Von dem Begräbniß und dem Leichenbegängniß.

[207] Es ist ein vielfach angenommener Gebrauch, von einem Todesfalle, der in der Familie stattgefunden hat, nicht nur den nächsten Verwandten und Angehörigen sondern auch selbst den Freunden, und sogar den bloßen Bekannten des Hauses, Anzeige zu machen. Dieß thut man durch wenige Zeilen, gewöhnlich gedruckt, und das Papier, auf dem die Anzeige steht, oft auch das Couvert, in welches man sie einschließt, ist mit einem schwarzen Rande umgeben. Diese Anzeige wird nur von dem nächsten Leidtragenden unterzeichnet, also dem Manne, der Frau, oder den Eltern, den Kindern, den Geschwistern des Verstorbenen.

Zuweilen wird dieser Anzeige die Einladung hinzugefügt, dem Begräbnisse beizuwohnen, und dann muß die Stunde und der Versammlungsort des Leichenbegängnisses genau angegeben werden.

Wer eine solche Einladung erhält, der muß unter allen Umständen derselben Folge leisten; denn wollte man dieß nicht thun, so zeigte dieß die größte Nichtachtung[207] gegen den Verstorbenen, und wäre deßhalb eine wirkliche Beleidigung der überlebenden Angehörigen und einem entschiedenen Bruche mit denselben gleich zu achten. Krankheit allein oder eine unumgänglich nothwendige Abwesenheit sind triftige Entschuldigungsgründe.

Zuweilen wird auch der Todesanzeige ganz einfach die Stnnde des Begräbnisses beigefügt, ohne dabei eine Einladung auszusprechen. Diese Zeitbestimmung ist indeß einer indirecten Bitte, sich dem Leichenbegängniß anzuschließen, gleich zu achten.

Wer eine bloße Anzeige des Todesfalles erhält, wird dennoch den Angehörigen eine große Aufmerksamkeit erzeigen und zugleich das Andenken des Verstorbenen ehren, wenn er sich auch ohne besondere Einladung zu dem Begräbnisse einstellt, um sich dem Leichengefolge anzuschließen. Auswärtigen, welche die Anzeige noch zeitig genug empfangen, um sich zu dem Begräbniß einzufinden, wird es von den Angehörigen gewiß sehr hoch angerechnet werden, wenn sie dieß thun.

Wo es üblich ist, den Sarg, den Leichenwagen und das Grab mit Kränzen und Blumen zu schmücken, da ist es ein Beweis der Achtung vor dem Verstorbenen und der Theilnahme für den Verlust der Hinterbliebenen, in das Trauerhaus vor dem Begräbnißtage, d.h., sobald man, – auch ohne besondere Anzeige, – von dem Todesfalle gehört hat, einen Kranz zu schicken, dem man seine Karte anheftet, damit es den Angehörigen nicht unbekannt bleibt, von wem dieser Beweis der Aufmerksamkeit herrührt, den man in dem ganzen Kreise der nähern Bekanntschaft oder freundschaftlicher Berührungen zu geben pflegt und bei dem oft ein großer Luxus getrieben wird, besonders in der Jahreszeit, wo die Blumen selten und nur aus den Treibhäusern zu erlangen sind. Man nimmt zu diesem Zwecke oft auch Palmenzweige, die, je nach ihrer Größe und Schönheit, bis zu einem sehr bedeutenden Preise steigen können.[208]

Ist man zu dem Leichengefolge in das Trauerhaus eingeladen, so stellt man sich pünctlich zu der angegebenen Zeit ein, begrüßt die Angehörigen, entweder stumm, bloß mit einem theilnehmenden Händedruck, oder mit wenigen herzlichen Worten des Beileids, und mischt sich dann unter die andern Anwesenden. Läßt man sich mit diesen in ein Gespräch ein, so darf es nur mit leiser Stimme und mit durchaus ernster Miene geführt werden. Ein heiteres Gesicht zu zeigen, laut zu sprechen, oder wohl gar zu lachen, würde im höchsten Grade unschicklich sein und nicht nur einen gänzlichen Mangel an Bildung, sondern auch an Gefühl verrathen, da selbst der roheste Mensch durch die Nähe des Todes und die Mahnung an denselben, die ein Sterbehaus ausspricht, sich in eine feierliche Stimmung versetzt fühlen wird.

Bei Verstorbenen des katholischen Glaubensbekenntnisses begleitet das Trauergefolge den Sarg oft nur bis zur Kirche und geht hier nach Beendigung der religiösen Ceremonieen aus einander, während nur die Angehörigen und die nächsten Freunde das Geleite bis zum Grabe geben. Wo indeß das Trauergefolge zum Gottesacker geht, wie dieß bei höhergestellten Persönlichkeiten in der Regel geschieht, da würde es sehr unpassend sein, wollte man den vielleicht weiten Weg bis zum Grabe scheuen und sich schon von der Kirche aus entfernen.

Um die zu befolgende Rangordnung oder Reihenfolge, in welcher die Begleitung im Wagen stattfindet, hat man sich nicht zu bekümmern, denn der sogenannte Leichenbitter, oder wie in manchen Gegenden Der heißen mag, dem von Amtswegen die ganze Ordnung des Ceremoniells obliegt, trifft darüber mit den Angehörigen die nöthigen Verabredungen und ruft dann der Reihe nach die Anwesenden auf, wie sie in jedem Wagen miteinander fahren.

Bei dem Leichengefolge, welches in einer Doppelreihe zu Fuß unmittelbar hinter dem Sarge sich anschließt, findet keine strenge Rangordnung Statt, vielmehr treten[209] die Anwesenden paarweise zusammen, wie es ihnen gutdünkt; allein Anstand und Bescheidenheit werden denen den Vortritt lassen, welche von höherem Range sind, so daß also stillschweigend eine gewisse Rangordnung beobachtet wird.

Daß die Verwandten nach dem Grade ihrer Verwandtschaft den Zug zunächst hinter dem Sarge eröffnen, ist eine Sache, die sich wohl von selbst versteht.

Der Anzug Derer, welche sich dem Trauergefolge anschließen, sei es auf Einladung, sei es freiwillig, muß strenge, d.h., der Gelegenheit angemessen sein, folglich Alles ausschließen, was ein heiteres Ansehen hat. Die schwarze Farbe ist deßhalb bei allen höheren Verstorbenen ganz unerläßlich. Wirkliche Trauer legen nur die Angehörigen an.

Bei Verwandten wird man zwar die Aeußerungen des Schmerzes nie ganz verbergen können, und vermöchte man dieß auch durch übermäßige Selbstbeherrschung über sich zu gewinnen, so ist es dennoch nicht räthlich, sich auf solche Weise Gewalt anzuthun, denn man würde sich dadurch nur zu leicht dem gehässigen Urtheile der Welt aussetzen, man sei ohne Gefühl für den erlittenen Verlust. Indeß gebe man sich seinem Schmerze auch nicht zu rückhaltlos hin, denn es kann nicht angenehm sein, dem großen Publicum durch seine Thränen zum Schauspiel zu dienen.

Bei höhergestellten Verstorbenen pflegt man mit entblößtem Haupte dem Sarge zu folgen; schlechtes Wetter, hohes Alter und schwächliche Gesundheit entbinden indeß von der Beobachtung dieser Pflicht, welche bei den mittleren Ständen ohnedieß nicht üblich ist.

Sich hinter dem Sarge mit seinem Nachbar in ein lebhaftes Gespräch einzulassen, ist unpassend; man geht entweder ganz stumm nebeneinander her, oder beschränkt sich auf wenige Worte. Wollte man heitere Mienen zeigen, oder die Blicke wie bei einer gewöhnlichen Promenade frei umherschweifen lassen, auch wohl den Freunden[210] oder Bekannten, die man unter dem Publicum bemerkt, freundlich zunicken, so würde man dadurch den Anstand beinahe eben so sehr verletzen, wie dieß durch ein solches ungezwungenes Benehmen in dem Trauerhause der Fall ist.

Allerdings ist der Anschluß an ein Trauergefolge oft weiter nichts, als die Erfüllung einer Pflicht des Anstandes, eine leere Ceremonie, bei der man nicht die geringste Spur von Trauer oder Traurigkeit empfindet; dennoch aber verlangt die Achtung vor dem Verstorbenen, sowie die Rücksicht auf die Angehörigen, daß man wenigstens ein ernstes, würdevolles Benehmen zeige, wenn auch nicht die Heuchelei gefordert werden kann, einen Schmerz, eine Trauer zu äußern, die zu empfinden man in der That weit entfernt ist.

Am Grabe eine Rede zu halten, ist in der Regel nur das Amt des Geistlichen, und man muß sich auf keinen Fall dazu drängen. Oft jedoch ergreift auch einer der vertrauteren Freunde des Verstorbenen das Wort. Dieß sollte Niemand thun, der sich nicht einer gewissen Rednergabe mit Recht bewußt ist; thut er es aber, so muß er seine Rede möglichst kurz fassen, übertriebene oder vollkommen unverdiente Lobsprüche des Dahingeschiedenen vermeiden, da sie bei den Zuhörern, – und diese bestehen außer dem Leichengefolge oft auch aus einem sehr zahlreichen fremden Publicum, – Gedanken des Spottes erwecken können, und er muß überhaupt nichts sagen, als was zu den Umständen und der Situation vollkommen passend ist.

Eine Rede, und wäre sie auch noch so schön, durch Aeußerungen des Beifalls zu belohnen, würde ganz unanständig sein; vielmehr muß hier, wie bei der ganzen Dauer des Leichenbegängnisses, die größte Stille herrschen.

In das stumme Gebet, welches nach der Einsenkung des Sarges gesprochen wird, stimmt man als Mitglied des Leichengefolges unbedingt mit ein, indem man den Kopf entblößt, die Hände faltet und den Kopf senkt.[211] Oft schließen aber auch mitfühlende Herzen des unbetheiligten Publicums, welches der Ceremonie beiwohnt, sich diesem Gebete an, und es liegt darin wenigstens keinenfalls etwas Unpassendes.

Ist der Sarg eingesenkt und die Todtengräber beginnen, ihn mit Erde zu bedecken, so ist es üblich, sich dem Grabe zu nähern, eine Hand voll Erde zu nehmen und diese in die Grube zu werfen. Es gilt dieß gewisermaßen als der letzte Beweis der Achtung, den man dem Verstorbenen zollt, als der letzte Abschiedsgruß, den man ihm auf die Reise in das unbekannte Jenseits nachsendet.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 207-212.
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