I.

Der Hof.

[1117] 1117. Einleitung. »Die Höfe, sagt Lord Chesterfield in den bereits mehrfach citierten Briefen an seinen Sohn, sind unstreitig der Sitz der feinen Sitten. Wären sie das nicht, so müßte man sie als Schauplätze der Verwüstung und des Blutvergießens betrachten. Die unter den gegebenen Umständen einander anlächeln und umarmen, dieselben würden sich beschimpfen und morden, wenn nicht die guten Sitten ins Mittel träten. Ehrgeiz und Habsucht, die zwei an den Höfen herrschenden Leidenschaften, haben Verstellung für wirksamer gehalten, als Gewaltthätigkeit. Die Verstellung aber hat jene vollendete Höflichkeit eingeführt, welche den Hofmann vom Landjunker unterscheidet. Wo nur die Gewalt in Frage kommt, da siegt die stärkste physische Kraft, in den Verstellungskünsten dagegen behält der Geist die Oberhand. Gewöhnlich entspringt die Höflichkeit keiner reinen Quelle. Sie entsteht aus dem Verlangen, sich auszuzeichnen. Aus Hochmut sind wir höflich. Es schmeichelt uns, ein Benehmen zu haben, welches beweist, daß wir nicht von niederem Stande sind und mit solchen Leuten, die man zu allen Zeiten verlassen hat, keinen Umgang gepflogen haben. Unter den Monarchieen hat die Höflichkeit das Bürgerrecht bei Hofe erlangt. Ein übermäßig großer Mann macht alle anderen klein. So entstand die Achtung, die man aller Welt schuldet, und daher kommt auch die Höflichkeit, die sowohl denen schmeichelt, welche sie beobachten, als auch denen, gegen die man höflich ist. Sie deutet an, daß man zum Hofe gehört oder doch dieser Zugehörigkeit würdig wäre. Seine eigene Größe abzulegen und eine erborgte anzunehmen, darin besteht die Hofmiene. Sie schmeichelt einem Hofmanne mehr, als sein natürliches Gesicht. Sie verleiht eine gewisse stolze Bescheidenheit, die sich nach allen Richtungen ausbreitet, deren Stolz aber allmählich verschwindet, je weiter man sich von der Quelle persönlicher Größe entfernt. Das sind unglückliche Menschen, die sich in der Welt so wenig auskennen, daß sie nach dem äußeren Schein urteilen.

Mehr durch äußere als durch innere Eigenschaften haben die Leute Glück und großes Ansehen an Höfen gesunden. Ihre einnehmende Anrede, die Feinheit ihrer Sitten, ihre Mienen und ihr Benehmen hat fast immer ihren höheren Fähigkeiten, wenn sie überhaupt solche besaßen, den Weg zur Auszeichnung gebahnt. Bevor sie Minister wurden, waren sie Günstlinge. Die Anmut der Sitten ist an Höfen schlechterdings not wendig. Ein verachteter Kavalier kann dir bei Hofe vielleicht mehr schaden, als zehn verdienstvolle Personen dir nützen können. Thoren und geringe Leute bewachen stets eifersüchtig ihre Würde. Niemals vergessen und verzeihen sie eine Geringschätzung. Dagegen nehmen sie Höflichkeit und ein wenig Aufmerksamkeit als Gunstbezeigung in Kauf, erinnern sich ihrer und sind erkenntlich dafür.

So wie man ein hochzeitliches Gewand hat, so giebt es auch eine besondere Hofkleidung. Sie besteht in einem offenen Gesicht, einer Ehrerbietung bezeigenden Miene, einer zierlichen Höflichkeit, in einem ungezwungen einnehmenden Bezeigen vollständiger Aufmerksamkeit, in einem einschmeichelnden sanften Betragen, kurz in dem »ich weiß nicht was«, das der Inbegriff des gesitteten Wesens ist.

An allen Höfen wirst du Verbindungen ohne Freundschaft finden, Feindschaft ohne Haß, Ehre ohne Tugend, sorgfältig bewahrten Schein und aufgeopferte Wirklichkeit, gute Sitten bei schlechten Grundsätzen, kurz: alle Tugenden und Laster in einer solchen Verstellung, daß der, welcher über Tugend und Laster nicht nachgedacht hat, weder die eine noch das andere kennen wird, wenn sie ihm zum erstenmal bei Hofe begegnen. Nichts ist an Höfen so, wie es scheint, oft ist es etwas ganz anderes, zuweilen gerade das Gegenteil. Der Eigennutz, die eigentliche Triebfeder aller Handlungen in diesen Kreisen, führt Freunde zusammen und trennt sie wieder, erzeugt Feindschaften und söhnt sie wieder aus, oder richtiger: er duldet weder wahre Freundschaft noch Feindschaft. Heute kannst du mit zwei Menschen in freundschaftliche Verbindung treten, morgen aber wirst du genötigt sein, dir Feinde zu betrachten. Beobachte daher deinen Freunden gegenüber einen solchen Grad von Zurückhaltung, daß sie dich nicht in ihre Hand bekommen, und gegen deine Feinde eine solche Mäßigung, daß immer noch die Möglichkeit vorhanden bleibt, sie wiederum zu deinen Freunden zu machen.

Ein Mann von Geist und Bedeutung soll zwar nicht jedem höflich schmeicheln, jedoch große Sorge tragen, keinen persönlich zu beleidigen, denn, wenn ihm auch nicht jeder dienen kann, so kann ihm doch jeder schaden. Schmeichelei, an sich ja eine schlechte Münze, ist nichts desto weniger bei Hofe das nötige Taschengeld, und hat da durch Gewohnheit und Zustimmung eine solche Geltung erlangt, daß sie nicht als betrügerische, sondern als gesetzmäßige Zahlung betrachtet. wird.

An allen Höfen giebt es eine Kette, die den Fürsten oder Minister mit dem Edelknaben aus der Hintertreppe oder mit der Kammerjungfer verknüpft. Kein einziges Glied dieser Kette, die dich bis zum Fürsten leiten soll, darfst du zerbrechen. Hast du keine Lust, den Intriganten nachzusehen oder Thoren zu dulden, so mußt du den Höfen entsagen. Ihre Zahl verleiht ihnen Macht. Mit beiden sollst du ebensowenig zanken als mit ihnen in nähere Verbindung treten. Verlaß dich darauf, was immer du am Hofe sagst oder thust, das wird alles bekannt werden. Die meisten Leute, welche sich in des Königs Schlafgemach und Vorzimmer drängen, machen sich ein Geschäft daraus, alles, was sie sehen oder hören, zu hinterbringen und obendrein noch etwas hinzu zu fügen, was sie weder gesehen, noch gehört haben, je nachdem sie den beteiligten Personen geneigt sind oder wie es der wünscht, bei dem sie sich einschmeicheln wollen. Es ist daher große Behutsamkeit notwendig. Kannst du mit dieser scheinbare Offenherzigkeit und Freimut verbinden, so wirst du diejenige Vereinigung erzielen, die Machiavelli für sehr schwer, aber äußerst notwendig hält: ein offenes Gesicht und zurückgehaltene Gedanken.

