Betragen, wenn man einer vornehmen Person seine Aufwartung zu machen hat.

[149] Will man einem Vornehmen seine Aufwartung machen, so muß man sich zuvor durch dessen Bedienten anmelden lassen. Man muß eine schickliche Zeit wählen. Die unschicklichste ist die Stunde, worinnen er sich anzukleiden pflegt. Kömmst du bey ihm vor, so halte dich nicht lange auf, und drücke dich kurz aus. Sucht er sich länger mit dir zu unterhalten, so bleibe länger; schließ aber sogleich, wie du merkst, daß er das Gespräch abgebrochen wissen will. Wenn du deinen Abtritt nimmst, so sey behutsam, daß du nicht stolperst, oder an etwas anstößest. Merke dir im Hineingehen die Thür des Zimmers, daß du blindlings[150] und rückwärts solche treffen kannst. Denn auch bey deiner Entfernung darfst du ihm den Rücken nicht zeigen. Wirst du niederzusitzen von ihm gebeten, so setze dich nicht eher, bis er sich gesetzt hat. Auch wird er dir mit einem leisen Zeichen seiner Hand den Platz anzeigen, wo du dich hinsetzen sollst. Bringt er dir, in Ermanglung eines Bedienten, einen Stuhl entgegen, so eile, daß du ihm solchen nicht zu spät abnimmst. Sey nicht feig, aber auch nicht unverschämt. Dein Gesicht wende sich nur nach ihm hin. Gaffe nicht in den Spiegel; blicke schnell wieder heraus, wenn ja dein Auge auf denselben fällt. Entläßt er dich, und er bestellt etwann ein Compliment an die Deinigen, so mache dich nicht lächerlich, ihm zuzumuthen, daß auch er dich den Seinigen empfehlen solle.

Uebrigens merke dir das bey einem jeden Besuche, daß du dich nicht aufdringest, wenn du merkst, du kommest zur ungelegenen Zeit. Entferne dich bald möglichst wieder.[151]

Kommst du an einen fremden Ort, und bist verbunden, Staatsvisiten zu machen, so müssen die Vornehmsten den Vorzug haben. Kommst du nicht vor, so hinterlasse deine Karte, worauf dein Name, dein Charakter und dein Logis stehn. Will man deine Bekanntschaft machen, so wird man dich zu sich einladen lassen. Eine bloße Gegenkarte verräth nichts weiter, als daß deine Karte richtig abgegeben worden sey. Sitte ist es jetzt, daß man vorfährt, und durch einen Bedienten die Karte abgeben läßt.

Lasse dir nie eine Nachlässigkeit in deinen Kleidern, Wäsche, Haaren u.s.w. zu Schulden kommen. Man rechnet dieses höher an, als die Sache vielleicht werth ist. Dein Anzug sey, bist du von gutem Hause, nach der neuesten Mode; vermeide aber das Närrische in einer Mode, die sich an dir zum erstenmale zeigt. Miß die Verhältnisse ab, wo du erscheinen, wie du erscheinen mußt. Das eine Verhältniß fordert den Anzug brillant, das andere nur einfach.[152]

Erscheine nie, wenn du selbst von einem Spatziergange im trocknen Wetter weggerufen würdest, in staubigen Schuhen. Kannst du nicht nach Hause gehen, so bitte eins der Domestiken, wohin man dich gerufen hat, dir die Schuhe zu reinigen. Wär keins von ihnen gegenwärtig, so opfere dein Schnupftuch auf, und mach es selber, so gut du kannst. Im schmutzigen Wetter nimm deine Strümpfe sehr wahr, daß du sie nicht beschmutzest. Ist dir es nicht gelungen, und du hast sie im Hingehen zu einer vornehmen, galanten Person schmutzig gemacht, so miß nur den Weg sogleich zurück – denn das schmutzige Wetter entschuldigt dich nicht. Zieh also reine Strümpfe zum zweytenmal an. Selbst der ernstere Mann, der sonst nicht auf die Kleider steht, bemerkt so etwas nicht ohne Verwunderung. Es ist vortheilhaft, daß die Etikette auch bunte Strümpfe zu tragen erlaubt.

Quelle:
Claudius, G[eorg] C[arl]: Kurze Anweisung zur wahren feinen Lebensart. Leipzig 1800, S. 149-153.
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