XXII. Die Jahre 1819 und 1820.

[251] Neunzehn, die goldene Zahl, erschien mir immer als eine glückliche und so sah ich dem Jahre, dessen Zahl die Neunzehn, mit froher Zuversicht entgegen, die nicht getäuscht wurde, denn dieses Jahr brachte mir meine älteste Tochter, bescherte mir den längst gewünschten Leopoldsorden, tätigste Beschäftigung in meiner Geschäftslaufbahn und als Hofdolmetsch den eigentlichen Glanzpunkt derselben durch die Anwesenheit des persischen Botschafters und Gesandten. Sein Eintreffen ward in der ersten Woche des neuen Jahres erwartet und es fanden verschiedene Konferenzen mit Hofrat Brenner, dem orientalischen Referenten beim Fürsten Metternich, statt, in denen das nötige der Veranstaltungen, der Audienzen und des Zeremoniells besprochen wurden.

Als notwendige Vorbereitung zum richtigen Sprechen und Schreiben im Persischen hatte ich Mirchwond gelesen, nun studierte ich die persische Grammatik Linnsdeus, des Moonshe von Gladwin und den ›Persian Interpreter‹ von Gilchrist. In diplomatischen Kreisen wurde die Frage erörtert, ob nun, da Persien einen besonderen Gesandten schicke, nicht auch ein österreichischer nach Persien gehen[251] werde. Manche bezeichneten mich, andere Herrn von Lebzeltern, der eben als Gesandter nach Spanien ernannt worden war. Auch die vier obersten Hofämter, Obersthofmeisteramt, Oberstkämmereramt, Obersthofmarschallamt und Oberststallmeisteramt hatten mit mir Besprechungen über den Empfang, die Audienzen bei Hof, über Wagen und Pferde. Am meisten hatte ich mit dem Zeremonienmeister, dem Landgrafen von Fürstenberg, zu tun.

Eines Tages fragte mich Fürst Sinzendorf beim Frühstück: ›Haben Sie schon Sir Thomas Lawrence gesehen?‹ Als ich verneinte, erzählte er mir, daß er tags vorher den großen englischen Künstler besucht und dieser ihm versprochen habe, sein Portrait zu zeichnen. ›Sie wissen,‹ fuhr er fort, ›daß es mir nicht um die zweihundert Guineen zu tun ist, die er sich für ein Portrait in Öl zahlen läßt, aber er fängt so viele an und braucht so lange eines zu vollenden, daß man Jahre darauf warten muß.‹ Ich wünschte dem Fürsten Glück, sein Portrait von der Hand eines so großen Künstlers erwarten zu dürfen. ›Ich werde‹, sagte der Fürst, ›auch ihn in der Folge zu meinen Freitagsdiners einladen, indessen habe ich ihn für morgen tête-à-tête gebeten, bei dem Sie als Dritter nicht zu viel sein würden. Sie werden Gelegenheit haben, den interessantesten Mann im Gespräche besser kennenzulernen.‹ Ich nahm die Einladung an und erschien. Bei Tisch kam das Gespräch auf die deutsche Sprache und der Fürst fragte Sir Lawrence, ob er die Gelegenheit nicht benützen wolle, sie zu lernen.

›Wenn,‹ sagte der Fürst, ›kann ich Ihnen ein Hilfsmittel zur Erlernung des Deutschen geben, das Sie mit keinem Gelde zu bezahlen im Stande sind.‹ Lawrence schwieg und ich auch, denn ich wußte, daß der Fürst meine Übersetzung der Spencerschen Sonette meinte. Beim Kaffee brachte der Fürst das Buch. Lawrence sagte darauf: ›Ich bin Ihnen für Ihr Geschenk sehr verbunden, erlauben Sie, es mit einem gleichen zu erwidern. Sie wissen, ich lasse mir meine Portraits sehr gut bezahlen, ich habe aber noch nie für eine Zeichnung Geld genommen. Ich habe Ihnen eine solche versprochen. Sie geben mir das Werk Ihres Freundes, und ich werde Ihnen dafür sein Portrait zeichnen.‹ Durch[252] diese Antwort wurden der Fürst und ich in Verlegenheit versetzt. Nachdem das Schweigen einige Sekunden gedauert hatte, begann ich von Gleichgültigem zu sprechen und bald darauf empfahl sich Lawrence. Ich behandelte die Sache als Scherz und bedauerte, daß ich ihn nach dieser Äußerung nicht besuchen könne. Die Entwirrung dieses Knotens werde ich später erzählen.

Am 1. Februar wurden dem persischen Botschafter zwei Beamte mittleren Ranges nach Schwechat entgegengeschickt, die beiden Hofsekretäre Breitfeld und Ottenfels. Ich als Hofdolmetsch empfing ihn am Tore des für ihn auf der Wieden gemieteten Kaiserhauses, das später Baron Geymüller kaufte und umbaute. Die Botschaft wurde mit einem glänzenden Frühstück bewirtet, die weitere Verköstigung wurde dem Botschafter selbst überlassen, da er nicht für den kaiserlichen, sondern für den englischen Hof bestimmt war. Ich erstattete dem Fürsten Bericht über den ersten Empfang und die Persönlichkeit des Botschafters, der sich vom ersten Augenblick an als lebhafter, redseliger und großsprechender Perser, aber auch als Mann von Geist und Klugheit präsentierte. Ich brachte den Abend mit ihm zu und er hielt sich darüber auf, daß das Schreiben, womit er die in den ›Fundgruben‹ beschriebene Schachtel und andere Geschenke an den Fürsten begleitet habe, von diesen unbeantwortet geblieben sei.

Ich versicherte, daß ich weder von dem Schreiben noch von den Geschenken – außer von der Schachtel – das geringste wisse und sicher sei, daß der Fürst diese nie erhalten habe. Ich gestehe, daß ich die ganze Sache für reine Lüge hielt, bei näherer Nachforschung stellte es sich heraus, daß Schreiben und Geschenke bei der letzten Sendung nach Rußland vor zwei Jahren dem Freiherrn von Steigentesch übergeben wurden, der Fürst von diesem aber nur die Schachtel erhalten habe. Steigentesch war nicht in Wien und konnte nicht befragt werden. Zufällig hatte ich früher gehört, daß die Baronin Hügel, die Mutter der beiden Günstlinge des Fürsten, vormals eine besondere Freundin österreichischer Diplomaten, eine Sammlung persischer Seltenheiten besitze. Ich ging zu ihr und trug ihr die Anklage des Botschafters[253] gegen Steigentesch vor. In ihren Händen war wirklich das Schreiben des Botschafters an den Fürsten, welches Steigentesch in unbegreiflichem Leichtsinn mit dem Rosenöl und den Moschusperlen seiner Freundin geschenkt hatte. Als ich dem Fürsten und dem Botschafter darüber berichtete, lachte der Fürst über Steigenteschs Frechheit, der Botschafter aber geriet in Zorn und erklärte, in Persien würde so eine Veruntreuung sofort mit dem Tode bestraft.

Die Verhandlungen über das bei den Audienzen zu beobachtende Zeremoniell mit dem Botschafter gestalteten sich sehr schwierig. Er wollte nichts davon hören, daß er dem Fürsten den ersten Besuch abstatten müsse und noch weniger davon, daß er bei der Audienz beim Kaiser sich dreimal tief verbeugen müsse und nach Beendigung rückwärtsschreitend hinauszugehen habe. Über die Forderung der Verpflegung des Gesandten Mirsa Hussein erhob sich die zweite Schwierigkeit. Ich hatte diese Forderung vorausgesehen und darüber die Weisung meines Chefs eingeholt, diese lautete auf ein Pauschale, mit dem der Gesandte abgefertigt werden sollte, dies sollte aber nicht ohne einen Revers vollkommener Reziprozität verabfolgt werden, falls ein österreichischer Gesandter je nach Persien kommen sollte.