Die größten Gunstbezeigungen können so ungeschickt und stümperhaft erwiesen werden, daß sie beleidigen, andererseits können unangenehme Dinge auf so einnehmende Weise erledigt werden, daß sie fast verbinden. Suche dieses große Geheimnis zu entdecken, es ist vorhanden, läßt sich finden und ist unendlich wertvoller, als das der Alchimisten, wenn dieses überhaupt entdeckt werden könnte, was aber nicht der Fall ist. Das erstere ist nur an Höfen zu finden, wo entgegengesetzte Meinung, widerstreitende Interessen und herzlicher Haß durch Höflichkeit und artiges Benehmen gemildert und innerhalb anständiger Schranken gehalten werden.«

Lord Chesterfield schließt seine oben angeführten Worte mit dem guten Rat: besuche die Höfe, beobachte und studiere sie.

Gewiß hat ein jeder den Wunsch, bei Hofe zu verkehren, nicht lediglich deshalb, weil die Hofgesellschaft auch bei uns als die vornehmste gilt und weil es dem gesellschaftlichen Ehrgeiz eines jeden entspricht, zu ihr gehören zu wollen, sondern auch, weil ein großer Reiz darin liegt, in dem Hause unseres Fürsten zu verkehren und die offiziellen Persönlichkeiten auch menschlich kennen zu lernen, mit ihnen an demselben Tisch zu sitzen und mit ihnen von derselben Speise zu essen.

Wohl alle haben den Wunsch, bei Hofe zu verkehren, aber nicht jedem ist die Erfüllung seines Wunsches möglich, denn die Hoffähigkeit des einzelnen wird durch die Etikettenfrage bestimmt.

Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist die Etikette mehr und mehr im Aussterben begriffen, und namentlich in Deutschland haben sich die Pforten für diejenigen, die zu Hofe wollen, bedeutend weiter geöffnet, als man es früher anzunehmen hoffte. Das Land, in dem die Etikette heute noch ihre größten Triumphe feiert, ist Spanien. Davon aber abgesehen, kann man sagen: je größer der Hof, desto größer ist der Kreis derjenigen, die bei Hofe verkehren. Je kleiner der Hof ist, desto ängstlicher wird darauf geachtet, daß kein Unberufener in die Hofgesellschaft eindringt.

[1117] 1118. Wer ist hoffähig? In früheren Jahrhunderten und noch vor mehreren Jahrzehnten war die Hoffähigkeit lediglich von dem Adel der Geburt abhängig, aber mit der zunehmenden Vergrößerung des preußischen Staates und mit der höheren Entfaltung seines geistigen Lebens trat der Vorzug der Geburt dem Wissen und Können gegenüber immer mehr in den Hintergrund. Der Geburtsrang weicht, je länger je mehr, dem Dienstrange. Am kaiserlich-russischen Hofe schließt schon jetzt der Tschin, die Rangordnung nach dem Dienstverhältnisse, jeden Geburtsanspruch selbst solcher Fürsten aus, welche früher souverän waren.

Bevorrechtete Adelsklassen sind heute eigentlich nur noch die der Hoheit Preußens untergeordneten, ehemals reichsständischen fürstlichen und gräflichen Familien, von denen den Mitgliedern der ersteren das Prädikat Durchlaucht, den Häuptern der letzteren das Prädikat Erlaucht zusteht, namentlich insoweit diese fürstlichen und gräflichen Familien des Rechtes der Ebenbürtigkeit sich erfreuen. Indessen stehen auch sie nicht an der Spitze, sondern vor den Häuptern der landsässigen Fürstenfamilien unter Nummer 10 des neuen Hofrangreglements und haben dessen höhere Stufen, gleich anderen preußischen Staatsangehörigen, erst zu verdienen.

Eine dieser höheren Stufen bilden Allerhöchster Bestimmung zufolge jetzt die Ritter des hohen Ordens vom schwarzen Adler. Es ist jedoch nur diesem einen Orden als dem vornehmsten des Hauses und des Landes eine besondere Rangstellung eingeräumt worden, während die Ritter der Friedensklasse des Ordens pour le mérite für Wissenschaften und Künste und die Rechtsritter des Johanniterordens, welche in dem Hofrangreglement vom 7. Mai 1871 unter besonderen Nummern aufgeführt sind, in dem neuen Reglement nicht genannt werden, wenngleich beiden Orden der ihnen von König Friedrich Wilhelm IV. gewährte und von Kaiser Wilhelm I. 1871 bestätigte Rang verblieben ist. Demgemäß rangieren in dem neuen Reglement die Ritter der Friedensklasse des Ordens pour le mérite der Wissenschaft und Künste, insofern sie nicht höheren Rang besitzen, zwischen Nummer vierunddreißig und fünfunddreißig und die Rechtsritter des Johanniterordens unter gleicher Voraussetzung zwischen Nummer fünfundvierzig und sechsundvierzig.

Wie vor zweihundert Jahren, so bilden auch noch heute die Rangstufen der Armee die Marksteine der Ordnung der zum Erscheinen am königlichen Hofe berechtigten Personen, und da jeder Leutnant, auch der bürgerlich geborene hoffähig ist, so steigt der Stufenrang bis zur Leutnantscharge hinab.

Die obigen Angaben sind dem Kommentar des Ceremonialbuches für den königlich preußischen Hof entnommen. Bei dem preußischen Hof ist der Leutnant, wie aus dem obigen hervorgeht, hoffähig, in Bayern hat der Leutnant nur »Hofzutritt«, und schon aus diesem einen Beispiel geht hervor, wie verschieden an den verschiedenen Höfen die Bestimmungen über die Hoffähigkeit sind. Wollte man hierüber ganz positive Angaben machen, so bliebe nichts anderes übrig, als die Hofrangordnung sämtlicher europäischer Fürstenhöfe hier folgen zu lassen, aber das wäre schon aus räumlichen Gründen unmöglich.

In Bayern schreibt das Reglement vor, daß eine an und für sich nicht hoffähige Persönlichkeit dennoch ausnahmsweise für eine bestimmte Zeit den Hofzutritt erhalten kann, und wie es hier ist, ist es auch fast an allen anderen Höfen.

Die Hoffähigkeit eines Herrn ist entweder abhängig von seiner Geburt, von dem Amte, das er bekleidet, oder von seiner Stellung, die er als Mann der Wissenschaft, als Schriftsteller oder Künstler in der Welt einnimmt. Zu welcher Rangstufe er gehört, bestimmt das Hofreglement.

[1118] 1119. Die Hoffähigkeit der Damen ist entweder abhängig von ihrer Geburt oder von der Stellung, die ihr Mann bekleidet. Doch bestehen über diesen Punkt fast an jedem Hof besondere Bestimmungen.

Hoffähig sind im allgemeinen alle adelig geborenen Damen oder die, deren Väter später in den Adelsstand erhoben wurden, also auch die Töchter einer Ehe von einem adeligen Vater und einer unadeligen Mutter. Vater und Töchter sind hoffähig, die Mutter aber nicht.

Die Frauen adeliger Offiziere und adeliger Beamten, welche bürgerlicher Herkunft sind, sind im allgemeinen nicht hoffähig.

Adelige Damen, welche vor ihrer Ehe bei Hofe verkehrten, später aber einen Unadeligen, aber hoffähigen Herrn heiraten, bleiben hoffähig. Heiraten sie dagegen einen unadeligen, nicht hoffähigen Mann, so verlieren sie dadurch ihre Hoffähigkeit.

