2. Wahre weibliche Verdienste.

[40] Bestrebe dich, und zwar schon jetzt in den Jahren der Vorbereitung, dir wahre, aber wohlverstanden! weibliche Verdienste zu erwerben, um einst deinen Wirkungskreis als Gattinn, Hausfrau und Mutter ganz ausfüllen zu können und dich dadurch nicht bloß der Liebe und Dankbarkeit, sondern auch der Hochachtung deines Gatten zu versichern. Eine eben so wichtige, als vielumfassende Regel, die eine genaue und umständliche Auseinandersetzung verdient.

Worin besteht das wahre Verdienst des Weibes, und was ist es, das der Mann von Verstande, sobald er aus der vorübergehenden Rolle des Liebhabers in das ernstere Verhältniß des Gatten und Hausvaters getreten ist, ganz vorzüglich und für immer bei ihr zu finden hofft? Laß uns bei der Beantwortung dieser Frage vornehmlich jenen glücklichen Mittelstand[40] im Auge behalten, worin die gütige Vorsehung dich, mein Kind, geboren werden ließ.1

Sind es etwa schimmernde Fähigkeiten, sind es vorzügliche Geschicklichkeiten in schönen Künsten, welche den Werth und das Verdienst der Gattinn in den Augen ihres vernünftigen Gemahls und nach dem Urtheile aller derer bestimmen, welche wahren Menschenwerth von zufälligen Zierrathen und Verbrämungen zu unterscheiden wissen? O wahrlich nein! Das müßte ein schwachköpfiges, seelenschiefes Ding von Manne sein, werth von einer Weiberhand gegängelt zu werden, wer Vorzüge dieser Art zu der eigentlichen Bestimmung des Weibes und zu den wesentlichen Bedürfnissen einer liebenswürdigen Gattinn rechnen wollte. Oft sind sie vielmehr gerade das, was die Bessern deines Geschlechts und deines Standes hindert, ihrer Bestimmung nachzuleben; und unter hundert preiswürdigen Tonkünstlerinnen, Zeichnerinnen, Stickerinnen, Tänzerinnen u.s.w. möchte wol kaum Eine[41] gefunden werden, die zugleich alle Pflichten einer vernünftigen und guten Gattinn, einer auf alles aufmerksamen und selbstthätigen Hausfrau und einer sorgfältigen Mutter – ich will nicht sagen, wirklich erfüllt, sondern zu erfüllen nur versteht. Wenigstens sind die seltenen Ausnahmen dieser Art immer als eine wunder-ähnliche Erscheinung anzusehen, die der Menschenkenner zu glauben und zu begreifen allemahl viel Mühe haben wird. Und willst du wissen, warum? so vernimm meine Antwort, und frage bei der Erfahrung nach, ob sie nicht gegründet sei.

Auszeichnende Geschicklichkeiten in schönen Künsten erwirbt sich keiner, der nicht, mit Hintansetzung anderer Geschäfte, ihnen einen beträchtlichen Theil seiner Zeit und seiner Aufmerksamkeit widmet. Man kann also schon aus diesem Grunde mit großer Wahrscheinlichkeit voraussetzen, daß eine Frau, die in Dingen dieser Art vorzügliche Fertigkeiten besitzt, in Ansehung mancher andern Vorbereitung zu ihrem wesentlichen Berufe, mehr oder weniger vernachlässiget worden sei. Dazu kommt nun aber auch noch vornehmlich dieses, das die eigentlichen Berufsgeschäfte einer wackern Hausmutter nicht nur eine gar große Menge und Mannigfaltigkeit kleiner Fertigkeiten und Geschicklichkeiten in sich fassen, deren Erlernung Zeit und Uebung erfodert, sondern daß sie auch größtentheils von ganz anderer Art und Beschaffenheit, als die Uebungen der Kunstfertigkeiten,[42] sind, so daß es schwer zu begreifen ist, wie eine und eben dieselbe Person in beiderlei, so ganz ungleichartigen Dingen, gleich geschickt, noch schwerer, wie sie zu beiderlei gleich aufgelegt sein könne. Die Erlernung der meisten schönen Künste geschieht überdis im Sitzen, oft im Krummsitzen, und schadet schon dadurch der Gesundheit, vornehmlich bei Personen deines Geschlechts, für welche der schädliche Zwang der Schnürbrust oder des vielleicht noch schlimmern Korsets das Krummsitzen noch viel schädlicher macht: eine tüchtige Hausfrau aber bedarf so sehr, als Jemand, und zwar zu ihrem ganzen Beruf als Mutter und Vorsteherinn ihres Hauswesens, einer gesunden und ungeschwächten Leibesbeschaffenheit. Die Ausübung der schönen Künste verzärtelt das Empfindungsvermögen, überspannt und schwächt die Nerven, macht in höherm Grade, als zu wünschen steht, empfindlich gegen alles, was das Gehör durch Mißlaut, die Augen durch häßliche oder geschmacklose Formen und Farben, die übrigen Sinne durch etwas starke oder widrige Eindrücke beleidiget: eine gute Hausfrau aber muß gegen Unannehmlichkeiten dieser Art, die in einer jeden Haushaltung, besonders in der Kinderstube und in der Küche, den beiden Haupt-örtern ihrer verdienstlichen weiblichen Wirksamkeit, unvermeidlich sind, weniger empfindlich sein. Oder glaubst du, mein Kind, daß eine Person deines Geschlechts, die ihre Kindheit und Jugend größtentheils am Klavier, am Stickrahmen,[43] am Zeichenbrett, am Pulte, und am Bücherschranke zugebracht hat, sich an den Wirwarr, an die mißhelligen Töne, an den Mangel der Feinheit und Zierlichkeit, und an alle die übrigen, nicht sehr lieblichen sinnlichen Eindrücke, welche in der Kinderstube, in Küche, Keller und Speisekammer u.s.w. unvermeidlich sind, leicht werde gewöhnen können, sich so daran werde gewöhnen können, daß sie an solchen Oertern gern verweile, gern daselbst denjenigen Geschäften ihres Berufs, die nur da verrichtet werden können, obliege, sie mit Lust und Munterkeit verrichte, und sich nicht unglücklich dabei fühle? Was mich betrifft, so muß ich bekennen, daß eine Erscheinung dieser Art, wenn sie mir jemahls vorkommen sollte – noch habe ich sie nie gesehen – mich in Verwunderung und Erstaunen setzen würde.

Jede Art von Geschäften setzt bei dem, der sie recht verrichten soll, einen gewissen – ich kann es nicht kürzer ausdrucken – Geist voraus, ohne welchen sie nie gelingen werden. Dieser Geist aber, worunter ich die ganze Seelenstimmung, und den Inbegriff der Neigungen, Gewohnheiten und Fertigkeiten einer Person verstehe, ist bei der einen Berufsart gar sehr verschieden von dem, der zu einer andern erfodert wird. Am größten und ausfallendsten ist der Abstich zwischen derjenigen Seelen- und Karakterstimmung, welche der Anbau der schönen Künste und Wissenschaften[44] einflößt, und zwischen der, welche eine Folge zweckmäßiger Vorbereitungen zu dem ganzen Beruf einer würdigen Hausfrau ist. Dort wird die Vorstellungskraft der Seele auf einen einzigen oder wenige Gegenstände eingeengt; hier soll sie eine Meng höchst verschiedener Dinge umfassen, mit großer Leichtigkeit von dem einen abgleiten, um sich auf die andern zu heften, ohne doch jenen dabei ganz aus dem Auge zu verlieren. Dort wird der Körper an Ruhe, Trägheit und Schlaffheit gewöhnt: hier sollen Hand und Fuß sich rasch und munter zu bewegen wissen, und unaufhörlich geschäftig sein. Dort wird die Aufmerksamkeit von den Dingen, die zur wirklichen Welt gehören, abgeleitet und auf Gegenstände der Einbildungskraft und des Dichtungsvermögens hingelenkt: hier hingegen wird eine vollkommene Gegenwart des Geistes, ein scharfer Blick und eine ununterbrochene Achtsamkeit auf tausend wirkliche, oft sehr kleine, unerhebliche und unliebliche Dinge erfodert, welche zum täglichen häuslichen Leben gehören. Dort werden den Sinnen und dem Empfindungsvermögen lauter angenehme Gegenstände zum Genusse vorgelegt: hier wird die Stärke und Abhärtung derselben oft durch sehr unangenehme, widerliche und ekelhafte Geschäfte und Gegenstände geprüft. Dort wird Gefühl und Kenntniß des Schönen eingeflößt; hier werden Kenntnisse und Fähigkeiten im Nützlichen und Nothwendigen verlangt. Dort werden Finger, Hände und Arme von jeder[45] gröbern, etwas Anstrengung und Körperkraft erfodernden, hier von mancher feinen Arbeit, in einem gewissen Grade wenigstens, entwöhnt und unbrauchbar dazu gemacht. Dort wird darauf hingearbeitet, eine gepriesene und preiserwartende Künstlerinn, hier eine kunstlose, schlichte, anspruchleere, rasche, verständige und brave Hausmutter zu bilden. Kann nun wol etwas verschiedener und ungleichartiger sein, als der Geist, die Gemüthsstimmung, die Fertigkeiten und Gewohnheiten, welche dort und hier gewonnen, welche dort und hier erfodert und durch Uebungen genährt werden!


Wenn also vorzügliche Kunstfertigkeiten weder die eigentliche Bestimmung, noch das Verdienst des Weibes ausmachen können; so laß uns doch von neuen fragen: worein denn beides sonst zu setzen sei? Vielleicht in eine ausnehmende Ausbildung des Geistes durch gelehrte und wissenschaftliche Kenntnisse? Vielleicht in eine große Belesenheit, in die Erlernung alter und neuer Sprachen, in die Bildung und Verfeinerung des Geschmacks durch eine vertraute Bekanntschaft mit den besten Werken des Geistes älterer und neuerer Zeit, oder gar in die Fähigkeit, dergleichen Werke selbst hervorzubringen? Wir wollen sehen.

So viel, meine Tochter, wird dir zuvörderst wol ohne allen Beweis, bei einigem Nachdenken, ganz[46] von selbst einleuchten, daß das Verdienstliche, Nützliche und Ruhmwürdige der menschlichen Fertigkeiten, Geschicklichkeiten und Trefflichkeiten sich allemahl nach der Lage und Bestimmung derjenigen Person richten, an der sie wahrgenommen werden, und daß also eine und eben dieselbe Art der Ausbildung für den einen Menschen etwas sehr Löbliches und Wünschenswürdiges, für den andern hingegen etwas Zweckwidriges, Schädliches und Tadelnswerthes sein könne. Dis ist nun auch ganz besonders der Fall mit derjenigen Art der Geistesbildung, welche das Erzeugniß einer gelehrten und wissenschaftlichen Bearbeitung ist. So sehr diese Vollkommenheit demjenigen zu wünschen ist, dessen Stand-ort in der menschlichen Gesellschaft ihm eine nützliche Anwendung davon erlaubt; so sehr sie diesen ziert und achtungswürdig macht: eben so sehr wird sie an einer andern Person, deren wesentliche Bestimmung durch diese Art der Geistesbildung nicht befördert, sondern vielmehr gehindert wird, ein Gegenstand, wo nicht des Tadels und der Verachtung, doch des Bedauerns in den Augen eines jeden unbefangenen Menschenkenners sein. In dem letzten Falle befindet sich nun offenbar das Geschlecht, wozu du gehörst, besonders in demjenigen Stande, welcher glücklicher Weise der deinige ist.

Denn sage mir doch, mein gutes Kind, wozu sollen dem Weibe überhaupt, und der zur Vorsteherinn[47] eines Hauswesens bestimmten Gattinn des Bürgers insonderheit, gelehrte, wissenschaftliche Kenntnisse, die sie, wenn sie nicht auf eine tadelnswürdige und höchstschädliche Weise für sich und Andere aus dem von Gott und der menschlichen Gesellschaft ihr angewiesenen Berufe herausgehen will, weder in der Küche und in der Vorrathskammer, noch in dem Kreise ihrer Freundinnen, noch endlich auf irgend einem Stand-orte in der bürgerlichen und gelehrten Welt, anwenden, ja nicht einmahl, ohne sich in gewissem Grade lächerlich zu machen, zeigen darf? Wozu? Etwa dazu, um ihre allgemeine Bestimmung, diejenige, die sie als Mensch mit jedem Menschen theilt, zu erreichen? Aber zu dieser gehört die Gelehrsamkeit doch nun einmahl nicht; sonst würden 999 Millionen von den 1000 Millionen zugleich lebender Menschen, welche auf unserm Erdenrunde wimmeln mögen, recht sehr zu beklagen und berechtiget sein, die Vorsehung zu fragen: warum sie ihnen eine Bestimmung angewiesen habe, die sie ganz unmöglich erreichen können? – Oder vielleicht dazu, um ihren Verstand über die Gegenstände des gewöhnlichen menschlichen Lebens aufzuklären, um dadurch geschickter zu werden, den eigentlichen Pflichten ihres Berufs ein Genüge zu thun? Aber noch hat man, so viel ich weiß, kein Beispiel erlebt, daß die Gelehrsamkeit eines Weibes ihr diesen Nutzen wirklich geleistet habe; auch könnte ich dir mehr als Einen guten[48] Grund angeben, wodurch ich mich überzeugt halte, daß man ein solches Beispiel nie erleben werde. Es wird aber genug sein, hier nur dieses anzumerken: daß diejenige Aufklärung, welche uns wirklich frommt, und derjenige ausübende Verstand, welcher zu einer weisen und glücklichen Führung eines gemeinnützigen Lebens in jedem Stande erfodert wird, an eigentliche Gelehrsamkeit mit nichten gebunden sind, oft vielmehr dadurch gehindert und geschwächt werder. Also noch einmahl, wozu?

Etwa dazu, um dem gebildeten, vielleicht gelehrten Gatten in müssigen Stunden zu einer angenehmen Gesellschafterinn zu dienen, die ihn durch gelehrte Gespräche ermuntere, an seinen gelehrten Bemühungen Antheil nehme, ihn durch ihren Beifall ansporne, durch ihre Beurtheilungen ihm zur Vervollkommnung seiner Werke behülflich sei? Allein hievon kann ich mir die Nothwendigkeit und den Nutzen nur in dem Einen Falle denken, wenn der gelehrte Mann so ganz gelehrter Mann geworden ist, daß er darüber aufgehört hat, ein Mensch, wie andere Menschen zu sein; ich will sagen, daß er für alle andere, nicht zur Gelehrsamkeit gehörige Gegenstände des menschlichen Wissens und Empfindens unglücklicher Weise den Sinn verloren hat. Einem solchen möchte freilich nur mit einer belesenen und gelehrten Frau gerathen sein; aber ich habe triftige Gründe zu wünschen, daß die[49] Vorsehung meinem lieben Kinde ein glücklicheres Loos bescheiden möge, als das, die gelehrte Handlangerinn eines entmenschten Gelehrten zu werden. Der Mann, den ich dir, meine Tochter, einst zum Gatten wünschen werde, sei was er wolle, nur daß seine Vorstellungs- und Empfindungskraft der ihn umgebenden wirklichen Welt nicht entrückt sei; nur daß er herzlich Theil zu nehmen wisse an allen den tausend Kleinigkeiten, welche das häusliche Familienleben mit sich führt, und unverderbten Menschensinn genug besitze, um den Werth seiner Gattinn nicht mit gelehrtem Maßstabe nach der Länge, Breite und Tiefe ihrer aus Büchern geschöpften Kenntnisse, sondern einzig und allein nach der Art zu messen, wie sie ihre wahre weibliche Bestimmung zu erfüllen sich bestreben wird. Einem solchen Manne aber – und nur ein solcher oder keiner müsse einst der deinige werden! – braucht die eheliche Gefährtinn seines Lebens, um ihn in Erholungsstunden zu ermuntern und zu erquicken, wahrlich keine gelehrte Seelenspeise aufzutischen. Viel erquickender, als diese, wird für ihn der Anblick jener schönen häuslichen Ordnung und Reinlichkeit sein, die er seiner Freundinn verdankt; viel ergetzender, als Vorlesungen aus Zeitschriften und Unterhaltungsbüchern, die Rechenschaft, die sie ihm von ihren klugen hauswirthschaftlichen Anordnungen, und von den Gründen gibt, die sie bewogen haben, in ihren häuslichen Angelegenheiten lieber so, als anders zu verfahren. Gern wird er[50] sich, um von seinen ernsteren Geschäften auszuruhen, unter das lärmende Völklein seiner Kleinen mischen, mit ihnen tändeln und spielen, und in diesem frohen Getümmel gern ein Stündchen lang seiner Bücher, seines Pults und aller seiner Gelehrsamkeit vergessen. Die Natürlichkeit der Kinder und der, zwar ungelehrte, aber gesunde und wohlgebildete Menschenverstand ihrer anspruchlosen Mutter, werden ihm eine weit köstlichere Unterhaltung verschaffen, als ein gelehrtes Weib mit aller ihrer Belesenheit und Vielwisserei ihm nur immer gewähren könnte. Also auch in dieser Hinsicht können gelehrte Kenntnisse zu der Bestimmung einer würdigen Gattinn nicht gehören: und in welcher denn?

Vielleicht um ihren Beruf als Mutter, als erste Erzieherinn und Lehrerinn ihrer Kinder zu erfüllen? – Aber Gottlob! daß wir in der Erziehungswissenschaft und in richtigern Beobachtungen über die menschliche Natur, nach und nach doch wol so weit gekommen sein mögen, um zu begreifen, daß Kinder keine Gelehrte sein sollen, und daß der beste Unterricht für sie in der Gewöhnung zur Aufmerksamkeit auf die sie umgebenden Dinge, zur Ordnung, und zu einer ihren Kräften angemessenen regelmäßigen Selbstthätigkeit besteht. Und dazu bedürfte es von Seiten ihrer Mutter irgend eines Grades von Gelehrsamkeit? Dazu reichte ihr gesunder Menschenverstand, von dem Rathe[51] ihres einsichtsvollen Gatten geleitet, nicht hin? Dazu müßte sie die Regeln und Stoffe aus hundert Büchern, in fremden Zungen geschrieben, erst mühsam zusammenlesen? Ich bekenne, daß ich von dieser Nothwendigkeit nichts begreife; und ich habe das Vertrauen zu deinem unbefangenen gesunden Menschenverstande, daß du eben so wenig Zusammenhang darin finden wirst, als ich.

Nöthig wäre also eine gelehrte Geistesbildung dem Weibe doch nun einmahl nicht: aber vielleicht darf man sie, wo nicht für etwas Nützliches, doch für etwas Unschädliches, also auch das Bestreben einer jungen weiblichen Seele, sich diese Art von Ausbildung zu verschaffen, für etwas Unschuldiges und Untadeliches halten? Wir wollen auch dieses überlegen.

