XXIX. Die Krönung in Mailand im Jahr 1838 und das Jahr 1839.

[318] Ich betrieb die Sache der Akademie nun um so eifriger, weil über die Erbhuldigung nichts mehr zu sprechen war, bei den Erzherzogen Ludwig und Franz Karl und beim Grafen Kolowrat. Die beiden Erzherzoge empfingen jeden Sonntag von zwölf bis zwei Uhr alle Hoffähigen, aber selten kam man von dem einen Erzherzog früh genug fort, um noch bei dem anderen vorzukommen.

Vergeblich hatte ich von den Botschaftern, die durchkamen oder wechselten, literarische Auskünfte zu erhalten[318] gehofft, sie waren höchstens im Kanzleistil gebildet, sonst gänzlich unwissend. Rifaat war noch abergläubischer als Fethi Ahmed, der nun zum Botschafter in Paris ernannt war. Rifaat war anfangs April angekommen und wohnte mit mir der Fußwaschung bei Hof bei. Am Ostermontag sagte mir der Fürst, die Audienz des Botschafters beim Kaiser sei für den nächsten Mittwoch bestimmt, ich teilte dies dem Botschafter mit, der mich beschwor, den Tag zu ändern, denn der Mittwoch sei an und für sich der unglücklichste Tag der Woche und der nächste stehe unter dem Einfluß der beiden Planeten im Verein mit dem Monde. Meine Gegenvorstellungen, daß eine einmal vom Kaiser bestimmte Audienz nicht abgeändert werden könne, waren vergeblich, ich konnte ihm nur versprechen, dem Fürsten Metternich seine Bedenken vorzutragen, ohne ihn auf ein Resultat hoffen zu lassen. Als ich dem Fürsten die Bedenken mitteilte, lachte er und trug mir auf, Gervay aufzusuchen und mit ihm die Audienz für einen anderen Tag zu bestimmen. Am folgenden Tage wurde ich verständigt, daß sie von Mittwoch auf Samstag verschoben sei. Nach der Audienz beim Kaiser fand die bei den Erzherzogen Johann, Ludwig und den beiden Este statt.

Diese Fasten waren für mich noch unangenehmer und widerwärtiger als gewöhnlich durch die schwere Krankheit meines Schwiegervaters. Am letzten April war sein Begräbnis. Er war von glücklicher, unverwüstlicher guter Laune, die ihn selbst auf dem Krankenlager nicht verließ.

Bei Gervay lernte ich Uhland kennen, sein Äußeres war das eines Schulmeisters, und niemand hätte darunter den genialen, großen Dichter erraten. Ich kann sagen, daß in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 1838 auch kein Tag verging, an dem ich nicht in einer oder der anderen Weise für oder von der Akademie gesprochen hätte. Mein Versuch, Erzherzog Karl zu tätiger Verwendung zu gewinnen, war fruchtlos, ebenso wie der bei Erzherzog Johann. Dieser wollte sich nicht damit befassen, weil er für sich und die Seinen zu sorgen hatte, daß ihm diese Sorge näher lag als eine Akademie der Wissenschaften, verhehlte er mir nicht. Erzherzog Karl war mit Recht beleidigt, seit man seine[319] Dienste zurückgewiesen und die Heirat seiner Tochter mit dem Herzog von Orleans verhindert hatte, und wollte weder mit Metternich noch mit seinem Bruder, dem Erzherzog Ludwig, in Berührung kommen, er sagte mir: ›Mein Neffe, der Kaiser, und mein Bruder Ludwig geben nicht viel auf mein Wort und so sehr ich Ihrem Unternehmen Gedeihen wünsche, so wenig bin ich imstande, dasselbe zu fördern.‹

An einem Sonntag gelang es mir, bei beiden Erzherzogen zur Audienz vorzukommen, und ich machte ihnen den Vorschlag, die zu gründende Akademie als ein Werk der Pietät für Kaiser Franz ›Franzensakademie‹ zu nennen, darauf ging besonders Erzherzog Franz Karl sehr ein. Später schlug ich vor, daß die Akademie als ein den deutschen Erblanden zu machendes Geschenk gelegentlich der Huldigung in Innsbruck ins Leben gerufen werde, wie ja auch gelegentlich der Krönung in Mailand das Lombardische Institut wieder zum Leben erweckt werden solle. Ich predigte tauben Ohren. Ich lernte auch den damaligen Staatsrat und späteren Präsidenten der Hofkammer Herrn von Kübeck kennen, der schon damals die Akademie als ein Bedürfnis der Zeit anerkannte und bedauerte, daß er nicht mehr tun könne, als seine Meinung aussprechen, wenn die Sache in den Staatsrat käme.

