerke und was es sonst noch immer giebt.

[933] 934. Ein totes Kapital ist ein Gut, welches keinen Nutzen abwirft – wenn man die Papiere eines Staates kauft, der aus wirtschaftlichen Nöten keine Zinsen zahlt, so sind die hunderttausend Mark, die man in diesen Papieren anlegte, ein totes Kapital. Auch wer eine goldene Uhr im Werte von 2000 Mark auf seinem Leibe spazieren trägt, führt ein totes Kapital mit sich herum, das ihm bei besserer Anlage jährlich etwa 100 Mark Zinsen einbringen würde.

[934] 935. Der Zins ist die Vergeltung für die Kapitalsnützung, die man dafür erhält, daß man einem anderen, einerlei ob dies ein Staat, ein Privatmann oder ein geschäftliches Unternehmen ist, sein Kapital zur Ausnützung überläßt.

Jeder, der sein Geld irgendwie ausleiht, bekommt darüber einen Schuldschein.

[935] 936. Obligation ist die öffentliche Schuldverschreibung der Staaten, Gemeinden und Kreditinstitute, das schriftliche oder gedruckte Schulddokument.

[936] 937. Aktie ist die Urkunde, welche von einer Gesellschaft über die Beteiligung von Gründungskapital ausgestellt wird. Der Besitzer einer Aktie ist Aktionär: der Gewinn, der an die Aktionäre verteilt wird, heißt Dividende.

[937] 938. Effekten sind alle verzinslichen Wertpapiere, die aus Staatspapieren, Obligationen der Städte, Provinzen, Eisenbahngesellschaften und Banken, Pfand-und Rentenbriefen, Aktien und Losen bestehen.

[938] 939. Coupons ist die den Staatsobligationen und Aktien auf eine Reihe von Jahren behufs der Erhebung der terminlichen Zinsen und Dividenden beigegebenen Quittungen, welche zur Verfallzeit abgeschnitten werden, um an die Auszahlungsstelle zurückzugelangen. Der die Coupons enthaltende Bogen heißt Zinsbogen, an dessen Ende sich der sogenannte Talon befindet, gegen dessen Rückgabe, wenn die daran befindlichen Coupons ausgezahlt sind, der neue Zinsbogen ausgehändigt wird. Dient der letzte Coupon zu diesem Zweck, so heißt er »Stichkoupon«.

[939] 940. Scheck ist ein Papier, dessen Aussteller eine Bank beauftragt, dem Ueberbringer eine gewisse Summe entweder bar auszuzahlen oder auf dessen Konto gut zu schreiben. Der Scheck trägt also den Charakter und hat auch die Form der Anweisung, unterscheidet sich aber von letzterer insofern, als er nicht wie diese auch auf Grund eines Kredits ausgestellt ist, sondern ein Guthaben des Ausstellers bei der Bank voraussetzt, auf welche er gezogen ist.

Das sind so Sachen, die man als gebildeter Europäer wissen muß, die man aber meistens, wenn man nicht eben ein Geschäftsmann ist, nicht weiß und die doch zur Bildung gehören, wenn man sich nicht nur unsterblich blamieren, sondern sich auch unter Umständen ganz verteufelt bei den Geldgeschäften über das Ohr hauen lassen will.

Wer von Geldgeschäften nichts versteht, sollte sich stets einem Bankier anvertrauen, aber nicht dem ersten besten, an dessen Hausthür er gerade vorbeigeht, sondern er soll sich erst nach dem Ruf der Bank erkundigen, der er sein Vermögen anvertrauen will. Gar mancher ist schon an den Bettelstab gekommen, weil er die nötige Vorsicht außer acht ließ. Wer zu einer Privatbank kein Vertrauen hat, setze sich mit der Reichsbank in Verbindung, die in allen, nur einigermaßen großen Städten, Filialen oder Reichsbanknebenstellen besitzt: dort kann jeder sicher sein, auf alle Anfragen die gewissenhafteste Auskunft zu erhalten, auf das Beste und Solideste bedient zu werden.

[940] 941. Die Anlage des Kapitals ist namentlich für Damen eine sehr schwierige Frage. Nehmen wir einen Fall an: Der Mann stirbt und ist bei einer Lebensversicherung mit, sagen wir, fünfzigtausend Mark versichert. Wenige Tage nach dem Tode wird das Kapital ausgezahlt und die Witwe befindet sich in der Notlage, das Geld anlegen zu müssen, um die Zinsen zu erhalten. Solange der Mann noch lebte, hat dieser stets alle Geldgeschäfte besorgt, die Frau ist aber in derartigen Dingen ziemlich unerfahren, sie dreht die fünfzig Tausendmarkscheine in der Hand herum und frägt sich: was mache ich damit?

Die Dame müßte keine Dame sein, wenn sie das Geld nicht zuerst in ihre Kommode einschließen und sich damit der Gefahr aussetzen würde, entweder bestohlen zu werden oder durch ein Feuer, das ausbrechen kann, vielleicht um ihr ganzes Vermögen zu kommen.

Die Witwe will sich die Sache erst in Ruhe überlegen. Sie vergißt, daß jeder Tag für ein Kapital, das müßig liegt, einen Zinsverlust bedeutet, und von den Zinsen will sie doch leben! Der Aufenthalt des Geldes in der Kommodenschieblade verringert ihre Einnahmen, auf die sie mehr oder weniger angewiesen ist.

Nach einiger Zeit fällt ihr ein, daß sie sich doch nun ernstlich um die Sache kümmern müsse, sie frägt ihre Bekannten und Freunde um Rat und jeder sagt etwas anderes.

Der eine sagt: »Kaufe dir preußische Konsols, die Dinger bringen zwar nur 31/2%, aber sie sind sicher und das ist für dich die Hauptsache.«

Der zweite sagt: »Preußische Konsols sind ein Unsinn. Wie willst du denn mit 31/2% auskommen, das sind im Jahr nur 1750 Mark Zinsen, das ist zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Du mußt, wenn du nicht verhungern willst, wenigstens 6% mit deinem Gelde machen. Kauf dir irgend ein Industriepapier, da bekommst du unter Umständen 10% Dividende oder gar noch mehr.«

»Wie kannst du nur so etwas raten,« ruft der dritte, »nie darf Frau Bertha sich Industriepapiere kaufen, die können fallen, die Fabriken können Konkurs machen und das ganze Geld ist verloren. Nie und nimmer gebe ich das zu. In einem Punkt gebe ich dir aber recht, 31/2% ist zu wenig. Es giebt ja aber auch noch andere Staaten, ich denke eben an Schweden. Die Papiere stehen gut und geben 4%, die serbische Goldrente giebt sogar 5%, die muß sie sich kaufen.«

»Eine Hypothek ist das einzig richtige,« ruft der vierte, »die bringt unter Umständen sogar sechs Prozent.«

»Kauf dir Aktien der elektrischen Straßenbahn,« meint der fünfte, »das ist sicher wie Gold, die Dinger steigen von Tag zu Tag. Natürlich stehen sie sehr hoch, ich glaube augenblicklich auf 213, dafür geben sie aber auch 15% Dividende, das sind immer noch sieben Prozent.«


Der Witwe wird von alledem so dumm

Als ging ihr ein Mühlrad im Kopf herum.


Sie hat von alledem, was die anderen ihr erzählen, keine Ahnung, sie versteht nichts davon und beschließt, sich erst aufklären zu lassen, sich die Sache zu überlegen, zu beschlafen und die Papiere einstweilen noch in der Kommode liegen zu lassen, – daß sie wieder einen Zinsverlust erleidet, bedenkt sie nicht.

Am nächsten Tag sieht sie in der Zeitung den Kurszettel, sie nimmt ihn vor die Augen, – aber sie versteht nichts von dem, was sie liest.

[941] 942. Kurs bedeutet den Preis von Staatspapieren und Aktien, die sich im Handel befinden und bald höher, bald niedriger im Preise stehen. Ob ein Papier fällt oder steigt, ist davon abhängig, ob die Nachfrage groß oder klein ist. Portugiesische Papiere, die zur Zeit so gut wie gar keine Zinsen bringen, will natürlich niemand kaufen – damit aber doch jemand auf sie hineinfällt und sie dem, der sie los sein möchte, abnimmt, werden sie spottbillig verkauft: sie stehen momentan auf 30, das heißt, für 30 Mark unseres Geldes bekomme ich portugiesische Papiere im nominellen Werte von 100 Mark – allerdings existiert dieser Wert vorläufig nur auf dem Papier. Oder ein anderes Beispiel: ich kaufe ein deutsches Papier, dessen Kurs auf 80 steht, dann bezahle ich für 1000 Mark dieser Aktien nicht 1000 Mark, sondern nur 800 Mark. Für 4000 Mark erhalte ich also Aktien, die einen Nennwert von 5000 Mark haben, selbstverständlich bekomme ich dann auch die Zinsen von 5000 Mark, weil ich eben thatsächlich für 5000 Mark gekauft habe.

Der Zinsfuß ist bei diesen billigen Papieren entweder sehr gering, oder die Sicherheit des Papiers ist nicht viel wert. Die Serben stehen ungefähr auf 60, bezahlen aber 4% Zinsen. Die Stunde kann aber kommen, wo die Serben selbst mit 30 umsonst ausgeboten werden, weil sie keine Zinsen oder geringe Zinsen bezahlen. Wer dann seine Serben, die er heute mit 60 kauft (hier also für 1000 Mark serbische Papiere im Nennwerte von 1250 Fr. = 1000 Mark) wieder verkaufen will, um sein Geld anderweitig anzulegen, der verliert bei jeder Aktie mehr als ein Drittel.

Das ist zwar auch ein Geschäft, aber keines, bei dem man reich werden kann, und wer wenig hat und dieses wenige nicht verlieren will, sollte sich nur sichere Papiere kaufen, das heißt solche Papiere, bei denen es ausgeschlossen ist, daß sie eines Tages keine Zinsen mehr bezahlen oder daß sie plötzlich konvertieren, den Zinsfuß herabsetzen. Dies wird in der Weise gemacht, daß der Staat die zu konvertierende Anleihe aufkündigt und die Gläubiger zur Zurückziehung ihrer Darlehen oder zum Umtausch der alten Obligationen gegen neue, mit herabgesetztem Zinsfuß auffordert.

Die erste Rubrik im Kurszettel zeigt an, zu welchem Preis die Papiere auf der Börse notierten. Cr. bedeutet Geld, Ges. heißt Gesucht, B. bedeutet Brief (angebotenes Papier anstatt Geld), bez. bedeutet bezahlt, was sagen soll, daß zu dem angeführten Kurse wirklich Umsätze stattgefunden haben.

Der amtliche Kurszettel geht von der Börse eines Wechselplatzes aus, wo sie unter öffentlicher Autorität von der Gesamtheit der beeidigten Makler oder unter deren Mitwirkung durch die Vorsteherschaft nach Beendigung der Börsenversammlung auf Grund der von den Maklern geschlossenen Geschäfte gefertigt wurden.

