Extrakte, garayische

[278] Extrakte, garayische, (Extracta frigida garayana, fälschlich falia essential.) Der Graf de la Garaye lehrte im Jahr 1745 eine Art Extrakte bereiten, welche in Ansehung des aus den Gewächsen dazu vorzurichtenden Auszugs verschiednen Unvollkommenheiten und Beschwerden, in Absicht der Abdampfung aber ungemeine Vorzüge vor den damals gewöhnlichen Extraktbereitungen hatte, und eine glückliche Revolution darin bewirkte.

Er ließ die gepülverten Gewächssubstanzen in Töpfen, welche mit etwa sechszehnmal soviel kaltem Wasser halbvoll gefüllt waren, mittelst eines Quirles, der am Ende vier Flügel hatte, und eines mühlenähnlichen Maschinenwerks sechs zwölf und mehrere Stunden in Bewegung setzen, den entstandnen wässerigen Auszug durch Leinwand seihen und auf porzellainenen Tellern über einem Dampfbade bis dahin eintrocknen, daß das entstandene Extrakt auf den noch warmen Tellern sich abblättert, und in verschlossenen Gläsern aufbewahrt werden kann.

Hier läßt sich offenbar statt des kostbaren und künstlichen Quirlens ein öfteres zwei Tage fortgesetztes Schütteln setzen. Ueberdem ist es gewiß, daß kaltes Wasser aus den trocknen Gewächsen viel weniger harzige Bestandtheile auszieht (worin doch eigentlich ihre Kräfte größtentheils liegen) als warmes oder laues Wasser. In der That kann man ohne Bedenken, und ohne der äußersten Behutsamkeit und Gewissenhaftigkeit zu nahe zu treten, soviel[278] Wärme bei Verfertigung des Aufgusses anwenden, als man bei Eindickung dieses Aufgusses anwenden darf.

Die garayischen Extrakte werden daher desto kräftiger, wenn man die gepülverte Gewächssubstanz mit warmen (100° Fahr.) Wasser zwei Tage fleißig schüttelt, den Auszug durch ein Tuch seihet und dann auf ganz flachen steinzeugnen, gläsernen (oder porzellainenen) Schalen bei gleicher Wärme (100° Fahr.) bis zur Abblätterung des Extraktes eintrocknet, die Blättchen etwas zerkleint und in wohl erwärmten gläsernen Flaschen mit eingeriebenen Stöpseln sorgfältig aufbewahrt.

Man kann einen solchen Extrakte seine großen Arzneikräfte nicht absprechen, wiewohl andre Extrakte, welche sowohl bei Bereitung des Aufgusses als bei der Eindickung in einer Wärme bearbeitet worden, die das Wasserbad liefert (210°-208° Fahr.), gewiß wenigstens nicht unkräftiger, und leichter zu verfertigen sind. Es müßten denn Extrakte von blos gewürzhaften Substanzen seyn. Man bekömmt nach der buchstäblich befolgten garayischen Methode nur sehr wenig an Extrakte, und es ist daher (z.B. das sogenannte Chinasalz) in sehr hohem Preise.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 278-279.
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