Das Gespräch wurde in drei Sprachen, persisch, englisch oder türkisch geführt. Trotz der großen Schnelligkeit, mit der der Gesandte sprach, verstand ich sein Persisch gut, er setzte seine Ehre darein, englisch ebenso gut zu sprechen, und konnten wir uns in diesen beiden Sprachen nicht verständigen, so nahmen wir das Türkische zu Hilfe. Der dritte, ebenfalls schwierige Punkt der Unterhandlung über das Zeremoniell war die militärische Begleitung beim öffentlichen Aufzuge. Der Botschafter forderte, daß den Zug ein ganzes Regiment eröffne und ein Regiment schließe. Über diese unsinnige Forderung lachte ich. ›Wie,‹ rief er, ›in Petersburg empfing mich der Kaiser an der Spitze von 20.000 Mann.‹ Ich lachte abermals und sagte, es sei mir wohl bekannt, daß am Tage seines Eintreffens eine Revue stattgefunden habe, welcher er beigezogen wurde. Er könne doch nicht mehr fordern, als die türkischen Gastbotschafter, bei denen eine Kompanie, und zwar je eine halbe an der Spitze[254] und am Schluß des Zuges marschiert sei, obwohl das Gefolge dieser Botschafter bis zu 1200 Mann stark war und das seine aus acht Köpfen bestehe. ›Wie,‹ sagte er, ›ein Gefolge von 1200 Mann, das waren keine Botschafter, das waren Anführer von Truppen, die gekommen, um Wien zu belagern.‹

Die Verhandlungen über das Zeremoniell hatten bereits drei Stunden gedauert, als zu meiner Freude der englische Minister Mr. Gordon eintrat, den ich sogleich als Richter unseres Streites anrief. Der Botschafter, der nach England bestimmt war, mußte ihn als Richter anerkennen.

Der Besuch des Botschafters beim Fürsten wurde auf den folgenden Tag festgesetzt. Der ganze Empfang fand genau so statt, wie bei dem vom Großvezier den Botschaftern und Gesandten europäischer Höfe erteilten Audienzen.

Am selben Abend fand der Gegenbesuch des Fürsten statt, zu dem dieser den neuen Staatsrat Stürmer mitnahm, der sich etwas darauf zugute tat, dem Fürsten zwar nicht persisch, aber türkisch dolmetschen zu können. Ich blieb noch beim Botschafter, um von ihm die Unterzeichnung der Reverse, durch die er sich verpflichtete, sich dem vorgeschriebenen Zeremoniell zu fügen, zu erreichen. Am folgenden Morgen fand die Audienz beim Kaiser mit großem Gepränge statt. In einem sechsspännigen, ganz vorgoldeten kaiserlichen Galawagen begab ich mich als Einführer des Botschafters in seine Wohnung, um ihn abzuholen, und hatte viele Mühe damit, daß er die genaue Zeit einhielt. Bis zum Eintritt in den Audienzsaal ging alles in guter Ordnung vor sich.

Ich führte den Botschafter an der Hand, beim Eintritt sollte er sich das erstemal tief verbeugen, da er es auch auf meine Mahnung hin nicht tat, riß ich ihn in der Mitte des Saales zur zweiten Verbeugung gewaltsam nieder und würde dasselbe auch am Fuße des Thrones getan haben, wenn er sich nicht dort von selbst gebührend verneigt hätte.

Er hatte zwar den Revers unterschrieben, daß er den Saal rückwärtsgehend verlassen werde, ich befürchtete aber doch irgendeinen Versuch, sich dieses ihm lästig erscheinenden Zeremoniells zu überheben. Ich hatte dem Zeremonienmeister und dem Oberstkämmerer diese Befürchtung mitgeteilt[255] und durch sie veranlaßt, daß, sobald ich an der Stufe des Thrones die Hand des Botschafters ausgelassen habe, zwei Truchsesse vortreten, den Botschafter unter den Armen fassen und mit ihm zurücktretend, die vorgeschriebene dreimalige Verbeugung ausführen sollten. Absichtlich waren zwei große starke Männer gewählt worden. Statt mit ihnen rückwärtsschreitend hinauszugehen, wollte sich Mirsa Abdul Chan umkehren, und als die Truchsesse ihn daran hinderten, entstand eine förmliche Balgerei. Der Botschafter suchte sich von ihnen loszumachen, die Truchsesse hielten ihn um so fester. Endlich riß er sich gewaltsam los, wobei er den Griff seines Handschars brach und das Band des großen Sonnen- und Löwen-Ordens zerriß.