Aber leuchtet dir, meine Tochter, hier nicht gleich auf den ersten Blick ganz von selbst ein, daß alle die schädlichen Folgen, die wir oben von der Bemühung deines Geschlechts, sich vorzügliche Kunstfertigkeiten zu erwerben, bemerkt haben, aus gleichen Gründen und in noch höherem Grade auch hier Statt haben müssen? Oder glaubst du, daß ein Frauenzimmer, welches von dem, eurem Geschlechte verbotenen Baume der gelehrten Erkenntniß einmahl gekostet hat, nicht gegen jede einfachere Nahrung des Geistes und Herzens, welche von der Natur und der menschlichen Gesellschaft euch recht eigentlich angewiesen ward, einen[52] geheimen Ekel und Widerwillen empfinden werde? Glaubst du, daß eine Person, welche einmahl verwöhnt worden ist, einen wesentlichen Theil ihrer Glückseligkeit und ihrer persönlichen Vorzüge in dem Lesen geistreicher und unterhaltender Schriften, oder gar in dem eigenen Hervorbringen solcher Geisteswerke zu suchen, sich gern mit den unlieblichen Einzelheiten der Wirthschaft, mit dem mühseligen Warten, Reinigen, Pflegen und Bilden ihrer Kinder, und mit andern eben so ungleich-artigen Geschäften des weiblichen Berufs werde befassen wollen? Daß ihr diese Geschäfte gelingen werden, auch wenn sie aus Pflichtgefühl sich wundershalber entschließen sollte, sie zu übernehmen? Glaubst du, daß ihr Gatte für die versalzenen, angebrannten oder unschmackhaften Gerichte, die sie ihm vorsetzt, für die Unordnung in seinem Hauswesen, für die verschwenderische Wirthschaft, für das unordentliche Rechnungswesen über das Einzelne der Haushaltung, für die Vernachlässigung seiner Wäsche, für die Verwöhnungen seiner, dem Gesinde überlassenen Kinder u.s.w., sich durch ein gelehrtes Tischgespräch durch ein Gedichtchen, einen Roman oder desgleichen, aus der Feder seiner geistreichen ehelichen Hälfte geflossen, werde entschädigt halten? Doch wie könntest du dis alles glauben, da du, auf Dinge dieser Art von deiner guten Mutter und mir schon längst aufmerksam gemacht, das Gegentheil davon in so manchem traurigen Beispiele selbst beobachtet hast.[53]

Gesetzt nun aber auch, daß Gelehrsamkeit und Weiblichkeit, Trieb zu jener und Neigung zu häuslichen Verrichtungen, starke Belesenheit und hausmütterliche Sorgfalt, Schriftsteller-arbeiten und Haushaltungskunst, Zeitungslob und weibliche Bescheidenheit – allen meinen Erfahrungen und allen Vernunftgründen zuwider – dennoch füglich gepaart werden und mit einander bestehen könnten: so wäre der Versuch, diese unglaubliche Vereinigung zu Stande zu bringen, einer jungen Person doch schon um deswillen gar sehr zu widerrathen, weil sie, wo nicht ganz unvermeidlich, doch höchstwahrscheinlich, Gefahr laufen würde, durch eine geschwächte Leibesbeschaffenheit, durch ein zerrüttetes Nervengebäude, und mit demselben durch den Verlust ihrer ganzen irdischen Glückseligkeit für jenes Wagestück schwer zu büßen. Denn noch habe ich, so weit ich mich zurückerinnern kann, unter allen den Weibern, die auf die zweideutige Ehre einer ausgebreiteten Belesenheit und gelehrter Kenntnisse Anspruch machen konnten, auch nicht Eine gefunden, welche nicht mehr oder weniger in diesem traurigen Falle gewesen wäre. Alle, so viele ich ihrer jemahls kannte, waren nervenkrank; alle mußten, unter mancherlei schmerzhaften Zufällen, der Natur durch bittere Leiden, für die Uebertretung ihrer Gesetze, eine schwere Genugthuung leisten; alle waren dadurch, wenigstens abwechselnd, unglücklich und zu manchem frohen Lebensgenusse durchaus unfähig geworden. Ich darf daher, diesen meinen Erfahrungen[54] zufolge, dreist behaupten, daß weibliche Gelehrsamkeit und Kränklichkeit, in der Regel wenigstens, unzertrennliche Gefährten sind.

Allein ich merke den Einwurf, der dir, mein Kind, wie vielleicht manchem andern Frauenzimmer, beim Lesen dieser Blätter, hier auf den Lippen schweben wird. Wie? werdet ihr sagen, sind wir nicht eben so gut Menschen, wie du und deine Geschlechtsverwandten? Dürfen Männer ungestraft sich den Wissenschaften weihen, warum nicht wir? Haben jene keine Zerrüttung ihres Nervengebäudes davon zu besorgen, warum sollte die Natur, welche unparteiisch gegen alle ihre Kinder ist, eine solche Büßung denn nun gerade uns, uns allein aufgelegt haben?

Vernimm meine Antwort. Erstlich ist es eine ungegründete Voraussetzung, wenn du annimmst, daß diejenigen meines Geschlechts, welche es mit der Einsammlung gelehrter Kenntnisse etwas ernstlich und nicht bloß handwerksmäßig meinen, für die übertriebene Anstrengung der Geisteskräfte und für die ganze unnatürliche Lebensart, wozu theils Nothwendigkeit, theils eigene Neigung sie verdammte, ganz und gar nicht büßen dürfen. Ach, wie Mancher unter uns kann dir, durch den bloßen Anblick seiner blassen Gesichtsfarbe, seines schwachen ausgemergelten Körpers, und seiner mißmüthigen oder traurenden Miene, das Gegentheil so stark bezeugen! Schaue umher, mein[55] Kind; erinnere dich der vielen Märterer der Gelehrsamkeit und der Schriftstellerei, die dir in deinem eigenen kurzen Leben nun schon vorgekommen sind; denke an das, was du mich selbst oft leiden sahest; und du wirst jene Voraussetzung von selbst zurück nehmen.

Und doch haben wir Andern, die wir zu dieser Aufopferung fürs Ganze nun einmahl zum Theil berufen sind, auch in dieser Rücksicht so viel vor euch voraus! Wir sind ja von der Natur schon mit straffern Nerven und größerer Körperkraft beschenkt; wir genießen, in der Regel wenigstens, einer Erziehung, welche auf Abhärtung abzweckt; die Schädlichkeit des Krummsitzens bei unsern Geistesarbeiten wird nicht, wie bei euch, durch den Zwang eines den Unterleib zusammenpressenden Panzers vermehrt; wir genießen häufiger der frischen Luft, und machen uns öfftere und stärkere Leibesbewegungen. Dis alles zusammengenommen macht es ja wol sehr begreiflich daß unser Geschlecht gegen die schädlichen Folgen eines, dem Körper nach, unthätigen Stuhllebens und übertriebener Geistesanstrengungen etwas länger, als das eurige, aushalten kann, ungeachtet jene traurigen Folgen auch für uns niemahls ganz auszubleiben pflegen.

Wundere dich übrigens nicht, meine Tochter, daß ich deine Aufmerksamkeit bei dieser Materie so lange festzuhalten suche. Die Sache betrifft eine herrschende[56] Seuche unsers Zeit-alters, vor der ich dich nicht genug warnen und verwahren zu können glaube. So sehr der höhere und feinere Anbau des Geistes in Deutschland überhaupt und von deinem Geschlechte insonderheit bis auf unsere Zeiten im Durchschnitte vernachläßiget ward; eben so sehr pflegt er jetzt in mancher Familie bis zur verderblichsten Ausschweifung getrieben zu werden. Er ist, wie so manches andere, an sich gute und wünschenswürdige, in Ueppigkeit ausgeartet. Manche gute, reine und edle Seele deines Geschlechts läßt sich um so leichter davon hinreißen, je weniger sie, aus Mangel an richtiger Beobachtung, es nur ahnet, daß eine an sich so unschuldige und edel-scheinende Beschäfftigung des Geistes, eben die verderblichen Folgen für sie haben werde, welche sonst nur das Laster mit sich führt. Deswegen habe ich, schon seit mehren Jahren, mich stark gedrungen gefühlt, meine Beobachtungen und Erfahrungen hierüber bei jeder schicklichen Gelegenheit zur öffentliche Warnung vorzulegen; und da ich das Vergnügen gehabt habe zu bemerken, daß meine gut gemeinte Absicht hie und da, wo man mich hörte und auf meine Vorstellungen achtete, nicht ganz fehlgeschlagen sei: so halte ich es für nützlich, eine dieser Aeußerungen, die in einem Buche steht, welches Personen deines Alters noch nicht lesen können,2 mit zweckmäßigen[57]

Abänderungen und hinzugefügter nähern Beziehung auf dich, diesem meinen väterlichen Rathe einzuverleiben; zum Theil auch deswegen, um die darin enthaltenen dringenden Vorstellungen noch etwas mehr in Umlauf zu bringen. Es ist folgende:

»Eine von den unerkannten Hindernissen einer zufriedenen Ehe und einer glücklichen Kinderzucht in den verfeinerten Ständen ist, in mancher Familie wenigstens, der literarische Luxus; eine wirkliche Geistesseuche, welche in den gebildeten Klassen unserer Zeitgenossen, mit sichtbarer Verminderung des Familienglücks, um so schneller und gefährlicher um sich greift, je geneigter man ist, sie, gleich der erhöhten Gesichtsfarbe des Fieberhaften, dessen innern Zustand man verkennt, nicht für Krankheit, sondern für die wünschenswürdigste Blüthe der Gesundheit des menschlichen Geistes zu halten. Diese täuschende Seuche – ich weiß, wie viel ich wage, indem ich sie bei ihrem rechten Namen nenne; aber gewohnt, um freimüthig gesagter Wahrheiten willen getadelt zu werden, weigere ich mich auch dismahl nicht, von hundert schönen Geistern beiderlei Geschlechts als ein Barbar verschrien zu werden, wenn ich nur so glücklich bin, eben so viele andere Zeitgenossen auf diese neue Verirrung des menschlichen Fortschreitungstriebes aufmerksam zu machen – diese Seuche also äußert sich auf eine doppelte Weise, theils durch eine immer[58] weiter um sich greifende und jede andere Art von Thätigkeit immer mehr und mehr verdrängende Lesewuth, theils durch eine beinahe schon eben so allgemeine und noch unseligere Begierde, seinen Namen durch schriftliche Erzeugnisse des Geistes zu verherrlichen, und, wo nicht auf die Nachwelt, hoch wenigstens in das Meßverzeichniß und auf irgend eins der zahllosen Blätter zu bringen, welche die Stelle eines öffentlichen Ausrufers vertreten. Wir wollen beide Zweige dieser Krankheit, welche in einerlei Ursachen – in einer Abneigung von nützlicher Berufsgeschäftigkeit, in einem Hange zu wollüstiger Ruhe, in Ruhmsucht und Eitelkeit – gegründet sind, etwas näher beleuchten.«

»Bücher zu lesen, welche wirklich dazu eingerichtet sind, Aufklärung, Rechtschaffenheit und Glückseligkeit zu befördern, ist für das Wachsthum und Wohlbefinden des menschlichen Geistes an und für sich selbst unstreitig eben so zuträglich und heilsam, als für unsern Körper der mäßige Genuß gesunder und nahrhafter Speisen ist. Es kann mir daher nicht einfallen, das Lesen, weder überhaupt, noch in Rücksicht auf das weibliche Geschlecht insonderheit, als etwas Schädliches, ohne Einschränkung verwerfen zu wollen. Aber so wie der Genuß der Speisen für den menschlichen Körper zerstörend wird, wenn man theils zu viel, theils zu vielerlei, theils wirklich ungesunde[59] Nahrungsmittel zu sich nimmt: so kann und muß, unter gleichen Bedingungen, auch der Genuß der geistigen Speisen, ich meine das übertriebene und das unzweckmäßige Lesen, zu einer für das Wohlbefinden unsers Geistes sehr verderblichen Sache wer den. Das ist es nun aber, was man jetzt in so vielen verfeinerten Familien bemerkt, und was den nachdenkenden Menschenfreund eben so bange macht, als der Anblick jener schwelgerischen körperlichen Mahlzeiten, welche mit den geistigen abzuwechseln und so den größten Theil der Lebenszeit dem eigentlichen thätigen Leben zu entziehen pflegen.«

»Man liest zuvörderst viel zu viel, als daß der überladene Geist das Gelesene gehörig verdauen, in Saft und Kraft verwandeln und auf sich selbst, auf sein Leben und auf seine Handlungen gehörig anwenden könnte; viel zu viel, als daß die eigentlichen Berufsgeschäfte, die Erfüllung unserer heiligsten Pflichten, als Hausväter und Hausmütter, als Menschen und Bürger, nicht gar merklich darunter leiden sollten; viel zu viel, als daß die damit verbundene, zu anhaltende Körperruhe, die zu oft wiederholte Erhitzung der Einbildungskraft und die zu lange währende Anstrengung und Ein-engung unserer Denkkraft nicht einen sehr schädlichen Einfluß auf die Verdickung der Säfte, auf die Reizung und Schwächung der Nerven haben sollten; viel zu viel endlich, als daß[60] man nicht nach und nach Lust und Fähigkeit zu jeder andern, eben so nöthigen, nur nicht eben so bequemen und reizenden Geschäfftigkeit darüber verlieren sollte. Der Belag zu dieser Bemerkung liegt für Jeden, der ein beobachtendes Auge hat, in dem zerrütteten Hauswesen, in der Kränklichkeit und Unzufriedenheit so mancher hierin ausschweifenden Familie so klar am Tage, daß ich nicht erst nöthig habe, ihn aus Licht hervorzuziehn.«

»Man liest zweitens zu vielerlei und mit zu weniger Auswahl, als daß nicht das Eine die Wirkung des Andern schwächen oder gänzlich wieder zernichten und nicht im Ganzen ein unordentliches Gemisch unverdaulicher Begriffe und Gedanken in die Seele kommen sollte, welche zur Verbesserung derselben nichts, wol aber viel zu ihrer Verschlimmerung wirken können. Man liest Predigten und Geschichtsdichtungen, Possenspiele und Sittenbücher, philosophische Abhandlungen und empfindelnde Gedichtchen u.s.w. alles durch einander, ohne Ordnung, ohne Auswahl, ohne Zweck, so wie das Eine oder das Andere durch den Zufall gerade herbei geführt wird: was Wunder, daß die Seele solcher Leser sich durch dieses seltsame Gemisch eben so belastet fühlen muß, als der Magen de Schlemmers, wenn er mit zwanzigerlei theils sauern, theils süßen, theils bittern, theils salzigen Speisen zugleich überladen wird.«[61]

»Man liest endlich drittens auch solche Schriften, welche recht eigentlich darauf abzwecken, den Verstand zu verwirren, die Einbildungskraft zu beflecken, die Empfindungen zu überspannen, die Grundsätze einer aufgeklärten Gottesfurcht und mit ihnen die der Tugend und Rechtschaffenheit wankend zu machen, das Gewissen einzuschläfern, den Geist durch süßliche Empfindeleien zu entmannen, Unzufriedenheit über Welt, Menschen und Vorsehung einzuflößen, das Dichtungsvermögen zu schwärmerischen Luftreisen in das Reich der Träume und Hirngespinste zu beflügeln, und die Menschen sowol zu den Geschäften, als auch zum Genuß des Lebens immer unfähiger zu machen.«

»Das, das ist es, was das Lesen für das Glück so mancher Familie schon jetzt so verderblich macht und, bei dem fürchterlichen Anschwellen der Büchersündfluth, immer mehr und mehr verderblich machen muß! Laß uns, meine Tochter, besonders bei denjenigen Folgen stehen bleiben, welche diese Ausschweifung für das häusliche und eheliche Familienleben insonderheit unausbleiblich mit sich führt.«

»Das unmäßige und zwecklose Lesen macht zuvörderst fremd und gleichgültig gegen alles, was keine Beziehung auf Bücher und Bücherbegriffe hat; also auch gegen die gewöhnlichen Gegenstände und Auftritte des häuslichen Lebens; also auch gegen das frohe Gewühl[62] der Kleinen um uns her und gegen alles, was diesen in ihrem kindischen Wirkungskreise werth und wichtig ist, und wobei sie unsere Theilnahme und Hülfe fodern. Unwillig über jede Störung in ihrer gelehrten Behaglichkeit suchen lesegierige Eltern ihre Kinder, so viel möglich, von sich zu entfernen, oder legen ihnen, wenn sie ja nicht umhin können, sie um und neben sich zu dulden, einen Zwang auf, der für dieses Alter viel zu unnatürlich ist, als daß er für ihre körperliche und geistige Ausbildung nicht die schädlichsten Wirkungen haben sollte. Hiezu gesellt sich nicht selten eine träge Unlust zu jedem andern hausväterlichen und hausmütterlichen Geschäffte, welches man als ein Hinderniß bei der Befriedigung seiner Lieblingsneigung betrachtet; und das pflegt denn ganz natürlich Unordnung im Hauswesen, Verwirrung in den eigentlichen Berufsgeschäften, häusliche Sorgen, häusliche Unzufriedenheit, oft sogar Mangel und Elend nach sich zu ziehen. Hat man endlich gar durch anhaltendes Stillsitzen, und durch einseitiges Beschäfftigen der Seelenkräfte bei unnatürlicher Körperruhe, erst vollends seine Säfte verdickt, seine Nerven geschwächt, seine Verdauungskräfte gelähmt, seine Eingeweide schlaff gemacht: dann fahre hin, häusliche Glückseligkeit! Fahre hin, gutes liebevolles Verhältniß zwischen Eltern und Kindern, zwischen Mann und Weib, zwischen Herrschaft und Gesinde! Eine allgemeine Verstimmung bemächtigt sich des ganzen Hauses: und der[63] gewöhnliche Ton, der forthin darin angegeben wird, ist Mißklang, der in Seufzer und Jammerlaute zerfließt.«

»Ferner verdient auch dieses hier erwogen zu wer den, daß in Häusern, welche die Lese-üppigkeit beherrscht, unmöglich vermieden werden kann, daß Kinder und junge Leute Vorlesungen beiwohnen, oder selbst Bücher in die Hände bekommen, die, wo nicht für Jedermann, doch für sie in diesem ihren Alter wahres Seelengift enthalten, dessen Wirkung durch kein Gegenmittel der Erziehung, wofern ich meiner Einsicht in die Natur der menschlichen Seele und meiner Erfahrung trauen darf, jemahls ganz wieder zernichtet werden kann.«

