§. [251] 273.

In keinem Falle von Heilung ist es nöthig und deßhalb allein schon unzulässig, mehr als eine einzige, einfache Arzneisubstanz auf einmal beim Kranken anzuwenden. Es ist nicht einzusehen, wie es nur dem mindesten Zweifel unterworfen sein könne, ob es naturgemäßer und vernünftiger sey, nur einen einzelnen, einfachen167, wohl gekannten Arzneistoff[251] auf einmal in einer Krankheit zu verordnen, oder ein Gemisch von mehreren, verschiednen. In der einzig wahren und einfachen, der einzig naturgemäßen Heilkunst, in der Homöopathie, ist es durchaus unerlaubt, dem Kranken zwei verschiedne Arzneisubstanzen auf einmal einzugeben.


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Die durch chemische Verwandtschaft, in unabänderlichen Verhältnissen zweier einander entgegengesetzter Substanzen, zusammengesetzten Neutral- und Mittelsalze, so wie die im Schooß der Erde entstandnen, geschwefelten Metalle und die, durch Kunst in sich stets gleichbleibenden Verhältnissen zusammengesetzten Verbindungen des Schwefels mit Laugensalzen und Erden (z.B. geschwefeltes Natron, geschwefelte Kalkerde), so wie die, aus Weingeist und Säuren durch Destillation verbundenen Aether-Arten, können sammt dem Phosphor als einfache Arznei-Substanzen vom homöopathischen Arzte angenommen und bei Kranken gebraucht werden. Hingegen sind jene, durch Säuren bewirkten Auszüge der sogenannten Alkaloïden aus den Pflanzen, großer Verschiedenheit in ihrer Bereitung unterworfen (z.B. Chinin, Strichnin, Morphin) und können daher von dem homöopathischen Arzte nicht als einfache, sich gleichbleibende Arzneien angenommen werden; zumahl da er an den Pflanzen selbst, in ihrer natürlichen Beschaffenheit (Chinarinde, Krähenaugen, Opium) schon alles besitzt, was er zum Heilen von ihnen bedarf. Ueberdieß sind ja die Alkoloïden nicht die einzigen Arznei-Bestandtheile der Pflanzen.

Quelle:
Samuel Hahnemann: Organon der Heilkunst. Nach der handschriftlichen Neubearbeitung Hahnemanns für die 6. Auflage, Ulm 1958, S. 251-252.
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