Eine bürgerlich geborene Frau wird im allgemeinen erst dann hoffähig, wenn ihr Gatte im Range eines Geheimrats oder eines Brigadekommandeurs steht. Bei einigen Höfen wird die bürgerliche Frau hoffähig, wenn der Mann Stabsoffizier ist (z.B. in Württemberg).

Adlige Damen, die einen Bürgerlichen heiraten, sind auch dann an einigen Höfen nicht hoffähig, wenn der Gatte hoffähig ist. Jede Frau nimmt unbedingt bei der Rangordnung den Rang ihres Mannes ein.

Ausländische Damen, einerlei, ob adelig oder nicht, gelten an vielen Höfen, z.B. in Sachsen, dann für hoffähig, wenn sie von dem Konsul ihres Landes vorgestellt werden. Engländerinnen, die empfangen werden wollen, müssen zuvor bei ihrer Königin gewesen sein.

Jeder Hof hat sein eigenes Ceremoniell, und wer für seine Person erfahren will, ob er hoffähig ist oder nicht, thut am besten, sich mit einer Anfrage an das Oberhofmarschallamt zu wenden, und kann sicher sein, eine umgehende Antwort zu erhalten.

Ist der Mann adelig, seine Frau nicht, so genügt in vielen Fällen ein Gesuch an das Oberhofmarschallamt, das höheren Ortes zur Entscheidung unterbreitet wird, um auch die Frau hoffähig zu machen.

Der Rang der courfähigen verheirateten Damen richtet sich, altem Herkommen gemäß, genau nach dem vorstehend angegebenen Range ihrer Männer.

Die Oberhofmeisterin Ihrer Majestät der Königin geht allen Damen, auch den Gemahlinnen der vornehmsten Hof- und Staatsbeamten vor.

Die Palastdamen Ihrer Majestät der Königin rangieren mit, die Oberhofmeisterin Ihrer Königlichen Hoheit der Kronprinzessin und die Hofdamen Ihrer Majestät der Königin unmittelbar nach den Excellenzen, also vor den Gemahlinnen der Generalmajors.

Die Oberhofmeisterinnen der anderen Prinzessinnen, Königlichen Hoheiten, die Hofdamen Ihrer Königlichen Hoheit der Kronprinzessin, ferner die Aebtissinnen und Vorsteherinnen adeliger Stifter (vorab die vom heiligen Grabe) rangieren vor den Gemahlinnen der Obersten.

Die Hofdamen Ihrer Königlichen Hoheiten der anderen Prinzessinnen des Königlichen Hauses rangieren nach den Gemahlinnen der Königlichen Kammerherren.

Denselben Rang haben die Damen des Louisenordens.

Die Damen adeliger Stifter rangieren nach den Gemahlinnen der Majors.

Die Witwen folgen in jeder Rangkategorie den verheirateten Frauen.

[1119] 1120. Wie komme ich zu Hofe? Hat man den Wunsch, seinem Landesfürstenvorgestellt zu werden, so wendet man sich im allgemeinen mit einem Gesuch an das Oberhofmarschallamt, und an die Oberhofmeisterin, wenn man der Fürstin vorgestellt zu werden wünscht. Man hat in diesem Gesuch seinem Wunsch um Aufnahme in die Hofgesellschaft Ausdruck zu geben. In einigen Residenzstädten wird von Zeit zu Zeit bekannt gemacht, daß die höchsten Herrschaften an dem und dem Tage die Vorstellung neuer Herren und Damen entgegennehmen wollen. Es wird dann hinzugesetzt, daß die Oberhofmeisterin an dem und dem Tage zu der und der Stunde dort Besuche entgegennimmt. Es wäre falsch und zwecklos, wenn man sich nun ohne weiteres allein auf den Weg machen und sich der Vertreterin der Fürstlichkeit selbst vorstellen wollte. Es ist nötig, daß man sich bei der Oberhofmeisterin einführen läßt und zwar als Deutsche an vielen Höfen durch den Gesandten, als Ausländerin durch den Konsul seines Landes. Es genügt aber nicht, nur der Oberhofmeisterin seine Aufwartung zu machen, sondern man muß sich auch bei den anderen offiziellen Persönlichkeiten der Hofgesellschaft einführen lassen. Ist dies geschehen, hat man den weiteren Bescheid abzuwarten, und wird unser Gesuch um Aufnahme in die Hofgesellschaft bewilligt, so wird uns später mitgeteilt, wann und wo die höchsten Herrschaften unsere Vorstellung entgegennehmen wollen.

Fast immer wird diese Vorstellung mit einer Hoffestlichkeit zusammenfallen, bei der die höchsten Herrschaften sich die fremden Gäste zu Beginn des Festes präsentieren lassen.

Da bei jeder Einladung seitens des Hofes zugleich der Anzug, in dem man zu erscheinen hat, befohlen wird, so fällt die Frage »Was ziehe ich an?« ohne weiteres fort.

Findet ausnahmsweise die Vorstellung an einem besonderen Tage statt, für den kein bestimmter Anzug befohlen ist, so thut man am besten, sich bei dem Hofmarschallamt über die Toilettenfrage zu informieren. Im allgemeinen erscheinen die Herren vom Civil bei dieser Gelegenheit im Frack und weißer Binde, hellen Handschuhen, Chapeau claque und Orden, die Damen in eleganter Besuchstoilette.

Will man bei einem Fürsten oder einer Fürstin eine Audienz erhalten, so wendet man sich mit einem schriftlichen Gesuch an das Oberhofmarschallamt oder die Oberhofmeisterin und darf nicht versäumen, den Grund und die Veranlassung, weswegen man die Audienz erbittet, anzugeben. Wird unsere Bitte abgeschlagen, so wird uns meistens anheimgegeben, unser Gesuch in ausführlicher Weise schriftlich den höchsten Herrschaften zu unterbreiten. Die Form, in der dies zu geschehen hat, ist bei dem Kapitel über den Briefwechsel ausführlich behandelt worden.

[1120] 1121. Benehmen bei der Vorstellung. Da die Fürsten dieser Welt von einer geradezu unheimlichen Pünktlichkeit zu sein pflegen, versteht es sich von selbst, daß derjenige, der zu Hof befohlen ist, nicht erst im letzten Augenblick erscheint, sondern so rechtzeitig eintrifft, um seine Garderobe ablegen und seinen Anzug noch in Ordnung bringen zu können. Der Oberstkämmerer und die Oberhofmeisterin werden den Fremdling immer schon erwarten, denn ihre Aufgabe ist es, die Vorstellung zu übermitteln. Tritt der Fürst ins Zimmer, so haben wir ihn durch eine respektvolle Verbeugung zu begrüßen: als Herr aber soll man nicht hierbei zusammenklappen, wie ein Taschenmesser, und als Dame soll man nicht so tief in die Knie sinken, daß man von der Erdoberfläche verschwindet und daß der Fürst sich verwundert umsehen muß, wo sein Gast geblieben ist. Das ist erstens unschön, zweitens lächerlich, und drittens zeigt derjenige, der in seinem nichts durchbohrenden Gefühle in sich selbst zusammenschrumpft, daß er nicht allzuviel Selbstachtung und Selbstbewußtsein besitzt.