»Kommt nun endlich hiezu auch noch dieses, daß man ohne Auswahl, Zweck und Ordnung alles durch einander, also auch solche Bücher häufig liest, welche recht eigentlich dazu geschrieben zu sein scheinen, den Geist des Menschen aus der wirklichen Welt in eine eingebildete zu entrücken, ihm Wesen, Lagen und Verhältnisse vorzuspiegeln, welche hienieden nirgends gefunden werden, Erwartungen, Hoffnungen und Wünsche in ihm aufzuregen, welche nie erfüllt werden können, Gefühle und Empfindungen in ihm zu wecken, welche weder zu seiner Bestimmung hienieden, noch zu der Einrichtung und Verfassung seines[64] Körpers passen: dann mag die mißgeleitete Seele solcher Menschen noch so gut und edel sein, so wird sie doch auf ein ruhiges und frohes Dasein überhaupt, und besonders auf das Glück eines zufriedenen häuslichen Familienlebens und einer gelingenden Kinderzucht bei Zeiten Verzicht thun müssen. Ich darf, glaube ich, statt jedes andern Beweises dieser Behauptung, mich dreist auf das eigene Wahrnehmen eines jeden meiner Leser berufen, der nur einigermaßen gewohnt ist, mit beobachtenden Blicken umher zu schauen, um zu bemerken, was unter seinen Mitmenschen vorgeht, und über die Ursachen und Folgen des Beobachteten nachzudenken. Bei der Menge solcher unglücklichen Opfer einer nicht durch Vernunft geleiteten Lesebegierde, welche besonders bei dem andern Geschlechte so häufig wahrgenommen werden, kann es wol nicht fehlen, daß nicht jedem Leser sogleich ein ihm selbst bekanntes Beispiel dieser Art ins Gedächtniß treten sollte. Mir wenigstens schweben sie bei Dutzenden vor. Ich kannte Weiber, deren schöne engelreine Seele vor allen verdient hätte, die Freuden des Lebens, besonders die ehelichen und mütterlichen, ohne allen Zusatz von Unzufriedenheit und Harm in vollem Maße zu genießen, und welche gleichwol vor allen elend waren, ihres Daseins fast niemahls froh wurden, weil sie alle Fähigkeiten dazu so ganz aus ihrer Seele weggelesen hatten. Ihr Geist durch schöne dichterische Täuschungen der Wirklichkeit entrückt, genährt[65] mit überirdischen, überfeinen und übermächtigen Empfindungen, zu welchen dem Erdensohne und der Erdentochter für jetzt noch die körperlichen Werkzeuge fehlen, und durch bezaubernde Vorspiegelungen aus einer erträumten Feenwelt zu Erwartungen, Hoffnungen und Wünschen verwöhnt, welche in dieser wirklichen Welt nie erfüllt werden können, – fand hienieden nirgends, was er suchte; erreichte nie, wonach er so brünstig sich sehnte; fließ im Gegentheil alle Augenblicke auf etwas, wovon seine Führer, die Dichter, Romanenschreiber und empfindsamen Schriftsteller, ihn nichts hatten ahnen lassen; wähnte mit der brüderlichen Seele eines arkadischen Schäfers oder eines Halbgottes, wie Grandison, vermählt zu sein, und erschrack beim Erwachen aus dem süßen Traume der ersten Liebe, sich nur mit einem gewöhnlichen Sterblichen verbunden zu sehen; hoffte die Welt mit einer Nachkommenschaft von eitel lieben Engelein zu bevölkern, und hatte die Kränkung, sich von Bübchen und Dirnchen umwimmelt zu sehn, welche an Leib und Seele, an Naturtrieben und Naturschwächen andern gewöhnlichen Kindern, wie Ein Tropfen Wasser dem andern glichen. Das war nun unter allen ihren Erwartungen; das war mehr, als sie ertragen konnten! Von Stund an waren sie überzeugt, daß sie nur zu Jammer und Leiden geboren wären; und nun litten und jammerten sie so romantisch schön, daß sie den Werthern und Siegwarten selbst den Vorzug streitig[66] zu machen schienen. Der Mann ward zum Hause hinausgejammert; an den unnatürlichen, ausgearteten Kindern ward mit Gewalt gearbeitet, um ihre Empfindungen auf einen höhern Ton zu stimmen, und auch sie, wo möglich, in die hohen und mächtigen Trauergefühle ihrer Mutter einzuweihen, und der Versuch mochte nun entweder gelingen oder nicht, so wurden ihre jungen Seelen doch in jedem Falle so verdreht und verstimmt, daß sie auf den rechten Mittelton eines muntern, thätigen und zufriedenen Lebens nie wieder zurückgebracht werden konnten. Häuslicher Frieden, häusliches Wohlsein, und Freuden im Schooße einer heitern wohlgestimmten Familie genossen, waren dahin! Zwietracht, Unordnung, mürrisches und verdrießliches Wesen, Sorgen und Kummer waren an ihre Stelle getreten; nagten an jeglichem Herzen; nagten an der Gesundheit der unglücklichen Eltern, und zerknickten die zarte Sprosse künftiger Glückseligkeit in den Herzen der Kinder! Siehe da, meine liebe Tochter, seht da, ihr künftigen Ehegenossen alle, die traurigen Folgen einer neuern Seelenkrankheit, die nebst so vielen andern heutigen Leiden, die unsern Vorfahren unbekannt waren, die Wirkung einer einseitigen, falschen Ausbildung und der alles vergiftenden Ueppigkeit ist. Glaubt mir, daß ich sie nach dem Lebern gezeichnet habe.«

»Völlig gleiche, oft noch traurigere Folgen hat auch der andere Zweig dieser Seelenseuche, die Schriftstellersucht,[67] welche in unsern Tagen gleich falls so fürchterlich um sich greift. Ich bleibe hier abermahls nur bei denjenigen Wirkungen dieser modischen Ausschweifungen stehn, welche das Glück des häuslichen Lebens und eine gute Erziehung der Kinder stören. Diese sind: Vernachlässigung der eigentlichen Berufspflichten und der gehörigen Besorgung des Hauswesens, besonders auch der Kinderzucht; Erschlaffung, wo nicht gar gänzliche Auflösung der heiligen Familienbande zwischen Mann und Weib, zwischen Eltern und Kindern; Verwilderung des Herzens durch genährte Eitelkeit und Ruhmbegierde; häufiger Anlaß zu mißvergnügten Stunden, Tagen und Wochen bei den oft schmerzhaften öffentlichen Urtheilen, deren ein Schriftsteller, nicht bloß über seine Werke, sondern bei dem bekannten Muthwillen unserer Bücher-ausrufer, auch über seine Person und über seinen Karakter gewärtig sein muß; eine durch zu vieles Stillsitzen in eingeschlossener Stubenluft und durch überspannte Anstrengung der Geisteskräfte, bei körperlicher Ruhe, zerrüttete Leibesbeschaffenheit; und endlich – das Schrecklichste von allem! – eine fast unvermeidlich daraus entstehende hypochondrische Gemüthsverfassung, mit ihrem ganzen schwarzen Gefolge von Unzufriedenheit, griesgrammender Laune, Empfindlichkeit, Schwermuth, Aengstlichkeit, Beklemmung, halbem oder ganzem Wahnsinn!«[68]

»Noch möchte man sich begnügen, die unglücklichen Opfer dieser Schriftstellerseuche, wenn sie, wie ehemahls, nur das Loos einer kleinen unbeträchtlichen Anzahl von Gelehrten wäre, im Stillen zu beklagen: aber wenn man nun gar auch sehen muß, daß dieses geistige Schnupfenfieber nicht bloß die männliche Blüthe des Staats aus allen Ständen, wie Wurmfraß, welkend macht, sondern auch immer mehr und mehr sich sogar des andern Geschlechts bemächtiget; sehen muß, wie diejenigen, welche von der Natur und unserer ganzen gesellschaftlichen Verfassung ganz eigentlich angewiesen sind, Werth, Glück und Verdienst, nicht in glänzenden Fähigkeiten und in einem weiten Wirkungskreise, sondern in häuslicher Eingezogenheit, Bescheidenheit, reiner Einfalt, in stiller unbemerkter Thätigkeit, in der Besorgung des Hauswesens, in der Beglückung ihres Gatten, in der Wartung, Pflege und Bildung ihrer Kinder zu suchen, ihre natürliche und gesellschaftliche Bestimmung so ganz vergessen, und sich zu Dichterinnen, Romanschreiberinnen, Kunstrichterinnen, und Gott weiß, wozu noch mehr! In einem Lande aufwerfen, welches an Leuten dieser Art schon einen so unseligen Ueberfluß hat; sehen muß, wie solche Weiber, den Kopf voll Gas aus Strohfeuer erzeugt, sich aus ihrem natürlichen Kreise erheben, ihren oft verdienstvollen, nur nicht dichterischen, nur nicht romanhaften Männern, mit schnöder Geringschätzung begegnen, ihr Hauswesen vernachlässigen, und ihre unglücklichen[69] Kinder entweder dem Gesinde preis geben, oder ihnen selbst Kopf und Herz verdrehen; sehen muß, wie oft ein ganzes dummgaffendes Lesevolk sie als Meerwunder anstaunt, Bücher-ausrufer sich glücklich schätzen, den Staub von ihren Füßen lecken zu dürfen, und Schattenrißkrämer sie und alles, was sie thaten und nicht thaten, in eine Wolke ekelhaften Weihrauchs hüllen: dann kocht bei diesem unwürdigen Anblicke dem Vaterlandsfreunde vor Unwillen das Blut, und er möchte die Feder zerstampfen, die aus einem Werkzeuge zur Aufklärung und Sittenverbesserung, ein Werkzeug der Schmeichelei, der Eitelkeit, der Faulheit und der Ueppigkeit geworden ist!«

»Man verzeihe mir, wenn man kann, die Wärme, mit der ich dieses sagte. Es gibt Betrachtungen, bei denen auch dem gesetzten Beobachter die Stirn vor Unwillen glühen darf; und zu diesen gehört, wenn ich nicht sehr irre, auch diejenige, die uns jetzt beschäftiget. Das Unheil, welches diese Seuche schon jetzt in mancher Familie stiftet, und, wie vorauszusehen ist, künftig noch in höherem Grade stiften wird, wenn nicht bald mehr Stimmen sich dagegen erheben werden, verdient in der That des Menschenfreundes ernstlichste Beherzigung. Oder zweifelt man noch daran, so sehe man doch umher, hefte seine Aufmerksamkeit, wenn man Gelegenheit dazu hat, auf das innere Hauswesen solcher lesesüchtigen, schreibseligen und dichterischen[70] Weiber, und forsche nach, ob Ordnung, Fleiß und Haushältigkeit, ob Einfalt und Biedersinn, ob Zufriedenheit, eheliche und häusliche Glückseligkeit, und eine vernünftige Kinderzucht darin gefunden werden? Höchstseltene Ausnahmen abgerechnet, wird man von dem allen gerade das Gegentheil wahrnehmen. Man wird sehen, wie die empfindsame Frau des Hauses, wenn sie nicht gerade an ihrem Schreibtische sitzt, oder von Bewunderern ihrer Geistesgeburten umgeben ist, bald von langer Weile und Mißmuth, bald von Nervenkrankheiten geplagt, ihre döse Laune gegen Mann, Kind und Gesinde ergießt; sehen, wie der gequälte Gatte entweder seinen Kummer in sich selbst verschließt und vor der Zeit dahinwelkt, oder Zerstreuungen außer dem Hause und Vergessenheit seiner häuslichen Leiden in betäubenden Ausschweifungen sucht; sehen, wie die vernachlässigten Kinder, indeß der Vater den Geschäften seines Berufs, die Mutter den Angelegenheiten ihres schriftstellerischen Ruhms obliegt, sich unter dem Gesinde herumtreiben, Zoten hören, an Geist und Herzen verkrüppelt werden u.s.w.; sehen endlich, wie das ganze Hauswesen durch Mangel an Aufsicht und Wirthlichkeit, durch Unordnung und Veruntreuungen in Verfall geräth; bis endlich der Kummer über Schuldenlast, über mißgerathene Kinder und öffentliche Schande das Maß der Leiden für den unglücklichen Gatten voll macht, und ihn mit Schmerzen in die Grube senkt. – Es wage doch[71] eine unserer empfindsamen, lesesüchtigen und schriftstellerischen Weiber, mich der Uebertreibung zu beschuldigen; und ich erbiete mich, ihr und ihres Gleichen öffentliche Abbitte zu thun, wofern ich nicht, nach einer zureichenden Bekanntschaft mit ihr und ihrem Hause, diese ganze traurige Schilderung Glied vor Glied mit Beobachtungen über sie selbst gemacht, werde belegen können!«

»Und eine solche Frau sollte eine gute Gattinn, eine gute Mutter abgeben können? Sie, welche um den Beifall der ganzen Lesewelt buhlt, sollte ihre höchste Glückseligkeit in dem Beifalle und in der Liebe ihres Gatten suchen? Sie, welche in allen Fächern der Gelehrsamkeit herumflattert, sollte in ihrer Wirthschaft zu Hause sein? Sie, weiche auf das Ganze wirken will, sollte so, wie sie müßte, auf die Bildung ihrer Kinder, auf die Sitten ihrer Dienstboten wirken können? Das glaube, auf ihre Versicherung hin, wer da mag und kann: ich für meinen Theil werde mich nie überreden lassen, daß ein Weib sich mit der ganzen Welt vermählen und nichtsdestoweniger nur einem einzigen Manne angehören könne.«

Genug hievon; und nun wieder zurück zu der Frage, deren genaue Erörterung diese etwas lang gewordene Ausschweifung nöthig zu machen schien.
[72]

Wenn also weder vorzügliche Kunstfertigkeiten, noch eine ausgebreitete Belesenheit, oder gar Gelehrsamkeit und Schriftstellerei das wahre Verdienst des Weibes und einen von der Vernunft gebilligten Grund unserer Hochachtung gegen dasselbe ausmachen können; so laß uns von neuen fragen: worein jenes Verdienst denn wol sonst zu setzen sei?

Etwa in äußerliche Annehmlichkeiten, in Schönheit, gefällige Manieren und einen mit Geschmack gewählten, durch Kunst geordneten und aufgestutzten Anzug? – Du erwartest vielleicht, mein Kind, auch auf diese Frage ein schnelles, absprechendes Nein! zu hören; aber du irrest. Ich könnte sie eben so überzeugt und wahr mit ja! als mit nein! beantworten; nur daß wir bei den Worten: Schönheit, gefällige Manieren und reizender Anzug, in dem einen Falle etwas ganz anders, als in dem andern denken müßten. Laß uns diese Dinge ein wenig näher betrachten.

Es gehört unstreitig zur Bestimmung des Weibes, daß sie ihrem Manne zu gefallen und seine Zuneigung durch Annehmlichkeiten und Reize zu erhalten suche. Darin sind wir alle – von der ersten Fängerinn (Kokette) bis zum strengsten Weisen – eins. Nun gehören aber körperliche Schönheit, artige Manieren und ein niedlicher geschmackvoller Anzug – wie[73] selbst Diogenes, wie ich vermuthe, nicht zu leugnen begehrte – ganz unstreitig mit zu den Mitteln, wodurch man Andern gefallen und ihnen liebenswürdig scheinen kann. Sie sind also in sofern auch keinesweges zu verschmähen, sondern werth, daß ein junges Frauenzimmer sich darum bemühe, sich dieselben zu eigen zu machen suche.

»Sich darum bemühe? Sich dieselben zu eigen zu machen suche? Ich verstehe dich nicht. Kann man um Schönheit und körperliche Reize, die ein Geschenk der Natur sind, welches sie dem Einen gibt, dem Andern versagt, sich auch wol bemühen; sie durch Bemühung erwerben?«

Geduld, mein Kind! Erinnerst du dich nicht etwa noch einer Belehrung, die ich an einem andern Orte3 dir und andern jungen Personen hierüber schon ehemahls gab? Aber was hindert mich, das Wesentliche davon in deinem Gedächtnisse wieder anzufrischen?

Es gibt, sagte ich dort, eine zweifache Schönheit; eine, welche ganz das Werk und ein freiwilliges Geschenk der Natur ist; aber auch eine andere, deren Erwerbung lediglich von uns abhängt. Es ist nämlich[74] eine ausgemachte Sache, daß der Leib sich sowol in seiner ganzen äußerlichen Form überhaupt, als auch in Ansehung der Züge und des Ausdrucks des Gesichts und der Augen insonderheit, nach der Beschaffenheit der Seele richtet, die ihn belebt. Wird diese ausgebildet, erheitert und verschönert: so wird es jener auch; sinkt diese, es sei aus welcher Ursache es wolle, zu einem bloß thierischen oder gar lasterhaften und schändlichen Dasein hinab, wobei weder eine Uebung ihrer edleren Kräfte, noch ein reiner Genuß sittlicher Freuden mehr Statt findet: so druckt sich entweder das Grobe, Ungebildete, Thierische, oder das Unregelmäßige, sittlich Häßliche und Böse des verwilderten oder verwahrloseten Geistes auch zuverlässig in dem ganzen Bau des daran theilnehmenden Körpers, in seiner Haltung, in seinen Zügen, in seinen Mienen und vornehmlich in seinen Blicken aus.

Auf diese Weise entsteht eine menschliche Schönheit, die ich die Schönheit der weisen, aufgeklärten und guten Leute zu nennen pflege. Diese besteht mit nichten in einer glatten Haut von Milch- und Rosenfarbe, auch nicht eben in einem ungewöhnlich schönen Wuchse; o nein! sie kann vielmehr in einem Gesichte voller Pockengruben, auf einer gelblichen Haut, ja sogar bei einem ganz verwachsenen Körper Statt finden. Sie ist der Ausdruck eines hellen[75] wohlgebildeten Verstandes, und eines edlen, wohlwollenden, in allen seinen Neigungen und Abneigungen wohlgeordneten Herzens, welcher sich in Blicken, Mienen, Stellung, Stimme und Geberden äußert. Fragst du mich, worin dieser Ausdruck eigentlich bestehe? so muß ich freilich bekennen, daß ich ihn besser fühlen als beschreiben kann. Es ist etwas Sanftes ohne Schwäche, etwas Bescheidenes ohne dumme Schüchternheit, etwas Ruhiges ohne Trägheit, etwas Freundliches ohne Süßlichkeit, etwas Heiteres ohne Leichtsinn, etwas Kluges und Verständiges ohne Bösartigkeit und ohne Ansprüche – alles in einer lieblichen Vermischung. Für diese höhere Schönheit haben alle gute Menschen Sinn; alle gute Menschen besitzen sie selbst und fühlen sich zugleich stark zu denen hingezogen, an welchen sie dieselbe wahrnehmen. Und willst du die Vorschrift zu dieser Schönheit wissen? Hier ist sie, und zwar eine so allgemeine und untriegliche, als aus der Feder eines Arztes je eine geflossen sein mag: »schmücke deinen Verstand mit jeder schönen und nützlichen Kenntniß aus, welche die Erfüllung deiner Bestimmung als Mensch und Weib befördern kann; halte alle bösartigen Triebe, als da sind: Neid, Zorn, Selbsucht, Eitelkeit, Eigensinn und böse Lüste, weit von dir ab, und übe dich vielmehr täglich in menschenfreundlichen, enthaltsamen und tugendhaften Gesinnungen.« Das ist das ganze Geheimniß.[76]

Diese Schönheit der aufgeklärten und guten Leute ist also für Jedermann, auch für das Weib, und für diese ganz besonders, etwas sehr Wünschenswürdiges, etwas sehr Verdienstliches, und gehört allerdings zu denjenigen Mitteln, wodurch sie die Liebe und Freundschaft ihres Gatten nicht nur gewinnen, sondern auch dauerhaft machen kann. Ganz anders aber verhält es sich mit der zweiten Art von Schönheit, die in Reizen besteht, die bloß körperlich, bloß ein Geschenk der Natur sind, und die, wenn sie uns einmahl versagt warm, nie von uns erworben werden können. Diese können zwar wol dazu dienen, einen jungen Mann auf eine Zeitlang zu bezaubern: aber ihm eine fortdauernde Zuneigung und Freundschaft einflößen, das können sie nicht. Sie äußern vielmehr oft und wenn ich meinen eigenen Beobachtungen hierüber trauen darf, in den meisten Fällen, eine ganz entgegengesetzte Wirkung Glückliche, von ihren Gatten geliebte und ihre Gatten beglückende Weiber ohne körperliche Schönheit, habe ich viele gekannt: aber ich weiß mich eines und des andern seltenen Beispiel einer recht zufriedenen Ehe in solchen Fällen zu erinnern, wo die Natur das Weib mit ganz vorzüglicher Körperschönheit begabt hatte. Das klingt für den, der hierüber weder nachgedacht, noch Beobachtungen angestellt hat, ganz unglaublich; scheint etwas ganz Widersprechendes zu sein: und doch geht so natürlich zu, und ist zugleich, so begreiflich,[77] daß ich mich wundern würde, wenn die Sache nicht so wäre. Vernimm die Gründe davon, um überzeugt zu werden, daß der Besitz einer solchen Schönheit für kein besonderes Glück, und der Mangel daran für kein besonderes Unglück zu halten ist.