Die Privatkurszettel, welche meistviel ausgedehnter sind, als die amtlichen, werden von den Bankiers eines Wechselplatzes ausgegeben und von diesen an ihre Korrespondenten verteilt. Steht der Kurs hier in der ersten Kolumne, so bedeutet es, daß das Papier zu dem angegebenen Kurse gesucht war, dagegen bedeuten die in der zweiten Kolumne stehenden Kurse, daß das Papier ausgeboten war.

(Allen, die einen Einblick in die Geheimnisse der Geldgeschäfte gewinnen wollen, sei »Der Kleine Meier-Rothschild« (Verlag für Sprach- und Handelswissenschaften, Berlin), dem ich die obigen Erklärungen entnommen habe, auf das wärmste empfohlen.)

Unsere arme Witwe studiert immer noch den Kurszettel; was heißt das: das Papier steht 225?

Das bedeutet: will ich mir für 1000 Mark Aktien dieses Geschäftes kaufen, so muß ich dafür 2250 Mark bezahlen. Auf die Kosten kommt man bei diesem Handel dadurch, daß die Papiere, die so hoch im Kurs stehen, auch immer eine sehr hohe Dividende bezahlen.

Giebt ein derartiges Papier z.B. 15% Dividende, so habe ich, selbst wenn ich für 1000 Mark die Summe von 2250 Mark bezahlen muß, immer noch mehr als 6%.

Und das genügt.

Haben diese Papiere den Vorzug, totsicher zu sein, so sind sie natürlich sehr schwer zu kaufen. Wer sie hat, giebt sie nicht aus der Hand und der Kurszettel macht dann einen –. Das heißt: Papiere sind an der Börse nicht zu haben.

Wer aber die Absicht hat, sich dennoch in den Besitz solcher Aktien zu setzen, müßte seinem Makler oder seinem Bankier stets den Auftrag geben, sie nur zu einem bestimmten Preis zu kaufen. Man nennt dies ein Limitum geben, darüber hinaus darf der Kommissionär nicht einkaufen.

Der Grund, warum, wieso, weshalb, liegt auf der Hand. Merken die Besitzer solcher Papiere, daß jemand sie absolut haben will, so sagen sie: »Schön, aber für 225 verkaufe ich sie nicht, wenn ich nicht 250 bekomme, gebe ich sie nicht fort.«

Je teurer ich aber kaufe, desto geringer wird der Zinsfuß, den ich erhalte, desto kleiner der Nutzen, den das Papier mir bringt, und wenn mein Makler mir das Papier statt zu 250 vielleicht zu 400 Mark besorgt, dann ist der ganze Nutzen, den ich von dem guten Papier erhoffte, zum Teufel.

Aergerlich wirft die Wittib den Kurszettel fort, sie kann auch jetzt noch nicht daraus klug werden – und nun thut sie endlich, was sie schon am ersten Tag, als sie das Geld erhielt, hätte thun müssen: sie geht zu einem Bankier, der ihr als durchaus zuverlässig empfohlen worden ist, und sagt: »Hier sind fünfzigtausend Mark, raten Sie mir, wie ich sie nutzbringend und sicher anlegen soll, und sagen Sie mir, welche Papiere ich mir kaufen soll und kaufen darf.«

Der Bankier ist ein verständiger Berater, er rät nach bestem Wissen und gewissenhaftester Ueberzeugung und nach einigen Tagen hat die Witwe gute und sichere Papiere in Händen.

Wer nichts zu verlieren hat, hat auch nichts zu riskieren und darum sollten Damen, die ihr Vermögen selbständig verwalten müssen, ihr Geld nur in absolut sicheren Papieren anlegen.

Aber auch Familienväter, die nicht vollständig in die Börsengeschäfte eingeweiht sind, sollten nie an der Börse spekulieren und sich und die Ihrigen damit der Gefahr aussetzen, eines schönen Tages vis-à-vis de rien zu stehen. Wer wenig hat, begnüge sich damit, dieses Wenige zinsbringend und sicher anzulegen, er vermeide es aber, mit aller Gewalt ein reicher Mann werden zu wollen; das ist ein Wagnis, das fast immer mißlingt. Aber nicht nur kleine, sondern selbst die größten Vermögen können mit spielender Leichtigkeit verloren werden, und ich sah schon manchen »krachen«, der ein nach vielen Millionen zählendes Vermögen einst sein eigen genannt hatte.

[942] 943. Schulden zu machen ist eine böse Angewohnheit, die wir sehr leicht ablegen könnten, wenn wir nur wollten. Wir wollen es auch, der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Wenn im Monat Januar die Neujahrsrechnungen kommen, wenn uns mit jeder Post die bekannten blauen und grauen Couverts auf den Tisch flattern, dann herrscht eitel Heulen und Zähneklappern. Der Gatte schilt über die Rechnungen seiner Frau, die Gattin schilt, daß der Mann nicht einmal seine Cigarren bezahlt hat, die Frau schilt auf das Dienstmädchen, weil diese selbst den geringen Betrag von einer Reichsmark bei dem Klempner für eine Reparatur nicht gleich bezahlte, sondern anschreiben ließ, der Sohn bekommt ein unheiliges Donnerwetter auf den Kopf, weil er im Laufe des ganzen Jahres nicht ein einziges Schulheft bar bezahlte – jeder hat eine Sünde begangen und jeder wird dafür getadelt.

Drei Tage lang herrscht in dem Hause eine sehr gedrückte Stimmung, erst ganz allmählich wird es wieder Frieden; eine vollständige Versöhnung tritt aber erst ein, nachdem sich alle gegenseitig geschworen haben, nie wieder einen Groschen anschreiben zu lassen.

Jeder Schwur wird gehalten – bis man ihn bricht, und so dauert es denn auch gar nicht lange, bis man wieder auf dem status quo ante angelangt ist. Man hat die feste Absicht, alles bar zu bezahlen aber – aber –.

Der eine Lieferant kann nicht wechseln, bei dem zweiten hat man nicht genug Geld bei sich, der dritte schickt trotz unserer ausdrücklichen Bitte die Ware, ohne gleichzeitig eine quittierte Rechnung beizulegen, der vierte sagt, wenn wir bezahlen wollen: »Aber ich bitte, solche Eile hat es doch nicht, gnädige Frau kommen ja doch noch einmal wieder vor.«

An Vorwänden, unserem Prinzip, gleich zu bezahlen, untreu zu werden, fehlt es nie, und wenn wir ganz offen und ehrlich sein wollen, so sind wir darüber auch nicht weiter untröstlich. Bar Geld hat jeder gerne, und man trennt sich nur ungern von den schönen Goldstücken, die man in der Tasche hat, andrerseits kauft man aber auch gerne und so ist man denn glücklich, wenn man etwas schuldig bleiben kann, dazu hat man ja seinen Kredit.

[943] 944. Der Kredit ist ein Leihvertrauen, das ist das Vertrauen, daß jemand seine Zahlungspflichten erfüllen werde. Ohne Kredit ist heutzutage jeder Handel unmöglich. Jeder anständig gekleidete Mensch, der äußerlich den Eindruck macht, daß er das, was er auf Borg entnimmt, auch später bezahlen will, hat heutzutage Kredit; das darf uns aber unter keinen Umständen veranlassen, unseren Kredit zu mißbrauchen. Man thut dies, wenn man immer lustig darauf einkauft, zwar die feste Absicht hat, zu bezahlen, aber selbst ganz genau weiß, daß man in absehbarer Zeit nicht bezahlen kann, weil jeder Mark, die wir besitzen, wenigstens fünf Mark Schulden gegenüberstehen.

So zu handeln ist unreell, zum mindesten aber im höchsten Grade leichtsinnig.

[944] 945. Der Kaufmann kann warten. Wie oft hört man nicht dieses Wort. Gewiß kann der Kaufmann warten, aber auch nicht zu lange, nicht ewig und drei Jahre. Auch der Kaufmann hat seinen bestimmten Kredit, auch er kauft nicht alles gegen bar, sondern er bezahlt nach einem Vierteljahr oder an einem anderen Zeitpunkte, den er mit seinem Lieferanten abgemacht hat. Er muß bezahlen, wenn er sich seinen Kredit aufrecht erhalten, nicht verklagt werden und nicht in Zahlungsschwierigkeiten geraten will, er kann aber nur bezahlen, wenn er Geld in seiner Kasse hat, wenn seine Kunden die Waren, die sie von ihm entnehmen, entweder bar bezahlen oder wenn sie wenigstens alle Jahr ihre Rechnungen begleichen.

Rechnungen gehören zu den unangenehmsten Briefen, und deshalb machen viele, die sich Aerger und Verdruß ersparen wollen, die Briefe gar nicht erst auf. Ein Freund von mir hatte auf seinem Schreibtisch einen leeren Kasten stehen, und in diesen wurde jede Rechnung gewissenhaft hineingelegt. War der Kasten voll, so wurde er in den Schreibtisch verschlossen und ein neuer leerer Kasten zur Aufnahme der Rechnungen aufgestellt; bezahlt wurden die Papiere nie: der Kaufmann kann warten.

Ein junger Assessor, dem eine Rechnung übersandt worden war, leistete sich einmal einen guten Witz. Er ging, es war im Juli, zu seinem Kaufmann und sagte: »Sie haben mir da gestern eine Rechnung übersandt, das ist ja ganz schön und ganz gut, aber etwas müssen Sie sich noch gedulden, denn ich bezahle meine Schulden prinzipiell, verstehen Sie, prinzipiell nur immer am ersten Januar. Davon weiche ich nicht ab; am ersten Januar werde ich aber bezahlen, an keinem anderen Tag.«

Der Kaufmann hörte aufmerksam zu, dann sagte er: »Darf ich Sie nicht bitten, den kleinen Betrag entweder am 31. Dezember oder am 2. Januar bezahlen zu wollen? Am 1. Januar, an dem Sie prinzipiell Ihre Schulden zu regeln pflegen, sind nämlich in ganz Deutschland sämtliche Läden und sämtliche Banken geschlossen, und daß Sie mir, der ich Ihnen gegenüber wohne, das Geld durch die Post senden wollen, kann ich wohl nicht annehmen?«

Der junge Assessor machte ein sehr verdutztes Gesicht, aber trotzdem blieb er seinem Prinzip, nur am 1. Januar zu zahlen, treu und bezahlte infolgedessen nie.