Selbstverständlich hat man nicht das erste Wort zu sagen, sondern muß abwarten, bis man angesprochen wird. Reicht die Fürstin uns zum Willkommen die Hand, so haben wir die Pflicht, die Hand zu küssen. Viele Herren pflegen auch auf die Hand ihres Fürsten einen Kuß zu drücken: dies kann jeder halten, wie er will, Vorschriften darüber existieren nicht, aber im allgemeinen pflegt der Herr doch wohl nur die Hand einer Dame mit seinen Lippen zu berühren. Die Verbeugung und der Handkuß erfordern Uebung, Grazie und Anmut, und wer sich nicht verbeugen und nicht küssen kann, sollte hierin ruhig bei einem guten Tanzlehrer Unterricht nehmen. Bei dem Handkuß mit den Lippen zu knallen, als schösse man eine Krupp'sche Riesenkanone ab, ist nicht fein.

Wie schon gesagt, muß man selbst mit dem Sprechen warten, bis man angeredet wird. Sehr viel wurde einst die nachstehende kleine Anekdote belacht. Ein Berliner Theaterdirektor, der ein großer Künstler, aber auch nicht frei von allerhand Absonderlichkeiten ist, hatte einst in der Wiener Hofburg Audienz, um sich für eine Ordensauszeichnung, die er erhalten hatte, zu bedanken. Er wird in den Saal geführt und wartet, bis seine Stunde geschlagen hat. Pünktlich auf die Minute erscheint der Kaiser; aber anstatt zu warten, bis er gegrüßt ist, geht er dem Kaiser mit ausgestreckter Rechten entgegen, und während ein glückliches Lächeln seine Lippen umspielt, spricht er gelassen die großen Worte: »Monsieur, je suis râvi de vous voir« (mein Herr, ich bin entzückt Sie zu sehen). Einem nicht unverbürgten Gerüchte zufolge soll die apostolische Majestät ob dieser Anrede ein etwas erstauntes Gesicht gemacht haben und wenn Monsieur le directeur den Orden nicht schon gehabt hätte, hätte er ihn vielleicht nicht mehr bekommen.

Wird man aufgefordert, Platz zu nehmen, so wird der Gebildete sich ohne alle Ziererei hinsetzen und nicht auf der äußersten Kante eines Stuhles balancieren. Auch die Fürsten sind Menschen, und nur Kriecher und gänzlich Ungebildete sehen in ihnen so hohe überirdische Wesen, daß sie in ihrer Gegenwart nicht wagen, zu atmen und sich zu rühren. Auch diese Aufforderung, Platz zu nehmen, muß natürlich von dem Fürsten ausgehen und selbst, wenn man noch so alt und noch so müde ist, darf man nicht sagen, wie jener berühmte Mann: »Mein lieber Fürst, wenn es Ihnen recht ist, setzen wir uns ein wenig.«

Lord Chesterfield hat ganz recht, wenn er sagt: »Leute von gewöhnlicher Erziehung können nicht den Strahlen der Größe widerstehen. Vor Schrecken kommen sie von Sinnen, wenn Könige oder andere Große mit ihnen reden. Sie sind ungeschickt, verschämt und wissen nicht, was oder wie sie antworten sollen. Vornehme Leute dagegen lassen sich durch höheren Rang nicht blenden. Sie kennen die ihm gebührende Ehrerbietung und erweisen sie. Das thun sie aber, ohne aus der Fassung zu kommen. Sie reden ebenso ungezwungen mit einem König, als mit einem seiner Unterthanen. Das ist der große Vorzug, den einer besitzt, der in gute Gesellschaft eingeführt und beizeiten daran gewöhnt worden ist, mit Höheren umzugehen. Wie viele habe ich gesehen, die, wenn sie bei dem König vorgestellt wurden, nicht wußten, ob sie auf dem Kopfe oder auf den Füßen standen. Sprach der König sie an, so versanken sie gleichsam in ein Nichts. Sie zitterten, suchten die Hände in die Tasche zu stecken, konnten sie nicht hineinbringen, ließen den Hut fallen, schämten sich, ihn wieder aufzunehmen, kurz, sie versetzten sich in jede Stellung, nur nicht in die Richtige, in die Ungezwungene und Natürliche. Es ist das Kennzeichen eines gut erzogenen Menschen, zu Geringeren ohne Uebermut, zu Höheren mit ungezwungener Ehrerbietung zu sprechen. Er spricht getrost mit Königen, scherzt vertraulich und munter, zugleich aber achtungsvoll mit Frauen von höchstem Range, und unterhält sich mit seinesgleichen, gleichviel ob er damit bekannt ist oder nicht, über allgemeine, jedoch keineswegs nichtsbedeutende Themata. Er verrät dabei nicht die geringste Unruhe und nimmt auch keine unschickliche Stellung ein. Das alles aber hat keinen vorteilhaften Wert, wenn es nicht in vollständig ungezwungener Weise geschieht.«

Nur beim Militär ist es im Verkehr mit den Vorgesetzten und Untergebenen üblich, daß der letztere auf alles, was er gefragt wird, nur mit einem Ja und Nein oder mit einem »Zu Befehl« antwortet. Bei einem Gespräch mit Fürsten ist diese knappe Antwort nur dann angebracht, wenn es sich um dienstliche Angelegenheiten handelt. Wie man im gewöhnlichen Leben in gesellschaftlichem Verkehr mit einem Menschen bei dem besten Willen nichts anzufangen weiß, der alle Fragen, die man an ihn richtet, nur mit einem Ja oder Nein beantwortet, so wird auch ein Fürst sich mit Recht über den bekannten und berühmten Unterthanenverstand seines Untergebenen wundern und im stillen seine Bemerkung darüber machen, wenn dieser sich lediglich darauf beschränkt, mit einem Wort zuzustimmen oder zu verneinen. Man hat mit einem Satz zu antworten und in diesen die Anrede des Höherstehenden hineinzuflechten. Es heißt also nicht einfach: »Ja«, sondern: »Ja, Ew. Majestät«. Auch im mündlichen Verkehr dürfen die Curialien natürlich nicht fehlen, man sagt nicht einfach: »Danke«, sondern je nach dem Range des Fürsten: »Danke unterthänigst« oder: »Danke allerunterthänigst«.

[1121] 1122. Die Anreden im Gespräch sind dieselben wie im schriftlichen Verkehr, und zwar: Kaiser und Könige, sowie deren Gemahlinnen sind Majestäten; während man in der schriftlichen Anrede bei unserem Kaiser Kaiserliche und Königliche Majestät sagt, ist in der Umgangsform nur Majestät üblich. Dem Kronprinzen, sowie sämtlichen Prinzen und Prinzessinnen, überhaupt sämtlichen Mitgliedern aller europäischen Königshäuser gebührt die Anrede: Königliche Hoheit. Auf dieselbe Anrede haben Anspruch die regierenden Großherzöge, Erbgroßherzöge nebst ihren Gemahlinnen. Die Prinzen und Prinzessinnen dieser fürstlichen Häuser haben nur Anspruch auf die Anrede Großherzogliche Hoheit.

