Wir Menschen gehören der Naturgeschichte nach zu den geselligen Geschöpfen, d.h. zu denen, die nicht einzeln in Höhlen oder auf Felsen leben, sondern sich in kleineren oder größeren Gruppen aneinander anschließen. Mit Recht nennen wir einen Menschen, der eine Ausnahme davon macht und sich ungesellig von seinesgleichen absondert, einen Sonderling.

Die natürliche Folge dieses Geselligkeitstriebes ist die Gastfreundschaft, – eine Tugend, die wir auch bei sonst uncivilisierten Völkern finden, ja, bei ihnen jetzt oft in höherem Grade, als bei dem Kulturmenschen. Es ist eine Wirkung unserer verengten, gekünstelten Zustände, daß die ursprüngliche Gastfreundschaft um so seltener bei uns wird, je mehr das Gesellschaftsleben sich ausbildet.

Wir geben also Gastereien, oder, um das allgemein gebräuchliche Wort dafür anzuwenden, Gesellschaften. Die meisten derselben schließen sich bei uns materiellen Nordländern an unsere Mahlzeiten an, sind also Frühstücks-, Mittags-, Kaffee- oder Abendbrotgesellschaften. Nur der Ball macht hiervon eine Ausnahme, obwohl auch er nicht so ideell ist, auf das Souper zu verzichten.
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Ehe wir aber zu diesen Festen übergehen, müssen wir uns mit den


Quelle:
Calm, Marie: Die Sitten der guten Gesellschaft. Stuttgart 1886, S. 271-274.
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