Einige bezahlen noch später: sie lassen sich ruhig eine Rechnung nach der anderen schicken, sie kümmern sich gar nicht darum. Reißt dem Kaufmann dann endlich die Geduld, werden sie ihm grob; sagt der Schneider: »Ich kann bei dem besten Willen nicht länger warten, ich habe selbst große Zahlungen zu leisten«, dann heißt es: »Lieber Freund, das kennen wir, das sagen sie alle, darauf fallen wir nicht mehr hinein«; schickt der Lieferant einen Postauftrag, um zu seinem Gelde zu gelangen, so heißt es dann, der Mann sei maßlos unverschämt und man verstehe nicht, wie er dazu kommt und was er sich dabei denkt: daß der Postauftrag nicht eingelöst wird, ist selbstverständlich. Viele suchen der drohenden Klage dadurch zu entgehen, daß sie eine Abschlagszahlung leisten: sind sie dem Kaufmann dreihundert Mark schuldig, so geben sie ihm vielleicht fünfzig Mark und versprechen, den Rest in der allernächsten Zeit zu bezahlen. Der Kaufmann ist damit zufrieden, er hält seinen Kunden für anständiger, als dieser in Wirklichkeit ist, und wartet, er wartet acht Tage, vierzehn Tage, einen Monat, dann erlaubt er sich ganz gehorsamst daran zu erinnern, daß der Rest der Rechnung in den allernächsten Tagen bezahlt werden sollte. »Aber was wollen Sie denn?« fragt der Kunde, »ich habe Ihnen doch erst neulich fünfzig Mark gegeben, sind Sie denn damit noch nicht zufrieden?«

Zwar ist der Lieferant damit nicht zufrieden, aber er muß es sein. Am liebsten würde er grob, aber das darf nicht sein, wenn er seinen Kunden nicht verlieren, wenn er nicht erreichen will, daß dieser in der Stadt überall herumgeht und erzählt: »Wissen Sie, Bester, bei dem X. dürfen Sie nicht mehr kaufen. Davon, daß seine Waren schlecht sind, viel schlechter als in jedem anderen Geschäft, will ich ja nicht sprechen, aber der Mann hat eine Art und Weise zu mahnen, wenn man ihm ein paar lumpige Groschen schuldet, die geradezu unverschämt ist. Der Mann muß finanziell sehr schlecht stehen, passen Sie auf, wir erleben es noch, daß er Bankerott macht.«

So geht es weiter und der arme Kaufmann wird, nur weil er sein Geld zu erlangen versuchte, um Ehre, Ansehen und Reputation geredet. Weil wir selbst nicht zugeben wollen, daß wir nicht in der Lage sind, »die lumpigen paar Groschen« zu bezahlen, behaupten wir, daß es dem anderen schlecht geht.

O wir Menschen! Allzuviel sind wir unter Umständen nicht wert.

Ganz besonders schlimm treiben es zuweilen studentische Verbindungen und andere Körperschaften, überhaupt die in sich mehr oder weniger abgeschlossenen Gesellschaften. Wird eins ihrer Mitglieder gemahnt zu bezahlen oder gar verklagt, so finden sie das unerhört, sie erklären sich für solidarisch und boykottieren einen solchen armen Geschäftsmann, indem sie sich verpflichten, unter keinen Umständen wieder bei ihm zu kaufen. Das ist nicht nur sehr hart, sondern auch sehr ungerecht, und die Vereine sollten sich lieber solidarisch erklären, solche Mitglieder, die ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen, nicht länger in ihrer Mitte zu dulden.

Daß ein solches Vorgehen geschlossener Gesellschaften thatsächlich vorkommt, wird man mir glauben, auch ohne daß ich Beispiele anführe, die auf die betreffenden Vereine kein allzugutes Licht werfen würden.

[945] 946. Gewissenloses Schuldenmachen. Nicht genug, daß wir Schulden machen und in der Bezahlung derselben häufig von einer geradezu grausamen Langsamkeit sind, wir sind nicht einmal wählerisch darin, wem wir Geld schulden. Immer sollte man bedenken, daß ein großer Kaufmann, dem ein ansehnliches Betriebskapital zur Verfügung steht, länger Kredit gewähren kann, als ein kleiner Krämer. Bei den kleinen Lieferanten sollte man sein Kontobuch haben und dieses spätestens alle Monat am ersten bezahlen. Aber daran denken die wenigsten Hausfrauen: die Hauptsache ist, daß des Mittags ein guter Braten auf dem Tisch steht und daß die Milchfrau pünktlich zur Stelle ist. Daß diese Leute auch Geld haben wollen und müssen, ist nebensächlich. Wovon soll der Schlächter sein Vieh, der Bäcker sein Mehl und seine Gesellen bezahlen, wenn die Kunden immerlustig darauf loskaufen, aber immer schuldig bleiben?

Man weiß es nicht, man denkt nicht weiter darüber nach: die Sache interessiert uns ja auch gar nicht. Wir sind das nun einmal so gewöhnt, schuldig zu bleiben, und wir bleiben weiter schuldig: die Leute können warten.

Arme kleine Leute, Milchfrauen, Eierhändler, Gemüsefrauen, kurz alle solche, die ihr geringes Einkommen sich meistens pfennig-, höchstens groschenweise verdienen, wochen- und monatelang auf ihr Geld warten zu lassen, weil wir entweder zu bezahlen vergessen, weil wir augenblicklich kein Kleingeld haben oder weil es uns »momentan« nicht paßt, ist mehr als unrecht. Wer hat es nicht schon erlebt, daß die Milch- oder Brotfrau ihm voll Kummer und oft mit Thränen in den Augen erzählte, daß die Frau Rat so und so ihr nun schon seit einem halben Jahr den Betrag für die gelieferte Ware schulde, daß sie aber trotz allen Bitten und Flehens kein Geld bekäme, sondern immer auf den nächsten Ersten vertröstet würde!

Namentlich in kleineren Städten kommt dies sehr, sehr häufig vor und ich kenne Familien, die ihren Schlächter viele Monate warten lassen und die sich genieren, einen großen Braten zu bestellen, weil sie ihm so viel Geld schulden, und die nicht den Mut haben, dem Schlächter deutlich zu werden, wenn dieser ihnen anstatt der bestellten sieben Pfund Rostbraten sieben Pfund der denkbar schönsten Knochen schickt und dabei sagen läßt: »Für Leute, die doch nicht bezahlten, wären Knochen gut genug!«

Daß jemand, der seine Rechnungen in regelmäßigen Zwischenräumen bezahlt, besser bedient wird als jemand, der ewig schuldig bleibt, ist eigentlich ganz selbstverständlich.

Die Experimente, die aufgeführt werden, um den etwas schwankend gewordenen Kredit wieder aufzufrischen, sind zahllos wie der Sand am Meer: eins besteht darin, daß derjenige, der aufgefordert wird, seine Schulden zu bezahlen, nicht nur nichts berappt, sondern eine neue große Bestellung macht.

»Ach was,« sagt der eine, »wenn mein Schneider mir die Rechnung schickt, bestelle ich mir sofort wenigstens einen neuen Anzug, vielleicht sogar zwei: das imponiert dem Mann und macht einen derartigen Eindruck auf ihn, daß er ganz paff wird und sich sagt: »Donnerwetter, der muß also doch eine Masse Geld haben.«

Damen pflegen in vielen Fällen ebenso zu verfahren, wie ja überhaupt im Leben der Frau die Rechnung des Schneiders eine weit größere Rolle spielt, als im Dasein des Mannes, allerdings kann ja auch eine Frau zehnmal mehr für ihre Toilette ausgeben als der Gatte: in Paris giebt es Schneider, die unter 1000 Francs überhaupt kein Damenkleid machen, soviel nimmt selbst der beste und teuerste Herrenschneider nicht für zwei Frackanzüge.

Rechnungen soll man nicht anlaufen lassen, besonders nicht Schneiderrechnungen, sie wachsen und vergrößern sich mit der Geschwindigkeit eines durchgehenden Eisenbahnzuges und rat- und hilflos sitzt man eines Tages der großen Schlußsumme gegenüber und stöhnt: »Soviel Geld giebt es ja gar nicht!«

Man glaube nicht allen Menschen ohne weiteres, man glaube nie einem Kaufmann oder einem Schneider, wenn er sagt, daß die Bezahlung einer Rechnung keine Eile hat.Das ist in den meisten Fällen eine Höflichkeitsphrase, fast immer wird der Lieferant den schnöden Mammon ebenso brauchen, wie wir ihn zum Leben nötig haben.

Aber selbst dann, wenn der Kaufmann sein Geld momentan nicht braucht, ist es dennoch nötig, regelmäßig seine Rechnungen zu begleichen, damit man eine Uebersicht über sein Vermögen hat, damit man weiß, was man thatsächlich besitzt, und nicht nur, was man in seiner Tasche spazieren trägt. Wenn man fünftausend Mark in seinem Portefeuille trägt, aber siebentausend Mark Schulden hat, ist man kein reicher Mann, sondern ein armer Teufel.

[946] 947. Bezahle bar! Unter den Grundsätzen, die man seinen Kindern einimpft, damit sie ihnen in Fleisch und Blut übergehen, sollte die Lehre: »Bezahle bar« in erster Linie stehen – und wir Eltern sollten danach handeln. Wenn man gleich bezahlt, kauft man nicht nur billiger, sondern auch weniger. Läßt man anschreiben, so ist es vielen Damen, nein, allen Damen, ganz gleichgültig, ob sie sich einen eleganten seidenen Pariser Unterrock zu zweihundert oder zu hundert Mark kaufen, legen sie das Geld aber gleich auf den Ladentisch, so werden sie oft finden, daß ein Rock für siebzig Mark auch schon ganz gut ist.

Das Bewußtsein, doch schon etwas schuldig zu sein, und die trügerische Schlußfolgerung, »auf ein paar Mark mehr oder weniger kommt es ja schließlich nicht an«, verleitet zu immer neuen und meistens sehr unnützen Ausgaben.

Daß man immer mehr giebt, wenn man unbar bezahlt, daß das Geld dann viel loser sitzt, sieht man am besten auf den Sammelbogen, die von Zeit zu Zeit für irgend einen wohlthätigen Zweck von Haus zu Haus getragen werden. Man wird freundlichst gebeten, irgend eine Summe zu zeichnen, »mit dem Bezahlen hat es Zeit«, sagt der Bote, »gelegentlich hole ich mir das Geld ab«.

In dem frohen Bewußtsein, nicht gleich bezahlen zu müssen, schreibt man irgend eine Zahl hin: sie würde weit geringer sein, wenn man das Geld aus dem Portemonnaie nehmen und sofort dem Boten mitgeben müßte. Das wissen die Leute, die die Sammlung veranstalten, ganz genau, und gerade deshalb senden sie die Bogen.

Ebenso geht es den Garantiefondszeichnern. Sie garantieren, weil sie ja nicht heute und auch nicht morgen bezahlen müssen, lustig darauf los. Der eine schreibt 1000 Mark, der zweite schreibt 10000 Mark und der dritte denkt: »Na, was kann das schlechte Leben nützen, auf eine Null mehr oder weniger kommt es ja nicht an«, und schon hat er 100000 Mark gezeichnet. Werden die Garantiefondszeichner aber später angefaßt, singt man ihnen das schöne Lied aus Gasparone vor: »Zahlt nur, o zahlt, gleich ist's erledigt, ich entlaß euch unbehelligt«, dann, ja dann ist der Teufel los, mit beiden Händen fassen sie sich an die Stirn und rufen: »Wie konnte ich nur so leichtsinnig sein, wie ist so etwas nur menschenmöglich!« Ja, wie konnten sie nur?

Bezahle bar, aber kaufe nicht gleich alles, was dir für den Augenblick gefällt. Nur Kinder müssen alles haben, was sie sehen, und wer im späteren Leben ebenso denkt, der ist eben auch noch ein Kind.

