Vorbemerkung des Herausgebers.

[3] Es war ursprünglich nicht beabsichtigt, daß der Herausgeber dieser von Gervinus hinterlassenen Autobiographie von sich aus auch nur ein Wort beifüge, und es schien auch nicht erforderlich. Das Manuskript samt allen früher schon gedruckten Beilagen lag länger als ein Jahrzehnt vor dem Hinscheiden seines Verfassers zum Druck bereit. Der Zeitpunkt zur Drucklegung des Buches sollte mit dem Tode der Witwe des Entschlafenen gekommen sein. In der langen Zwischenzeit von Gervinus im Jahr 1871 erfolgtem Tod bis zum Ableben seiner Witwe, das in diesem Jahre eintrat, waren Verleger und Herausgeber bestimmt und die Art des Druckes bis in alle Einzelheiten des Formats, des Papiers und der Schrift vertragsmäßig festgelegt worden. Die Aufgabe des Herausgebers schien eine sehr einfache zu sein. Er hatte voraussichtlich nur darüber zu wachen, daß die Herstellung des Buches genau nach den Vertragsbestimmungen erfolge, die letzte Durchsicht der Druckbogen zu besorgen und allenfalls ein Register anzulegen. Und auch diese Aufgabe schien ihm noch besonders leicht gemacht durch eine saubere Abschrift des Manuskripts, nach der Satz und Durchsicht vorgenommen werden sollten. Gervinus eigenhändige Niederschrift sollte möglichst unberührt der Heidelberger Universitätsbibliothek zur Aufbewahrung übergeben werden.[3]

Selbstverständlich wurden diese Bestimmungen genau eingehalten. Die Testamentsvollstrecker ließen die Abschrift samt den Beilagen an den Verleger abgehen, und der Druck wurde sofort in Angriff genommen. Aber schon bei der Durchsicht der ersten Druckbogen war es dem Herausgeber zur Gewißheit geworden, daß die Abschrift unmöglich in allen Einzelheiten mit dem Original in Übereinstimmung stehen könne. Nicht nur die großen Inkonsequenzen der Schreibung und Zeichensetzung schienen darauf schließen zu lassen, sondern mehr noch mancherlei offenbare Mißverständnisse und Unbegreiflichkeiten der seltsamsten Art. So mußte das Original selbst zu Rate gezogen werden.

Dem Herausgeber wurde dies in allerdings schmal bemessenen Stunden auf der hiesigen Landesbibliothek ermöglicht, und so konnte er in allen irgendwie zweifelhaften Fällen das Original vergleichen und fast immer die ursprüngliche Form des Textes feststellen. Aber auch dabei ergaben sich wieder eigenartige Schwierigkeiten. Gervinus eigenhändige Niederschrift erwies sich, abgesehen von nachträglichen Korrekturen seiner Hand, als vielfach überschrieben und mehr noch durchschrieben von anderer Hand und Tinte, offenbar nm dem Abschreiber die Arbeit zu erleichtern. So konnte es schließlichl zweifelhaft bleiben, ob Gervinus S. 105, Z. 15 v. u. vom Abschweifen des literarischen Deutschlands in alle Formen oder in alle Fernen schreiben wollte; und S. 280, Z. 10 v. o. scheint das Wort Verglühung, das der Abschreiber gelesen hat, im Original aus ursprünglichem Vergleichung abgeändert zu sein. Möglich wäre auch, daß S. 90, wo die bedeutenderen Gelehrten aufgezählt sind, die ans Darmstadt hervorgingen, der Name Lang (Z. 18 v. u.) durch den sonst mehrfach erwähnten Lanz ersetzt werden müßte.

Die Inkonsequenzen in rein formalen Dingen konnten freilich durch Vergleichung des Originals nicht gehoben werden. In dieser Hinsicht macht das Original den Eindruck, als ob der[4] Verfasser sehr rasch gearbeitet habe und gewohnt gewesen sei, die endgültige Gestaltung des Textes in rein formalen Dingen der Durchsicht der Korrekturbogen vorzubehalten. Eine volle Einheitlichkeit in diesen Außerlichkeiten wäre woul nicht einmal im Sinne des Verfassers gewesen; dem Herausgeber war sie unmöglich gemacht. Die geschäftliche Lage der Druckerei verlangte rasche Erledigung der Durchsicht und baldige Fertigstellung der einzelnen Druckbogen in der ganzen Auflage; einzelne Teile des Buches aber, wie der Abschnitt über Schlosser, die Historik, das Fragment aus Gudrun und die Epigramme, wurden nach älteren Drucken aus verschiedenen, zum Teil sehr frühen Lebensabschnitten des Verfassers abgedruckt, und diese Vorlagen kamen dem Herausgeber je nach inrer Stellung im Vuche erst zu Gesicht, als ein großer oder der größte Teil des Manuskripts bereits im Druck längst fertiggestellt war. Nun waren in diesen älteren Sachen zum Zweck des erneuten Erscheinens neben sachlichen Verbesserungen und einigen Zusätzen vereinzelte orthographische Intentionen in Bleistiftkorrekturen zur Geltung gebracht, die teilweise mit dem Manuskript nicht im Einklang standen, und die deshalb auch nicht mehr alle berücksichtigt werden konnten. Es handelt sich dabei aber fast nur um die Worte Mut- und Flutin dem Probegesang aus Gudrun und um das Wort Blüte, die sich sonst durchweg mit h geschrieben finden. – Die Interpunktion ist in der Historik melw als sonst neben den üblichen grammatischen von Motiven des sinngemäßen Vortrags beeinflußt, und der Herausgeber glaubte daran nicht zu Gunsten einer unwesentlichen Einheitlichkeit wesentlich ändern zu sollen.

Uber diese besonderen Schwierigkeiten, unter denen die Drucklegung des vorliegenden Buches sich vollzog, glaubte der Herausgeber sich selbst und den Lesern diese Andeutungen schuldig zu sein.

Mit dem Register der vorkommenden Namen hofft er manchem, der Gervinus persönlich nahestand, und manchem, der sich für die[5] literarischen und historischen Auffassungen des großen Mannes interessiert, einen Gefallen erwiesen zu haben. Vollzähligkeit der Verweisungen wurde im allgemeinen nur bei Namen erstrebt, deren Erwähnung nicht ausschließlich durch ihre persönlichen Beziehungen zum Verfasser veranlaßt schien.

Noch soll hier bemerkt werden, daß der Titel des Buches, wie Gervinus selbst ihn niederschrieb, lautet: G.G. Gerwin's Leben. Rücksichten nahliegender Art bewogen den Verleger, die latinisierte Form des Namens, unter der allein der Verfasser in weiteren Kreisen bekannt ist und erkannt wird, an die Stelle der alten deutschen Form treten zu lassen.


Karlsruhe im Oktober 1893.

J.K.
[6]

Quelle:
G. G. Gervinus Leben. Von ihm selbst. 1860, Leipzig 1893, S. 3-7.
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