Die regierenden Herzöge, ihre Thronerben und ihre Gemahlinnen sind Hoheit, die Prinzen und Prinzessinnen dieser Häuser meistens Durchlaucht, zuweilen aber auch Hoheit. Wer sicher sein will, in dieser Hinsicht keinen Fehler zu machen – und so etwas wird einem natürlich mit Recht verdacht –, thut gut, sich in zweifelhaften Fällen an zuständiger Stelle vorher genau zu informieren.

Regierende Fürsten, sowie deren Gemahlinnen und Kinder werden mit Durchlaucht angeredet.

Heiratet eine Fürstin einen Mann, dessen Rang weniger hoch ist als ihr bisheriger, so behält sie trotzdem ihren früheren Titel bei, falls sie nicht ausdrücklich vor der Ehe auf denselben verzichtet und einen anderen Namen annimmt.

[1122] 1123. Gespräche mit Fürsten. Natürlich darf man nicht nur mit Curialien antworten und seine Worte so zusammensetzen, daß sie nur aus Versicherungen unserer Unterwürfigkeit bestehen, denn auch die Fürsten sind Menschen und wollen sich unterhalten und nicht nur beständig sich selbst sprechen hören.

Niemand hat nötig, zu allem, was ein Mitglied des Hofes sagt, Ja und Amen zu sagen und allem beizustimmen. Widerspricht man, so muß dies natürlich in höflicher Form geschehen und man darf nicht einfach sagen: »Majestät, nehmen Sie mir das nicht übel, aber davon verstehe ich denn doch Gott sei Dank mehr als Sie«, und noch weniger darf man verwundert mit der Faust auf den Tisch schlagen und ausrufen: »Königliche Hoheit, nun sagen Sie mir bloß mal, wo haben Sie denn um alles in der Welt Ihre Schulbildung genossen!«

Vor einiger Zeit wurde eine kleine Episode viel erzählt. Ein aus China zurückgekehrter Marineoffizier wurde von einem Fürsten in Audienz empfangen und erzählte fortwährend von Kiotschau. Als er diesen Namen zum erstenmal nannte, verbesserte ihn der Fürst, indem er einfach weiter nichts als Kiotschou sagte, denn kurz vorher war die Bestimmung über die Schreibweise dieses Ortes erlassen. Der Fürst korrigiert Kiotschou; aber ohne sich weiter darum zu kümmern, spricht der Marineoffizier ruhig von Kiotschau weiter. »Kiotschou« verbessert der Fürst zum zweitenmal mit seinem liebenswürdigsten Lächeln, aber der Seeoffizier verharrt trotzdem bei Kiotschau. Da reißt dem Fürsten endlich die Geduld und zornig sagt er: »Wenn ich Kiotschou sage, dann heißt es auch so.« Aber der brave Seemann ließ sich nicht aus seiner Ruhe bringen, sondern sagte ganz trocken: »Und wenn ich sage Kiotschau, dann heißt es auch so, denn ich bin drüben gewesen, Sie aber nicht, und ich nenne den Ort so, wie er dort genannt wird, nicht aber, wie es hier einfach befohlen wird.« Und der eine blieb bei Kiotschou und der andere bei Kiotschau, und wenn sie sich inzwischen nicht geeinigt haben, so streiten sie sich noch heute.

Nur ganz vertraute und sehr gut bei Hofe angeschriebene Personen können es wagen, ohne die höchste Ungnade fürchten zu müssen, allzudeutlich zu widersprechen, und auch nur diese Personen dürfen sich ihren Fürsten gegenüber allerlei herausnehmen.

In dem guten Lande Mecklenburg passierte es einst, daß ein inzwischen verstorbener Rittergutsbesitzer K. mit dem ebenfalls längst verstorbenen Großherzog, der zu dem Rennen nach Doberan wollte, auf den Bahnhof in Kleinen, dem Knotenpunkt der dortigen Bahnen, zusammentraf. Dem Rittergutsbesitzer war diese Begegnung sehr unangenehm, denn er grollte seinem Fürsten, weil dieser ihm sein Gesuch, aus den grossherzoglichen Sandkuhlen Erde für einen Neubau holen zu dürfen, hatte abschlagen lassen. Der Fürst, der dies längst vergessen, war gegen den Gutsbesitzer sehr gnädig und sagte: »Na, K., wollen Sie nicht auch zum Rennen?« »Was soll ich da?« lautete die Antwort, »ist ja alles Unsinn.«

»Das wollen wir nun doch nicht so schroff behaupten,« erwiderte der Großherzog, »der Anblick eines Rennens ist doch sehr amüsant und für die Reiter doch auch anspornend, denn diese können sich doch nicht nur Geld, sondern auch Ehre holen.«

»Gott, Königliche Hoheit,« sagte der biedere Mecklenburger im breitesten Platt, »wat köpp ick mi davor? Ehr heww ick nog, wenn ick man blos enn lütt beeten mehr Ird hadd« (Königliche Hoheit, was kaufe ich mir dafür, Ehre hab ich genug, wenn ich man nur noch ein bißchen mehr Erde hätte). Das plattdeutsche Wortspiel erregte den Beifall des hohen Herrn und K. erhielt die Erlaubnis, sich soviel Erde holen zu lassen, wie er nur irgend brauchte.

Nicht jedem geht ein solcher Witz gut aus und überhaupt kann nicht genug davor gewarnt werden, bei einem Gespräch mit einem Fürsten, wenn das Gespräch sich auf persönliche Angelegenheiten bezieht, Wünsche zu äußern und deren Erfüllung zu erbitten. Es ist dies nicht nur ein Zeichen schlechter Erziehung, sondern verstößt gegen die einfachsten Regeln, die der Verkehr mit hohen Herrschaften vorschreibt, und demjenigen, der dagegen verstößt, geschieht ganz recht, wenn der Fürst sich kurz abwendet und ihn einfach stehen läßt.

Wie überall, so erfordert es auch bei dem Hofverkehr die Höflichkeit, daß man über ein Scherzwort dessen, mit dem man sich unterhält, lächelt oder lacht, aber man darf sich nicht gleich, wie man es neunt, vor Lachen den Bauch halten. Es ist falsch, zu glauben, daß nur diejenigen sich hoher Gunst erfreuen, die in allem, was der Höherstehende sagt, einen famosen Witz finden und über jedes Wort ihres Fürsten in sichtbares Entzücken geraten. Ein aufmerksamer Zuhörer sein muß man überall und gut zuhören zu können, ist viel schwerer, als selbst zu sprechen und selbst zu erzählen.

Erzählt ein Fürst uns eine Anekdote, so darf man nicht hinterher sagen: »Hoheit, der Witz ist so uralt, daß ihn schon die Maurer beim Turmbau zu Babel erzählten«, und wenn man gefragt wird: »Kennen Sie die Geschichte?« so muß man auch dann mit nein antworten, wenn man auf diese Geschichte reist und sie überall selbst zum besten giebt. Ungehörig ist es auch, eine derartige Frage zu beantworten, indem man sagt: »Durchlaucht, ich kenne prinzipiell keine Geschichten«, denn damit giebt man deutlich zu erkennen, daß man alles kennt, was in der Vergangenheit erzählt worden ist und in der Gegenwart und Zukunft erzählt werden kann.