Nicht nur was man thun, sondern auch was man kaufen will, soll man sich vierundzwanzig Stunden, wenigstens aber eine Nacht beschlafen. Eine Garderobe, die am Abend bei der elektrischen Beleuchtung des Schaufensters unsere ganze Sehnsucht erweckt, gefällt uns vielleicht gar nicht, wenn wir sie am nächsten Morgen bei Tageslicht bewundern. So mancher Gegenstand, ohne den wir in einem flüchtigen Moment der Laune nicht glauben leben zu können, langweilt uns nach wenigen Tagen und läßt uns die Ausgabe bereuen. Wie man jeden Groschen dreimal in der Hand umdrehen soll, ehe man ihn ausgiebt, sollte man sich alle nicht unbedingt zum Leben notwendigen Dinge drei- bis zehnmal ansehen, bevor man sie kauft.

[947] 948. Bezahle deine Angestellten pünktlich, auf die Minute. Auch hierin sind einige Hausfrauen und Hausherren von einer geradezu klassischen Naivität, sie denken: »Ach was, das Geld ist den Leuten ja sicher, ob sie es heute bekommen oder morgen, kann ihnen ja einerlei sein.« Aber aus dem morgen wird übermorgen, aus dem übermorgen »überübermorgen« und so geht es ruhig weiter. Wohl nur selten liegt in der Vorenthaltung des Lohnes an die Dienstboten ein böser Wille, meistens ist's Nachlässigkeit, immer aber ist es ein Mangel in der Ausübung unserer Pflichten, die wir gegen unsere Angestellten haben.

Auf die Minute muß man dem Dienstboten seinen Lohn zahlen, thut man es nicht, so setzen wir uns nicht nur dem aus, daß die Domestiken über uns reden und uns in den Mund der Leute bringen, sondern wir vergeben uns ihnen gegenüber etwas von unserer Autorität, die wir unbedingt aufrecht halten müssen, wenn wir die Herren bleiben wollen.

Nicht nur in den Fliegenden Blättern kommt es vor, daß die Köchin sagt: »Jawohl, Madame, erst zahlen Sie mir mal den Lohn, den Sie mir schon seit einem Jahr schuldig sind, dann werde ich auch schon aufpassen, daß ich den Kalbsbraten mit Salz und nicht mit Paprikapfeffer einsetze.«

Daß man kein Geld im Hause hat, kann zwar vorkommen, aber eigentlich sollte es nicht vorkommen, denn es beweist, daß man seine Einnahmen falsch beurteilt und in seinen Ausgaben zu üppig gewesen ist.

Ein sehr weiser Grundsatz ist: »Lebe, wenn du Geld hast, genau ebenso als wenn du kein Geld hast.« Auch dieses Wort kennt jeder, aber ob auch jeder danach handelt? In vielen Familien wird in der ersten Hälfte des Monats flott darauf losgelebt und dann gedarbt, natürlich ist das falsch und man sollte es den Studenten und den anderen unselbständigen Junggesellen überlassen, nach Empfang ihres Wechsels leichtsinnig zu sein und schon am dritten darüber laut zu stöhnen, daß der Monat dieses Mal gar kein Ende nimmt. Ueber einen Leutnant, der an chronischem Geldmangel leidet, lacht man; über eine Familie, die beständig in Geldsorgen sich befindet und sich vor Schulden nicht zu rühren vermag, macht die Gesellschaft, in der wir leben und auf die wir angewiesen sind (ganz einerlei, wie wir über unsere Mitmenschen denken) keineswegs lobende und anerkennende Bemerkungen. Von erwachsenen Leuten verlangt man aber, daß sie ihre Einnahmen und Ausgaben in das richtige Verhältnis zu bringen wissen, daß sie nicht lustig darauf los leben und den lieben Herrgott einen guten Mann sein lassen.

[948] 949. Wie teile ich meine Einnahmen und Ausgaben ein? Nach meiner gewissenhaftesten Ueberzeugung und nach reiflichster Ueberlegung behaupte ich, daß sich diese Frage gar nicht im allgemeinen nach Maßgabe irgend eines Schemas beantworten läßt, und doch erscheinen von Zeit zu Zeit in unseren Zeitschriften Preisausschreiben, die da etwa lauten: Wie muß eine Familie (eine Beamtenfamilie) von Vater, Mutter und zwei Kindern es einrichten, um mit einer Einnahme von x Mark (sagen wir viertausend Mark) auszukommen?

Viele, sehr viele machen sich eine der einlaufenden Antworten, die später alle veröffentlicht werden, zur Richtschnur und wirtschaften darauf los, bis sie eines Tages, natürlich zu spät, zu der Erkenntnis kommen: so geht es nicht. Sie zerbrechen sich den Kopf darüber, woran das liegt, und doch ist die Sache so einfach.

Zunächst kommt es darauf an, zu welcher Kategorie der Beamten der Hausherr gehört. Ein Eisenbahnbeamter, der Vorsteher einer Station, oder der Postdirektor in einer kleinen Stadt, an den nur wenig oder gar keine gesellschaftlichen Anforderungen gestellt werden, reicht mit seinen viertausend Mark viel weiter als ein junger Regierungsrat, der Gesellschaften zu geben verpflichtet ist.

[949] 950. Verschiedenheit der Preise. Davon aber ganz abgesehen, sind die Preise für Wohnungen und Lebensmittel so verschieden, daß es ganz unmöglich ist, Vergleiche zu ziehen. Der Preis eines Pfundes Fleisch variiert in den einzelnen Städten oft um viele Groschen, ebenso die Milch, das Brot und was man sonst zum Leben braucht. Die Mieten sind in einigen süddeutschen Städten billiger als im Norden, andererseits bezahlt man in Dresden für eine Wohnung fast doppelt so viel wie in Hamburg. Dazu kommen die Steuern. Die Staatssteuern sind ja überall wenigstens ungefähr dieselben, nicht aber die Kommunalabgaben. Es giebt Städte, in denen man zwei- bis dreihundert Prozent Stadtabgaben zahlen muß, und wieder andere, in denen man mit fünfzig oder siebzig Prozènt auskommt; in einigen Städten muß man geradezu wahnsinnige Kirchensteuern bezahlen, an anderen Orten gar keine. Auch das Schulgeld ist verschieden, ebenso wie der Lohn für die Dienstboten. In Sachsen bekommt man unter 240 Mark pro Jahr überhaupt kein Mädchen, das zu ertragen ist, in Norddeutschland ist 180 Mark schon ein hoher Lohn. Ebenso ist es mit allen anderen Ausgaben und deshalb ist es schlechterdings ausgeschlossen, daß solche Auskünfte irgend welchen Wert haben. Nicht einmal einen allgemeinen Anhalt können sie bieten; man kann sich die Mühe, solche Ausarbeitungen durchzulesen, wirklich sparen.

Giebt es auf die aufgeworfene Frage überhaupt eine Antwort, so kann sie höchstens lauten: »Teile dein Geld so ein, daß du immer einen Reservefonds hast. Wie du dieses Wunder fertig bringst, das kann dir kein Mensch sagen, das mußt du selbst auskalkulieren, denn nur du selbst kennst deine Einnahmen und nur du kannst beurteilen, welche Anforderungen an deinen Geldbeutel herantreten.«

[950] 951. Borgen. Wer kennt nicht aus seiner Schulzeit her den schönen Vers: »Hab ich nichts, pump ich mich's.« Man wendete ihn stets dann an, wenn man bei der Subtraktion die größere Zahl von einer kleineren abziehen sollte. In diesem uralten Reim, der sich nicht einmal reimt, liegt eine große Lebensphilosophie, die da besagt: wenn ich etwas brauche und mit meinen Finanzen selbst zu Ende bin, wende ich mich vertrauensvoll an einen anderen, der mehr besitzt als ich, und pumpe ihn ruhig an. In diesem Worte »ruhig« liegt schon, wie viele über das Borgen denken: es giebt Menschen, denen es zur zweiten Natur geworden ist, zu pumpen, sie können gar nicht anders, sie borgen selbst dann, wenn sie es gar nicht nötig haben, sie borgen sich Geld, nicht weil sie es augenblicklich gebrauchen, sondern weil sie vielleicht in die Lage kommen können, das Geld besitzen zu müssen. Sie denken: der weise Mann baut vor. Ich denke eben an einen Leutnant, bei dem es geradezu zur Krankheit geworden war, auf jedem Liebesmahl, sobald er etwas getrunken hatte, jeden, der ihm in den Weg kam, anzuborgen. Am nächsten Morgen, wenn der Rausch verflogen war, zahlte er alles wieder zurück, er begriff sich selbst nicht, aber bei dem nächsten Zechgelage pumpte er wieder.

Man sollte sich nie Geld borgen, wenn man sich nicht in wirklicher, großer Verlegenheit befindet. Junge Mädchen leihen sich bei ihren Freundinnen, um zum Konditor gehen zu können, junge Herren »schlagen andere tot«, weil sie keinen Pfennig für ein Glas Bier besitzen.

Würden die Damen ohne Kuchen und die Herren ohne Bier sterben? Wer sich zwanzig Mark leiht, weil er das Bedürfnis hat »endlich einmal wieder standesgemäß in einem großen Restaurant essen zu können«, darf sich nicht darüber wundern, wenn ihm später die zwanzig Mark abgeschlagen werden, wenn er sie braucht, um sich endlich einmal wieder wirklich satt zu essen.

In keinem Punkt muß man so vorsichtig sein, wie in dem Geldborgen, wenn man nicht in den Verdacht kommen will, nicht nur ein leichtsinniger Mensch zu sein, sondern in Bezug auf Geldgeschäfte seine eigenen Ansichten zu haben. Und das ist ein sehr schwerer Vorwurf, der so etwas wie das Wort »unehrenhaft« in sich schließt.

Wer viel borgt, verliert das Empfinden dafür, bei wem er borgen darf. Ist man in Not, so wende man sich an Gleichgestellte, nur in Ausnahmefällen an Vorgesetzte, nie, aber auch niemals an Untergebene. Man borgt seine Dienstboten nicht an und nie und nimmer borgt man bei einem Kellner oder bei dem Portier eines Restaurants, in dem man verkehrt. Ach, und doch geschieht das so entsetzlich oft. Viele, viele bleiben nicht nur ihre Zeche schuldig, sondern sie pumpen auch noch den Kellner an, weil sie gerade »zufällig« kein Geld bei sich haben.

»Morgen bekommen Sie es wieder.«

Jawohl, morgen, vielleicht übermorgen, vielleicht später, unter Umständen sogar nie. Das ist alles schon dagewesen: gar mancher geht in Frack und weißer Binde herum und spielt den Salonlöwen, während er sich Kellnern gegenüber, denen er Geld schuldete, in einer Art und Weise benommen hat, die vor das Ehrengericht oder ein anderes Gericht gehörten.

Man darf sich nie Geld borgen, wenn man nicht mit positiver Sicherheit weiß, wann man den Betrag zurückerstatten kann.

Hat man den Termin der Rückzahlung angegeben, so muß man daran unter allen Umständen festhalten: man darf ihn nicht »vergessen«, man darf nicht glauben, daß es nicht so genau darauf ankommt, man darf an diesem Tage nicht »verreist« sein – es giebt für eine nicht pünktliche Einhaltung seines Versprechens gar keine Entschuldigung.

Sehen wir, daß außergewöhnliche Umstände es uns unmöglich machen werden, das geliehene Geld auf die Minute zurückzuzahlen, so haben wir den, der uns aus der Verlegenheit half, beizeiten davon zu benachrichtigen und nicht erst im letzten Augenblick zu schreiben: »Leider wird es mir im letzten Augenblick unmöglich, mein Ihnen gegebenes Versprechen zu halten. Zürnen Sie mir deshalb nicht und glauben Sie mir, daß dies mir selbst viel peinlicher ist als Ihnen.«

Dies ist eine sehr beliebte Redensart, aber es ist eben auch nur eine Redensart, weiter nichts.

Vielen ist es unangenehm, oder wie sie es nennen »scheußlich«, einen derartigen Schreibebrief verfassen zu müssen, sie entziehen sich dem nicht dadurch, daß sie bezahlen, sondern dadurch, daß sie sich totschweigen. Sie schicken das Geld nicht, sie entschuldigen sich nicht, sie lassen überhaupt nichts von sich hören – tage-, wochen- und monatelang nicht. Selbst wenn sie an ihre Pflicht und Schuldigkeit gemahnt werden, halten sie es nicht der Mühe wert, zu antworten, und wird man ihnen in einem berechtigten Zorne grob, so werden sie noch gröber.

Diese Leute sind leider sehr zahlreich, man findet sie nicht unter den ungebildeten, sondern nur unter den gebildeten Menschen und ihre Haupteigenschaft besteht darin, daß sie sehr eingebildet sind, sich selbst für tadellose Ehrenleute halten und jeden vor die Mündung ihrer Pistole fordern, der auch nur den leisesten Zweifel in ihre Ehrenhaftigkeit zu setzen wagt.

Nicht nur gegen die Dummheit, sondern auch gegen die Unverschämtheit, Unerzogenheit und Unverfrorenheit solcher »Edelleute« kämpfen Götter selbst vergebens und das einzige Mittel, sie zu kurieren, besteht darin, ihnen nichts zu borgen. Aber leider giebt es immer Leute, die es für eine Auszeichnung halten, von einem an Rang oder Namen Höherstehenden angeborgt zu werden. Das wissen die Herren ganz genau und deshalb sind sie auch nicht zu kurieren.

[951] 952. Wann muß ich bezahlen? Aus dem oben Angeführten geht hervor, daß es zur guten Sitte gehört, Lieferanten und Kaufleute nicht länger auf ihr Geld warten zu lassen, als es unsere eigene Finanzlage in unserem eigenen Interesse unbedingt erfordert. Um die Kaufleute vor geschäftlichem Schaden zu bewahren, sind in dem neuen Gesetzbuch die Grenzen, innerhalb derer eine Forderung verjährt, festgesetzt worden. Im Interesse der Lieferanten liegt es, sich hieran zu halten, und um zu ihrem Gelde zu gelangen, werden sie, wenn alle anderen Wege keinen Erfolg hatten, gegen die säumigen Zahler zur Klage schreiten.

[952] 953. Verjährung. Es ist daher vielleicht von Interesse, einige Verjährungsfristen kennen zu lernen. Bei den nachstehenden Angaben folge ich dem Buch von A. Stegemann: »Was jeder von dem bürgerlichen Gesetzbuch wissen muß.«

Im allgemeinen beträgt die Verjährungsfrist dreißig Jahre; in gewissen Fällen ist jedoch die Verjährung auf eine kürzere Frist, auf zwei oder vier Jahre festgesetzt. In zwei Jahren verjähren die Ansprüche der Kaufleute, Fabrikanten, Handwerker, Photographen, Dekorateure und Architekten, der Frachtfuhrleute, Lohnkutscher und Boten, der Gastwirte, Gesindevermieter, Wäscherinnen, der Privatschreiber, überhaupt der Angestellten und der Aerzte, Rechtsanwälte und Notare. – Zu bemerken ist, daß die Verjährung erst mit dem Schluß des Jahres, in welchem der Anspruch entstanden ist, beginnt. Für eine Sache, die am 2. Januar 1900 gekauft ist, beginnt die Verjährung also erst mit dem 31. Dezember 1900. Sonst beginnt die Verjährung mit der Entstehung des Anspruches.

Wer eine verjährte Forderung bezahlt hat, kann hinterher, wenn er in Erfahrung bringt, daß die Forderung verjährt war, das Bezahlte nicht zurückfordern.

[953] 954. Zinsen. Wer ein Darlehen erhält, sich also eine Summe Geldes geborgt hat, ist zur Zahlung von Zinsen nur dann verpflichtet, wenn dies ausdrücklich festgesetzt ist. Ist dies der Fall, so müssen die Zinsen, wenn nichts anderes vereinbart worden ist, nach Ablauf eines Jahres oder, wenn das Darlehen vor Ablauf eines Jahres zurückgezahlt wird, bei der Rückerstattung bezahlt werden.

Handelt es sich um eine größere Summe, für deren Rückgabe kein bestimmter Termin festgesetzt worden ist, so hängt die Fälligkeit der Rückzahlung davon ab, daß der Gläubiger oder der Schuldner kündigt. Bei Beträgen unter dreihundert Mark beträgt die Kündigungsfrist einen Monat. Was darüber ist, das ist vom Uebel und muß drei Monate vorher aufgekündigt werden. Bei einem unverzinslichen Darlehen kann der Schuldner auch ohne Kündigung, was er sich borgte, zurückzahlen, der Gläubiger aber muß auch in diesem Falle kündigen.

[954] 955. Spiel- und Wettschulden. Wenngleich wir hierauf noch später ausführlich zurückkommen, so soll doch schon hier gesagt werden, daß derartige Schulden Ehrenschulden sind und pünktlich auf die Minute bezahlt werden müssen, wenn man sich nicht selbst in ein etwas eigentümliches Licht stellen will. In dem Ausdruck »Ehrenschuld« liegt schon, daß wir eine Begleichung der Angelegenheit von der Ehrenhaftigkeit des Betreffenden erwarten. Gesetzlich können wir ihn zur Bezahlung nicht zwingen; Spiel- und Wettschulden können nicht eingeklagt werden. Wer aber einmal eine derartige Schuld gezahlt hat und hinterher in Erfahrung bringt, daß er gesetzlich nicht zur Zahlung verpflichtet war, kann das Geld dann nicht zurückfordern. Auch der Umstand, daß der verlierende Teil über eine Spiel- oder Wettschuld einen Schuldschein ausstellt, berechtigt nicht zu einer gerichtlichen Klage. Der Aussteller des Schuldscheines kann aber die auf Grund des Schuldscheines etwa gegen ihn erhobene Klage nur dadurch entkräften, daß er beweist, daß demselben eine Spiel- oder Wettschuld zu Grunde liegt.

[955] 956. Differenzgeschäfte. Dasselbe, was über Spiel und Wette gesagt ist, gilt auch für die Differenzgeschäfte. Hierunter versteht man ein Geschäft, bei dem es sich nicht um Ablieferung der bedungenen Wertpapiere oder Waren, sondern nur um den Gewinn der Differenz zwischen den Preisen am Abschluß und am Lieferungstage handelt. Es wird hierbei entweder auf das Steigen oder das Fallen der Kurse spekuliert. Wer also die Differenz nicht bezahlen will, kann gesetzlich dazu nicht gezwungen werden. Daß Leute den Verlust, den sie bei einem derartigen Geschäft erleiden, nicht bezahlen und sich dadurch unmöglich machen, soll zuweilen vorkommen.

[956] 957. Ueber das Verborgen gehen die Ansichten weit auseinander. Neben solchen, die, so oft sich jemand mit der Bitte um eine kleine Unterstützung naht, bereitwilligst in die Tasche greifen und, wie sie sich ausdrücken, glücklich sind, dem anderen gefällig sein zu können, giebt es wieder andere, die, sobald ihnen jemand auseinandersetzt, daß er sich in Verlegenheit befinde, auf einmal ungeheure Schwerhörigkeit vorschützen. Mit Vorliebe pflegen sie die Behauptung aufzustellen, daß nichts im stande sei, schneller eine Freundschaft zu zerstören, als Geldgeschäfte, und sie vertreten den Standpunkt, daß das Wiedersehen zwar Freude mache, daß man aber nie wieder etwas zu sehen bekäme.

Thatsächlich giebt es einige Menschen, die der Ansicht sind, daß Geldborgen weiter nichts sei, als ein Freundschaftsdienst, wie ein guter Rat oder ein gutes Wort, das man dankend annimmt, aber nicht wiederzugeben braucht, – weil es sich eben nicht zurückerstatten läßt. Natürlich denken diese Menschen nur dann so, wenn sie für ihre Person etwas haben wollen, – sollen sie selbst etwas geben, dann ist Geld in ihren Augen plötzlich nicht nur ein guter Rat, oder ein gutes Wort, sondern mehr als das ganze Leben; und von diesem Dasein trennt man sich doch nicht eher, als man unbedingt muß, und auch dann nur ungern.

Ebenso falsch wie es ist, auf den leisesten Wink hin bereitwilligst sein Portemonnaie aufzumachen und mit freundlichem Lächeln zu sprechen: »Bitte, bedienen Sie sich«, ebenso unrichtig ist es, den entgegengesetzten Standpunkt zu vertreten und »prinzipiell« nichts zu verleihen. Die Ausrede, daß der notleidende Agrarier unter allen Umständen auch ohne mich fertig werden kann, daß aber immerhin die Möglichkeit vor handen wäre, daß ich selbst gar nicht existierte und daß ich dann doch nicht erst geboren werden könnte, um ihm zu helfen, ist in der Theorie zwar sehr schön, entpuppt sich in der Praxis jedoch als der krasseste Egoismus. Man kann seine Freunde nicht nur dadurch verlieren, daß man borgt, sondern auch dadurch, daß man dies nicht thut. – Wahrer Not und wahrer Verlegenheit gegenüber sollte jeder hilfsbereit sein, denn jede Freundschaft beansprucht schließlich mehr oder weniger unsere Dienste und unsere Kräfte. – Wer aus irgend einem Grunde prinzipiell nichts verborgt, habe wenigstens den Mut, dies dem Bittenden kurz und bündig zu sagen und halte ihn nicht mit leeren Versprechungen und Vertröstungen hin. »Ich bin leider augenblicklich nicht bei Kasse, vielleicht morgen oder übermorgen; ich will mir's überlegen« und was dergleichen schöne Redensarten mehr sind, dürften unter erwachsenen Menschen gar nicht vorkommen. Eine Entschuldigung, unter keinen Umständen zu helfen, giebt es nur dann, wenn es sich um die Uebernahme einer Bürgschaft handelt; und doch sind die meisten sehr schnell bereit, hierauf einzugehen, weil es sich hier nicht um ein augenblickliches bares Geben handelt. Man tröstet sich damit, daß man ja weiter nichts zu geben braucht, als nur seinen Namen, und sagt sich: »Na, der andere wird schon bezahlen.« Was aber dann, wenn dieser sein Versprechen nicht einlöst oder es nicht einlösen kann? Was dann, wenn man selbst plötzlich mit dem Tode abgeht und unsere Erben, unsere Frau und unsere Kinder, die vielleicht in dürftigen Verhältnissen zurückbleiben, sich einer Bürgschaft gegenüber sehen, die sie übernehmen müssen?