Als ich dieses Handgemenge angesichts des Kaisers bemerkte, zog ich mich in das Gedränge hinter dem Botschafter zurück, denn es war am besten, den Unwissenden zu spielen und zu tun, als hätte ich nichts gesehen und gehört. Beim Ausgange des Audienzsaales nahm ich ihn wieder bei der Hand und führte ihn hinter dem Zeremonienmeister durch den Kontrollorgang zu den Gemächern der Kaiserin. Er überhäufte mich mit Vorwürfen über die Behandlung, die er erfahren, ›man habe ihn wie einen Missetäter behandelt, gestoßen, geschlagen, geknebelt, der Beweis dafür sei der zerbrochene Dolch und das zerrissene Ordensband‹. Ich spielte den Unwissenden. Nach der Audienz bei der Kaiserin fuhr der Zug in der gleichen Ordnung zurück. Nun erst machte sich sein Zorn wirklich Luft, den ich nicht zu besänftigen vermochte. Beim Abschied sagte ich ihm, daß ich um vier Uhr wieder mit einem Hofwagen bei ihm sein und ihn und den Botschaftssekretär zu dem großen diplomatischen Mittagessen beim Fürsten Metternich abholen werde. Als ich wieder in das Kaiserhaus kam, hieß es, der Botschafter sei krank und könne nicht mitfahren. Ich fand ihn ausgezogen, nur mit Hemd und Unterkleidern in seinem sehr stark geheizten Zimmer auf dem Sopha. Er erklärte, er könne nicht mitkommen, er sei am ganzen Leibe zerbläut, seine Wunden forderten Ruhe zur Heilung. Ich sah sofort, daß alles nur Komödie war, ich fürchtete, er könne sie wirklich so weit treiben, das ganze diplomatische[256] Korps durch sein Nichtkommen in den April zu schicken und nachher auch noch Schmerzensgeld zu verlangen. Eine halbe Stunde lang redete ich ihm zu und stellte ihm vor, daß sogar der Nuntius für diesen Tag den ihm gebührenden Vorrang aufgegeben habe, daß er, der Botschafter, vorgehen, der Fürstin den Arm geben und an der Tafel zur Rechten der Fürstin den ersten Platz einnehmen werde. Ich saß auf Kohlen und konnte mir vorstellen, wie ich im Salon des Fürsten empfangen würde, wenn ich ohne Botschafter käme. Ich schwieg ein paar Minuten lang und war schon im Begriff fortzugehen, als er aufsprang und, ohne ein Wort zu sagen, ins andere Zimmer ging, um sich anzukleiden.

Mir fiel ein Stein vom Herzen, denn, wenn wir auch spät kamen, so wußte man doch, daß die Verspätung unmöglich mein Verschulden sein konnte, da der Hofwagen um drei Uhr aus den Stallungen abgegangen und mich um ein Viertel über drei in der Kanzlei abgeholt hatte. Nach einer vollen halben Stunde erschien der Botschafter angekleidet und um halb fünf brachen wir auf, eine volle Stunde zu spät. Ich wunderte mich über die Langmut des Fürsten und des ganzen diplomatischen Korps. Mit wenigen Worten berichtete ich dem Fürsten den Vorfall. Der Botschafter stolzierte allen voraus, die Fürstin führend, zu Tisch und saß an ihrer Rechten, der Nuntius zur Linken. Den wahren Grund dieser ganzen Komödie begriff ich erst einige Tage später, als ich mit ihm von der Oper zur Fürstin Metternich fahren wollte, bei der wir vor einigen Tagen als die ersten Besucher eingetreten waren. Diesmal mußten wir eine halbe Stunde um das Glacis fahren, ›denn‹, sagte der Botschafter, ›es schickt sich nicht, daß ich so früh komme, ich bin der Erste im Rang und kann daher nur als Letzter erscheinen. Nicht ich muß auf die Fürstin warten, sondern sie auf mich.‹ Nun verstand ich die Inszenierung der ganzen Komödie.

In der Nacht vom 17. auf den 18. Februar schenkte mir Karoline meine Tochter Isabella. Zwei Tage später fand die Abschiedsaudienz des Botschafters beim Fürsten ohne Zeremoniell und Gepränge statt, sie war zugleich eine Geschäftskonferenz, bei welcher nur der Fürst, der Botschafter und ich zugegen waren. Sie dauerte wohl eine Stunde, und wenn[257] auch das gegenseitige Übersetzen anstrengend war, so unterhielt ich mich doch köstlich über die diplomatischen Versicherungen enger Verbindung und Freundschaft zwischen Persien und Österreich. Keiner glaubte ein Wort von dem, was der andere sagte, und sie logen sich um die Wette an. Der schlaue Perser war durch das schöne Geschenk einer Dose, die einen Wert von zweitausend Dukaten repräsentierte, im Vorteil. Gordon hatte sie für ihn beim Fürsten erhandelt.

Nachdem die beiden sich genug angelogen und die Gegensendung von Geschenken des Kaisers für den Schah geregelt war, endete der Fürst die Audienz und übergab die Dose, er versicherte auch, er werde mich als Gesandten nach Persien schicken. Er dachte ebensowenig an die Anknüpfung eines näheren Verhältnisses mit Persien wie ich. Beim Fortgehen sagte der Botschafter mit Bezug auf das erhaltene Geschenk zu mir: ›Heute mir, morgen dir.‹ Beim Grafen Caraman hatte er mit dem schönen Geschenke, das er mir mit einem Pferd und einem Shawl machen wollte, geprahlt. Der Shawl war nicht übel, das Pferd, ein turkmenischer Hengst, hatte den Spath. Ich verkaufte es an den Fürsten Liechtenstein um hundert Dukaten. Den Shawl schenkte ich Karoline. Die hundert Dukaten verwendete ich auf mein Grabmal, das ich im morgenländischen Geschmack mit orientalischen Inschriften machen lassen wollte. Ich teilte den Plan dem Fürsten Sinzendorf mit, bei dem ich den Bildhauer Kiesling kennengelernt hatte. Der Fürst schenkte mir den nötigen Marmor aus seinen Steinbrüchen in Gföhl und ich bestellte die Inschriften bei dem ersten Kalligraphen Konstantinopels, einem Schreiber des Serail.

Am 21. Februar war der Botschafter abgereist, und nun begann die ebenso lange, doch minder lästige Pantomime des Aufenthaltes des Gesandten seines Verwandten Abdul Husein Chan's. Solange der Botschafter da war, hatte er es nicht gewagt, den Mund zu öffnen, aber am Tage seiner Abreise trat er schon mit Forderungen und Beschwerden auf. Bei allen Besuchen des Botschafters war der Gesandte in seiner Begleitung, nun mußte ich ihm noch die anderen Sehenswürdigkeiten der Kaiserstadt zeigen. Am meisten interessierte[258] ihn und mich das Naturalienkabinett, wo ich einen Lehrkurs mir unbekannter Tiernamen mitmachte.

Ende April wollte Sir Thomas Lawrence abreisen, er hatte den ganzen Winter an den Portraits des Kaisers, des Fürsten Metternich, der Fürstin Clementine Metternich, eines der besten seiner Ölbilder, und an der Vollendung der Bilder anderer Kongreßteilnehmer gearbeitet. Ich war meinem Entschlusse, ihn nicht zu besuchen, treu geblieben, nur einmal war ich offiziell als Hofdolmetsch mit dem persischen Botschafter in seinem Atelier, das sich in einem großen Zimmer der Burg auf der Seite der Staatskanzlei befand. Graf Moriz Dietrichstein, der Ajo des Herzogs von Reichstadt, kam mit dem Prinzen, der sich mit dem Botschafter unterhielt und die Bemerkung machte, daß dieser gar nicht verlegen sei. Gleiches bemerkte der Botschafter vom Prinzen. Vierzehn Tage vor seiner Abreise schrieb mir Sir Lawrence und bat mich, den Tag einer Sitzung zu bestimmen, er wolle sein dem Fürsten Sinzendorf gegebenes Wort einlösen. Binnen einer Woche saß ich viermal, jedesmal drei Stunden. Seine Zeichnung war idealisiert wie alle seine Portraits, sie wurde allgemein als sehr ähnlich gefunden und ist eine der gelungensten von allen, die er in Wien machte. Fürst Sinzendorf wollte sie auf seine Kosten in Kupfer stechen lassen. Der Tod hinderte ihn an der Ausführung dieser Absicht. (Siehe das Titelbild.)

Mein Freund Sir Thomas Asland war bei den letzten Wahlen durchgefallen, um sich darüber zu trösten, unternahm er einen Ausflug auf das Festland, auf dem er Tirol und die Männer der letzten Kriege kennenlernen und Gemsen schießen wollte. Er schrieb deshalb an mich und an den Erzherzog Johann, der ihn zu sich auf eine Gamsjagd nach Steiermark einlud. Asland reiste in der Gesellschaft eines Mr. Hartoppe, mit dem er Ende September in Wien eintraf. Am 7. Oktober brachen wir zum Erzherzog auf, der uns in Sebenstein Stelldichein gab. Wir wurden auf dem Schlosse der blauen Erde mit allen Förmlichkeiten des Rittertums empfangen: der Türmer stieß ins Horn, der Wächter rief uns an, die Zugbrücke wurde niedergelassen, bewaffnete Knappen empfingen uns. Über Thernberg fuhren wir nach[259] Mürzzuschlag und von da nach Aflenz zur Gemsjagd. Ich war kein Jäger und begleitete die Herren nur bis an die Felsen, die sie mit Steigeisen erklommen, dort legte ich mich auf eine Almwiese und las. Von Aflenz fuhren wir über Mariazell und den Laßnitzfall zurück. Dann fuhren wir zum Fürsten Sinzendorf nach Ernstbrunn, von wo die Engländer weiter reisten, ich aber noch eine Woche blieb.

Aus den Intercepten des Botschafters Mirsa Abdul Hussein erfuhren wir, daß der Hauptzweck seiner Sendung nach England, neue Subsidien zu erhalten, gescheitert war und daß er beabsichtigte, seine Rückkehr nach Persien über Petersburg anzutreten. Es war anzunehmen, daß er den Fürsten Metternich an sein Versprechen erinnern und mich als Gesandten und Überbringer der Geschenke verlangen werde. Dadurch kam diese Persische Gesandtschaft wieder aufs Tapet, aus der Äußerung Metternichs, daß eine solche Gesandtschaft nicht beabsichtigt werden könne, um dadurch nicht das Mißfallen Rußlands zu erregen, sah ich klar, daß sie nie zustande kommen werde. Ich hatte mit dieser Gesandtschaft den Plan einer wissenschaftlichen Reise in Verbindung gebracht und hatte Botaniker, Zoologen, Mineralogen und Genie-Offiziere, Arzt und Maler als Begleiter vorgeschlagen. Ich stellte dem Fürsten vor, wie erwünscht es wäre, wenn auch Österreich nicht zurückbliebe, da Engländer, Franzosen und Russen in letzter Zeit so viel über Reisen in Persien geschrieben, und daß die Kosten keine ungeheuren und mit etwa 200.000 Gulden zu bestreiten sein würden, besonders, da die Gesandtschaft, sobald sie die persische Grenze überschritten habe, auf Kosten der persischen Regierung verpflegt werde. Der Fürst stimmte mir zwar bei, ordnete aber alles der Politik unter, der nach nichts getan werden dürfe, worüber Rußland verdrießlich würde.

Mirsa Abdul Hussein, der ganz der russischen Politik ergeben war, wollte über Petersburg zurückkehren, dies wurde nicht bewilligt, sondern es wurde ihm der Weg über Paris, Wien und Konstantinopel vorgeschrieben. Die bald zu erwartende Rückkehr des Botschafters spornte meinen Eifer, die Übersetzung Marc Antons zu vollenden, an, die durch andere Arbeiten unterbrochen worden war. Die Übersetzung[260] des ersten und zweiten Buches ließ ich ins Reine schreiben, um sie dem Botschafter als Probe mitzugeben.