Am Dreifaltigkeits-Sonntag sollizitierte ich bei beiden Erzherzogen die Erlassung eines Kabinettschreibens, durch das die akademische Sache, die noch immer tot in Metternichs Händen lag, gefördert würde. Ich traf Graf Wickenburg im Vorzimmer und er wünschte mir Glück, wenn es mir gelänge, ein Handschreiben des Kaisers zu erlangen, in den wichtigsten Geschäften wurde um ein solches oft Monate lang gebeten. Ich besprach mit ihm die Eingabe steiermärkischer Professoren und Kustoden des Joanneums zugunsten der Akademie und schrieb an Professor Schreiber darüber. Ich erhielt die Eingabe mit der Unterschrift des Protomedikus Veit an der Spitze und übergab sie dem Erzherzog Ludwig. Erzherzog Johann verübelte diese Eingabe den Kustoden des Joanneum, weil sie ihn nicht um Erlaubnis gefragt hatten. Auch bei Endlicher klopfte ich an, ich wußte, daß er zweimal wöchentlich dem Kaiser botanische Stunden gab,[320] erhielt aber die Überzeugung, daß er beim besten Willen nicht für die Akademie sprechen konnte, weil er sich bei der Annahme der Stunden verpflichtet hatte, kein Wort von Geschäften mit dem Kaiser zu sprechen. Ich erfuhr, daß Schönaich statt die Eingabe bei der Hofkanzlei zur Beratung vorzulegen, sie nochmals an die Regierung zurückgegeben habe mit dem Auftrage, die Proponenten zur Vorlage der Statuten und eines Kostenüberschlages aufzufordern. Beides waren Fallen. In den Statuten mußte die Befreiung von jeder Zensur ausgesprochen werden, dies genügte, um aus Grafen Sedlnitzky den größten Gegner zu machen, war das Dasein einer Akademie gesichert, so hoffte ich die Befreiung von der Zensur durchzusetzen. Auch die Sache des Kostenüberschlages war sehr verfänglich; sprachen wir eine kleine Summe an, so konnten wir nicht im Großen wirken, forderten wir viel, so fielen die Referenten Hoffinger und Schönaich über uns her. Die Zeit drängte, in drei Wochen sollte ich mit dem Botschafter zur Krönung nach Mailand fahren. Vom Staatsrat Füssel erhielt ich eine Urgenz der Zustellung der in seinen Händen befindlichen Akten zur Äußerung der Bittsteller. Ich bekam das Aktenbündel am 18. Juli und sah zu meinem größten Erstaunen, daß sich dabei ein von Littrow erstatteter Vortrag befand, der die Kosten der Akademie mit 30.000 Gulden berechnete. Dies ärgerte mich, ich hatte Littrow jeden Schritt, den ich für die Akademie getan, mitgeteilt, er hatte mir kein Wort davon gesagt, sondern die Sache hinter meinem Rücken gemacht. In der Eingabe war auch von Statuten die Rede, die ich in der früheren Eingabe nicht erwähnt hatte und um die auch niemand gefragt hatte.

Ich schrieb Littrow sehr empfindlich und er antwortete sehr bissig. Acht Tage lang gingen die Akten bei den Bittstellern herum und am 28. Juli versammelten wir uns bei Hofrat Schreibers zur Beratung. Endlich wurde die Eingabe im Sinne meines Entwurfes gemacht und von den Anwesenden unterschrieben und den Abwesenden zur Unterschrift zugesandt. Graf Kolowrat war schon abgereist, ich schrieb ihm über alles und hoffte noch immer, daß das Fiat der Akademie bei der Huldigung in Innsbruck ausgesprochen[321] werden könne. Mit Littrow war ich seitdem zerfallen, ich konnte ihm kein Vertrauen mehr schenken, da er mir das seine entzogen hatte. Ehrlicher war Baumgartner, der zwar nichts tat, aber offen erklärte, daß ihm das Benehmen Metternichs, des Erzherzogs Ludwig und Kolowrats in der Sache so anekle, daß er keine weiteren Schritte tun wolle.