[957] 958. Wechsel. »Ein jeder Wechsel schreckt den Glücklichen«, hat schon Schiller gesagt, deshalb sollte jeder, der es irgendwie vermeiden kann, niemals seinen Namen auf einen Wechsel setzen. Unter einem Wechsel versteht man eine Urkunde, in welcher in bestimmter, vom Wechselrecht vorgeschriebener Form Zahlung einer Geldsumme versprochen wird. Man unterscheidet Platzwechsel, die am Ort selbst zahlbar sind, Rimessen, die auf andere inländische Plätze lauten, und Devisen für das Ausland. Der geschäftliche Zweck aller Wechsel besteht darin, entweder sich selbst oder einem anderen eine bestimmte Geldsumme zu verschaffen. Ob dies gelingt, ist in erster Linie abhängig von der Sicherheit des Wechsels, d.h. der Frage: ob der Wechsel auch pünktlich eingelöst werden wird. – Wechselfähig ist jeder, der sich durch Verträge verpflichten kann; wechselunfähig sind nur diejenigen Personen, welche überhaupt vom Rechte als handlungsunfähig erkannt sind. – Das Wechselrecht ist ein viel künstlicheres und schwerer zu verstehen, als das Recht der gewöhnlichen Verpflichtung, und nur wer in dem Wechselrecht vollständig bewandert ist, sollte sich mit der Ausstellung von Wechseln befassen.

Um dem Laien noch einen kleinen Begriff von der verzwickten Wechselsache zu geben, sei das Nachfolgende angeführt. Bei jedem Wechsel unterscheidet man folgende Personen: 1. den Wechselaussteller, das ist derjenige, welcher durch Ausstellung und Uebergabe eines Wechsels einem anderen die Zahlung einer Summe wechselrechtlich verspricht. Man nennt ihn Trassant. 2. den Wechselnehmer, welchem die Summe versprochen ist; er heißt Remittent. 3. den Bezogenen, also denjenigen, welcher die Summe bezahlen soll; er heißt Trassat. Wenn der Wechselnehmer den Wechsel weitergiebt, verwandelt er sich aus einem Remittenten in einen Indossanten. Derjenige, der den Wechsel in die Hände bekommt, wird ein neuer Remittent und heißt Indossator. Der letzte Remittent, welcher dem Bezogenen den Wechsel zur Annahme und Zahlung präsentiert, ist der Präsentant. Wer einen Wechsel annimmt, wird Acceptant. Hiernach hat man zwei Hauptgruppen von Wechseln zu unterscheiden: gezogene Wechsel oder Tratten, wenn der Aussteller des Wechsels als denjenigen, der zahlen soll, einen anderen bezeichnet, und eigene oder trockene Wechsel, wenn man selbst derjenige ist, welcher in den Beutel greifen muß. Ferner giebt es noch Sola-, Prima-, Sekunda- und Tertiawechsel, Rektawechsel und Wechsel an Ordre, Sichtwechsel, Datowechsel, domizilierte Wechsel, Locowechsel, Kellerwechsel und als letztes falsche Wechsel. Wer sich dafür interessiert, was diese Wechselei bedeutet, möge bei einem Bankier Privatstunde nehmen oder in dem kleinen Meyer-Rothschild das Nähere nachlesen. Aber selbst wenn er alles begriffen hat, sollte er alles, was mit einem Wechsel zusammenhängt, dennoch fliehen, wie ein Gesunder die schwarzen Pocken. Man soll nicht nur sich davor hüten, sich mittels eines Wechsels Geld zu verschaffen, sondern man sollte auch unter keinen Umständen einen Wechsel als Zahlung annehmen. Gesetzlich ist hierzu niemand verpflichtet. Wer aber dennoch einen Wechsel in Zahlung nimmt, hat sein bares Geld natürlich erst dann, wenn ihm derselbe von einer Bank abgenommen und diskontiert worden ist.

Unter Diskont versteht man den Zinsnachlaß beim Kauf oder Verkauf eines erst später fälligen Wechsels für die noch übrige Laufzeit, oder den Abzug bei Zahlungen, welche vor ihrer Fälligkeit geleistet werden. Der Diskont, dessen Höhe von den großen Notenbanken, bei uns im allgemeinen von der Reichsbank bestimmt wird, bedeutet also den Gewinn, den die Banken für die Auslage des Geldes erhalten. Ist der Wechsel nicht diskontabel, d.h. ist er nicht auf ein solides und angesehenes Bankhaus ausgestellt, so nimmt uns kein Mensch denselben ab und wir können ihn ruhig als Fidibus benutzen.

Ein Wechsel muß von dem, auf den er gezogen ist, unter allen Umständen pünktlich am Tage der Fälligkeit eingelöst werden, wofern ihn der Inhaber des Wechsels nicht prolongiert, d.h. sich für den alten Wechsel einen neuen, später fälligen geben läßt. Wird der Wechsel nicht bezahlt und willigt der Inhaber in keine Prolongation, so geht das Papier »zum Protest«, d.h. es wird durch einen Notariatsakt festgestellt, daß der Zahlungspflichtige den Wechsel nicht einlöst. Der Inhaber des Papiers kann nun sofort die Wechselklage anstrengen, die vor allen anderen Klagen den Vorzug – und für den Schuldner den Nachteil – hat, daß sie in kürzester Frist, also im Laufe weniger Tage zum Ausschlag kommt. In dem Wechselklageverfahren spielt die Art und Weise der betreffenden Schuld, aus welcher der Wechsel hervorgegangen ist, keine Rolle; es handelt sich nur darum, ob der Schuldner seine Unterschrift anerkennt; ist dies der Fall und kann er nicht zahlen, so wird er verurteilt. Das Urteil ist sofort vollstreckbar.

[958] 959. Schenkung. Ueber das Reichwerden giebt es einen ebenso schönen wie tiefsinnigen Spruch, der lautet: »Wer nichts erspart und nichts ererbt, der bleibt gar arm, bis daß er sterbt.« Außer der Sparsamkeit und dem Erben giebt es, abgesehen von dem Gewinn in einer Lotterie, noch ein anderes Mittel, um über Nacht ein reicher Mann zu werden, und dieses besteht darin, daß man sich eine möglichst große Summe schenken läßt. Unter einer Schenkung versteht man eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, vorausgesetzt, daß beide Teile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Einer besonderen Form bedarf die Schenkung nicht. – Zur Gültigkeit eines Schenkungsversprechens ist eine gerichtliche oder notarielle Beurkundung erforderlich. Der Mangel dieser Form wird jedoch dadurch, daß die versprochene Schenkung bewirkt wird, geheilt. Wer weise ist, wird sich nicht damit begnügen, sich etwas versprechen zu lassen, sondern das Geschenk, wenn irgend möglich, noch bei Lebzeiten des Schenklustigen in Empfang nehmen. Er entgeht dadurch vielleicht der Gefahr, daß der, der die Schenkung versprach, hinterher in Not gerät und dadurch unfähig wird, sein Versprechen zu erfüllen. Selbstverständlich kann man dann gerichtlich auf seine Innehaltung der Schenkung nicht klagen. Wer eine Schenkung angenommen hat, muß sich hüten, daß ihm dieselbe nicht wieder fortgenommen wird. Es ist dies möglich, wenn der Beschenkte sich eine schwere Verfehlung gegen den Schenker zu schulden kommen läßt, ihm nach dem Leben trachtet, ihn schwer beleidigt oder in dem stolzen Gefühl»Nun hast du dein Geld ja« sich gegen den Schenker so benimmt, wie man es von einem gesitteten Menschen nicht erwartet. Für den Widerruf einer Schenkung genügt eine einfache Erklärung gegenüber dem Beschenkten und es kann dann die Herausgabe des Geschenkes gefordert werden. Das ist peinlich, aber es läßt sich nicht ändern. Nach dem Gesetz ist der Widerruf dann ausgeschlossen, wenn der Schenker dem Beschenkten verziehen hat, oder wenn seit dem Zeitpunkte, an welchem der Widerrufsberechtigte von der Verfehlung des Beschenkten Kenntnis erhalten hat, ein Jahr verstrichen ist. Aber auch abgesehen von den gerichtlichen Folgen, die eine Verfeindung zwischen dem Schenker und dem Beschenkten für den letzteren nach sich zieht, erfordert es schon der gute Ton, daß man demjenigen, der uns Gutes erwiesen und unsere Zukunft finanziell sicher gestellt, nicht mit schnödem Undank lohnt.