Bei jedem Besuch geht man aus eigener Initiative fort, wenn man sich selbst sagt: So, nun ist es genug. Bei einem Mitgliede des Fürstenhauses hat man mit dem Aufbruch zu warten, bis man durch ein Neigen des Kopfes, eine Handbewegung oder ein freundliches Wort entlassen wird. Man verabschiedet sich durch eine tiefe Verneigung und begiebt sich dann so zur Thür, daß man den hohen Herrschaften nicht seinen Rücken zukehrt. Wird man zur Thür geleitet, so ist es wohl selbstverständlich, daß man sich auch von dem betreffenden Hofbeamten, Kammerherrn oder wer es ist, durch eine Verbeugung empfiehlt.

Ein altes Wort sagt: Gehe nicht zu deinem Fürst, wenn du nicht gerufen wirst. Jeder Verständige wird dies so auslegen, daß niemand sich an die höchsten Herrschaften beständig herandrängen soll, um sie anzustarren und anzustaunen. Ebensowenig wie es uns lieb ist, wenn man uns beständig auf die Finger sieht, unser Thun und Treiben fortwährend beobachtet, jeder unserer Bewegungen mit den Augen folgt und sich nur um uns kümmert, ist es auch den Fürstlichkeiten zuwider, immer von einer gaffenden Menge umlagert zu sein. Ich habe es einmal angesehen, wie ein Fürst, der sich abends auf dem Tennisplatz mit Herren seiner Umgebung dem Spiel widmen wollte, endlich zornig das Raquet zur Erde warf und fortging, weil die Zuschauer immer dichter an ihn herandrängten und sich über ihn so laut unterhielten, daß den hohen Herrn das laute Gespräch der Umstehenden störte. Unbegreiflicherweise haben selbst die sogenannten besten Kreise für das Unpassende, das in diesem Benehmen liegt, kein Verständnis, und egoistisch, wie alle Menschen mehr oder weniger sind, sagen sie sich: I wo, was der Fürst denkt, ist mir einerlei, die Hauptsache ist, daß ich mir den hohen Herrn einmal in aller Ruhe aus nächster Nähe ansehen kann.

[1123] 1124. Eine Einlandung zu Hofe zu einer Festlichkeit wird wohl jeder Vorstellung im Laufe der Zeit folgen. Die Antwort ist an dasjenige Hofamt schriftlich zu senden, das die Einladung im Namen und im Auftrage des Fürsten erläßt. Mündliche Antworten sind unstatthaft. Wenn nicht ganz wichtige Gründe, wie Krankheit, Trauer, oder eine unaufschiebbare Reise eine Absage nötig machen, gehört es sich, eine solche Einladung auch dann anzunehmen, wenn man eigentlich keine Lust hat oder sich für den betreffenden Abend schon anderweitig versagte. Zu Hofe geladen zu werden ist eine Ehre und eine große Auszeichnung für jedermann, und wer die mit einem Hofverkehr verbundenen Förmlichkeiten und Unbequemlichkeiten nicht auf sich nehmen will, hat sich die Sache vorher zu überlegen und nicht erst darum zu bitten, vorgestellt zu werden. Eine Einladung bei Hofe geht jeder anderen Zusage vor und unter keinen Umständen darf man abschreiben, weil man schon anderweitig versagt ist.

Auf jeder Einladungskarte ist der Anzug für die Herren und Damen genau angegeben, ebenso vor welchem Portal die Auffahrt zu erfolgen hat und häufig auch, in welchem Saal sich die Gäste zu versammeln haben. Irgend welche Zweifel hierüber sind somit völlig ausgeschlossen und mit Recht wird es jedem sehr verdacht, der trotzdem aus irgend einem Grunde den erlassenen Anordnungen zuwider handelt. Wer nicht in dem befohlenen Anzug erscheint, wird bei dem Feste nicht zugelassen werden.

Alle Damen haben dekolletiert zu erscheinen und selbst diejenigen, welchen ein ausgeschnittenes Kleid nicht gut stecht, die keinen schönen Hals haben, dürfen trotzdem nicht aus eigener Initiative in geschlossener Toilette erscheinen. Wollen sie dies, so haben sie sich vorher mit einem diesbezüglichen Gesuch an die Oberhofmeisterin zu wenden und älteren und alten Damen wird ihr Wunsch wohl stets erfüllt werden, während ein junges Mädchenwohl mit einem derartigen Gesuch nur in den allerseltensten Fällen Glück haben dürfte.

Bei dem Besuch einer Hoffestlichkeit wird man von der Oberhofmeisterin oder anderen Hofchargen zuerst begrüßt werden und hat dann das Erscheinen der höchsten Herrschaften abzuwarten. Niemand darf sich von einem Hoffest eher entfernen, als bis die höchsten Herrschaften sich zurückgezogen haben, und auch dann empfiehlt man sich nicht französisch, sondern man verabschiedet sich vorher noch bei den Hofchargen.

Eine Eigentümlichkeit wenigstens unseres Kaiserhauses besteht darin, daß sehr schnell serviert wird. Bei unseren Privatgesellschaften sitzen wir manchmal drei Stunden, und wenn das Diner sehr lang und genußreich ist, auch vier oder fünf Stunden bei Tisch. Selbst ein Paradediner oder eine Galatafel dauert nie länger als höchstens eine Stunde. Sobald die höchsten Herrschaften mit einem Gang fertig sind, werden sämtliche Teller gewechselt, und wer sich in eine gar zu lebhafte Diskussion mit seinen Nachbarn einließ, kann es erleben, daß ihm sein Teller fortgenommen wird, bevor er auch nur einen einzigen Bissen aß.

Und das ist zuweilen peinlich, denn »bei Kaisers«, wie der Berliner sagt, wird sehr gut gegessen.

Was das sonstige Benehmen bei Hofe anbelangt, und insonderheit das Betragen während einer Hoffestlichkeit, so genügt es vollständig, wenn man sich nach dem richtet, was über das Verhalten auf Gesellschaften und in der Oeffentlichkeit gesagt worden ist. Natürlich muß man bei Hofe die Gesetze der Wohlerzogenheit und Wohlausständigkeit noch strenger befolgen als im gewöhnlichen Leben, denn häufiger ebnen uns gute Manieren und korrektes Benehmen mehr die Pfade zum Fortkommen als reiches Wissen.

Bei allem über den Hof Gesagten ist zu unterscheiden zwischen den bei Hose verkehrenden Persönlichkeiten und den Herren und Damen der Hofgesellschaft, die irgend ein Hofamt bekleiden und deren Dienst und Verhalten für alle Vorkommnisse genau durch erlassene Bestimmungen geregelt ist.

Einen Fürsten läßt man überall, auch wenn mau bei ihm zu Gaste ist, vorangehen, und derjenige, dem die Auszeichnung zu teil wird, mit dem hohen Herrn zusammen in demselben Wagen fahren zu dürfen, hat seinen Platz zur Linken des Höherstehenden einzunehmen. In einer Stadt passierte es einmal, daß der Oberbürgermeister, um auf die linke Seite unseres Kaisers zu gelangen, zuerst einstieg, ganz gemütlich auf dem Kissen Platz nahm und den höchsten Herrn durch eine freundliche Handbewegung einlud, nun auch seinerseits nicht länger zu zögern. Der höchste Herr soll sich darüber sehr amüsiert haben, denn es gehört sich, daß man auf der anderen Seite des Wagens einsteigt, wenn man nicht sonst an seinen Platz gelangen kann. Sich bei dem Fürsten, der schon Platz genommen hat, im Wagen vorzudrängen, ihm auf die Füße zu treten oder sich mit einem: »Um Gottes willen, Majestät, nehmen Sie es mir nur nicht übel« dem hohen Herrn auf den Schoß zu setzen, dürfte nur in den wenigsten Fällen angebracht sein.