Neben meinen Bemühungen für die Akademie war ich noch immer mit dem Botschafter sehr beschäftigt. Rifaat Pascha war ein gutmütiger, dummer, geiziger und unwissender Mensch. Ich begleitete ihn in die kaiserlichen Kabinette, die Hofbibliothek und das Belvedere. Als wir das große Gemälde des Einzuges der Allierten in Paris ansahen, fragte er mich, wer die Alliierten seien und warum der Einzug stattgefunden. Er meinte, das müsse wohl ein paar Jahrhunderte her sein, und als ich ihm sagte, es sei kaum ein Vierteljahrhundert, da meinte er, damals sei er noch ein kleiner Knabe gewesen, der davon keine Nachricht erhalten habe. Das waren die historischen und diplomatischen Kenntnisse des in Wien beglaubigten Botschafters der Hohen Pforte. Die nächste von ihm erbetene Audienz wurde erst am Tage vorher durch ein mir nach Döbling gebrachtes Billett Gervays abermals für Mittwoch bestimmt, an eine Abänderung wie das letztemal war nicht mehr zu denken. Der Botschafter war verzweifelt. Der Kaiser sagte dem Botschafter, daß er jetzt nach Tirol gehe, aber ihn in Mailand wiederzusehen hoffe. Ich bat Fürst Metternich, mich von der lästigen Begleitung des Botschafters zu entheben und allein reisen zu dürfen, da er ja seinen eigenen Dolmetsch habe. Dies wurde bewilligt und ich verabredete mit dem Botschafter, daß wir am gleichen Tage, Donnerstag, den 2. August, Wien verlassen und uns in Mailand nach drei Wochen treffen wollten.

Am 19. August traf ich abends in Mailand ein, meine Wohnung war von Wien aus bestellt worden, aber am Tore wußte sie niemand, ich fuhr zum Gouverneur und traf dort seinen Präsidialisten Graf Pachta, aber auch er und sein Konzipist wußten das Quartier nicht und nachdem ich eine Stunde lang mit dem letzteren gesucht hatte, wurde ich in der Wohnung des sächsischen Gesandten Graf Uechtritz einquartiert,[322] der noch nicht eingetroffen war. Am Morgen klärte sich das Mißverständnis auf und ich bekam ein sehr wohnliches Quartier in der Nähe der Wohnung des türkischen Botschafters, er war ein paar Tage vor mir angekommen. Ich übersetzte ihm das von Graf Pachta mir übergebene Programm der für die vierzehn Tage des Aufenthaltes in Mailand und Venedig eingeteilten Feste. Die zwischen meiner Ankunft und der des Kaisers liegenden fünf Tage benützte ich zu Besuchen bei Graf Pompeo Litta, Castiglioni und den Bibliothekaren Catena und Rossi, beim Grafen Hartig und bei Trivulzi. Auf der Ambrosiana bekam ich durch die Gefälligkeit Catenas ein besonderes Zimmer für die Frühstunden von sechs bis neun, die einzigen, die zu meiner freien Verfügung waren, um hier das seiner alten Sprache wegen einzige Manuskript des Falknerbuches abzuschreiben. Graf Pompeo Litta erteilte mir bereitwilligst Auskunft über italienische, die Falknerei betreffende Werke.

Am fünfundzwangzigsten wurde die Ankunft des Kaisers und der Kaiserin in Como durch die herrlichste Beleuchtung gefeiert, die ich in meinem Leben gesehen. Das diplomatische Korps versammelte sich beim Fürsten Metternich in der Villa Montana. Am 1. September fand der feierliche Einzug des Kaisers in dem von Wien hergebrachten goldenen Galawagen statt. Die Herolde aller Städte Italiens mit dem Wappen der Städte auf dem Rücken wirkten sehr theatralisch. Abends war Theatre paré in der Scala. Als ich am nächsten Mittag zum Botschafter kam, zeigte er mir eine Einladung für denselben Tag zum Speisen bei Hof. Ich hatte keine bekommen und vermutete, es sei ein Übersehen, was sollte der Botschafter bei Hofe machen ohne Dolmetsch. Ich schrieb ein Billett an den Fürsten Metternich und teilte ihm mit, daß ich zwar keine Einladung erhalten, aber doch bei Hof erscheinen werde. Als ich den Fürsten vor dem Speisen traf, wiederholte ich es mündlich und er fand mein Vorgehen ganz richtig. An der Tafel speiste der Kaiser, die Kaiserin, die Erzherzoge, die Großherzoge und die Großherzogin von Toskana, die Herzoge und Herzoginnen von Modena und Lucca, die Obersthofmeister und Minister der auswärtigen Geschäfte, der französische, englische und türkische[323] Botschafter und ich. Die Aufwartungen mit dem Botschafter bei allen diesen Herrschaften gaben mir genug zu tun.