Der erste Eindruck, den eine Person von blendender Schönheit auf das Herz des Mannes macht, ist zu lebhaft zu stark und zu sinnlich, als daß er in dieser Lebhaftigkeit fortdauern oder gar bleibend sein könnte. Alles Ueberspannte in unsern Neigungen, so wie alles sinnlich Leidenschaftliche überhaupt, kann, seiner Natur nach, nur von kurzer Dauer sein, muß in Erschlaffung, Abspannung, Sättigung und Ekel übergehn. Von dieser Beschaffenheit pflegt nun aber die Liebe eines jungen Mannes zu einem körperlich schönen Frauenzimmer gewöhnlich zu sein. Je stärker und feuriger diese Liebe daher ist, desto schneller muß die Sättigung erfolgen. So ist der Mensch nun einmahl gemacht, und alle Versicherungen einer ewigen, sich immer gleichen Zärtlichkeit, die ein solcher Liebhaber gibt, alle Betheurungen und Schwüre, womit er diese Versicherungen thörichter Weise bekräftiget, können die Natur der Dinge nicht umändern; bedeuten also so viel als – nichts; beweisen nur, daß der junge Mann sich selbst und die menschliche Natur noch nicht kennt. Da die Gründe dieser Wahrnehmung,[78] welche die Seelenlehre entwickelt, hier nicht hergehören: so begnüge ich mich, dich von der Richtigkeit derselben durch ein Gleichniß zu überzeugen. Welches sind die Speisen, die uns, zur täglichen Kost gemacht, am geschwindesten zuwider werden? Sind es die einfachen, wenig reizenden und nicht sehr lieblichen, oder sind es nicht vielmehr diejenigen, die durch ihre Süßigkeit und liebliche Würze unsere Begierde anfangs am stärksten reizten, unsern Gaum anfangs am angenehmsten kitzelten? Bekanntlich die letzten, und das Sprichwort: Toujours perdrix? ist in aller Munde. Mache die Anwendung hievon auf unsern Fall; und meine obige Behauptung wird dir weiter nicht befremdlich scheinen.

Ein zweiter Grund, warum die Liebe zu einer körperlich reizenden Person, in der Regel, sich nicht gleich zu bleiben, sondern, wo nicht einer bald gänzlichen Erschlaffung, doch wenigstens häufigen Unterbrechungen ausgesetzt zu sein und eine wirklich glückliche Ehe selten zu machen pflegt, ist dieser. Wie die Sonne, wenn sie am hellsten und lieblichsten scheint, das meiste Ungeziefer weckt: so lockt auch weibliche Körperschönheit, je reizender und blendender sie ist, die meisten menschlichen Schmeißfliegen – ich meine Schmeichler und verliebte Gecken – herbei. Wo eine solche Person sich nur öffentlich oder in zahlreichen Gesellschaften blicken läßt, da sieht sie sich auch alsobald[79] von einem Schwarme solches Ungeziefers umflattert, die, indem sie aus ihren schönen Augen und von ihren Rosenlippen Honig zu saugen sich beeifern, der zarten. Blüthe ihres weiblichen guten Namens und zugleich ihrer ehelichen Glückseligkeit tödtliche Stiche versetzen. Der Gatte, dessen Ehre und Würde an dem unbescholtenen Rufe seiner Gattinn hängt, sieht die Gefahr einer Verletzung desselben nicht sobald entstehn, als seine Zärtlichkeit sich in Eifersucht, seine Liebe in Unwillen, Zorn, Haß und Rachbegierde verwandelt. Und nunmehr ist von zweien Uebeln, welche beide gleich fürchterlich sind, das eine ganz unvermeidlich; entweder löset dieser sein Unwille sich endlich in Gleichgültigkeit und Verachtung auf – und dann gute Nacht, eheliches Wohlergehn! gute Nacht für immer! – oder das Feuer seiner Eifersucht lodert unter der Asche unauslöschlich fort, und verursacht, von jedem neuen Lüftchen einer veranlassenden Ursache wieder angefacht, in dem Gebäude ihrer ehelichen und häuslichen Glückseligkeit von Zeit zu Zeit eine neue schreckliche Feuersbrunst. Endlich sinkt das ganze schöne Gebäude in Asche und Ruinen hin!

Und dabei kann die schöne Frau, was die Reinigkeit ihres Herzens betrifft, noch immer ganz unschuldig sein; was wird sie aber nicht erst zu besorgen und wirklich zu erleben haben, wenn sie die Schmeicheleien der verliebten Gecken gern hört, ihren Zudringlichkeiten[80] nachgibt, sich davon bethören läßt, und also wirklich schuldig wird? Ich enthalte mich, mein Kind, dir ein Bild des Elendes, dem eine solche, in den Augen aller gesitteten und rechtschaffenen Menschen entehrte, von jedem Gutgesinnten verachtete, und von ihrem Gatten verabscheuete Person, unaufhaltbar entgegen geht, hier aufzustellen, weil ich, wozu ich unfähig bin, erst an der Menschheit verzweifeln müßte, wenn ich, nach der Erziehung, die wir dir zu geben uns bemühten, eine solche Warnung für dich noch für nöthig halten könnte. Aber das kann ich hier nicht unbemerkt lassen, daß die Gefahr am Herzen verderbt, verführt und dadurch unbeschreiblich elend zu werden, für ein junges Frauenzimmer in eben dem Maße bedeutender und größer wird, in welchem die Natur ihr körperliche Reize beigelegt hat; und daß also auch aus diesem Grunde der Besitz dieses mißlichen Naturgeschenks kein Gegenstand deiner Wünsche zu sein braucht. Das verderbliche Gift der Schmeichelei ist ach! so süß! Es dringt so unmerklich durch Augen und Ohren, und so tief in zarte Seelen ein! Und dem schönen Frauenzimmer fliegt es überall, selbst aus den stummen Blicken ihrer Angaffer, selbst aus den von Neid verzerrten Gesichtern ihrer minder hübschen Schwestern so unvermeidlich entgegen! O meine Tochter! Es gehört wahrlich eine seltene Stärke der Seele, ein ungemeiner Verstand und eine schon gereifte und vollendete Tugend dazu, um der Gefahr, dadurch verderbt[81] und auf unsittliche Abwege geleitet zu werden, nach neun und neunzig glücklichen Kämpfen, nicht beim hundertsten dennoch unterzuliegen. Also noch einmal, wünsche ein so gefährliches Geschenk der Natur dir nicht, und beneide niemahls diejenigen, denen es in größerem Maße zugetheilt ward, als dir; fest überzeugt, daß es dich an der Erreichung deiner ganzen Bestimmung zwar wol hindern; aber schwerlich jemahls dir dazu behülflich und förderlich sein könnte.

Was die feinen gefälligen Sitten und den reizenden weiblichen Anzug betrifft: so kann ich die Frage: ob denn in diesem etwas Verdienstliches sei, was den Werth eines Frauenzimmers, in Rücksicht auf ihre Bestimmung erhöht? eben so wenig geradezu mir ja! als mit nein! beantworten; sondern wir müssen auch hier uns erst verständigen, was wir bei diesen Worten denken wollen.

Denken wir uns beide insofern, als sie dem Stande, zu dem man gehört, den besondern Verhältnissen, worein wir uns versetzt sehen, und dem Berufe, dem wir uns gewidmet haben, völlig angemessen sind; verstehen wir also, in Rücksicht aus denjenigen Stand, welcher der meinige und der deinige ist, unter gefälligen Sitten diejenige äußerliche Feinheit und Artigkeit der Manieren, die sich eben so weit von aller Ziererei und Künstelei, als von Plumpheit und ungeschicktem[82] Wesen entfernen, und deren Hauptkarakter in edler Geradheit, Schlichtheit und Einfachheit besteht; denken wir uns endlich bei dem reizenden Anzuge eines Frauenzimmers aus diesem Mittelstande einen solchen, der sich, nicht sowol durch auffallende Pracht und Kostbarkeit, als vielmehr durch die äußerste Reinlichkeit, durch Nettigkeit und guten Geschmack in Form und Anordnung, bei bescheidener Schlichtheit, unterscheidet: dann sind beide ganz unstreitig etwas sehr Empfehlendes; dann gehören beide ganz unstreitig zu den erlaubten und nöthigen Mitteln, wodurch jedes Weib, auch das bürgerliche, für die Erhaltung der Liebe und Achtung ihres Gatten sorgen kann und muß. Und in diesem Verstande genommen, kann ich nicht umhin, dir beide als einen würdigen Gegenstand deiner Aufmerksamkeit und deines Bestrebens gar sehr zu empfehlen.

Glaubt hingegen ein Frauenzimmer deines Standes, daß sie, um in den Augen ihres Gatten und anderer vernünftiger Leute achtungswerth und liebenswürdig zu erscheinen, in Sitten und Putz den sogenannten großen Ton, die freieren Manieren, das Unterscheidende, Kühne, Schimmernde und Prächtige, mit einem Worte, die Eigenthümlichkeiten der höhern Stände, die wir auf ihrem Werthe oder Unwerthe hier beruhen lassen wollen, nachäffen müsse: so gibt sie dadurch einen Beweis ihrer Verstandesschwäche,[83] jeden andern überflüssig macht. Anstatt ihre Absicht – die zu gefallen, bewundert und geliebt zu werden – dadurch zu erreichen, bewirkt sie zuverlässig gerade das Gegentheil, nämlich Mißfallen, Spott und Verachtung. Denn erstlich macht sie sich dadurch allemahl, in einem gewissen Grade wenigstens, zu einer Mißgestalt; weil jedem vernünftigen Beurtheiler das Unverhältnißmäßige zwischen dem hohen Ton ihres Aeußerlichen und der Mittelmäßigkeit ihres Standes sogleich stark und widerlich in die Augen springt. Dann geht es ihr am Ende gerade so, wie der Fledermaus in der Fabel, die, weil sie weder ganz Vogel, noch ganz vierfüßiges Thier war, auf der einen Seite von den gefiederten Bewohnern der Luft, denen sie sich andrängen wollte, auf der andern hingegen von den federlosen Erdthieren, von denen sie sich thörichter Weise abgesondert hatte, und zu denen sie nachher gleichwol ihre Zuflucht zu nehmen wünschte, mit Spott und Hohn zurückgescheucht ward, und seitdem nicht anders, als in der Dunkelheit der Nacht, zum Vorschein kommen darf. Des noch wichtigern Grundes, daß ein solches Weib gemeiniglich einen für die Vermögensumstände ihres Mannes unverhältnißmäßigen Aufwand macht; sich den Geschäften ihres häuslichen Berufs entzieht, indem sie theils mit der Anordnung ihres Putzes, theils mit Staatsbesuchen ihre Zeit versplittert, und dadurch Unordnung, Verwirruug und Verfall in ihr ganzes Hauswesen bringt, brauche ich hier nicht einmahl zu erwähnen.[84]

Daß doch Jeder und Jede mit dem Stand-orte in der menschlichen Gesellschaft, den die Vorsehung ihnen angewiesen hat, zufrieden sein wollten! Daß doch Jeder und Jede ihre Ehre und ihr Glück darin suchen und finden möchten, diesen Stand-ort, und nur diesen, mit Würde zu behaupten, und nur nach dem zu streben, was ihnen dazu behülflich sein kann! Dann würde es mit der menschlichen Gesellschaft überhaupt, und mit dem Privatwohl einer jeden einzelnen Familie in jedem untergeordneten Stande insonderheit, ungleich besser stehn.

Du, mein Kind, laß dir diese Regel der Lebensweisheit, die dich vor mancher Verwirrung schützen wird, auf das angelegentlichste empfohlen sein. Strebe, bei allem, was von deiner Willkür abhängt, nach Einfachheit und Bescheidenheit, fest überzeugt, daß sie die größte Zierde deines Geschlechts und deines Standes sind. Sei nicht bloß zufrieden mit diesem Stande, in dem die Vorsehung dich geboren werden ließ; sondern erkenne und fühle es auch zugleich, daß es ein großes Glück für dich war, darin geboren zu werden. Tiefer unterwärts würdest du vieler Mittel zu einer glücklichen Ausbildung an Kopf und Herzen, mancher edlen und recht eigentlich menschlichen Freude haben entbehren müssen; höher aufwärts würdest du in Gefahr gerathen sein, durch zu große Verfeinerung an Leib und Seele geschwächt, für die[85] allein beglückende reine Sittlichkeit und für das wahre Menschengefühl verschroben und verstimmt zu werden. Bleib also gern auf der glücklichen Mittelstelle stehen, die Gottes Güte durch Geburt und durch Erziehung dir angewiesen hat. Behaupte sie mit Würde; suche den Beifall der Vernünftigen, nicht durch Putz und Ziererei, sondern durch eine deinem Stande angemessene liebenswürdige Schlichtheit und Geradheit zu erwerben; setze deine ganze Ehre darein, ein wackeres, ein recht edles Bürgerweib zu werden: aber vermeide die Thorheit, dich den höhern Ständen anzudrängen. Wahre Freunde und Freundinnen würdest du da schwerlich jemahls finden, wol aber Belacher deiner bürgerlichen Ansprüche; wol aber falsche Doppelgesichter, Doppelzungen und Doppellhorzen, die in der Einen Stunde dir Freundschaft, Liebe und Achtung lügen, und in der andern schon sich lustig über dich machen und deinen guten Leumund morden. Und warum wolltest du aus dem guten und ehrenreichen Stande, welcher der deinige ist, dich thörichter Weise in einen höhern einzuschleichen suchen? Gibt es etwan einen andern, welcher mehr rechtliche, biedere, edle Menschen in sich schließt, als dieser? Oder gibt es einen andern, worin man mehre und größere Kenntnisse und Geschicklichkeiten zum Dienste des Staats und zum Wohl der Menschheit wirken läßt, als in ihm? Frage die Jahrbücher der Menschheit, oder blicke nur in unserer Zeitgenossenschaft umher,[86] und zähle die großen hervorragenden Menschen alle, die, nicht durch ihre Geburt, sondern durch Thaten verdienen, der Rachwelt mit Ehrfurcht genannt zu werden: und siehe zu, in welchem Stande du die meisten finden wirst.

Genug hievon.


Und nun noch einmahl: wenn also das wahre Verdienst, der Werth und die Würde eines Frauenzimmers deines Standes in dem allen, was wir bis jetzt erwogen haben, nicht bestehen können: worein werden wir sie denn nun endlich wirklich zu setzen haben?

Worein anders, als in solche Eigenschaften, Fertigkeiten, Kenntnisse und Geschicklichkeiten, welche der dreifachen Bestimmung des Weibes – der zur Gattinn, zur Mutter, und zur Vorsteherinn des Hauswesens – gemäß sind, und zu einer glücklichen und vollkommenen Erreichung derselben dienen können. Denn nur das gibt ja einem Dinge Werth und Vollkommenheit, was mit der Absicht, wozu es da ist, übereinkommt und dieselbe befördert; alles Uebrige, so schön und trefflich es an sich oder an Andern auch immer sein mag, verdient an dem nämlichen Dinge nicht, daß man es schätze; kann den[87] Mangel an wesentlichen Eigenschaften und Vollkommenheiten keinesweges ersetzen.

Und welches sind denn nun jene Eigenschaften, Fertigkeiten, Kenntnisse und Geschicklichkeiten, welche einem Frauenzimmer deines Standes zur Erfüllung ihres dreifachen Berufes nothwendig und nützlich sind, deren Besitz also ihren Werth bestimmt, sie in den Augen ihres Gatten und aller vernünftigen Beurtheiler achtungswerth und liebenswürdig macht, und wodurch sie also auch ihre Abhängigkeit erleichtern, sich selbst, ihren ehelichen Freund und ihre Familie beglücken, mit Einem Worte, ihre ganze ehrwürdige Bestimmung erreichen kann? Ich will sie, zu einer leichten Uebersicht, unter allgemeine Ueberschriften bringen. Es gehört dazu zuvörderst:


1. Ein, nicht durch gelehrte Ausbildung, sondern durch Achtsamkeit auf Alles, durch Umgang mit gebildeten Menschen, und besonders durch unermüdete häusliche Thätigkeit bei regelmäßiger Selbstbesorgung alles dessen, was zur Haushaltung gehört, wohlgeübter, entwickelter und gereifter Hausverstand, der an Werth und Nutzen von dem gelehrten Bücherverstande auf der einen, und von dem witzigen Gesellschaftsverstande auf der andern Seite, sich ungefähr eben so unterscheidet, wie ein wirkliches Naturbild von einem gemalten, wie ein natürlicher, mancherlei Nutzen gewährender Fluß von einer spielenden Wasserkunst, wie der gerade Gang[88] eines gewöhnlichen Menschen, der seinen Geschäften nachgeht, von den angestaunten Luftsprüngen eines Seiltänzers. Dieser reine, unbefangene, unerkünstelte Kernverstand, wie ich ihn nennen möchte, äußert sich durch eine schnelle und richtige Beurtheilung aller im gemeinen Leben vorkommenden Fälle, durch eine beständige Besonnenheit und Geistesgegenwart, durch ein geschwindes Zumachenwissen (savoir faire), durch einen vorurtheilfreien Blick in die Natur und Beschaffenheit der Dinge und durch eine richtige Schäzung und Würdigung des wahren Werths der menschlichen Handlungen und Eigenschaften. Er ist eine höchstschätzbare Vollkommenheit an jedem Menschen, weß Standes und Geschlechts er auch sein mag; einer würdigen Hausmutter aber ist er zu einer glücklichen Ausfüllung ihres ganzen Wirkungskreises vollends ganz unentbehrlich. Man sammelt ihn nicht aus Büchern, denn in diesen ist er selten anzutreffen; man erwirbt ihn nicht durch gelehrten Fleiß, denn dieser führt in der Regel nur davon ab. Man sammelt und erwirbt ihn durch beständige Achtsamkeit auf alles, was um und neben uns vorgeht, durch Luft und Theilnehmung an allen Geschäften des häuslichen und thätigen Lebens, durch Nachdenken darüber, und durch den regen Trieb, sich durch eine ausnehmende Geschicklichkeit darin vor allen Andern auszuzeichnen. Glückliches Frauenzimmer, welches diese Art des Verstandes allen andern, minder nützlichen,[89] ihrer Bestimmung minder angemessenen, von Jugend auf vorgezogen und sich dieselbe zu eigen gemacht hat!


