Anno 1685
§ 8

[28] Im 10ten Jahre meines Alters An. 1685 hätte ich bei nahe jämmerlich um mein Leben können kommen, wenn mich Gott nicht behütet hätte. Es lag bei uns ein Soldat von Bayerischen Trouppen im Quartier, welche dasselbe Jahr nach Ungarn gehen sollten, die Festung Neuheusel den Türken wegzunehmen. Es ist eben der Soldate, von dessen Weibe oder Kebs-Weibe ich oben gesagt, daß sie, nachdem sie ihrem Manne nach Ungarn nicht gefolget, unsere Religion angenommen. Wir konnten mit diesem Soldaten sonst noch ziemlich zu rechte kommen: er hatte auch viel Vergnügen an mir, weil ich ihm so viel aus der Bibel, und aus dem, was ich in der Schule gelernet, herzusagen wußte. Er hatte aber einst Besuch von andern Soldaten, und begab sich mit ihnen auf den Boden in seine Schlaf-Kammer, so unter dem Dache war. Meine Mutter war, wie schon gedacht, ein furchtsam Weib; und, weil sie mit mir ganz allein zu Hause war, und in Sorgen stand, sie möchten oben etwan Tabak rauchen, und das[28] Haus anstecken, so schickte sie mich ab, daß ich sie behorchen und sehen sollte, was sie machten. Ich tat es, und guckte durch das Loch, welches unten an der Türe um der Katzen willen gemacht war, in Meinung, daß mich niemand gewahr werden sollte, in die Kammer hinein. Unser Soldate aber hatte mich kaum erblicket, so fieng er auf eine heftige Weise an sich auf mich zu erzürnen; und da ich merkte, daß er im Grimm aufstund, und auf die Türe zukam, so lief ich, was ich kunte, die Treppe wieder hinunter. Er verfolgte mich, und hieb nach mir, kunte mich aber zu allem Glücke nicht treffen. Ich durfte mich auch denselben ganzen Tag nicht sehen lassen, und mußte mich bei dem Nachbar verstecken. Weil er auch in dem Wahn stund, als ob man durch mich hinter seine Heimlichkeiten habe kommen wollen, so hatten meine Eltern alle Mühe ihm solches auszureden. Endlich ließ er sich besänftigen, und war hernach froh, daß ihm der Hieb und Streich nach mir mißlungen.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 28-29.
Lizenz: