§. 293.

[299] Hier finde ich noch nöthig, des von der Natur aller übrigen Arzneien abweichenden, sogenannten thierischen Magnetisms, oder vielmehr des (dankbarer nach Mesmer, seinem ersten Begründer, zu benennenden) Mesmerisms Erwähnung[299] zu thun. Diese, oft thörichter Weise geleugnete Heilkraft, welche durch den kräftigen Willen eines gutmeinenden Menschen auf einen Kranken, mittels Berührung desselben, einströmt, wirkt theils homöopathisch, durch Erregung ähnlicher Symptome, als der zu heilende Krankheitszustand enthält, und dient zu dieser Absicht in einem einzelnen, mit weniger starkem Willen vom Scheitel herab mit flach aufgelegten Händen nicht allzu langsam über den Körper bis über die Fussspitzen geführten Striche153, z.B. bei Mutterblutungen, selbst in ihrem letzten, dem Tode nahen Stadium; theils dient er, um die hie und da innormal angehäufte, in den übrigen Theilen aber mangelnde Lebenskraft gleichförmig durch den Organism zu vertheilen, z.B. bei Blutdrang nach dem Kopfe und schlafloser, ängstlicher[300] Unruhe geschwächter Personen u.s.w., mittels eines ähnlichen, einzelnen, aber etwas kräftigern Strichs; theils aber zur unmittelbaren Mittheilung und Ergänzung der Lebenskraft in einem einzelnen geschwächten Theile oder im ganzen Organism, – ein Zweck, der durch keine andre Potenz, als durch den Mesmerism so gewiss, so sicher und mit so gar keiner Störung der übrigen arzneilichen Behandlung erreicht werden kann. In einem einzelnen Theile geschieht diess letztere durch Auflegung der Hände oder Fingerspitzen, unter Fixirung eines sehr kräftigen guten Willens zu dieser Absicht, an dem langwierig geschwächten Theile, wohin ein inneres chronisches Siechthum sein wichtiges Local-Symptom verlegt hatte, z.B. bei alten Geschwüren, bei Amaurose, bei Lähmungen einzelner Glieder u.s.w.154. Manche schnelle Schein-Cur mit grosser Natur-Kraft begabter Mesmerirer in allen Zeitaltern gehört hieher. Am glänzendsten aber zeigte sich die Wirkung von mitgetheilter[301] Menschenkraft auf den ganzen Organism bei Wiederbelebung einiger, geraume Zeit im Scheintode gelegener Personen durch den kräftigsten, gemüthlichsten Willen eines in voller Lebenskraft blühenden Mannes155, welcher Art Todtenerweckungen die Geschichte mehre, unleugbare aufweist.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Dresden, Leipzig 51833, S. 299-302.
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