2. Menschenkenntniß und Klugheit durch eigene Beobachtungen, Aufmerksamkeit und Nachdenken erworben. Eine dem Weibe, als Gattinn und Hausmutter, höchstnöthige Eigenschaft! Durch sie muß sie zuvörderst bei der großen Wahl ihres Gatten und nachher immer bei der Wahl ihres Gesindes, wenn beide glücklich ausschlagen sollen, geleitet werden; durch sie müssen ihr Verstand und ihr Beobachtungsgeist fähig werden, die Gemüthsart des Mannes kennen zu lernen, mit spähenden Blicken in die tiefste Tiefe seines oft verschlossenen Herzens einzudringen, seine herrschenden Neigungen, wie jede seiner Schwächen, zu erforschen; durch sie muß ihre eheliche und häusliche Staatsklugheit die rechte Art und Weise finden, wie der Mann unter diesen und unter jenen Umständen, in dieser und in jener Laune behandelt sein will; durch sie muß sie das Gesinde in Ordnung zu halten, ihm Fleiß, Treue und Ergebenheit einzuflößen wissen; durch sie muß sie ihrem Gatten und sich selbst manche Unannehmlichkeit ersparen, manches Mißverständniß durch kluges Vermitteln aus dem Wege räumen, manchen Zwist in der Geburt ersticken, und dem raschen Manne, wenn[90] er in Begriff steht, einen unvorsichtigen Schritt zu thun, als ein treuer Schutzengel zur Seite stehn, und durch ihre sanfte, einschmeichelnde Ueberredung ihn noch zu rechter Zeit zurückzuhalten wissen. O glaube mir, liebe Tochter, das Verdienst, welches ein kluges und verständiges Weib sich auf diese Weise um ihren Mann, um ihr Haus und um die menschliche Gesellschaft erwirbt, ist zehntausendmahl größen und ehrenwerther, als das, welches die größte Künstlerinn und Vielwisserinn sich durch ihre allbewunderten Kunstfertigkeiten und gelehrten Kenntnisse jemahls erwerben kann, ungeachtet jenes von blödsichtigen Seelen kaum bemerkt, dieses von jedem hirnlosen Gecken himmelhoch gepriesen zu werden pflegt! Ich werde dir in der Folge auch zur Erwerbung dieser schätzbaren Eigenschaft, durch einige aus meiner Erfahrung abgeleitete Regeln zu Hülfe zu kommen suchen.


3. Wirthschaftliche Kenntnisse, Fertigkeiten und Geschicklichkeiten – das eigentliche Feld des weiblichen Geistes, welches er, nach der übereinstimmenden Absicht der Natur und unserer gesellschaftlichen Verfassung, anbauen und bearbeiten, und dadurch die seiner Bestimmung angemessene, nützliche und beglückende Ausbildung erhalten soll. Und wahrlich ein Wirkungskreis, welcher weder unerheblich, noch unrühmlich ist! Nicht jenes; denn laß uns nur, ohne[91] uns in das Besondere zu vertiefen, welches du an der Hand deiner Mutter immer vollkommener kennen und ausüben lernen wirst, eine allgemeine Uebersicht der mannigfaltigen Kenntnisse, Erfahrungen, Fertigkeiten und Geschicklichkeiten anstellen, welche hiezu erfodert werden, und wovon eine Hausmutter, die ihrer ganzen Pflicht ein Genüge leisten will, auch nicht eine entbehren kann.

Sie muß zuvörderst alle zur Nahrung, Kleidung und andern Bedürfnissen des Lebens erfoderliche Waaren und Sachen, nach ihrer Güte und nach ihren Preisen kennen, und genau zu beurtheilen wissen; wissen, was für Arten von Betrügereien und Uebervortheilungen bei dieser, was für welche bei jener Sache von gewissenlosen Verkäufern oft versteckt genug ausgeübt zu werden pflegen; wissen, woher, zu welcher Zeit, und auf welche Weise man die eine oder die andere am besten, am sichersten und am vortheilhaftesten einkauft; wissen, wie diese und jene Nahrungsmittel und andere Haushaltungsbedürfnisse am besten und sichersten aufbewahrt, getrocknet, eingesalzen, eingemacht oder frisch erhalten werden; wissen, wie jedes zubereitet, so zubereitet werden muß, daß es, ohne gerade mehr zu kosten, genießbarer, wohlschmeckender und für die Gesundheit zuträglicher werde; wissen, wie man mit den wenigsten Ausgaben sich und den Seinigen die meisten Bequemlichkeiten und[92] Annehmlichkeiten des Lebens verschaffen kann; wissen wie Tafel und Hausrath, bei aller Einfachheit und Sparsamkeit, doch mit Geschmack und Anstand geordnet werden können; wissen, welche Sachen auf diese und welche auf jene Weise leicht verderben, wie man sie davor bewahrt, und wie man, wenn sie auf irgend eine Art gelitten haben, den Schaden wieder gut machen könne. Sie muß sich ferner auf alle zur Haushaltung erfoderlichen weiblichen Geschäfte, Künste und Geschicklichkeiten wie eine Meisterinn verstehn; eine vollkommene Näherinn, Spinnerinn, Stickerinn und Köchinn sein; alle, zu ihrem Anzuge und, obgleich einfachem, doch geschmackvollem Putze erfoderliche Stücke, nicht nur selbst zu verfertigen wissen, sondern auch größtentheils und so weit es ohne Vernachlässigung wichtigerer Geschäfte geschehen kann, wirklich selbst verfertigen; sie muß alle diese weiblichen und wirthschaftlichen Arbeiten, deren eine große Zahl ist, nicht nur besser, sondern auch geschwinder, als alle ihre Mägde, zu verrichten nicht nur im Stande sein, sondern es auch, wenigstens dann und wann, besonders wann sie jene tadeln zu müssen glaubt, durch die That beweisen; theils um überflüssiges Gesinde zu ersparen, theils um Vorbild und Muster für ihre Leute zu sein, und sich immer auf ihr eigenes Beispiel berufen zu können, theils auch, um zur Erhaltung ihrer eigenen Gesundheit an Leib und Seele immer in Bewegung, immer geschäftig und wirksam zu sein. Sie[93] muß sich auf die Viehzucht und auf den Gartenbau nicht nur vollkommen verstehen und alles dazu Nöthige anzuordnen wissen, sondern auch täglich, ja stündlich überall nachsehn, überall mit eingreifen und mitwirken. Sie muß eine Art von Allgegenwart im Hause, auf dem Hofe und im Garten ausüben, oder richtiger gesagt, sie muß ihre Gegenwart zwischen Kinderstube, Küche, Keller, Vorrathskammer, Hof und Garten so zu theilen wissen, und den ganzen Tag über so rasch und unversehens von einem Orte zum andern fliegen, daß sie nirgends vermißt werde, daß sie überall die Seele sei, welche alles belebt, alles in den gehörigen Schranken hält, alle zum Fleiße, zur Ordnung, zur Munterkeit und Fröhlichkeit ermuntert. Sie muß bei der Bewirthung der Gäste ihres Mannes, nicht, gleich einer zum Nichtsthun und Tändeln verdammten Frau von Stande, wie angenagelt auf ihrem Lotterbette (Sofa) da sitzen und sich dem Vergnügen der Unterhaltung überlassen, sondern ihre Zeit zwischen den Gästen und der Besorgung des Hauswesens so zu theilen wissen, daß sie nirgends vermißt werde, sondern überall, wenigstens ruckweise, zugegen sei, alles im Auge behalte, alles befriedige und alles beseele. Sie muß eine vollkommene Rechnerinn, besonders sehr geübt sein im Kopfe zu rechnen, um beim Einkauf, wie beim Abbezahlen des Gesindes, der Handwerker, der Tagelöhner nicht betrogen zu werden, und sie muß über alles,[94] auch über die geringste Kleinigkeit im Einnehmen und Ausgeben, ordentlich, richtig, pünktlich und sauber Buch zu halten wissen, um zu jeder Zeit sich selbst und ihrem Gatten eine leicht zu übersehende Rechenschaft ablegen zu können. Sie muß sich gewöhnt haben, alles gleich auf der Stelle einzutragen, und sich in solchen Dingen nie auf ihr Gedächtniß zu verlassen. Sie muß sich auf Maß, Gewicht und Münz-arten wohl verstehn, und eins in das andere mit großer Fertigkeit überzutragen wissen. Sie muß besonders – was unter hundert, sogar guten und wirthschaftlichen Weibern selten nur Eine versteht – durch beständige Uebungen von früher Jugend an, planmäßig und verhältnißmäßig zu verfahren, immer das Ganze ihrer Einnahme und Ausgabe im Auge zu behalten, eine richtige, eine genau zustimmende Eintheilung darnach zu treffen, und den Zuschnitt ihrer ganzen Wirthschaft so zu machen wissen, daß am Ende eines jeden Monats, Jeder, der eine Foderung zu machen hat, völlig befriedigt werde, und nie, nie irgend ein kleiner oder ein großer Rückstand aus dem einen Monate in den andern, oder gar aus einem Jahre in das andere übergetragen werde. Eine Frau, die bei einer, auch nur zur Nothdurft hinreichenden Einnahme, diese wichtige Regel nicht befolgt, mit dem, was ihr zu ihrer Wirthschaft ausgeworfen ward, aus Mangel eines richtigen Ueberschlages, einer genauen Eintheilung und einer klugen[95] Hinsicht auf unvorhergesehene Fälle, nicht auszureichen weiß, sondern von Zeit zu Zeit zu kurz kommt, und ihren Gatten in die unangenehme, oft für die ganze Familie verderbliche Nothwendigkeit setzt, Schulden für sie zu bezahlen und seinen eigenen ganzen Zuschnitt dadurch vereitelt zu sehen; – eine solche Frau sei übrigens, was sie wolle, eine würdige Hausmutter ist sie nicht, eine weise Vorsteherinn ihres Hauswesens ist sie nicht, eine gute Erzieherinn ihrer Töchter und eine treue Gehülfinn ihres Gatten ist sie nicht! Aber dafür wird sie auch von dem letzten sich nie so herzlich und dankbar geliebt, von ihren Töchtern und deren künftigen Ehemännern sich nie so aufrichtig und fortdauernd geehrt sehn, als eine andere, welche an alle den jetzt erwähnten weiblichen Verdiensten und besonders in dem letztgenannten Hauptstücke der weiblichen Berufspflicht musterhaft war, und ihre Kinder von früher Jugend an dazu anhielt, ihr hierin nachzuahmen. Preis und Segen über das köstliche, ehrenwerthe Weib, das von so vielen ihres Geschlechts, welche vornehmlich in dem letzterwähnten wichtigen Punkte ihres Berufs gemeiniglich so leichtsinnig, so gedankenlos und so unfähig zu sein pflegen, in allen obgenannten Stücken eine verdienstliche und rühmliche Ausnahme macht! Sie ist die treue Gefährtinn und Gehülfinn ihres glücklichen Gatten auf der beschwerlichen Lebensreise, auf die er sich verlassen und stützen kann; die milde Erleichtererinn[96] seiner Bürde, sein Stolz, sein Glück, sein Alles! Sie ist die weise Bildnerinn ihrer Töchter, die größte Wohlthäterinn der künftigen Gatten derselben, die noch spät ihre Asche segnen werden; sie ist die Krone ihres Geschlechts, und das hohe ruhmwürdige Muster der weiblichen Vollkommenheit, welches jeder vernünftige Vater und jede ähnliche Mutter, ihren Töchtern zur Nachahmung empfehlen. Glückliches Weib, und o dreimahl glücklicher Mann, der sie die Seinige nennt!

Aber soll ein Frauenzimmer von guter Erziehung denn weiter gar nichts lernen und wissen, als was eine gute Haushälterinn und Köchinn auch wissen muß? Sollen die übrigen Fächer ihrer Seele all leer, ihre übrigen menschlichen Anlagen und Fähigkeiten alle unentwickelt bleiben? Will ich thörichter und grausamer Weise dich, mein einziges Kind, zur Unwissenheit und zum gänzlichen Mangel an höherer Erkenntniß zu einer Zeit verdammen, da die liebliche Morgenröthe der Ausklärung angefangen hat, ein so schönes, wohlthätiges Licht rund um dich her durch alle Stände zu verbreiten? Will ich, daß du vor diesem beseligenden Lichte die Augen deines Geistes verschließest und in Finsterniß wandelst all dein Lebelang? Will ich das, ich unnatürlicher, grausamer, Vater ich?[97]

Nicht um dich – denn du bedarfst das nicht, weil du mich und meine Gesinnungen kennst – sondern um Andere, welche beide weniger kennen, über diese Frage vollkommen zu beruhigen, brauche ich nur die vierte Angabe von demjenigen, was ich von einem wohlerzogenen Frauenzimmer deines Standes fodere und ihm zum Verdienst anrechne, hinzuzufügen. Vielleicht, daß dis mehr sein wird, als Manche aufzuweisen haben mag, die es gleichwol für einen Hochverrath gegen ihr Geschlecht ansieht, daß ich nicht noch mehr von ihm fodere. –


4. Solche Kunstfertigkeiten und solche Kenntnisse aus Büchern und durch Unterricht, als zu ihrer eigenen Beglückung, zum Vergnügen ihres gebildeten Gatten, zu einer vernünftigen Behandlung junger Kinder beiderlei Geschlechts und zu der ganzen Erziehung ihrer künftigen Töchter insbesondere gehören. Ein Frauenzimmer hat nämlich, wie jeder anderer Mensch, die natürliche Verpflichtung auf sich, ihre natürlichen Anlagen und Fähigkeiten – aber wohl verstanden! in beständiger Rücksicht auf ihren besondern Beruf zur Gattinn und zur Hausmutter – so sehr auszubilden und zu entfalten, als die Lage, worein die Vorsehung sie durch Geburt und Umstände versetzt hat, es ihr nur immer möglich machen. Sie hat aber auch noch die besondere Verpflichtung auf sich,[98] sich auf dasjenige insonderheit vorzubereiten, was sie in den Stand setzen kann, ihrem Gatten das Leben zu versüßen, die erste Erzieherinn ihrer künftigen Kinder beiderlei Geschlechts zu sein, und vornehmlich die ganze Ausbildung ihrer künftigen Töchter zu besorgen. Und was für Kenntnisse und Geschicklichkeiten sind es denn nun, die zu dem allen erfodert werden? Wir wollen sie aufzählen, und die nothwendigern den minder nöthigen, aber doch nützlichen, vorangesehen lassen.

Höchstnothwendig ist zuvörderst einem jeden Frauenzimmer, wie einem jeden Menschen überhaupt, weß Standes und Geschlechts er auch immer sein mag, eine deutliche und gründliche Kenntniß ihrer allgemeinen Bestimmung als Mensch und ihrer besondern Bestimmung als Weib, ihrer allgemeinen und ihrer besondern Pflichten, und der Mittel, wodurch die Erfüllung derselben erleichtert und befördert wird. Wenn man einen gewissen Lauf vollenden und ein gewisses Ziel erreichen soll: so ist doch wol das Erste und nothwendigste, was dazu erfodert wird, dieses: daß man sowol das Ziel selbst, als auch den Weg, der dahin führt, sammt den Hindernissen und Schwierigkeiten, die man da antrifft, und die Irrwege kenne, welche man vermeiden muß. Ein solcher Lauf nach bestimmten Zielen ist nun auch unser Erdenleben, wobei uns allen, wie wir schon oben erkannt haben, ein großes gemeinschaftliches Ziel, welches Jeder er reichen[99] soll, aber auch Jedem insonderheit ein besonderes aufgesteckt ist, wohin für ihn der Weg zu jenem führt. Also muß ein Frauenzimmer so gut, als jeder anderer Mensch, sowol über ihre allgemeine, als auch über ihre besondere Bestimmung, als Mensch und Weib, sorgfältig aufgeklärt werden, und nicht nur richtige, sondern auch vollständige Begriffe davon erlangen. Also muß sie auch die Art und Weise, wie sie sowol das eine, als auch das andere Ziel erreichen kann und soll, und die Mittel, die sie anwenden muß, sich dazu tüchtig zu machen, genau und vollständig kennen zu lernen suchen. Also muß sie endlich auch die vielen, oft sehr gebahnten und eben deswegen sehr verführerischen Irrwege, die davon abführen, und die vielen und großen Schwierigkeiten und Hindernisse, die von menschlicher Schwachheit, von den Vorurtheilen ihres Standes und ihres Geschlechts, von dem herrschenden Welt-ton und von der Gegenwirkung anderer Menschen ihr dabei häufig genug in den Weg gelegt werden, kennen lernen und zu einer glücklichen Wegräumung derselben vorbereitet werden.

Siehe da, mein Kind, ein weites und schönes Feld für deinen Forschungstrieb! Siehe da einen recht würdigen und großen Stoff, welcher deine Seelenfähigkeiten alle beschäftigen kann; durch dessen Bearbeitung du, ohne eine Gelehrte zu werden, deine höheren menschlichen Anlagen und Kräfte, trotz dem größten[100] Gelehrten, entwickeln, ausbilden, stärken und veredeln kannst!