[959] 960. Erbschaften. »Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen« sagt der Dichter, und der gewöhnliche Sterbliche sagt: »Was du ererbt, das halte fest.« Mit dem Tode einer Person geht deren Vermögen auf eine oder mehrere andere Personen über, wenn nicht, wie es ja auch zuweilen vorkommt, der Herr Fiskus der lachende Erbe ist. – Es liegt in der Natur des Menschen, daß er seine Einnahmen zu vergrößern sucht und eine Vermehrung seines Kapitals erhofft. Dies darf aber keinen dazu führen, bei den Personen, von denen er nach ihrem Tode eine Erfüllung seiner Wünsche erhofft, erbzuschleichen und sich die Gunst der reichen Erbtante dadurch zu verschaffen suchen, daß man sich bei ihr durch Schmeicheleien, die entweder auf Kosten unserer eigenen Würde oder auf Kosten unserer Verwandten gehen, in ein gutes Licht zu setzen sucht. Wer allzudeutlich seine Freude über eine bevorstehende Erbschaft zur Schau trägt und damit dem Erblasser oder der Erblasserin zeigt, daß er ihnen ein baldiges sanftes Ende wünscht, darf sich nicht darüber wundern, wenn ihm dies persönlich übelgenommen wird oder wenn ein anderer an seiner Stelle im Testament bedacht wird. Nie sollte man mit einer Erbschaft rechnen, bevor man sie fest in Händen hat, und niemals darf man auf das Geld, das man in späterer Zeit erhält, Schulden machen. Der sparsame Mensch giebt sein Geld nur einmal aus, und zwar dann, wenn er es thatsächlich besitzt. Der Verschwender gebraucht jede Summe dreimal, erstens, wenn er die Aussicht hat, etwas zu bekommen, zweitens, wenn er es bekommen hat, und drittens, wenn er des Trostes bedarf, daß er das Geld nicht mehr hat. Die schönste Million kann verspielt werden und die schönste Erbschaft kann in andere Hände fallen. Nur allzuoft tritt auch der Fall ein, daß nach dem Tode des Erblassers bei weitem nicht die erhoffte Summe vorhanden ist, und wer dann schon auf ein weit größeres Einkommen rechnete, ist in die traurige Lage versetzt, eine bittere Enttäuschung über sich ergehen lassen zu müssen. Selbst das Erbe der größten Summe darf uns nicht dazu verleiten, wenigstens äußerlich unseren Mitmenschen gegenüber die Form der Trauer um den Verstorbenen zu wahren, und mit Recht würde man es uns übelnehmen und uns als kalt und herzlos hinstellen, wenn wir hiergegen verstießen. Das Fell eines Bären soll man nicht teilen, bevor das Tier erlegt ist, und um eine Erbschaft soll man sich nicht streiten, bevor die Person, von der wir zu erben erwarten, gestorben ist. Nichts ist widerlicher, als wenn Kinder, womöglich in Gegenwart ihrer Eltern, sich darüber in die Haare geraten, wer nach dem Tode der Mutter dieses oder jenes Schmuckstück, wer nach dem Tode des Vaters diese oder jene Bücher und Kunstschätze erhalten soll. Es zeigt dies von einer Lieblosigkeit sowohl der Geschwister untereinander, als hauptsächlich auch gegen die Eltern, die mit dem Worte »Roheit« nicht zu scharf benannt ist. Es muß die Eltern traurig stimmen, wenn sie sich sagen müssen, daß gleich nach ihrem Tode zwischen ihren Kindern Streitigkeiten entstehen werden, die vielleicht gar zu Prozessen und gerichtlichen Verhandlungen führen. Zu fordern haben wir bei einer Erbschaft nur, was uns gerichtlich zusteht. Wer dies dem andern schmälern will, handelt ebenso schlecht wie der, der mit dem, was ihm zukommt, sich von vornherein nicht zufrieden erklärt. Die Wünsche des Erblassers sollten uns auch dann, wenn sie gesetzlich vielleicht anfechtbar sind, heilig sein. Testamente anfechten ist, wenn es sich hierbei nur um kleine Summen und nicht direkt um gesetzwidrige letztwillige Verfügungen handelt, immer ein Zeichen von habgieriger, kleinlicher und neidischer Gesinnung, über die ein wirklich gebildeter Mensch erhaben sein müßte. Die Größe des Erbes richtet sich, wenn der Erblasser kein Testament hinterläßt, danach, zu welcher Ordnung die gesetzlichen Erben gehören. Die erste Ordnung umsaßt die Abkömmlinge des Verstorbenen, zur zweiten Ordnung gehören die Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge, die dritte Ordnung umfaßt die Großeltern und die vierte Ordnung die Ur-Ur-Großeltern und deren Abkömmlinge. Zur fünften Ordnung endlich zählt man die entfernteren Voreltern. Der überlebende Ehegatte ist neben Verwandten der ersten Ordnung zu einem Vierteile, neben Verwandten der zweiten Ordnung oder neben den Großeltern ist er zur Hälfte der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Jeder Erbe übernimmt nicht nur den ihm zufallenden Besitz, sondern auch Nachlaßverbindlichkeiten, die zu erfüllen auch dann Pflicht wäre, wenn das Gesetz es nicht befiehlt. Hierzu gehören: die Regelung der von dem Erblasser herrührenden Schulden, die Zahlung der Erbschaftssteuer, die Kosten der Erbregulierung, die Verbindlichkeiten und Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse und Auslagen, die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers und ferner die Kosten des Unterhaltes für die Familienangehörigen des Erblassers, die zur Zeit des Todes zu dessen Hausstand gehörten, für die ersten dreißig Tage. Hiervon ist er nur dann entbunden, wenn der Erblasser anderweitige letztwillige Verfügungen getroffen hat. Sind mehrere Erben vorhanden, so haften dieselben für die gemeinschaftlichen Nachlaßverbindlichkeiten als Gesamtschuldner, und nichts macht einen schlechteren Eindruck, als wenn einer dem andern die Bestreitung der Unkosten übertragen und von seinen eigenen Schultern wälzen will. Nicht nur ungehörig, sondern beinahe roh ist es, den Haushalt des Verstorbenen, wenn dieser kaum zur Ruhe bestattet, aufzulösen, die Pflegerin und Angestellten des Erblassers zu entlassen und sich von den Verbindlichkeiten, die man gegen diese hat, durch die einmalige Zahlung einer geringen Summe loskaufen zu wollen. Einen noch traurigeren Eindruck aber macht es, wenn die Erben bei der Beerdigung des Verstorbenen zu sparen suchen, ihm den Blumenschmuck vorenthalten und etwaige Wünsche, die der Erblasser vielleicht bei Lebzeiten in dieser Hinsicht selbst äußerte, mit Rücksicht auf die ihnen dadurch entstehenden Kosten nicht erfüllen.

[960] 961. Testamentseröffnung. Hinterläßt der Verstorbene ein Testament, so ist der Tag der Testamentseröffnung für die Erben von größter Bedeutung. Selbst wer es ganz genau weiß, was und wieviel er geerbt hat, sollte dennoch bei dieser Handlung ein der Situation angemessenes Gesicht zur Schau tragen und nicht lachend und plaudernd, als wenn es sich um eine fröhliche Zusammenkunft handelte, auf dem Gericht erscheinen. Nicht nur die Freude, sondern auch den Aerger, den Verdruß und die Enttäuschung soll man beherrschen können, und wer bei der Testamentseröffnung sieht, daß er seinen Erwartungen entgegen mit leeren Händen ausging, darf sich nicht dazu hinreißen lassen, laute Verwünschungen auszustoßen und drohend die Faust noch gegen den Verstorbenen zu erheben. Immer muß man sich gegenwärtig halten, daß der Erblasser über sein Vermögen verfügen kann, wie er will. Beschränkt wird er hierin nur durch das Pflichtteilsrecht. Man versteht hierunter das gewissen nahen Angehörigen zustehende Recht, von dem Verpflichteten (meist dem Erben) die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteiles zu verlangen. Dieses Recht steht den Abkömmlingen, den Eltern und dem Ehegatten des Verstorbenen zu. Wird einem Erben sein staatliches Pflichtteil vorenthalten, so wird er in den meisten Fällen durch sein Benehmen, das er dem Verstorbenen gegenüber bei dessen Lebzeiten zur Schau trug, selbst die Veranlassung dazu gegeben haben und damit nur den Lohn für sein Vergehen und für seine Schuld ernten.

[961] 962. Testamentserrichtung. Ein Testament zu errichten ist jeder berechtigt, ausgenommen sind hiervon nur die Geschäftsunfähigen und vorübergehend Sinnlosen, solange der Zustand der Bewußtlosigkeit oder Störung der Geistesthätigkeit dauert, Personen unter 16 Jahren und die wegen Geistesschwäche, Verschwendung oder Trunksucht Entmündigten. Jedes Testament muß entweder vor einem Richter oder einem Notar errichtet werden oder es muß in einer von dem Erblasser unter Angabe des Ortes und Tages eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Erklärung bestehen, daß es auf Verlangen des Erblassers in amtliche Verwahrung zu nehmen ist.

[962] 963. Testamentsänderung. Jeder Erblasser hat das Recht, jederzeit die von ihm in seinem Testament erlassenen Verfügungen ganz oder teilweise zu widerrufen. Dies kann entweder dadurch geschehen, daß das Testament aufgehoben oder Veränderungen vorgenommen werden, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzugeben, ausgedrückt zu werden pflegt. Ueber die Beweggründe, die den Erblasser zu diesem Schritt veranlassen, ist er natürlich niemand Rechenschaft schuldig, auch braucht er niemand von den Aenderungen, die er vorgenommenhat, Mitteilung zu machen. Aber gerade dieser Umstand, daß wir handeln können, wie wir wollen, sollte uns veranlassen, unsere Bestimmungen nicht allzu willkürlich aufzugeben, nicht beständig zu ändern, nicht heute diesen und morgen jenen zum Erben einzusetzen, und ein hitziges Wort, eine heftige Entgegnung darf uns nicht veranlassen, Leute, denen wir zu großem Dank verpflichtet sind, mit einem Federstrich aus unserem Testament zu entfernen. – Darüber, ob es angebracht ist, sein ganzes Vermögen seinen Verwandten zu entziehen und wohlthätigen Stiftungen zuzuwenden, sich zu äußern, ist hier nicht der Ort. Wer das Gute thut, sollte sich aber gewissenhaft fragen, ob er das Gute des edlen Zweckes wegen thut oder zum größten Teil deshalb, um nach seinem Tode einen mehr oder weniger dankbaren Nachruf in den Zeitungen zu erhalten. Gewiß ist wohlzuthun eine schöne Sache, aber das darf nicht dazu führen, die Verpflichtungen, die wir gegen Verwandte und Nahestehende haben, zu verletzen.

[963] 964. Konkurs. Wer seine Schulden bezahlt, vergrößert sein Vermögen, wer aber nicht nur nichts bezahlt, sondern den alten Schulden immer neue hinzufügt, handelt nicht nur unpraktisch, sondern in gewissem Sinne auch unehrenhaft. Man darf nur dann etwas auf Borg entnehmen, wenn man nicht nur die Absicht, sondern auch die Gewißheit besitzt, seine Schuld tilgen zu können. Hat man diese nicht, so bereichert man sich auf Kosten anderer, eine That, die nicht sehr weit verschieden ist von jener, die man mit dem Worte »Diebstahl« bezeichnet. Wer lustig darauf loslebt, den lieben Herrgott einen guten Mann sein läßt, nie über sein »Soll« und »Haben« nachdenkt, seine Verhältnisse beständig überschreitet, darf sich nicht wundern, wenn er eines Morgens erwacht und in die traurige Notwendigkeit versetzt ist, sich sagen zu müssen: »Bis hieher, Cäsar, und nicht weiter.« Es giebt angenehmere Beschäftigungen auf der Welt, als »Konkurs« zu machen. Unter Konkurs versteht man den Zustand, in dem der Schuldner außer stande ist, die Forderungen seiner sämtlichen Gläubiger vollständig zu vereinigen. Sein ganzes Vermögen wird alsdann unter jene verteilt; mit anderen Worten heißt dies: das Konkursverfahren wird eingeleitet. Es kann dies jedoch nur auf Antrag, aber nicht von Amts wegen, vom Gericht eröffnet werden. Entweder kann man den Antrag auf Eröffnung des Konkurses selbst stellen oder dieser kann von jedem Gläubiger beantragt werden. Die Voraussetzung hierzu ist in beiden Fällen die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, die übrigens auch dann eintreten kann, wenn die Gesamtheit der Passiven von den Aktiven gedeckt wird; es ist also eine Vermögensunzulänglichkeit nicht erforderlich. Unter der Konkursmasse versteht man das zur Befriedigung der Gläubiger dienende Vermögen des Gemeinschuldners. Zur Regelung der Angelegenheit wird der Besitz des Gemeinschuldners mit Arrest belegt und zur Ordnung der Finanzlage von Amts wegen ein Konkursverwalter ernannt. Wer in die traurige Lage kommt, seinen Konkurs anmelden zu müssen, erleidet dadurch fast immer auch eine Erschütterung seiner gesellschaftlichen Stellung, da die Menschen heutzutage sich scheuen, mit Leuten zu verkehren, deren Finanzlage nicht gesichert ist. Daß jemand einen betrügerischen Bankerott macht, um sich seinen Verpflichtungen zu entziehen und um sich durch eine »Pleite« reich zu machen, ist ein Witz, der zwar in den Witzblättern stets ein dankbares Publikum findet, im Leben aber nicht nur nicht belacht, sondern sogar schwer bestraft wird. Bei allen Geldgeschichten ist Wahrheit und Ehrlichkeit die erste Hauptbedingung. Natürlich braucht dies nicht dahin zu führen, daß man jedem Unbefugten einen klaren Einblick in seine Vermögensverhältnisse gestattet.

[964] 965. Steuerangabe. Sein wahres Einkommen gewissenhaft anzugeben ist man nur dann verpflichtet, wenn es sich um die Steuererklärung handelt. Man unterscheidet indirekte und direkte Steuern. Zu den letzteren gehören diejenigen Abgaben, welche von den Personen erhoben werden, die durch die Steuer endgültig belastet werden sollen. Die hauptsächlichsten direkten Steuern sind: die Grundsteuer, die Gebäudesteuer, die Gewerbesteuer, die Lohnsteuer und endlich die Einkommen- und Klassensteuer. Zu diesen Abgaben, die wir dem Staate entrichten müssen, gesellen sich dann noch die Kommunalabgaben, die fast in jeder Stadt verschieden sind. Die Steuerpflicht ist eine allgemeine und für alle Staatsangehörige in dem Sinne gleich, daß jeder nach seiner Steuerfähigkeit besteuert werden soll. Für nichts auf der Welt giebt der brave Deutsche sein Geld so ungern aus, als für die Steuern, und zwar in den meisten Fällen deshalb, weil er es gar nicht der Mühe wert hält, sich einmal klar zu machen, welchen Nutzen ihm der Staat für die geringe jährliche Abgabe in jeder Hinsicht gewährt. Dieser Widerwille gegen die Steuer führt nicht nur zum beständigen Schelten und Tadeln, sondern auch dazu, sein Einkommen falsch anzugeben – lediglich, um sich wenige Mark zu ersparen. Nur die wenigsten machen es sich klar, daß sie den Staat dann betrügen und sich einer schweren Strafe aussetzen. Mit der Angabe seiner Einnahmen zur Versteuerung soll man nicht nur nach unten, sondern auch nach oben hinauf bei der Wirklichkeit bleiben. Nur Leute, denen aus irgend welchen Gründen daran gelegen sein muß, ihren Kredit zu erhöhen, versteuern eine größere Summe, als sie thatsächlich besitzen, und nur Protzen renommieren damit, daß sie wieder eine Steuerklasse höher gesetzt und so und soviel Steuern bezahlen müssen.

Viele haben den edlen Grundsatz, nicht eher zu bezahlen, als bis ihnen das Geld aus dem Hause geholt wird. Angeblich thun sie dies, um bis zum letzten Augenblick den Zinsgenuß des Geldes selbst verwerten zu können. In Wirklichkeit aber ist es weiter nichts als Nachlässigkeit und ein Versuch, sich, wenn irgend möglich, um die Bezahlung der Abgaben zu drücken. Aber ebensowenig, wie es bisher einem Menschen gelungen ist, dem Tode zu entfliehen, ist es bisher einem Deutschen geglückt, sich vor einem Steuerzettel oder vor der Einlösung dieses Wertpapieres zu schützen. Zur Bezahlung von Steuern ist jeder verpflichtet, der ein selbständiges Einkommen von mehr als 600 Mark besitzt.

[965] 966. Anschreiben. Für den, der mit seinen Einnahmen auskommen und in geordneten Verhältnissen leben will, ist es unbedingt erforderlich, daß er nicht nur über seine Einkünfte, sondern auch über seine Ausgaben gewissenhaft Buch führt. Dieses ist schon deshalb erforderlich, um sich selbst sowohl gegen die Vorwürfe anderer, als gegen die eigenen zu schützen, daß man irgendwie verschwendet hat. Wie oft kommt es nicht vor, daß uns eine Summe Geldes fehlt. Wir wissen ganz genau, daß wir gestern in unserem Portemonnaie noch ein Zwanzigmarkstück hatten – und jetzt ist es weg. Der erste Gedanke ist »bestohlen« zu sein, der zweite, es verloren zu haben, »denn daß man es nicht ausgab, weiß man ganz bestimmt«. Das ganze Haus wird abgesucht, die Dienstboten werden verhört, dieselben sind »unverschämt« genug, zu leugnen, sie werden gekündigt und drohen mit einer gerichtlichen Klage. Die Polizei wird herbeigeholt, Annoncen werden in der Zeitung erlassen, Himmel und Hölle wird in Bewegung gesetzt, und wenn die Welt dem Untergang nahe ist, fällt uns plötzlich ein, daß wir mit den 20 Mark ja eine Rechnung bezahlten, die uns gestern abend überbracht wurde. So etwas kommt nicht einmal, sondern tausendfach vor, und viele Thränen sind schon geflossen, viele ungerechte Vorwürfe sind schon gemacht, weil man über seine Ausgaben nicht Buch führte.

Wer anschreibt, muß natürlich gewissenhaft und richtig anschreiben. Ein namentlich bei Damen beliebtes Mittel, wenn ihnen in der Kasse eine mehr oder weniger große Summe fehlt, ist, in dem Wirtschaftsbuch zu notieren: »Kleinigkeiten 100 Mark«, oder, wenn sie sich ganz präzise ausdrücken wollen: »Verschiedenes«. Eine solche Buchführung hat wenig oder gar keinen Zweck, denn das Anschreiben soll uns am Ende des Monats zeigen, für welche einzelne Posten wir das Geld verausgabten, wofür wir zuviel gebrauchten und wo wir im nächsten Monat oder überhaupt sparen müssen, um unser Budget nicht zu überschreiten. Zuweilen pflegen Damen auch für die Ausgaben, die sie in Wirklichkeit machten, um vielleicht einem Vorwurf des Gatten zu entgehen, eine »fingierte« zu setzen. In dem Anschreibebuch verwandelt sich ein Hut plötzlich in verschiedene große Kalbsbraten, und ein Sortie de bal, den man bei einem Ausverkauf für den geradezu unglaublich billigen Preis von x Mark erstand, verwandelt sich über Nacht in eine Rechnung vom Fuhrmann oder irgend eines Lieferanten.

Wenn die Damen eines Tages die Entdeckung machen, daß alle Mittel, um mit ihrem Haushaltgelde auszukommen, vergebens sind, verfallen sie mit Vorliebe darauf, sich verschiedene Kassen anzulegen. Daß diese meistens aus leeren Streichholzschachteln bestehen, ist eine Thatsache, die nur diejenigen leugnen werden, die selbst mindestens 25 derartige Privatschatullen verwalten. Der eine Kasten ist für den Schlächter bestimmt, der zweite für die Gemüsefrau, der dritte für den Gärtner, der vierte für die Milchfrau, der fünfte für den Eiermann und die übrigen für übrige Leute. Wer ganz weise ist, legt sich einen Reservekasten für »unvorhergesehene Extraausgaben« an: der Fond, der dieser Schatulle anvertraut wird, ist fälschlicherweise immer der kleinste, denn das, was unser Leben teuer macht, sind thatsächlich nicht die fortlaufenden, regelmäßigen Ausgaben, sondern die Extrasachen. Schon nach wenig Tagen sieht die Dame ein, daß sie ihr Geld nicht richtig einteilte und in die verschiedenen Kassen nicht genügend hineinlegte. Infolgedessen fängt sie an zu borgen. Für den Schlächter borgt sie beim Gärtner, die Milchfrau bezahlt sie mit dem Eiermann, den Schuster mit dem Schneider, und wiederum nach wenigen Tagen herrscht in ihren Schatullen ein Chaos, daß selbst ein beeidigter Bücherrevisor sich jahrelang vergebens abmühen würde, Ordnung in die verworrenen Staatsfinanzen zu bringen. Dieses Schachtelsystem hat von Anfang an etwas Verworrenes und – noch keine sah ich glücklich enden, die mit immer vollen Händen ihr Geld in Schachteln hat gestreut.

[966] 967. Bankdepots. Es ist eine bekannte Thatsache, daß man um so mehr Geld ausgiebt, je mehr man bei sich trägt oder in seinem Geldschranke liegen hat. Damen pflegen besonders gern größere Summen in einem feuerfesten Glasschrank, der Nippsachen enthält, aufzubewahren. Die Versuchung, eine neue Summe Geldes herauszunehmen, ist sehr verlockend, und nur wenige haben die Kraft, ihr zu widerstehen. Aber nicht nur aus diesem Grunde, sondern schon um der Gefahr zu entgehen, das Geld durch Brand oder Diebstahl zu verlieren, sollte man nie größere Geldsummen im Hause haben, sondern sie auf die Bank oder auf die Sparkasse bringen. Der Zinsertrag, den man für derartige Einlagen, die täglich wieder erhoben werden können, erhält, ist ja nur gering, aber es ist immerhin doch etwas. Vor allen Dingen jedoch hat man eine gewisse Scheu davor, eine Summe, die man gestern zur Bank brachte, heute schon wieder abzuholen, und man wird dadurch zu einer gewissen Sparsamkeit veranlaßt werden. Für Leute, die schwankende Einnahmen haben und bei denen der Geldpostbote ein häufiger und gerngesehener Gast ist, empfiehlt es sich, bei dem Bankier sich ein offenes Konto anzulegen, d.h. alle Zahlungen, die man erwartet, nicht an die eigene Adresse, sondern an ein Bankhaus senden zu lassen und sich dort abzuholen, was man zum Leben braucht. Hat man bei einer Bank ein größeres Guthaben, so enthebt dies uns auch der Verpflichtung, größere Summen bei uns zu tragen, da wir jederzeit nicht mit barem Gelde, sondern mit einem Scheck bezahlen können, der auf unser Bankhaus lautet und von diesem jederzeit beglichen wird. Selbstverständlich läßt die Bank sich diese Verwaltung bezahlen, und abgesehen davon, daß es protzenhaft ist, jede Kleinigkeit mit einem Scheck zu bezahlen, wäre es auch unpraktisch, in einem Restaurant dem Kellner das Trinkgeld nicht in Bar, sondern per Scheck hinzu legen. Nicht unerwähnt mag hier bleiben, daß die Menschen nicht erst geboren zu werden brauchen, die prinzipiell kein bares Geld, sondern nur ein Scheckbuch bei sich tragen. Ob sie thatsächlich außer diesem Buch der Bücher noch ein Guthaben bei einer Bank besitzen, ist eine zweite Sache. Sehr häufig benutzen sie auf jeden Fall diesen Umstand, um sich auf möglichst leichte Art und Weise, nämlich durch Borgen, Geld zu verschaffen.

Quelle:
Baudissin, Wolf Graf und Eva Gräfin: Spemanns goldenes Buch der Sitte. Berlin, Stuttgart [1901], S. 929-967.
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