Am 5. September war großes diplomatisches Diner von 50 Gedecken beim französischen Botschafter. Fürst Metternich war ungemein schwer zu sprechen, und ich benützte die Gelegenheit dieses Festmahles, ihn um Urlaub und Enthebung von der Reise nach Venedig zu bitten, um nach Hainfeld gehen zu dürfen. Der Fürst bewilligte dies sogleich. Am folgenden Tag fand die Krönung statt.

Am nächsten Tage war Diner beim russischen Botschafter Graf Nesselrode, ich kannte ihn von Paris her. Am Abend war Konzert bei Hof. Am folgenden Tag wurde das diplomatische Korps und andere hohe Herrschaften im Lager bewirtet und ich hatte das Vergnügen, mit Feldmarschall Graf Radetzky zu sprechen, der damals, dreiundsiebzig Jahre alt, aber kaum wie ein Sechziger, erschien. Am Abend des nächsten Tages gab die Stadt Mailand dem Hof und seinen Gästen einen glänzenden Ball in der Scala. Ich blieb dort länger, da ich diesen Morgen die Abschrift des Falknerbuches beendet hatte. Am 10. September war diplomatisches Diner beim englischen Botschafter Lamb, dem auch Radetzky beiwohnte. Am Morgen fand die Eröffnung der Arco della pace und am nächsten Morgen eine große militärische Parade auf der Fläche vor der Arena statt. Die Herrschaften und das diplomatische Korps sahen von der Arena aus zu.

So geizig der Botschafter war, so wollte er doch seinen Kollegen ein Gastmahl geben und hatte sogar sein Tafelservice von Wien mitgebracht. Am Tage, an welchem es stattfinden sollte, war bei Hof zur selben Stunde Konferenz, weil die Schweiz gegen die erteilte Amnestie Schwierigkeiten machte. Fürst Metternich schickte mir ein Absagebillett. Der Botschafter war außer sich, als ich ihm die Nachricht gab und fragte, ob zwischen Österreich und der Türkei Krieg sei oder was er sonst für ein Verbrechen begangen habe, daß er so tief in Ungnade beim Fürsten sei. Ich lachte ihn aus, es half aber nichts, in tiefe Melancholie versunken, war er während des ganzen Mahles stumm und aß keinen Bissen.[324]

Am Abend war Ball im Kasino dei Nobili, mit Mühe überredete ich den Botschafter, hinzugehen. Ich stand mit dem Botschafter auf der Estrade, als er auf einmal verschwunden war, ich fragte herum, aber niemand wußte, wohin er gegangen. Ich lief die Treppe hinab und erfuhr, daß Wagen und Läufer erst für ein Uhr bestellt seien. Fast eine Stunde suchte ich ihn, endlich fand ich ihn in einem finsteren Hintergemach, wo er allein und in tiefe Melancholie versunken saß. All mein Zureden war vergeblich, er sei in Ungnade, behauptete er. Ich suchte den Fürsten Metternich auf und erzählte ihm das Ganze, er lachte: ›Sagen Sie dem dummen Kerl, er sei für Morgen zum Kaiser bei Tisch geladen.‹ Nach dieser Freudenbotschaft kam der Botschafter wieder aus seinem dunklen Versteck heraus. Dieses Mittagmahl bei Hof war dem höchsten Adel von Mailand gegeben, den türkischen Botschafter hatte der Fürst aus eigener Machtvollkommenheit eingeschoben, ohne auch nur um Erlaubnis gefragt zu haben. – Am 18. reiste ich über Desenzano nach Castell-Gofredo zu meinem Freund Acerbi, bei dem ich einen Tag verbrachte. Dann reiste ich über Verona, Codroipo, Palmanuova nach Laibach, speiste dort beim Gubernialrat Graf Zeno Saurau, der mir die Akten zeigte, durch die er gezwungen war, dem Grafen Auersperg, der sich zum Verfasser einiger ohne Erlaubnis der Zensur gedruckten Schriften bekannt hatte, eine Strafe von fünfundzwanzig Dukaten zu verhängen. Zwei Tage blieb ich bei Graf Auersperg in Thurn am Hart und fuhr dann über Pettau nach Cilli, wo ich den Dichter Seidl kennenlernte, der mich auf die Ruine Sonneck, wo die Gallerin ihre Jugend verlebt hatte, begleitete.

Nach Radkersburg war mir meine Frau mit den Kindern entgegengekommen, und am achtundzwanzigsten trafen wir alle in Hainfeld ein, wo ich nur durch sechs Wochen die Morgenstunden ausschließlich für den zweiten Teil der ›Gallerin‹ verwendete. Nach sechs Wochen kehrte ich nach Wien zurück und betrieb sogleich beim Grafen Mittrowsky die Sache der Akademie. Ich brachte ihm ein Exemplar des ›Rosenflor des Geheimnisses‹ und er ersuchte mich, seinen Namen hineinzuschreiben, ich schrieb: ›A.E.D.H.G.M. als dem Beförderer der Wissenschaften und insbesonders[325] einer Akademie derselben.‹ Er versprach mir in die Hand, daß die Sache am nächsten Ratstage in pleno in Vortrag käme. Inmitten dieser akademischen Schwierigkeiten fand die Vermählung meiner Tochter statt. Der türkische Botschafter schickte ihr ein Armband und der Hochzeitsgesellschaft zwei Speisen türkischer Küche, eine ›Serde Pil law‹, gekrüllter Reis mit Safran, und eine ›Saadrige‹, gestoßene Hühnerbrust. Sie fanden aber wenig Liebhaber, besonders weil man das letzte für eine Art Kinderkoch hielt.

Das Jahr 1839, in welchem meine Tätigkeit als Hofdolmetsch endete, ist das große Stufenjahr meines politischen Lebens, merkwürdig durch die willkürliche und ungerechte Art, wie Fürst Metternich ohne jede Rücksicht auf frühere Verdienste mich seiner Ungnade und persönlichen Abneigung opferte. Ich erhielt zwei Beweise öffentlicher Achtung: Balzac widmete mir sein ›Cabinet d'antiques‹ und Graf Apponyi teilte mir mit, daß mir der König Louis Philippe den Offiziersgrad der Ehrenlegion verliehen habe und daß das Diplom bereits an die französische Botschaft abgegangen sei. Graf St. Aulaire wollte aber dem Fürsten Metternich nicht mißfallen und hielt es zurück, erst im Spätherbst händigte er es mir ein und entschuldigte sich, daß es vergessen worden sei. Ich ging zu Erzherzog Franz Karl und brachte ihm das fünfte Bändchen meines Gemäldesaales, den ich ihm gewidmet hatte. Als ich endlich das Diplom der Ehrenlegion erhielt, machte ich die vorgeschriebene Eingabe um die Allerhöchste Bewilligung zur Annahme. Ich bemerkte in ihr, daß mir diese Ordenserhöhung, wie der erste Grad nicht als Hofrat der Staatskanzlei, sondern als Orientalist verliehen worden sei. Nachdem ich die Annahmebewilligung erhalten hatte, reichte ich bei der Polizei-Hofstelle meine Zueignung des ›Falknerklee‹ an den König Louis Philippe ein, um ihm dadurch für den Orden zu danken. Ich las den großen Folianten der in Kairo gedruckten Enzyklopädie ›Maurifatme‹, das heißt ›Das Buch der Erkenntnis‹, dessen religiöse Sprüche mich beruhigten.

Ich warf mich wieder auf das Studium orientalischer Handschriften und Quellen arabischer Literaturgeschichte. Herr von Raab hatte mir in Konstantinopel aus der Bibliothek[326] der Köprilis Abschriften von ›Fihrist‹ und ›Mofna Thaliab‹ besorgt, die, als die einzigen in Europa befindlichen, ungeheuer wertvoll waren. Der zweite Teil der ›Fihrist‹ befand sich auf der Bibliothek von Paris, aber der erste war nicht aufgefunden worden. Da nun meine politische Laufbahn beendet war, ich für mich selbst auch nichts mehr wollte, nahm ich mich um so mehr der akademischen Sache an. Ich war der einzige von den zwölf Bittstellern, der die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, und darin Schritte machte, die den anderen fruchtlos erschienen, oder zu denen sie zu bequem waren. Im Juli erhielt ich die Nachricht, daß die akademischen Akten, die sechs Monate lang bei allen Hofräten der Vereinigten Hofkanzlei in Umlauf waren, endlich im Rate vorgetragen und mit Ausnahme von vier Stimmen unterstützt worden seien. Schon am nächsten Tage begab ich mich zu Graf Kolowrat und setzte ihn davon in Kenntnis, ich bat ihn, dem Fürsten davon zu sprechen. Graf Kolowrat antwortete: ›Fürst Metternich hat jetzt den Kopf so voll von den Türken, daß man ihm nicht einmal von den Ungarn, viel weniger von einer Akademie der Wissenschaften sprechen kann. Metternich kommt zu nichts, weil er zu viel spricht und Erzherzog Ludwig traut sich nicht, dieses Geschwätz zu unterbrechen. Wenn ich dem Fürsten davon spreche, setze ich mich dem aus, daß er die Akademie als Ihre persönliche Angelegenheit betrachtet und mir wieder sagt: Sie werden doch nicht den Hammer gegen mich in Protektion nehmen.‹ – Am selben Tag schrieb ich an den Hofkammerpräsidenten Baron Eichhoff und empfahl ihm die Sache der Akademie. Die Akten mußten von der Hofkanzlei in die Hofkammer und von ihr an die Polizeihofstelle zur Begutachtung gehen, ehe sie in den Staatsrat kamen. Baron Eichhoff trug schon damals auf eine Dotation von jährlichen dreißig- bis vierzigtausend Gulden an, und ihm gebührt auch das Verdienst der ersten Bewilligung dieser Summe.