Durch meinen bisherigen mündlichen Unterricht habe ich gesucht, dir dazu behülflich zu werden; durch eigenen Fleiß und durch eigenes Nachdenken mußt du auf diesem langen Wege bis an das Ende deines Lebens weiter zu kommen suchen. Der Bücher, welch diese recht eigentlich menschliche Forschung dir wirklich, erleichtern können, gibt es freilich nicht viel; aber du bedarfst auch der vielen nicht, weil du nicht leben sollst, um zu lesen, sondern lesen, um leben zu lernen. Hiezu werden folgende hinreichend sein. Um deine allgemeine Bestimmung, als Mensch, gehörig kennen zu lernen, und dich zur Erreichung derselben zu ermuntern und zu stärken, lies mit Aufmerksamkeit und Nachdenken Spaldings kleine Schrift von der Bestimmung des Menschen. Um mit dem, was du thun mußt, diese Bestimmung zu erreichen, und sowol mit dem ganzen Umfange deiner menschlichen Pflichten, als auch mit der rechten Art, wie sie erfüllt werden müssen, immer bekannter und vertrauter zu werden; lies, in Ermangelung einer recht eigentlich für dein Geschlecht zweckmäßig eingerichteten Sittenlehre, Basedows praktische Philosophie für alle Stände, mit Hinweglassung dessen, was für dich noch nicht gehört. Fühlst du dich einst stark genug, eine höhere Seelenspeise dieser Art verdauen zu[101] können: so füge Garvens Cicero und Ferguson, und ein kleines französisches. Buch de la morale naturelle von Meister hinzu, welches von Wieland ins Deutsche übersetzt worden ist. Um über deine besondere Bestimmung, als Weib, über die besondern Pflichten, welche diese Bestimmung für dich mit sich führt, und über die Art und Weise, wie du diese Pflichten erfüllen mußt, gehörig aufgeklärt zu werden, laß diesen meinen väterlichen Rath dein künftig oft zu wiederholendes Handbuch und den Gegenstand deines ernstlichsten Nachdenkens sein. Mehr über das alles zu lesen, ist nicht nöthig; aber dis Wenige mit scharfer, ausschließender Aufmerksamkeit mehr als einmahl zu lesen, über das Gelesene jedesmahl von neuen mit gänzlicher Einengung deiner Vorstellungskraft nachzudenken, und es dann sofort und unablässig in Ausübung zu bringen: das ist nöthig; das wird deinem Geiste Ausbildung, Gesundheit, Kraft und Reife verleihen; das wird dich an Verstand und Herzen, an wahrem Menschenwerth und an Glückseligkeit weit weit über alle die belesenen und gelehrten Weiber erheben, welche die Bücher-begriffe nicht für das, was sie sind – für Würze und Arzenei – sondern für tägliche Kost und Nahrung halten, ihren Geist damit überladen, sich dadurch kränklich und schwach an Leib und Seele, unfähig für die Pflichten, für die Geschäfte und für den Genuß des Lebens machen.
[102]

Die zweite Art von Erkenntniß, worüber du, mein Kind, wie jeder anderer Mensch, einer Aufklärung bedarfst, sind die Wahrheiten der Religion.4 Eine Sache, die dich so nahe angeht, die auf dein Wohlverhalten, die auf deine Ruhe und Zufriedenheit im Leben und im Sterben einen so entscheidenden Einfluß haben kann, muß dir nothwendig wichtig sein, muß deinen Forschungstrieb stark an sich ziehen, und so lange festhalten, bis du Wahrheit und Trug unterscheiden gelernt, und zu einer Gewißheit darüber gelangt sein wirst, die von den Meinungen und Urtheilen anderer Menschen unabhängig ist. Wäre die christliche Glückseligkeitslehre noch das, was sie in dem Munde ihres weisen Stifters war: so[103] würde dieses Geschäft der eigenen Prüfung bald gethan sein, und der einfältigste Verstand würde eben so gut, als der Scharfsinn des Untersuchers, damit zu Stande kommen können. Denn da brauchte man jede dazu gehörige Lehre, nach dem Rathe unsers Herrn und Meisters, nur an den Prüfstein der Ausübung und der eigenen Erfahrung zu halten; brauchte nur darauf zu achten, ob die Annahme und Befolgung derselben uns wirklich besser, zufriedener und glücklicher machen: und man würde dadurch bald inne werden, ob diese Lehren von Gott, dem Urquell alles Wahren und Guten, oder von irrenden und täuschenden Menschen herrühren. Allein wisse, Tochter! daß diejenigen, durch deren Mund und Feder dieser Schatz von Erkenntniß durch achtzehn lange und größtentheils sehr finstere Jarhunderte bis zu uns fortgepflanzt ward, ihren Mitmenschen das Glück, die Wahrheit in ihrer liebenswürdigen Einfachheit und in dem ihr eigenthümlichen reinen Lichte zu erblicken, beneidet haben. Man hat uns jene einfachen, sich durch sich selbst beweisenden und empfehlenden Sätze in ein so künstliches Gewebe von unfruchtbaren Grübeleien und Spitzfindigkeiten versteckt, daß es dem bloßen Menschenverstande, von theologischer Gelehrsamkeit entblößt, überaus schwer werden muß, sie daselbst zu erkennen, noch schwerer sie von den damit durchwebten menschlichen Zusätzen abzusondern, um sie wieder in ihrer ursprünglichen Einfachheit, Wahrheit und Wohlthätigkeit[104] zu besitzen und anzuwenden. Das ist es, was die Erlernung der Religion und die Bemühung, zu einer eigenen, festen Ueberzeugung davon zu gelangen, aus einem leichten Geschäfte des Herzens und des gesunden Menschenverstandes, zu einer schweren und für viele Menschen mißlichen gelehrten Arbeit gemacht hat.

Du, mein Kind, hast weder Zeit noch Beruf, dich auf gelehrte Forschungen einzulassen. Der Vortheil, der dir daraus erwachsen könnte, würde immer klein und zweideutig, der Nachtheil hingegen groß und unvermeidlich sein. Gleichwol muß auch dir, wie jedem andern Menschen, ungemein viel daran liegen, in einer für dein ganzes gegenwärtiges und künftiges Leben so sehr wichtigen Angelegenheit zu etwas Gewissem zu gelangen und deine Ueberzeugungen auf einen Grund zu bauen, den weder die Scheingründe des Unglaubens, noch die Schreckbilder des Aberglaubens jemahls wankend zu machen vermögen. Wie willst du das denn nun anfangen? – Vernimm meinen Rath hierüber, und traue es meinem väterlichen Herzen zu, daß ich ihn dir nicht geben würde, wenn ich nicht vollkommen überzeugt wäre, daß die Befolgung desselben dir wohl thun werde.[105]

Es kommt hiebei auf zweierlei an; man muß zuvörderst die wesentlichen und wirklich heilbringenden Wahrheiten der Gotteslehre oder Religion von dem, was die Menschen hinzugethan haben, zu unterscheiden suchen; dann aber auch zweitens das, was nun wirklich göttliche Wahrheit ist, nach seinem ganzen anwendbaren Umfange nicht nur kennen lernen, sondern auch durch öfftere Betrachtungen darüber seiner Seele recht geläufig machen, sich dafür erwärmen, es aus einer bloßen Erkenntniß in bleibende und wirksame Grundsätze für das Leben verwandeln. Das erste wirst du, ohne alle Gefahr eines beträchtlichen Irrthums, bloß durch Anwendung folgender Regeln bewirken können:


1. Alles, was dir, nach redlicher Anstrengung aller deiner Seelenkräfte, und nach sorgfältiger Anwendung aller dir zu Gebote stehenden Mittel der Belehrung, dennoch unverständlich bleibt oder in einem wirklichen Widerspruche mit andern völlig ausgemachten Wahrheiten der Vernunft und der Religion steht, das gehört nicht zur Religion, wenigstens nicht zu deiner Religion, und du bist berechtigt, es davon auszuschließen. Denn kein Mensch ist verpflichtet, etwas zu erkennen, was er nicht erkennen kann; oder etwas anzunehmen, was andern, für gewiß erkannten Wahrheiten widerspricht. Dieser Satz leidet keine Ausnahme.
[106]

2. Alles, worüber diejenigen, welche der Religionswissenschaft ihr ganzes Leben gewidmet haben, unter sich selbst uneins sind, worüber sie sich zanken, anfeinden und verfolgen, das gehört nicht zur Religion, wenigstens nicht zu der Religion, welche Christus uns gelehrt hat, und die in allen ihren Theilen, nicht nur Ueberzeugung mit sich führt, sondern auch Frieden, Eintracht und Duldsamkeit einflößt. Wie könnte dem bloßen Laien zugemuthet werden, daß er heller sehe, als seine Führer? Wie könnte man von jenem Ueberzeugung verlangen in Dingen, welch diesen selbst noch nicht ausgemacht sind? Wie könnte etwas ein Theil des Evangeliums, d.i. einer frohen beseligenden Verkündigung sein, was die Menschen zänkisch, hart, lieblos und verfolgungssüchtig macht?


3. Alles, was keinen Einfluß auf unser Leben und auf unsere Handlungen hat, was weder zur Verbesserung und Veredelung, noch zur Beglückung der Menschen taugt, das gehört nicht zur Religion, als welche in allen ihren Theilen eine Lehre zur Glückseligkeit sein soll. Diesen Prüfstein der Aechtheit und Göttlichkeit der Religionswahrheiten hat uns Christus selbst hinterlassen.

Diese Regeln werden in jedem Falle zur Absonderung des Menschlichen und Irrigen von dem, was[107] wahr und göttlich in den Religionslehren ist, für dich hinreichend sein. Solltest du aber, wider Vermuthen, sie dennoch in einem und dem andern Falle nicht völlig zureichend finden; so empfehle ich dir, als ein gutes Mittel zu deiner gänzlichen Beruhigung in solchen Fällen, ein von einer Person deines Geschlechts geschriebenes Buch, welches den Titel führt: Lettres sur la religion essentielle à l'homme, à Londres 1756; dem ich selbst in meinen Jünglingsjahren die Besitznehmung des ersten festen und sichern Flecks im Gebiete der religiösen und theologischen Wahrheiten verdankte.

Um nun aber über dasjenige, was dir, nach jener Scheidung, an ächten, unverfälschten Religionswahrheiten übrig bleiben wird, deine Begriffe immer mehr und mehr zu berichtigen, aufzuklären, zu befestigen, und für das Leben wirksam zu machen, lies, meine Tochter, die vortrefflichen Schriften eines Reimarus, Jerusalems, Spaldings und Zollikofers. Ich könnte dir noch einige andere nennen; aber ich mag es nicht, weil ich die genannten für zureichend halte, und weil die einfachen Genüsse für die Seele, wie für den Leib, immer zuträglicher sind, als die gar zu mannigfaltigen.
[108]

Ich wende mich zu einer dritten Klasse von Kenntnissen, welche dem Weibe zur Erfüllung ihrer ganzen Bestimmung nicht minder nöthig und nützlich, als dem Manne, sind. Dahin rechne ich die sogenannten anthropologischen Kenntnisse, d.i. diejenigen, wodurch wir uns selbst und den Menschen überhaupt, nach seiner zusammengesetzten geistigen und körperlichen Natur, nach seinen Bestandtheilen, Eigenschaften, Fähigkeiten und Trieben, nach seiner Größe und Kleinheit, nach seiner Stärke und Schwäche, nach seinem natürlichen und gesellschaftlichen Zustande, nebst alle demjenigen kennen lernen, wodurch der Mensch ausgebildet, veredelt, vervollkommnet und beglückt, oder umgekehrt in der Entwickelung seiner großen Anlagen und Fähigkeiten aufgehalten und gestört, verkrüppelt, verunedelt und unglücklich gemacht werden kann. Abermahls ein hoher, unserer Wißbegierde würdiger, und zu einer glücklichen Ausbildung an Kopf und Herzen unentbehrlicher Gegenstand unserer Forschungen, welcher alle deine Seelenkräfte genug beschäftigen und zu einer recht wohlthätigen Uebung derselben einen unerschöpflichen Stoff gewähren kann! Es gehört dazu zuvörderst eine genaue und richtige Kenntniß des menschlichen Körpers, besonders seiner inneren, so ungemein zu zusammengesetzten künstlichen Bau-art, und der Art und Weise, wie dieses wunderbare Kunsttriebwerk unversehrt erhalten, gestärkt und vervollkommnet[109] werden kann. Es gehört dahin auch die natürliche Geschichte, sowol des einzelnen Menschen, nach seiner wundervollen Entstehung, Entwickelung und Ausbildung, als auch des ganzen Menschengeschlechts nach Verschiedenheit der Zeiten, der Länder, der Regierungsformen und der Lebensart. Es gehört vornehmlich dahin die Kenntniß unserer geistigen Natur, unserer Verstandeskräfte, unsers Empfindungsvermögens, unsers Willens, unserer Neigungen und Leidenschaften, der Gesetze, nach welchen die ersten wirken, und der Art und Weise, wie die letztern entstehen, wie sie gestärkt oder geschwächt, angefacht oder ausgelöscht werden. Es gehört dahin eine ausübende Vernunftlehre, d.i. Anweisung und Uebung, die Vernunft zur Erforschung und Beurtheilung der Wahrheit und des Irrthums, des Wahrscheinlichen und des Unwahrscheinlichen anzuwenden und sie vor Mißgriffen oder Fehltritten sicher zu stellen. Es gehören dahin die aus richtiger Welt- und Menschenkenntniß geschöpften Grundsätze der Menschenbildung, deren die Mutter, als die erste Erzieherinn ihrer Söhne und als die vorzüglichste Ausbilderinn ihrer Töchter, wofern sie einen der wichtigsten Theile ihres Berufs nicht fehlerhaft behandeln will, unmöglich entrathen kann. Es gehört endlich auch vornehmlich dahin eine Anweisung und Uebung in richtiger Beurtheilung der oft sehr versteckten menschlichen Gemüthsarten, nach ihren besondern[110] Grundzügen und Verschattungen, und der Art und Weise, wie Jeder insbesondere behandelt sein will, wenn man sein Wohlwollen zu erwerben, seinen Willen zu lenken, seinen natürlichen oder angenommenen Neigungen und Trieben eine gewisse bestimmte Richtung zu geben wünscht.

Ich habe dir, meine Tochter, eins der weitesten Fächer der nöthigsten, gemeinnützlichsten und angenehmsten menschlichen Kenntnisse genannt. Suche davon zu erwerben, so viel du, ohne Vernachlässigung deiner übrigen Berufspflichten, nur immer kannst, fest überzeugt, daß du nie zu viel davon besitzen könnest. Gern zeigte ich dir ein Werk an, welches alle die genannten Theile dieser so weit um sich greifenden schönen und nützlichen Wissenschaft in gedrungener Kürze und hinreichender Vollständigkeit zugleich enthielte, und welches für dich und deines Gleichen alle andere Erkenntnißquellen dieses Fachs entbehrlich machte: aber dieses wünschenswürdige und verdienstvolle Werk soll – erst noch geschrieben werden; und möge der Himmel unserm Freunde St., der seiner schriftstellerischen Wirksamkeit dieses würdige und rühmliche Ziel schon längst aufgesteckt hat, recht viel Gesundheit, Kraft und Segen dazu verleihen!5 Bis dahin aber, daß es diesem gelungen[111] sein wird, einem der größten Bedürfnisse des gemeinnützigen Unterrichts für Jung und Alt und in Beziehung auf beide Geschlechter abzuhelfen: laß dir, um dir selbst ein kleines Lehrgebäude darüber zu erbauen, folgende, dazu dienliche Schriften empfohlen sein: Udens Vorlesungen über den menschlichen Körper; Vilaume's Geschichte des Menschen;6 den zweiten Theil dieses für dich geschriebenen väterlichen Raths; einige Abhandlungen und ausgezogene Stellen aus Süßmilchs, Sulzers, Mendelsohns, Feders, Irwings, Tiedemanns und meinen eigenen, die Seelenlehre betreffenden Schriften, die ich dir, mit der Zeit, auszugsweise vorlesen und erklären werde. Einen[112] kurzen zweckmäßigen Umriß dieser großen Wissenschaft findet man in Klügels Encyklopädie der gemeinnützigsten Kenntnisse. Zur Erwerbung der dir nöthigen Grundsätze der Erziehung werde ich dir, nach einigen Jahren, das von meinen Freunden und mir bearbeitete Löckische Handbuch, den Rousseauischen Emil, den wir jetzt eben so bearbeitet haben, und andere, dein Geschlecht angehende Stücke des Revisionswerks vorlesen.


Von der Geschichte und Erdbeschreibung wünsche ich dir und andern jungen Frauenzimmern deines Standes eine allgemeine Uebersicht, welche hinreichend sei, euch da, wo von ältern oder neuern Weltbegebenheiten die Rede ist, zurecht zu weisen. Das bequemste Buch, welches ich dir in deinem jetzigen Alter hiezu vorzuschlagen weiß, ist kürzlich, aus dem Französischen übersetzt, unter folgendem Titel erschienen: Historisch-geographische Unterhaltungen oder Reisen des Herrn durch *** alle vier Welttheile, ein unterrichten des Lesebuch für die Jugend. II Theile. Braunschweig 1790. Hienächst magst du zum Vergnügen und zur Belehrung einige solcher Sammlungen einzelner Geschichten, Anekdoten und Karakterzüge lesen, als z.B. das Theatre du monde par Mr. Richer enthält. Mehr Zeit und Fleiß auf[113] diese Wissenschaften zu verwenden, sie schulmäßig zu treiben, und dein Gedächtniß mit einer ungeheuren Menge von Namen und Jahrszahlen anzufüllen, kann ich nicht rathsam finden: weil das andern, für deine Bestimmung nöthigern Uebungen Eintrag thun würde.


Eine desto ausgebreitetere und gründlichere Kenntniß aber wünsche ich dir und allen Menschen von denjenigen Dingen, Erzeugnissen und Erscheinungen, welche die Natur und Kunst hervorbringen, besonders von solchen die dir nahe liegen, welche sich innerhalb deines eigenen Beobachtungs- und Wirkungskreises befinden, und welche einigen Einfluß in deine Berufsthätigkeit, in die zweckmäßige Aufklärung deines Verstandes und in deine und der Deinigen Glückseligkeit haben können. Also Naturhistorie, Natur- und Kunstlehre – insofern es dabei nicht auf gelehrte Wortkrämerei, sondern bloß auf fruchtbare Sachkenntnisse angesehen ist – das sind abermahls drei eben so anziehende als weite Felder der menschlichen Erkenntniß, welche auch für dich, wie für jedes andere Frauenzimmer deines Standes, offen liegen, in welchen du Geist und Herz auf die angenehmste und nützlichste Weise beschäftigen und beiden dadurch einen Grad von Ausbildung und Veredelung verschaffen kannst, der an wahrem[114] Werth und Nutzen mit der höchsten, durch Gelehrsamkeit bewirkten Geistesverfeinerung sich gar wol messen darf. Nur, daß es dir dabei nicht um das bloße Wissen, nicht um die bloße Anfüllung deines Gedächtnisses mit unfruchtbaren Namen und Kunstwörtern, sondern nur um nützliche und anwendbare Sachkenntnisse zu thun sei! Nur, daß du nicht die Absicht dabei habest, mit diesen Kenntnissen zu schimmern und zu pralen, d i. dich lächerlich und verhaßt dadurch zu machen; sondern sie als einen köstlichen Schatz in deinem innersten und verborgensten Herzensschrein zu bewahren, dich ihres geheimen Besitzes zu freuen, und nur dann erst sie daraus hervorzulangen, wann du, ohne Verletzung der weiblichen Bescheidenheit, eine wirklich nützliche Anwendung davon machen kannst! Unter dieser doppelten Einschränkung wünsche ich dir recht viel davon; wünsche, daß du die dich umgebende Natur, sowol in Ansehung der dazu gehörigen Gegenstände aus den drei Reichen, nach ihren Bestandtheilen, Eigenschaften und Nutzen, als auch die gewöhnlichen, wie die seltneren Erscheinungen in derselben, nach ihrer eigentlichen Entstehungsart und Abzweckung kennen lernest; wünsche ich recht sehr, daß du von allen Fleiß- und Kunst-Erzeugnissen der Menschen, ganz besonders von denen, welche eine nahe Beziehung auf die Haushaltung und die Bedürfnisse des täglichen menschlichen Lebens haben, so viel möglich[115] anschauende, richtige und vollständige Begriffe dir erwerben mögest. Erwäge den erstaunlich großen Umfang dieser so überaus nützlichen Kenntnisse, wovon du nun schon manchen Vorschmack bekommen hast; und bezeuge hienächst denen unter deinen schönen Schwestern, die in der Romanen- und Dichterwelt mehr, als in der wirklichen, zu Hause sind, daß ich doch wol nicht, wie sie anfangs besorgen mochten, die Absicht haben könne, euch zur Unwissenheit und zu einer ärmlichen Beschränkung an Geist und Herzen zu verdammen. Was diese guten Kinder für edle Geistesausbildung und Geistesausdehnung halten, das ist wahre Beschränkung, das führt zur wahren Dürftigkeit an Geist und Herzen, weil es von nützlicher Erkenntniß und von fruchtbringender Thätigkeit entfernt; diejenigen Uebungen und Kenntnisse hingegen, welche ich und Andere, die es mit eurem Geschlecht gut meinen, an die Stelle jener Armseligkeiten gesetzt zu sehen wünschen, die sind es, welche Herz und Geist wahrhaftig ausbilden, erweitern und veredeln; die sind es, welche einen Reichthum von Empfindungen und Begriffen darin zurücklassen, wodurch ihr für euch, für eure Gatten und Kinder etwas besseres, als Geckenlob, nämlich wahren Menschenwerth und wahre Glückseligkeit einkaufen könnt!