Eine andere sehr niedliche kleine Geschichte passierte bei einem Kaiserbesuch in einer anderen Stadt. Majestät hatte mit dem Oberbürgermeister im Wagen Platz genommen, alles war zur Abfahrt bereit, aber trotzdem hielt der Wagen immer noch.

»Aber warum fahren wir denn nicht?« erkundigte sich der Kaiser.

»Seien Sie nur nicht böse, Majestät,« lautete die Antwort, »ich habe dem Lorenz, dem Lohndiener, den Auftrag gegeben, mir noch schnell meinen Mantel zu holen, aber ich weiß nicht, woran es liegt, der Lümmel kommt nicht.«

Und liebenswürdig, wie unser Kaiser ist, wartete er geduldig, bis der Herr Oberbürgermeister seinen Paletot hatte, und dann erst nahm die Fahrt durch die festlich geschmückten Straßen der Stadt ihren Anfang.

[1124] 1125. Titulaturen bei Hofe. Jeder hat das volle Recht, zu verlangen, daß man ihn so anredet, wie ihn sein Kaiser anreden würde, d.h. daß man ihn mit dem richtigen Rang bezeichnet. Wer bei Hofe verkehrt, hat sich vorher auf das genaueste zu informieren, welche Anrede einem und einer jeden zusteht, eine Durchlaucht nimmt es übel, wenn man sie Herr Graf nennt, und die Frau Gräfin wird einen etwas bösen Mund machen, wenn man sie nur gnädige Frau oder Frau von X. tituliert. Aber auch hier sei nochmals davor gewarnt, mit den Titeln allzusehr um sich zu werfen, und es ist geradezu falsch, eine Dame nach dem Rang und dem Amte ihres Mannes zu benennen. Erst vor einigen Tagen las ich in der Zeitung die Danksagung einer Familie für die Blumenspende aus Anlaß des Todes der Ober-Telegraphisten-Witwe. Das ist weiter nichts, als Unfug. So etwas hat es nie gegeben, und wird es auch nie bei uns in Deutschland geben. Jede Dame, soweit sie nicht Baronin, Gräfin, Erlaucht, Excellenz oder Fürstin ist, wird einfach mit »gnädige Frau« angeredet, und selbst die Frau von A., mag sie auf ihren neuen Adel noch so stolz sein, ist nur »gnädige Frau« und das einfache »von« macht noch keinen Baron.

Vor vielen Jahren brachten die Fliegenden Blätter einmal eine kleine Geschichte. Zwei Unteroffiziersfrauen unterhalten sich zusammen und die Frau des Sergeanten tituliert ihre Nachbarin fortwährend »Frau Tambour-Majorin«. Eine Zeitlang läßt diese sich das ruhig gefallen, dann sagt sie leutselig: »Aber Liebste, wozu die Förmlichkeiten, wenn wir ganz unter uns sind? Sagen Sie doch einfach ›Frau Majorin‹ zu mir.«

Und noch eine andere kleine Geschichte kommt mir in den Sinn. Ein Fürst erweist seinem Bankier die Ehre, bei ihm zu speisen. Er führt die Hausfrau zu Tisch und diese erstirbt in Unterthänigkeit. Zuerst ist sie sehr förmlich: Durchlaucht hier und Durchlaucht da, aber je länger das Diner dauert, desto mehr legt sie ihre Scheu ab und desto zutraulicher wird sie. Bei dem dritten Gang ist aus der Durchlaucht »Liebe Durchlaucht« geworden, dann kommt »mein lieber Fürst«, dann wird jede offizielle Anrede ganz fortgelassen, und das geht solange, bis dem hohen Herrn endlich die Geduld reißt und er zu seiner Tischdame sagt: »Gnädigste, wenn Sie mich beim Vornamen nennen wollen: ich heiße Adolf.«

[1125] 1126. Sonstige Förmlichkeiten. Gleiches mit gleichem zu vergelten, ist im Hofverkehr nicht immer angebracht, und wenn ein Fürst uns leutselig auf die Schulter klopft, so dürfen wir ihn nicht wiederklopfen, und wenn der hohe Herr uns seinen Arm bietet, so dürfen wir ihm nicht aus eigener Initiative deshalb bei einer anderen Gelegenheit den unsrigen reichen. Man empfängt Freundlichkeiten, aber man erwidert sie nicht, ebensowenig wie man sich für Ordensauszeichnungen im allgemeinen zu bedanken pflegt.

Die Anreden, mit der die Fürstlichkeiten ihre Gäste beglücken und erfreuen, wird naturgemäß um so kürzer ausfallen müssen, je größer der Kreis der Geladenen ist. Schrecklich ist es, wenn die mit einer Ansprache Beehrten hinterher von allen Seiten umdrängt, umringt und gefragt werden: »Was hat er gesagt?« Aber ebenso unschicklich ist es, wenn die, denen eine Ansprache zu teil wurde, sich damit brüsten und sich gebärden, als hätte der hohe Herr soeben mit ihnen über die wichtigsten Staatsangelegenheiten verhandelt. Denn im allgemeinen sind die Worte, die bei einer solchen Festlichkeit vor aller Ohren gewechselt werden, doch sehr harmloser Natur, selbstverständlich auch liebenswürdig, aber doch inhaltlich belanglos. Vor vielen Jahren, als ich noch ein Fähnrich war mit lockigem Haar, mimte ich im Verein mit mehreren Kameraden eines Abends aus Anlaß eines Kasinofestes, dem die Ehre sehr hohen Besuches zu teil wurde, in einer Exerzierscene, die in dem damals neu erworbenen Kamerun spielte. Wir hatten uns angestrichen wie die Mohrenknaben und trieben auf der Bühne einen Unfug, daß selbst ein Kameruner Rekrut sich unmöglich dümmer hätte anstellen können. Der Zweck der Uebung wurde erreicht, es wurde gelacht, und als wir uns umgezogen hatten, erhielten wir Befehl, vor der Prinzessin zu erscheinen, die uns persönlich danken wollte. In Reih und Glied wurden wir aufgebaut, die hohe Dame erschien, unsere Namen wurden ihr genannt, und dann sagte die Prinzessin mit einem etwas verlegenen Lächeln zu uns: »Meine Herren, man sieht Ihnen ja gar nicht mehr an, daß Sie vorhin so schwarz waren.« Dann ein huldvolles Lächeln und wir waren in Gnaden entlassen.

Hat man den Wunsch, in der Residenz, in der man lebt, einem Mitgliede des Fürstenhauses zu seinem Geburtstage oder zu Neujahr zu gratulieren, so ist auch hier zunächst zu unterscheiden, ob man zu der näheren Hofgesellschaft gehört oder nicht. In erstem Falle hat man persönlich zu erscheinen und werden seitens des Oberhofmarschallamtes die Bestimmungen bekannt gegeben, zu welcher Stunde und in welchem Saal man sich zu versammeln hat. Für die anderen Sterblichen erfolgt wenige Tage vor dem Feste in einer Zeitung die Notiz, daß für diejenigen Herrschaften, die den Fürsten ihre Glückwünsche darbringen wollen, da oder dort ein Buch für die Eintragung ihrer Namen ausliegt, oder es wird die Stelle angegeben, an der sie ihre Karten abgeben können.

Hat man den Wunsch, irgend einem Mitgliede des Fürstenhauses aus irgend einer Veranlassung ein Geschenk zu überreichen, ihm als Schriftsteller ein Buch zu widmen, eine Komposition zu überreichen oder dergleichen, so muß, man sich vorher mit einem Gesuch an das Oberst-Kämmerer-Amt oder für die Fürstin an die Ober-Hofmeisterin wenden und um die Erlaubnis hierzu nachsuchen. Nicht immer wird man eine bejahende Antwort erhalten, denn um keine Präcedenz-Fälle zu schaffen, haben viele Fürsten das Prinzip, grundsätzlich keine derartigen Gaben anzunehmen. So nimmt unser Kaiser z.B. niemals Bücher an, die ihm durch das Hofmarschallamt seitens der Autoren zugesandt werden. Und wohl an allen Höfen gehen alle Pakete und Sendungen, die eingeschickt werden, ohne daß man vorher die Erlaubnis hierzu erbat oder erhielt, uneröffnet an den Absender zurück.

[1126] 1127. Ueber die Bittgesuche ist auch schon an anderer Stelle gesprochen, aber hier sei daraus hingewiesen, daß man sich an die höchsten Herrschaften nur dann wenden soll, wenn es sich wirklich um eine Sache von Bedeutung handelt, und ein derartiges Gesuch sollte der letzte Ausweg für den bilden, der aus eigener Kraft sich nicht zu helfen weiß. Jeder, der um etwas bittet, demütigt sich, und schon deshalb sollte man nicht bei jeder Gelegenheit ein Bittgesuch in die Welt schicken. Die Zahl der Gesuche, die täglich im Kabinett der Fürsten einlaufen, beträgt viele Tausende, und es gehört zur absoluten Unmöglichkeit, jeden Wunsch zu erfüllen. Von der Harmlosigkeit der Bittsteller, die häufig das Unglaublichste verlangen, vermag man sich nur schwer die richtige Vorstellung zu machen, und man braucht heutzutage nicht einmal ein Fürst zu sein, um mit Bettelbriefen überlaufen zu werden. Ein Großindustrieller sagte mir einmal, daß er in seinem Privatcomptoir vier Herren sitzen habe, die weiter nichts thäten, als daß sie die eingegangenen Bitten um Unterstützungen läsen und prüften. Mit eigenen Augen habe ich Schreiben gesehen, in denen ganz Unbekannte um 10000 Mark zur Gründung eines Geschäftes, und um ein Pianoforte, aber natürlich ein neues und gutes, um Klavierunterricht erteilen zu können, baten. Bescheidenheit ist derartigen Briefschreibern eine unbekannte Tugend und sie denken, habe ich beim erstenmal kein Glück, so komme ich wieder, etwas werde ich wohl auf alle Fälle herausschlagen. Mir ist ein Fall bekannt, wo eine Dame, betreffs der Wiederanstellung ihres Sohnes in der Armee, sich mit ihren Bittgesuchen, die abschlägig beschieden werden mußten, so oft an den Kaiser wandte, daß ihr endlich seitens des Oberhofmarschallamtes mitgeteilt wurde, Se. Majestät ließe sich die Zusendung weiterer Immediat-Eingaben hiermit verbitten. Aber selbst so etwas geniert große Geister nicht und einen kleinen besitzen diese Briefschreiber nicht.

Jedes Gesuch, das an einen Fürsten gerichtet ist, wird auf dem Instanzenwege erledigt. Das Oberhofmarschallamt oder die sonstige zustehende Hofbehörde läßt das Gesuch prüfen, zieht Erkundigungen über den Bittsteller ein und recherchiert, inwiefern eine Erfüllung der ausgesprochenen Bitte möglich ist. Unbeantwortet bleibt kein einziges Gesuch, aber natürlich läßt die Antwort unter Umständen Wochen oder Monate auf sich warten. Es ist völlig falsch und zwecklos, wenn man nach einiger Zeit noch ohne Nachricht ist, dem ersten Gesuch ein zweites folgen zu lassen und sich gleichsam in empfehlende Erinnerung zu bringen. Man würde damit weiter nichts erzielen, als daß die Hofbeamten nun ihrerseits verstimmt und ungeduldig werden und da sagen: »Wenn der Betreffende es bisher noch nicht gelernt hat, zu warten, so muß er es jetzt lernen, wir haben mehr auf der Welt zu thun, als nur seine Briefe zu beantworten.«

[1127] 1128. Begrüßung von Fürstlichkeiten auf der Straße. Jeder, auch diejenigen, die nicht bei Hofe verkehren, oder die Fürstlichkeiten nicht persönlich kennen, hat die Pflicht, die höchsten Herrschaften auf der Straße oder wo er sie sonst immer sieht, zu grüßen. Auch der Nichtsoldat macht vor ihnen Front und die Damen thun desgleichen. Man grüßt nicht mit der Cigarre im Mund oder mit der einen Hand in der Paletot-Tasche. Führt man eine Dame am Arm; so hat man diese loszulassen. Reitet oder fährt man an den hohen Herrschaften vorbei, so mäßigt man die Gangart des Pferdes, und auch der Radfahrer wird nicht in wilder Pace bei ihnen vorbeijagen und die Pferde des Fürsten womöglich scheu machen. Ein Radler, der mit seiner Klingel darauf aufmerksam machen würde, daß die hohen Herrschaften ihm ausbiegen sollen, oder ein Automobilfahrer, der mit lautem Puff-Puff sein: »Platz da, Achtung, Herrschaften, macht die Augen auf, jetzt komme ich!« riefe, verdiente von Staatswegen auf seinen Gesundheitszustand hin untersucht zu werden. Daß es selbst gebildete Menschen giebt, die da sagen: »Wie soll ich dazu kommen, jeden Fürsten zu grüßen, er grüßt mich ja auch nicht zuerst,« sollte man nicht für möglich halten, wenn man solche Aeußerungen nicht jeden Tag hören könnte.

Niemand, mag er politisch auch auf der äußersten Linken stehen, vergiebt sich in seinen Grundsätzen und Anschauungen, wenn er auch den Großen der Welt gegenüber diejenigen Förmlichkeiten beobachtet, die allgemein üblich sind; nimmt doch sogar der Republikaner keinen Anstoß daran, dem Präsidenten der Republik seine Höflichkeit zu bezeigen. Der charakter- und taktvolle Mensch wird auch in solchen Aeußerlichkeiten immer das Richtige zu treffen wissen, dem Fürsten zu geben, was dem Fürsten gebührt, und es den Müßiggängern und dem Straßenmob überlassen, sich stundenlang gaffend um leere Hofkutschen zu drängen.

Quelle:
Baudissin, Wolf Graf und Eva Gräfin: Spemanns goldenes Buch der Sitte. Berlin, Stuttgart [1901], S. 1117-1128.
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