Mitte Juli kam Mirsa Abdul Hussein nach Wien zurück. Ich fuhr mit ihm nach Baden, wo wir vom englischen Botschafter Lord Stewart zu Tisch geladen waren. Der Lord war noch nicht zu Hause, die Lady empfing uns in ihrem Salon neben einem Sessel stehend, Mirsa Abdul Hussein ärgerte sich, daß ihn die Lady wie eine Königin stehend empfing und keinen Stuhl anbot, und war impertinent genug zu sagen ›Madame, pray sit down‹, und sie hatte so wenig Geistesgegenwart und Schicklichkeitsgefühl, daß sie sich daraufhin wirklich niedersetzte.

Bald darauf starb die älteste Tochter des Fürsten Metternich, der Botschafter machte ihm zwar einen Kondolenzbesuch, äußerte sich aber mir gegenüber, daß der Tod eines Weibes ebensowenig ernstlich zu betrauern sei, als man sich über die Geburt eines Mädchens freue, er bedauerte mich, daß nun meine Frau schon zweimal Mädchen auf die Welt gebracht hatte. Die Ruhe und Gleichmut, womit der Fürst am Todestage seiner geliebten Tochter mit dem Botschafter über Geschäfte sprach, erregte meine Bewunderung. Ich schrieb diese Ruhe nicht wie solche, welche den Fürsten näher kannten, seiner natürlichen Kälte und Gefühllosigkeit zu, ich sah darin nur eine großartige philosophische Beherrschung seines Schmerzes. Die versprochene Gesandtschaft nach Persien kam wieder zur Sprache. Der Fürst lehnte sie nicht ab, verschob sie aber auf den Zeitpunkt, bis die Vasen vollendet sein würden. Um den Wert der Geschenke für den Schah möglichst zu steigern, erzählte Mirsa Abdul Hussein von dem, das der König von England dem Schah gemacht hatte: ein Gehänge von sieben Diamanten im Werte von 30.000 Pfund, der achte Stein, ein Tropfen, wurde allein auf 17.000 Pfund geschätzt. Ich übergab dem Botschafter die Reinschrift meiner Übersetzung und begleitete sie mit einer Bittschrift an den Schah, ihm diese Übersetzung zueignen zu dürfen. Nach zehn Tagen reiste der Botschafter ab, und ich kehrte zu meinen Studien und Arbeiten zurück und schrieb an der Topographie Konstantinopels und des Bosporus.[261]

Graf Lützow hatte um seine Abberufung von Konstantinopel gebeten, und als ich den Fürsten Metternich abermals darauf hinwies, daß ein Orientalist dorthin gehöre, sagte er, er wolle als Nachfolger Lützows einen der pfiffigsten, mit allen Wassern der europäischen Diplomatie gewaschenen Mann senden, er kenne die Türken besser als irgend jemand, er habe seine türkische Politik in Paris gelernt, die russische Diplomatie sei die aller ungeschickteste. Wodurch sei die große Macht der Türken so herabgesunken? Nur dadurch, daß andere Höfe keine Orientalisten als Gesandten verwendeten, denn diese hätten der Pforte immer die Stange gehalten. Und als ich Handel und Untertansgeschäfte erwähnte, sagte er: dazu wolle er einen Generalkonsul verwenden, der kümmere sich dann nur wenig um höhere Politik. Damit war mein Mund für jede Gegenrede geschlossen.

Seit meiner Rückkehr von Jassy war ich mit Jacquin in freundschaftlicher Beziehung, ich machte ihm den Vorschlag, wir sollten gemeinsam die Pflanzen-Artikel der arabischen und persischen Wörterbücher durchgehen, ich wollte die Erklärungen übersetzen und er könne dann aus diesen die Pflanzen bestimmen. Die Sache interessierte den Botaniker ebenso wie den Orientalisten. Wir arbeiteten jeden Sonntag von 10 bis 1 Uhr im Winter, denn im Sommer, wenn Jacquin im botanischen Garten, ich in Döbling wohnte, war es unmöglich. Und so brachten wir diese Sonntagstunden mit wenigen Ausnahmen sechzehn Winter hindurch zu. Jacquin kam nicht dazu, seine Notizen zu verarbeiten, mir wie ihm lag kleinliche Ehrsucht, einem Artikel hierüber unsere Namen beizusetzen, ganz fern.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Josef von: Erinnerungen aus meinem Leben. 1774–1852. Wien und Leipzig 1940, S. 251-262.
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