Bücher, welche recht eigentlich dazu geschrieben wären, die gemeinnützigsten Kenntnisse dieser Art,[116] aus dem großen unermeßlichen Vorrathe derselben für dein Geschlecht durchaus zweckmäßig auszuheben, sie ohne alle gelehrte Zurüstung, und doch mit Gründlichkeit und Faßlichkeit zugleich zu ordnen, und sie überall in Beziehung auf Anwendung und Nutzen darzustellen, solche Bücher – kenne ich nicht. Zwar kenne ich manches in jedem Fache, welches für dein Geschlecht geschrieben sein soll; aber nach allem, was ich selbst davon in Händen gehabt habe, zu urtheilen, kann ich einem Frauenzimmer nicht rathen, in Büchern, welche mit der Aufschrift: für Frauenzimmer, gestempelt sind, Unterricht oder Unterhaltung zu suchen. Denn in der Regel pflegt dieser Stempel nur auf Seichtheit und Schlechtheit zu deuten. Ich hoffe indeß, auch in Ansehung derjenigen Fächer, wovon hier jetzt die Rede ist, dem Bedürfnisse deines Geschlechts und aller nicht zu eigentlicher Gelehrsamkeit berufenen Personen, durch zweckmäßige Handbücher abgeholfen zu sehen.7 Bis dahin empfehle ich dir[117] für die Naturgeschichte Bonnets Betrachtungen über die Natur, denen ich freilich eine schlichtere, etwas weniger gezierte Einkleidung wünschte; und für die Naturlehre Eberts Naturlehre für die Jugend oder, wenn du die Zeit dazu abmüssigen kannst, ein größeres Werk zu lesen, Leçons de physique experimentale par l'Abbé Nollet. Die Erzeugnisse des Fleißes und der Kunst und die Art, wie dieselben hervorgebracht werden, wirst du leichter und besser in den Werkstätten der Handwerker und Künstler, als aus Büchern und unvollkommenen Abbildungen kennen lernen.8 Ich rathe dir daher, jene, so oft sich Gelegenheit dazu findet, zu besuchen, und von der ganzen Vofahrungsart eines jeden Arbeiters so viel abzusehen, als du kannst. Der große und vielfache Nutzen, den man davon hat, ist unverkennbar.


Meinen Rath in Ansehung der schönen Literatur und der dahin einschlagenden Bücher möchte ich lieber dir ins Ohr, als öffentlich sagen, weil ich aus nicht sehr angenehmen Erfahrungen weiß, wie leicht[118] man hier mißverstanden und schief beurtheilt wird. Aber da ich nicht bloß dir, sondern auch andern jungen Personen deines Geschlechts und Standes durch diese Blätter nach meinem besten Wissen und Können nützlich zu werden wünsche: so muß ich es schon noch einmahl darauf hinwagen, hier etwas zu äußern, was die schönen Geister beiderlei Geschlechts mir schwerlich zu gute halten werden. Es sei darum! Wer dem Dienste der Wahrheit sich geweiht hat – und das thut oder sollte doch Jeder thun, der das heilige Geschäfft der öffentlichen Belehrung übernimmt – der muß sich auch nicht weigern, um der Wahrheit willen, wenn es sein muß, verkannt, geneckt und angefeindet zu werden.

Ich bin nichts weniger als ein Feind der schönen Wissenschaften; und wer könnte das auch sein, ohne vorher alles Gefühl für das Schöne und Gute in sich erstickt zu haben? Ich habe mich vielmehr selbst darauf gelegt; und man sagt mir, nicht ohne allen Erfolg. Aus einigen dichterischen Kleinigkeiten, die mir in jüngern Jahren entfielen, wollte man schließen, daß ich mehr dergleichen machen könnte, wenn wollte; und meiner prosaischen Schreib-art hat man, bei allen ihren Fehlern, die ich recht gut kenne, doch einen gewissen Grad von Ausbildung nicht absprechen wollen. Ich darf mich also vielleicht erkühnen, zu glauben, daß ich in Ansehung der Dichtkunst und[119] der Beredsamkeit nicht ganz in dem Verhältniß des Blinden zur Farbe oder des berühmten Fuchses zu der bekannten Traube stehen mag. Dis vorausgesetzt, wird man, hoffe ich, es weder einer groben Unwissenheit, noch einer daraus entstandenen Abneigung von den schönen Wissenschaften, sondern vielmehr meiner, vielleicht irrigen, aber doch ehrlichen Ueberzeugung zuschreiben wollen, wenn ich dir und andern jungen Personen deines Geschlechts den wohlmeinenden Rath wiederhole, von den dahin einschlagenden Schriften nur wenige, und aus diesen wenigen nur diejenigen Stücke oder Stellen zu lesen, die ich für dich, wie für Andere andere sachkundige Männer, nach sorgfältiger Prüfung werden ausgewählt haben. Die Gründe dieses Raths sind in der Kürze folgende:

Erstlich sind Schriften dieser Art – und ich verstehe darunter alle diejenigen, bei denen die Anregung des Dichtungsvermögens und der Einbildungskraft, und das daraus erwachsende Vergnügen der Leser des Verfassers Haupt-absicht, der Belehrung für den Verstand hingegen entweder gar kein oder nur ein Nebenzweck desselben war9 – nicht bloß Gewürz, sondern das feinste,[120] reizendste, erhitzendeste Seelengewürz; welches ich kenne. Nun hat es freilich wol zuweilen außerordentlich Menschen von so außerordentlichem Körperbau gegeben, daß sie, wie Friedrich der Einzige, Muskaten und Ingwer, ohne merklichen Schaden, mit Löffeln essen konnten: aber kein Reimarus oder Selle wird, um dieser seltenen Ausnahmen willen, es rathsam finden, Muskaten und Ingwer, statt der Kartoffeln und Rüben, zur täglichen Kost für Jedermann zu empfehlen. Aus ähnlichen Gründen kann denn auch ich, in Ansehung der Seelengenüsse unmöglich rathen, die heiße, geistige Würze, welche die schönen Wissenschaften überhaupt und die Dichtkunst insbesondere bereiten, an die Stelle der täglichen einfachen Hausmannskost zu setzen. Würze, meine ich, sollte doch immer Würze bleiben, und nie zur eigentlichen Speise werden. Wenigstens ist dis mein Rath; und ich schmeichle mir, alle einsichtsvollen und erfahrnen Aerzte, im Geistigen wie im Leiblichen, dabei ganz auf meiner Seite zu haben. Es ist besonders in unsern Zeiten eine mißliche und gefährliche Sache, viel und vielerlei in jedem Sinne des Worts zu genießen, was stark auf Nerven, Phantasie und Einbildungskraft wirkt. Es wirkt ja schon ohnedas, bei unserer verfeinerten und üppigen Lebensart, so viel darauf, und die Folgen davon liegen ja so klar am Tage! Wollen wir denn ein Uebel, was von Ausbildung und Verfeinerung schon[121] an sich unzertrennlich zu sein scheint, noch recht absichtlich zu vergrößern suchen? Warum? –

Ein zweiter Grund meines obigen Raths, der noch mehr Gewicht hat, ist dieser. Nur sehr wenige Schriften unter denen, von welchen hier die Rede ist, sind in Ansehung der reinen Sittlichkeit, deren wir alle und ganz vorzüglich junge Personen deines Geschlechts, uns ernstlich befleißigen sollten, für junge Leute völlig unschädlich zu nennen. Das klingt hart – ich fühle es – aber es ist doch wahr; so wahr, als jemahls etwas wahr gewesen ist. Denn zu geschweigen, daß man es in vielen derselben recht eigentlich darauf angelegt hat, die Einbildungskraft der Leser durch schlüpfrige Bilder und Anspielungen zu besudeln – und wehe, wehe den Elenden, welche lieblos genug waren, dis zur teuflischen Absicht ihrer Kunst zu machen! – so drehen sich doch auch bei weiten die meisten der übrigen, selbst von denen, deren Verfassern die Sittlichkeit heilig war, auf einem Angel herum, von dem recht sehr zu wünschen wäre, daß die Vorstellungen junger Personen beiderlei Geschlechts nie früher darauf ruhen möchten, als wann die Zeit wird gekommen sein, da sie eine der heiligsten Verbindungen, ich meine die eheliche, eingehen sollen und können. Ich will deutlicher sagen, was ich damit meine. Fast in allen dichterischen und schöngeisterischen Schriften ist von Liebe oder Liebelei die Rede. Nun[122] ist die gegenseitige Zuneigung zweier Personen von verschiedenem Geschlecht zwar an und für sich selbst nichts weniger als ein Laster; sie ist vielmehr, so lange sie sich in den von Gott und der menschlichen Gesellschaft ihr angewiesenen Gränzen hält, d. i nicht früher erwacht und sich nicht anders äußert, als wenn es darauf ankommt, einen treuen ehelichen Gefährten für die mühselige Lebensreise zu wählen, ein heiliger und beglückender Naturtrieb, dem wir uns, unter den besagten Umständen, ohne Bedenklichkeit überlassen können und sollen. Aber sie ist auch zugleich – o glaube mir, mein Kind, daß ich auch hier, wie überall, dir die lautere Wahrheit nach meiner gewissesten Ueberzeugung sage! – für junge Personen, welche das von der Natur dazu bestimmte Alter der Reife noch nicht erlangt haben, wie überhaupt für Alle, deren Absicht dabei nicht auf eine eheliche Verbindung geht oder gehen kann, eine unselige Quelle der Schwächung und Verschlimmerung an Leib und Seele; ein wahres Seelengift, welches die edelsten Kräfte lähmt, den Trieb zur Vervollkommnung an der Wurzel benagt, und die heitere Gemüthsruhe, die glückliche Begleiterinn eines reinen, unschuldigen Herzens, oft für das ganze Leben tödtet; ein furchtbarer Schlund, der die Gesundheit, die Glückseligkeit und selbst das Leben vieler tausend jungen Personen beiderlei Geschlechts verschlungen hat und mit jedem Jahre von neuen verschlingt. Das ist dieser wohlthätige und[123] gefährlicher Trieb – bei Gott, dem Allwissenden! das ist er, je nachdem man sich ihm den weisen Absichten der Natur gemäß, oder diesen Absichten zuwider überläßt!

Und einen so gefährlichen Naturtrieb wollte man vor der Zeit durch romantische und poetische Liebeleien anzuregen und zu erwecken suchen? Wollte sich dadurch der Gefahr aussetzen, erst in seiner Einbildungskraft, dann in seinem Herzen das süßliche Gift verliebter Faseleien und Empfindeleien aufzunehmen, um sich am Ende von einer Leidenschaft entbrannt zu sehen, die uns so leicht, ach! so leicht und schnell bis an den äußersten Rand des Verderbens hinreißen, oft ins Verderben selbst uns unwiderbringlich hineinstürzen kann! Das wollten wir? Du, durch die Begierde solche Schriften zu lesen, ich, durch die Schwachheit, dir diese Lesung zu gestatten, dich nicht davor zu warnen und zu verwahren? Da sei Gott vor!

Nein, mein Kind! lieber mögest du das Gefühl des Schönen und Erhabenen, insofern es durch die schönen Künste und Wissenschaften geweckt und gebildet wird, für immer entbehren, als daß du es zu einem so hohen Preise dir erwerben solltest. Aber es bedarf eines solchen Verzichtthuns nicht. Die Natur, die Geschichte, und der Umgang mit gebildeten und edlen Menschen bieten für dieses Gefühl so[124] viel Gegenstände zur Uebung dar, daß du der Hülfe, welche die nachahmenden Künste dazu leisten, zur Noth entbehren kannst. Aber ich will ja nicht, daß du ihrer ganz entbehren sollst. Ich werde dir vielmehr auch künftig, wie bisher, aber freilich äußerst sparsam, einige in jeder Betrachtung unschädliche Stücke oder Stellen auswählen, an denen du, wiewol nur selten und jedesmahl nur erst nach vollendeter Berufsarbeit, die Empfindung des Schönen schärfen und ausbilden magst; und ich wünschte, daß ein Mann von zarter Gewissenhaftigkeit und tiefer Menschenkenntniß, das nämliche höchstnöthige Geschäft für alle andere junge Frauenzimmer übernehmen möchte.


Endlich muß ich hier noch ein Wort von der Erlernung fremder Sprachen hinzufügen. Weil deine Kindheit in einen Zeitraum fiel, wo in, deinem väterlichen Hause das Französische um solcher Kinder willen, denen die Erlernung dieser Sprache nöthig war, mehre Jahre lang zur täglichen Umgangssprache gemacht werden mußte: so konnte und durfte ich, wenn ich deiner anderweitigen Ausbildung nicht hinderlich sein wollte, nicht wol verhüten, daß auch du eine leichte Kenntniß davon dir zu eigen machtest. Wäre jener Umstand nicht gewesen, so würde auch dieses aus eben den Gründen unterblieben sein, aus[125] welchen ich dir den Wunsch, Englisch zu lernen, verweigern zu müssen geglaubt habe. Und was für Gründe waren das? Es waren ihrer mehre, die aber alle in folgenden beiden zusammenlaufen: daß einem jungen Frauenzimmer deines Standes und deines Berufs – des Berufs, nicht zur Französinn oder zur Hofdame, sondern zur bürgerlichen Hausmutter – die Erlernung fremder Sprachen nicht nur unnütz, sondern auch schädlich ist.

Unnütz: denn wozu könnte es dir in deinem Kreise wahrscheinlicher Weise jemahls wirklich nöthig sein, Französisch verstehen, plaudern oder schreiben zu können? Um französische Bücher zu verstehen? Aber alles, was zu deiner zweckmäßigen und nützlichen Ausbildung gehört, das besitzen wir jetzt in unserer eigenen Muttersprache. Um auf Reisen in fremde Länder dich mit den Ausländern verständigen zu können? Aber zu solchen Reisen bist du nicht bestimmt, und brächte dein Schicksal es dennoch mit sich, daß du dein Vaterland einst verlassen müßtest: nun, so lernt man eine fremde Sprache, so bald sie uns zum wirklichen Bedürfniß geworden ist, an Ort und Stelle bald und leicht; und was hätte ich dich nicht alles lehren müssen, wenn ich nicht bloß auf wahrscheinliche, sondern auch auf mögliche Fälle hätte Rücksicht nehmen wollen! Da hättest du auch Grönländisch und Hottentottisch lernen müssen. – Um mit gebornen Franzosen, die[126] ohne Kenntniß unserer Sprache zu uns kommen, reden zu können? Aber laß die Herren, wenn sie es der Mühe werth achten, uns zu beschauen und sich mit uns zu unterhalten, Deutsch lernen; wenigstens sehe ich auf unserer Seite gar keine Verbindlichkeit, um ihrentwillen Französisch zu lernen. Oder etwan, um in der großen Welt aufzutreten, und mit dem deutschen Adel mitten in Deutschland französisch plaudern zu können? Aber ich habe gute und triftige Gründe zu wünschen, daß du in der großen Welt nie auftreten mögest; und gefällt es je zuweilen Personen höheren Standes, sich zu dir herabzulassen – ich wünsche aber, daß dieses nicht zu oft und nicht zu sehr geschehe – nun, so mögen sie das Maß ihrer Güte voll machen, und sich bis zum Gebrauch deiner verachteten, aber auf diese Verachtung stolzen Muttersprache herablassen. Können oder wollen sie das nicht; nun, so bleibe Jeder in seinem Kreise, der Vornehme in seinem französelnden, du in deinem deutschen, und beiden wird gerathen sein. Oder solltest du endlich eine oder mehre fremde Sprachen etwa deswegen lernen, um dermahleinst, in Ermangelung eines Versorgers und eines anderweitigen Erwerbmittels, die Stelle einer französischen Erzieherinn bekleiden zu können? Aber ich habe dich zu lieb, mein Kind, um dich absichtlich zu einem Geschäfte zu verdammen, welches bei den Sitten, den Vorurtheilen und der ganzen Lebensart, welche in großen Häusern herrschend sind, neun[127] und neunzigmahl unter hunderten zu mißlingen pflegt; und ich hoffe, du werdest einst selbst zu vernünftig, zu stolz und zu gewissenhaft sein, um nicht lieber von deiner Hände Arbeit, als von einer Verrichtung leben zu wollen, die, wenn man sich aus Noth und nicht aus Neigung und nach gehöriger Vorbeteitung damit besaßt, nothwendig mißlingen muß.

Also nöthig und nützlich kann die Erlernung fremder Sprachen dir in deinem Stande und zu deinem Berufe, so viel ich einsehe, in keinerlei Betrachtung sein: aber schädlich könnte und würde diese zwecklose Erlernung dir höchst wahrscheinlich werden; und willst du wissen, warum? Darum, weil es dir Zeit und Kräfte kosten würde, welche du besser auf die Erwerbung anderer Verdienste wenden wirst, die dir, um eine würdige Gattinn und Hausmutter zu werden, viel nöthiger und zugleich viel rühmlicher sind; darum, weil die Erlernung mehrer Sprachen, bei allen einseitigen Vortheilen, welche für die Ausbildung einer Seele daraus erwachsen können, und die ich recht gut kenne, doch im Ganzen genommen eben derselben Seele, aus Gründen, welche ich hier nicht zu entwickeln brauche, weit mehr Schaden als Nutzen bringt; darum endlich, weil es einem jungen Gemüthe allemahl schon an sich schädlich ist, etwas Zweckloses zu treiben, und weil man bei der Kürze des menschlichen Lebens und bei der großen Menge und Mannigfaltigkeit nothwendiger Berufsvorbereitungen[128] und Berufsgeschäfte, sich nicht zu sehr gewöhnen kann, nach bestimmten Zwecken und nach einem vernünftig angelegten festen Plane zu arbeiten.

Junge lehrbegierige Leserinn! zürne nicht, wenn ich deine Wißbegierde von Gegenständen, die dir nicht bloß unnütz, sondern gar schädlich sein würden, abzuziehn und sie dagegen auf solche Dinge zu lenken wünsche, welche wirklich nützlich und fruchtbar für deine zweckmäßige Ausbildung und für dein Berufsleben zugleich werden können! Oder scheint dir der Kreis von Begriffen, Fertigkeiten und Geschicklichkeiten, den ich oben für dich abstechen zu müssen glaubte, noch immer zu beschränkt und zu armselig zu sein: wohlan! fülle ihn aus, fülle ihn erst ganz aus; und was dir dann von Zeit und Kräften übrig bleibt, das widme, welchem Lieblingsgeschäfte du willst! Lerne, übe und besitze nur erst alles, was du, um eine glückliche und beglückende Gattinn, Mutter und Hausfrau zu werden, nothwendig können und besitzen mußt: dann lerne, wenn du anders bei der Anwendung von jenem noch Lust und Zeit dazu übrig haben wirst – woran ich freilich zweifeln muß – alte und neue Sprachen, so viel du willst, schöne Künste und Wissenschaften, so viel du willst! Ich habe nichts dawider.
[129]

Was die Kunstfertigkeiten oder die Kenntnisse und Geschicklichkeiten in den schönen Künsten insbesondere betrifft: so vernimm, liebe Tochter, auch hierüber meinen Rath, so gut ich ihn dir, nach meiner besten Einsicht und nach meiner gewissenhaftesten Ueberzeugung zu geben vermag.

Daß eine würdige Hausmutter keine vollkommene Meisterinn in irgend einer der schönen Künste zu sein brauche, keine solche Meisterinn sein solle, davon, denke ich, habe ich dich und alle, welche sich überzeugen lassen wollten, schon oben überzeugt. Davon kann also jetzt die Rede nicht mehr sein; und wovon denn sonst? Davon: ob ein Frauenzimmer deines Standes sich auf die schönen Künste, z.B., auf Musik, Zeichen- und Tanzkunst, überhaupt legen dürfe oder nicht? Und wenn sie es darf, bis zu welchem Grade und unter welchen Bedingungen man ihr diese Art der Ausbildung gestatten könne?

Meine Antwort auf die erste dieser beiden Fragen ist: allerdings! und zwar aus folgenden Gründen: weil dergleichen Uebungen, wenn sie in den gehörigen Schranken bleiben, und mit beständiger Hinsicht auf vernünftige und rechtmäßige Zwecke getrieben werden, mit den nöthigen Vorbereitungen zu ihren wesentlichen Berufsfertigkeiten und mit dem wahren Werthe einer würdigen Hausmutter gar wohl bestehn, diesen Werth,[130] sogar erhöhen können; weil ihre eigene menschliche Ausbildung dabei gewinnen kann; weil sie dadurch in den Stand gesetzt wird, sowol sich selbst, als auch ihrem künftigen Gatten das Leben zu versüßen, Gram und Sorgen zu verscheuchen und ihre ganze Familie mit unschuldigen und daher wohlthätigen Freuden zu beleben; weil endlich das Zeichnen insonderheit ihr zu allerhand weiblichen Arbeiten wirklich nützlich werden kann.

Auf die Frage, in welchem Grade und unter welchen Bedingungen sie sich Geschicklichkeiten dieser Art erwerben dürfe? ist meine Antwort, oder vielmehr – ich wage es zu sagen – die Antwort der Vernunft oder des gesunden Menschenverstandes, folgende: in einem solchen Grade, als es ohne Vernachlässigung nothwendigerer und wichtigerer Vorbereitungen zu ihrem eigentlichen weiblichen Berufsleben und ohne Aufopferung ihrer Gesundheit geschehen kann, und unter der doppelten Bedingung, daß sie einmahl bei der nachherigen Ausübung dieser Künste keine Zeit und keine Kräfte verschwende, welche ihren Berufspflichten gewidmet werden müssen, und dann zweitens alle diese Dinge nicht aufs Pralen und Glänzen, sondern lediglich auf das Vergnügen und den Nutzen ihres kleinen häuslichen Kreises abzwecken lasse. Wenn also ein junges Frauenzimmer deines Standes alle, was sie als künftige Hausmutter wissen, können und ausüben[131] muß, mit Lust und Eifer treibt; wenn sie früh und spät an allen Geschäften ihrer Mutter in Küche und Keller, in Hof und Garten, bei der Anordnung und Besorgung des ganzen Hauswesens gern und munter Antheil nimmt; wenn sie sich eine solche Geschicklichkeit darin und eine solche Neigung dazu erwirbt, daß sie von ihrem funfzehnten Jahre an, in Ansehung der meisten hausmütterlichen Geschäfte, schon an die Stelle ihrer Mutter treten, und alles, was bis dahin diese that oder zu thun schuldig war, nunmehr auch verrichten, und zwar eben so gut, als diese selbst, verrichten kann und wirklich verrichtet: dann mag sie, aber wohl verstanden! nicht zur Befriedigung einer eiteln Begierde nach Lob und Bewunderung, sondern lediglich in der oben erwähnten bessern Absicht, denjenigen Ueberschuß an Zeit und Kraft, den andere jungen Personen ihres Geschlechts mit zwecklosen und verderblichen Lesereien oder mit tändelndem Nichtsthun versplittern, den schönen Künsten widmen, und Zeichnen, Spielen, Tanzen und Singen lernen. Singen sollte jedes Frauenzimmer, ich möchte sagen, jeder Mensch können; denn es ist ein gar zu natürliches, menschliches und herrliches Erheiterungsmittel, das zugleich vor allen andern den großen Vorzug hat, daß es sich mit den meisten mechanischen und fast mit allen weiblichen Geschäften gar bequem verbinden läßt. Auch das Tanzen würde ein eben so unschuldiges als heilsames Mittel zur[132] Ausbildung und Veredelung unserer körperlichen Natur und zur Vermehrung unserer erlaubten geselligen Freuden sein, wenn es dazu und nur dazu erlernt und getrieben würde. Aber da es leider! nur gar zu oft durch Unmäßigkeit und fehlerhafte Anwendung zur Zerstörung der Gesundheit, zur Verkürzung des Lebens, zur Befriedigung des Eitelkeitstriebes, zur Erweckung und Nährung unreiner Begierden gemißbraucht wird: so wünsche ich nicht, mein Kind, dich jemahls als Tänzerinn bewundert zu sehn; so wünsche ich vielmehr, daß du von dieser gefährlichen Kunst nur etwa so viel lernen mögest, als zu einer edlen Stellung und Haltung des Körpers, zu einem leichten und angenehmen Gange, und allenfalls noch dazu erfodert wird, um an einem sogenannten Ehrentage deine Menuet oder einen ähnlichen, wirklich edlen, nicht in wildes Springen und in eine liederliche Vermischung beider Geschlechter ausartenden Tanz mitmachen zu können, ohne etwas Auffallendes oder Lächerliches dabei zu äußern. Von einem Mädchen oder Weibe, welches du Tänze von der letztern Art, z.B. manche Figuren der sogenannten Allemande, und besonders das sogenannte Walzen, mit Neigung und mit Ausdruck tanzen siehst, magst du, ohne Gefahr ihr zu viel zu thun, nur immer besorgen, daß es mit der Unschuld und Reinigkeit ihres jungfräulichen Herzens entweder schon dahin sei, oder daß sie wenigstens jetzt, da sie sich diesem schlüpfrigen Tanzvergnügen überläßt, in sehr großer Gefahr schwebe, sie zu verlieren.[133] Bedaure die Unglückliche; aber fliehe ihr Beispiel!

Ich weiß übrigens recht wohl, daß deine schönen und niedlichen Schwestern mir dieses hartscheinende Urtheil nie vergeben werden. Ich weiß, daß sie mich einen schulmeisterischen Pedanten ohne Welt und Lebensart, einen Stubenphilosophen, einen Freudenstöhrer u.s.w. nennen und mein einfältiges Gerede unbeschreiblich abgeschmackt finden werden. Ich weiß das, und es ist betrübt – für mich und sie. Für mich, weil es mir nothwendig leid thun muß, meine gutgemeinten Absichten verkannt und fehlschlagen zu sehn; für sie, weil ihr Unwille über meine, von Ueberzeugung und Wohlwollen mir in die Feder gesagten Aeußerungen, nur zu deutlich zeigt, daß sie selbst für Wahrheit, Unschuld und reine Sitten schon lange Herz und Sinn verloren haben. Aber was ist dabei zu thun? Man muß die niedlichen Geschöpfe bedauern, sich über ihren Unwillen trösten, so gut man kann und – auf seinem Wege weiter gehen.


Also dadurch, daß du dir solche Verdienste, solche Kenntnisse und Geschicklichkeiten erwirbst, als die wahre Bestimmung des Weibes wirklich nöthig oder nützlich macht, und daß du auf alle diejenigen Kenntnisse, Geschicklichkeiten und Kunstfertigkeiten, welche[134] von dieser deiner wahren Bestimmung dich nur abführen würden, als auf etwas für dich nicht Gehöriges, freiwillig Verzicht thust, dadurch, mein Kind, wirst du dir die Hochachtung deines vernünftigen Gatten und jedes verständigen Menschenkenners erwerben, und dadurch – o glaube meiner Versicherung, bis du dich einst aus eigener Erfahrung überzeugen wirst, daß ich dir die Wahrheit sagte – dadurch wirst du mehr als durch irgend etwas in der Welt die Unannehmlichkeiten deiner weiblichen Abhängigkeit dir versüßen, das Herz deines ehelichen Freundes mit unzerreißbaren Netzen der Liebe, der Achtung und einer zärtlichen Anhänglichkeit verstricken, und den Platz, der in der menschlichen Gesellschaft dir angewiesen worden ist, mit eben so viel Ehre als Nutzen behaupten. Daß so viele Weiber sich von ihren Männern mit Kälte und Geringschätzung, wo nicht gar mit Verachtung, behandelt sehen, woran liegts? An der Unempfindlichkeit, an dem Undank und dem Stolze der Männer? Zum Theil; aber wahrlich weit mehr und weit öfter daran, daß so wenige Weiber wahre weibliche Verdienste aufzuweisen haben; daß so wenige unter ihnen das sind, was sie sein sollten, das thun, was sie, ihrer Bestimmung gemäß, thun müßten, und daß bei weiten die meisten unter ihnen eher alle andere Vorzüge, als diejenigen zu erwerben suchen, welche die Natur für sie bestimmte, die menschliche Gesellschaft von ihnen fodert,[135] und die ihr Gatte nicht an ihnen vermissen kann, ohne sich in seinen rechtmäßigen Erwartungen gröblich getäuscht zu sehen. Stelle dich, meineTochter, nur einen Augenblick an die Stelle eines so getäuschten Mannes, der Frau vom gewöhnlichen heutigen Schlage gegenüber, und fühle, was in seinem Verstande und in seinem Herzen nothwendig vorgehen muß. Er erwartete – und dazu war er von Gott und der menschlichen Gesellschaft berechtiget – eine verständige Vorsteherinn seines Hauses an ihr zu haben; und er findet, daß sie vortrefflich vorlesen oder vortragen, aber nicht kochen, Bücher beurtheilen, aber nicht rechnen, Verse machen, aber nicht haushalten kann. Er war berechtigt von ihr zu erwarten, daß sie durch Ordnung, Wirthlichkeit, Sparsamkeit und Fleiß ihm die Sorgen der Nahrung erleichtern, und, wo nicht Mit-erwerberinn sein, doch wenigstens das Erworbene klüglich zu Rathe halten, ihn vor Veruntreuungen des Gesindes, durch beständige Aufmerksamkeit auf alle, auch die kleinsten Theile der Haushaltung sicher stellen, und den Betrag der täglichen, durch ihre Hände gehenden Ausgaben mit dem Betrage seiner Einnahme in ein richtiges Verhältniß setzen sollte: und er findet, daß sie zwar ganz allerliebst spielen, zeichnen und tanzen kann, aber für alles andere, was recht eigentlich ihres Berufs wäre, nicht Auge, nicht Ohr, nicht Hand, nicht Sinn, nicht Neigung, nicht Fertigkeit hat. Er war von Gott und Menschen berechtiget,[136] zu erwarten, daß sie eine weise Erzieherinn seiner Kinder, besonders seiner Töchter sein, und diese nicht nur zur Ordnung, zur Häuslichkeit, zur Aufsicht auf alles, zur Mitwirkung bei allem, zur klugen Sparsamkeit und zum Fleiße in nützlichen weiblichen Arbeiten anhalten, sondern auch in dem allen ihnen selbst Muster und Vorbild sein sollte: und er findet nur, daß sie, statt dessen, sich und ihre Töchter sehr geschmackvoll auszuputzen, eine Gesellschaft witziger Herren und Damen ganz artig zu unterhalten, Feste anzuordnen, die feine und vornehme Dame zu spielen, den Ton, die Pracht, den Uebermuth und die Ueppigkeit der höhern Stände gar trefflich nachzuäffen verstehe. –Was soll, was kann der arme getäuschte Mann bei diesem Anblicke empfinden, vorausgesetzt, daß er selbst noch Mann und kein an Kopf und Herzen verschobener, verstimmter und erschlaffter Modemensch ist? Hochachtung gegen sein Weib, dem die meisten weiblichen Tugenden und Verdienste fehlen? Liebe oder Freundschaft gegen eine Person, die, so viel an ihr ist, seinen Ruin befördert, statt, wie sie sollte, die Stütze seiner häuslichen Angelegenheiten zu sein? Das wäre wider die Natur der menschlichen Seele; das kann er nicht, das wird er also auch nicht. Er wird vielmehr Tag und Nacht das traurige Verhängniß beseufzen, das ihn und sein Schicksal an diese, in jedem andern Betrachte vielleicht untadelhafte, vielleicht liebenswürdige, ihrer[137] Bestimmung aber nicht antwortende Person, mit unauflöslichen Banden fesselt. Als Freundinn würde sie ihm vielleicht genügen; als Gesellschafterinn würde er sie hochschätzen, vielleicht bewundern: als Gattinn hingegen, als Vorsteherinn seines Hauses, als Mutter seiner Töchter betrachtet, kann er nicht umhin – wofern er nicht seinen Verstand, seine Menschenkenntniß und seine ganze männliche Natur ablegen will – sie von ganzem Herzen zu verachten, und sie für ein Hinderniß seiner Glückseligkeit anzusehn.

Hier siehst du, meine Tochter, eine der gewöhnlichsten Ursachen so vieler unzufriedenen und unglücklichen Ehen, sogar unter solchen Personen, die in jedem andern Verhältnisse sich vielleicht gegenseitig schätzen und lieben könnten. Dis ist die Hauptquelle des herrschenden Mangels an Glückseligkeit in den verfeinerten Ständen unserer Zeit, und in allen den Häusern, in welchen die Weiber aufgehört haben, für ihre Männer und für ihren hausmütterlichen Beruf zu leben. Wie gar bald würde alles andere anders werden, wenn diese einzige unselige Quelle des Verderbens verstopft werden könnte! Rousseau hat ja wahrlich Recht, wenn er sagt: »Laßt die Weiber nur erst wieder Mütter und Gattinnen werden, und die Männer werden bald wieder Väter und Gatten sein!« O meine Tochter! Möchte doch Gott und der von ihm dir geschenkte natürliche und gute Verstand dir den wahren und[138] großen Sinn dieser Worte ganz ausschließen, ganz anschaulich und ganz überzeugend ihn für immer dir ans Herz legen! Möchtest du die Zahl der unglücklichen Weiber, die nur deswegen unglücklich sind, weil sie diesen Sinn nicht mehr zu fassen und zu fühlen vermögen, nie vermehren helfen! Meine Thränen fließen, indem ich dieses schreibe; mögen die deinigen, wenn du nach zwanzig Jahren, da die Hand, die dieses für dich schrieb, vielleicht schon lange vermodert ist, dis Blatt von neuen lesen wirst, ans keiner andern Ursache, als aus inniger Freude über die vollkommene Erfüllung meines väterlichen Wunsches fließen! Hand und Auge versagen mir den Dienst; ich muß die Feder niederlegen. –


Gestärkt durch die Hoffnung, daß mein einziges Kind, im Vertrauen auf meine väterliche Liebe und Einsicht, meinen auf vieljährige Erfahrung und sehr sorgfältig angestellte Beobachtungen über der Menschen Thun und Lassen, Freuden und Leiden gegründeten Rath, nicht nur gern und aufmerksam anhören, sondern auch aus allen Kräften und unter göttlichem Beistande redlich zu befolgen sich bestreben werde, schreite ich nunmehr zu einem dritten Mittel fort, welches ich dir zur Erreichung deiner weiblichen Bestimmung, wie zu deiner und der Deinigen Beglückung, gleichfalls[139] auf das angelegentlichste empfehlen muß. Das ist:

1

Ich bitte diejenigen Mütter und Töchter aus den höhern Ständen, die das Folgende anstößig finden dürften, den hier angegebenen Gesichtspunkt nicht zu vergessen, sondern sich zu erinnern, daß ich für meine Tochter, d.i. für ein Mädchen bürgerlichen Standes schrieb. Wie viel oder wie wenig davon auch für die höhern Stände anwendbar und nützlich sein mag, das mögen die Herren und Frauen der höhern Stände selbst bestimmen.

2

Im Revisionswerke.

3

Siehe meine Reisen, 2ter Theil, Seite 124.

4

Ein sehr aufgeklärter und sehr rechtschaffener Mann von Stande in den kaiserl. Erbländer schrieb mir neulich, um mir zu rathen, bei diesem die Religion betreffenden Absatze zu erinnern, daß er von einem Protestanten und zwar zunächst für protestantische Leserinnen geschrieben wäre. Ich erfülle diesen Wunsch, indem ich katholische Eltern ersuche, das, was ich hier über Religion sage, erst selbst zu prüfen und dann zu urtheilen, ob es den Grundsätzen der Kirche, für welche sie ihre Töchter erzogen haben, angemessen sei, oder nicht. Im letzten Falle werden sie ganz recht thun, wenn sie die folgenden zwei Blätter aus ihrem Exemplare ausschneiden oder sie unleserlich machen.

5

Der erste Theil dieses Werks, welcher den menschlichen Körper betrifft, ist unter folgendem Titel jetzt erschienen: Lehrbuch der Kenntniss des Menschen, zur allgemeinen Schul-encyklopädie gehörig, von J. Stuve. Braunschweig in der Schul-buchhandl. Da indeß dieses Werk zunächst für Jünglinge bestimmt ist, so werden junge Frauenzimmer wohl thun, wenn sie dasselbe, statt es selbst zu lesen, sich von ihren Müttern oder Vätern vorlesen lassen. Diese werden dann schon von selbst sehen, was dabei überschlagen werden muß. Anmerk. zur dritten Aufl.

6

Welche für diejenigen jungen Frauenzimmer, die das Französische lernen wollen oder müssen, auch in einer treuen und guten französischen Uebersetzung zu haben ist.

7

Eins dieser Handbücher ist jetzt, als ein Theil der allgemeinen Schul-encyclopädie unter folgendem Titel schon erchienen: Naturhistorie und Technologie für Lehrer in Schulen und für Liebhaber dieser Wissenschaften, von C.P. Funke; welches alle zu diesem Fache gehörige gemeinnützige Kenntnisse in furchtbarer Kürze enthält. Anmerk. zur dritten Aufl.

8

Doch wird das eben angeführte Funkische Handbuch auch hiebei gute Dienste leisten. Anmerk. zur dritten Aufl.

9

Einige Gedichte, bei denen dieses nicht der Fall ist, z.B., das von Pope über den Menschen – eins der besten und vorzüglichsten, welche die ernstere Dichtkunst je hervorgebracht hat – gehören, als Ausnahmen, nicht hieher.

Quelle:
Campe, Joachim Heinrich: Vaeterlicher Rath für meine Tochter. Braunschweig 1796 [Nachdruck Paderborn 1988], S. 40-140.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Aischylos

Die Orestie. Agamemnon / Die Grabspenderinnen / Die Eumeniden

Die Orestie. Agamemnon / Die Grabspenderinnen / Die Eumeniden

Der aus Troja zurückgekehrte Agamemnon wird ermordet. Seine Gattin hat ihn mit seinem Vetter betrogen. Orestes, Sohn des Agamemnon, nimmt blutige Rache an den Mördern seines Vaters. Die Orestie, die Aischylos kurz vor seinem Tod abschloss, ist die einzige vollständig erhaltene Tragödientrilogie und damit einzigartiger Beleg übergreifender dramaturgischer Einheit im griechischen Drama.

114 Seiten, 4.30 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon