Konfirmation und erste Kommunion.

[29] Und ein Jahr reiht sich an das andere; aus dem hilflosen Wesen ist ein kräftiger Knabe, ein schlankes Mädchen geworden, welche die Schulzeit hinter sich haben und beim Eintritt ins Erwerbsleben auch den Eintritt in den Bund der christlichen Gemeinde feiern. Die Zeit der Einsegnung, des ersten Abendmahls im Gotteshause ist herangekommen.

Diese Feier ist nun zwar rein kirchlich und ernst, wird aber innerhalb des Familienkreises auch in entsprechender Weise begangen.

Leider wird, zumal in großen Städten, hierbei sehr oft über das Ziel hinausgeschossen; große Gastmähler oder gar Familienbälle sind auf das entschiedenste zu mißbilligen. Eine lärmende Fröhlichkeit ist an diesem Tage völlig unstatthaft, ebenso wie ein übertriebener Pomp in der Kleidung dem Ernst des Tages nicht entspricht. Übermäßiger Gebrauch von Schmucksachen, Blumensträuße von Tellergröße passen nicht für Konfirmandinnen; von den Knaben brauchen wir hier nicht zu reden, da ja deren Kleidung einfach ist.

Eltern und Verwandte pflegen den Konfirmanden an diesem Ehrentage Geschenke zu widmen, meist in guten Büchern oder für das ganze Leben bestimmten Gegenständen (Schmucksachen) bestehend. Vielfach ist es auch Sitte, daß die Paten gleichfalls ein Andenken senden.

Dem Geistlichen wird in der Regel bei Abholung des Konfirmationsscheines ein Geldgeschenk überreicht; dieses muß einfach von der Karte des Absenders, ohne jeden weiteren Hinweis, begleitet sein, höchstens einige Dankesworte sind gestattet.

Einige Tage nach der Konfirmation hat der Konfirmierte bei seinen Verwandten, auch wenn sie bei der Konfirmation anwesend waren, Besuche abzustatten; auch dem Vormund hat er sich vorzustellen. Der Besuchende muß im Konfirmationsanzuge erscheinen und hat die Glückwünsche mit bescheidenem Danke entgegen zu nehmen. Bei jungen Mädchen gelten diese Besuche gleichsam als der Eintritt in die Welt.[29]

Ebenso ist aber auch den Eltern der Konfirmanden von seiten der Freunde und Bekannten durch Übersendung von Glückwünschen, sei es in Form von Karten oder besonderen Briefen, dazu zu gratulieren, daß es ihnen gelungen, ihr Kind bis zum Eintritt in die Welt zu erziehen. Von diesem Zeitabschnitte ab gehören die Kinder in den meisten Fällen den Eltern nicht mehr allein an; der erwählte Beruf macht seine Anrechte geltend, des Lebens Ernst beginnt an den Jüngling, an die Jungfrau heranzutreten. Nur wenige Jahre noch, und auch des Herzens Stimme regt sich, eine früher ungekannte Sehnsucht erfüllt die Brust der Herangewachsenen, die gar bald vor einem neuen, glücklichen Abschnitte ihres Lebens stehen, vor Verlobung und Brautstand.

Quelle:
Berger, Otto: Der gute Ton. Reutlingen [1895], S. 29-30.
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