Ipekakuanhe

[447] Ipekakuanhe, ist eine Wurzel, der man vielerlei Namen und mannigfaltige innere und äußere Farben zugeschrieben hat. Untersucht man die Sache aber genau, so bleibt (außer der unten vorkommenden weißen Ipekakuanhe) weiter keine in Europa gebräuchliche übrig, als die gewöhnliche (Ipecacuanha, Ipec. vulgaris). Vergeblich hat man sie in die braune (Ipecacuanha fusca) und graue (Ipecacuanha cinerea, grisea) einzutheilen gesucht, und bald diese aus Brasilien (Ipec. brasiliensis), bald jene aus Peru (Ipecacuanha peruviana) vorzugsweise hergeleitet, da sie doch unter allen vorkommenden Gestalten und angeblichen Farben in beiden Gegenden wächst, und die Wurzel einer und derselben Pflanze ist.

Es sind sämmtlich etwa fingerlange, theils längere, theils kürzere Wurzeln von verschiedener Dicke (die dicksten sind von der Stärke eines kleinen Gänsekiels, die dünnsten eine halbe Linie), welche hin und her gebogen und mit wulstartigen Runzeln theils ringförmig, theils halbringförmig, umgeben sind, die entweder dicht aneinander gereiht, oder etwas von einander entfernt stehen. Diese runzlichten Wurzelstücken, vorzüglich die dickern, sind äußerlich[447] mit einem erdfarbnen (bräunlich dunkelgrauen) Oberhäutchen umkleidet, worunter die oft messerrückendicke Rinde liegt, welche sehr spröde und bei den besten Stücken honigfarbig mit dunklern und weißlichern Schattirungen, und wie Harz an den dünnen Splittern durchscheinend ist. Sie umgiebt eine sehr zähe, gilblich weiße, innere Holzfaser, eine halbe bis ganze Linie dick, ohne Geschmack und Kraft.

Die schwärzlichte Oberhaut der besten Stücke mag die Alten verleitet haben, sie Ipecacuanha nigra, und die Farbe der dicken harzigen Rinde dieser bessern Wurzeln, sie (Ipecacuanha fusca) braune Ipekakuanhe zu nennen, denn die übrigen äußern Kennzeichen, die sie von beiden Sorten angeben, fließen in eins zusammen; und die größere Kräftigkeit ihrer braunen Ipekakuanhe kann man freilich nur allein von der mit der dicken, inwendig honigfarbigen Rinde erwarten, welches die besten Stücke unsrer gewöhnlichen Brechwurzel sind.

Diese vorzugsweise nur allein so zu nennenden Ipekakuanhewurzeln endigen sich zum Theil in hakenförmige holzige Stengel oder in knotenlose, glatte, geradere liniendicke Fasern, welche die Lohden der kriechenden Wurzel zu seyn scheinen. Beide letztere sind äußerlich von lichterer aschgrauer Farbe, und unter diesem dünnen Oberhäutchen liegt gleich der gilblichweiße holzige Kern. Sie sind zur arzneilichen Absicht untüchtig und mögen wohl, wenn sie sich häufig darunter befanden, der unkräftigern Droque den Namen der aschgrauen Brechwurzel (Ipec. cinerea, grisea, albicans) verschafft haben, wo nicht die hellgraue Farbe auch der besten Wurzelstücke in Pulvergestalt zu dieser Benennung beitrugen (blos der fabelhafte Pomet gedenkt einer Ipec. flava, die außer ihm niemand kennt).

Der Geruch des frischen Pulvers ist gering, aber widrig; der Geschmack, vorzüglich der harzigen Rinde, als dem eigentlich kräftigen Theile, ist nicht auffallend, etwas salzhaftstechend, wonach auf der Zunge ein fettartiger Ueberzug, hinten im Halse aber ein etwas ranziger (galmiger) Geschmack gespürt wird.

Man wählt, wie gesagt, die dickern, dunkelfarbigen, mit wulstartigen Ringen und Knoten besetzten Wurzelstücken mit dicker Rindesubstanz und dünner Kernfaser, und verwirft die glatten, geraden, hellfarbigen Zasern und holzigen Stengel.

Man hebt die ungepülverte Wurzel so wie das Pulver davon in dicht verstopften Gläsern auf, weil sie selbst in ersterer Gestalt, und noch leichter in letzterer, bald unkräftiger von dem Zutritt der Luft werden.

Man muß sich beim Pülvern Mund und Nase verbinden, und ( Gift) in einen ableitenden Luftzug stellen, weil der Staub konvulsivisches Nießen, Speichelfluß, auch wohl Bluthusten erregt.

Da blos im spröden rindigen Theile die Kraft liegt, so wird ein Apotheker, der auf Verbesserung seiner Kunst sieht, die knotigen Ipekakuanhewurzeln allein zum Arzneigebrauche auslesen, und sie[448] zuerst in einem hölzernen Mörsel mit hölzerner Pistille stoßen lassen, da dann blos die rindige Substanz in feine Theile zerspringt, die unkräftige zähe Holzfaser aber unberührt bleibt, die man durch ein gröbliches Sieb absondert, und dann erst das Rindenpulver vollends fein pülvert.

Die Kraft dieses vortrefflichen Arzneimittels besteht nicht sowohl in Ausleerung des Magens, welche durch Brechweinstein weit vollständiger bewirkt wird, als vielmehr in Erregung anhaltender Uebelkeit und zum Brechen reitzenden Würgens, oft schon (wenn blos die Rinde genommen wird) in der Gabe von einem viertel, halben bis ganzen Gran. Das fast trockne Einnehmen des Pulvers verhindert das Ausbrechen desselben und befördert den Würgereitz, wodurch oft die hartnäckigsten Verstopfungen der kleinsten Gefäße des Unterleibes und der Brust allmählig aufgelöset, hektische Fieber geheilt, von Krampf abhängende Bauch- und Blutflüsse gehemmet, und mancherlei chronische Krankheiten von unterdrückter Ausdünstung und Unthätigkeit der Verdauungswerkzeuge, so wie Stick- und Krampfhusten gehoben werden. Vorzüglich wird dadurch in Verbindung mit Mohnsaft (pulv. Doveri) der Schweiß am gewissesten erregt.

Durch Abkochen verliert sie ihre Kräfte.

Die eigne äußere und innere Beschaffenheit der Ipekakuanhewurzeln läßt nicht befürchten, daß sie mit andern falschen verwechselt werden könnte.

Den Ursprung dieser Wurzel kennt man immer noch nicht, obgleich Mutis Zeugniß, der von einem Kräuterhändler in Mexiko die angebliche Mutterpflanze davon erhielt, einiges Gewicht hat; er erkannte sie für

Psychotria emetica, L. [? Piso Ind. utr. res nat. Icon. S. 231.] ein niederliegendes Gewächs, mit lanzetförmigen, glatten Blättern, pfriemenförmigen, unter dem Blattstiele hervorkommenden Nebenblättchen, und in den Blattwinkeln stehenden Blumenköpfen mit wenigen, weißen Blüthen.

Vergleicht man aber die Brechwurzel mit den Gestalten der Wurzeln der verschiednen Arten der Gattung Viola, so wird man geneigt, sie wenigstens eben so gern unter diesem Geschlechte aufzusuchen, wie sie denn auch Allamand für Viola diandra, und Aublet für Viola itubu hält.

Die weiße Ipekakuanhe hält Bergius für das Ipekakuanveilchen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 447-449.
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