§. [166] 95.

Die Erforschung der obgedachten und aller übrigen Krankheitszeichen, muss desshalb bei chronischen Krankheiten so sorgfältig und umständlich, als möglich, geschehen und in die kleinsten Einzelheiten gehen, theils weil sie bei diesen Krankheiten am sonderlichsten sind, denen in den schnell vorübergehenden Krankheiten am wenigsten gleichend, und bei der Heilung, wenn sie gelingen soll, nicht genau genug genommen werden können; theils weil die Kranken der langen Leiden so gewohnt werden, dass sie auf die kleinern, oft sehr bezeichnungsvollen (charakteristischen) – bei Aufsuchung des Heilmittels oft viel entscheidenden – Nebenzufälle wenig oder gar nicht mehr achten und sie fast für einen Theil ihres nothwendigen Zustandes, fast für Gesundheit ansehen, deren wahres Gefühl sie bei der oft funfzehn-, zwanzigjährigen Dauer ihrer Leiden ziemlich vergessen haben, es ihnen auch kaum einfällt, zu glauben, dass diese Nebensymptome, diese übrigen, kleinern oder grössern Abweichungen vom gesunden Zustande mit ihrem Hauptübel im Zusammenhange stehen könnten.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 166.
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