Die größte Aufheiterung gewährte mir wieder der Genuß von Hainfeld während der Monate August und September. In Gleichenberg verkehrte ich viel im Hause des Grafen Wickenburg. Die Gräfin kam auch oft nach Hainfeld, ebenso die Gräfin Trautmannsdorf, eine geborene Gräfin Woracziczky.[327] Ich beschäftigte mich am Morgen mit dem Schreiben der ›Gallerin‹ und vollendete den dritten Teil. Nach Tisch ordnete ich mit Karoline, den Kindern und dem Hofmeister das Archiv. Später fuhren wir aus. Die Vorgänge in der Staatskanzlei erfuhr ich von meinem Nachbar, dem Hofrat im außerordentlichen Dienst, Baron Lilien, der in Hohenbruck wohnte. Baron Lilien korrespondierte mit Ottenfels, der ihm über den heftigen Anfall des chronischen Übels des Fürsten Metternich schrieb. Er hatte mehrere Tage von nichts als von der orientalischen Frage gesprochen und hatte den provisorischen Dolmetsch Huszar nach Konstantinopel geschickt. Die Ärzte fürchteten das nahe Ende oder das Eintreten gänzlichen Blödsinnes und Erzherzog Ludwig und Graf Kolowrat beriefen den Grafen Ficquelmont nach Wien mit der Bestimmung, beim Versagen des Fürsten die auswärtigen Geschäfte zu übernehmen.

Nach Wien zurückgekehrt, kümmerte ich mich sogleich um das Schicksal der akademischen Akten. Ich hörte, sie seien bei Graf Sedlnitzky und bat Graf Kolowrat um ihre Betreibung. Er sagte mir, dies könne nur Erzherzog Ludwig tun. Ich wartete ihm auf und sagte ihm, die Sache liege nun bei Graf Sedlnitzky, worauf er mir lachend antwortete: ›Da wird sie lange liegen bleiben, denn der läßt alles liegen.‹ ›Das weiß die ganze Stadt,‹ antwortete ich, ›aber deshalb komme ich zu Eurer Kaiserlichen Hoheit und möchte bitten, daß Sie ihn mahnen, seines Amtes zu handeln.‹ Der Erzherzog wunderte sich, daß es in Wien keine anderen Gelehrten gebe, als Professoren. Ich sagte: ›Ja, wenn es nur die alle wären!‹ ›Wir haben eben keine Leute, eine Akademie zu bilden‹, meinte er. ›Wider die zwölf Unterschriebenen werden Hoheit doch keine Einwendungen haben und ernennen Sie einmal die zwölf zu Akademikern, so wird sich aus diesem Kern der Baum mit Zweigen, Blättern und Früchten entwickeln.‹

Quelle:
Hammer-Purgstall, Josef von: Erinnerungen aus meinem Leben. 1774–1852. Wien und Leipzig 1940, S. 318-328.
Lizenz:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gustav Adolfs Page

Gustav Adolfs Page

Im Dreißigjährigen Krieg bejubeln die deutschen Protestanten den Schwedenkönig Gustav Adolf. Leubelfing schwärmt geradezu für ihn und schafft es endlich, als Page in seine persönlichen Dienste zu treten. Was niemand ahnt: sie ist ein Mädchen.

42 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon