XXXI. Das Jahr 1842.

[337] Die Veränderung des Ministeriums im Jahre 1842 hatte den Bruder Lord Aberdeens, den Honourable Sir Robert Gordon, nach Wien gebracht, wo er schon früher als Botschaftssekretär und dann als Bevollmächtigter mit glücklichem Erfolg für England und zum Nachteil der österreichischen Finanzen die Verhandlung über die achtzehn Millionen geführt, die England als Rest zu zahlender Subsidien forderte.

Mit dem Grafen Kolowrat war jetzt über die Akademie nicht zu sprechen, seine Frau, die einzige Stütze seines Charakters, war sterbenskrank.

In diesem Winter brachte ich viele Abende im Hause des Grafen Ficquelmont zu und wurde zu allen Vorstellungen seines Haustheaters geladen. Graf Ficquelmont ist nicht nur Soldat und Diplomat, sondern auch mit schriftstellerischem Talent begabt und schreibt ebenso gute Noten und Memoires als französische Proverbes und Theaterstücke. Er machte daraus kein Geheimnis, sondern sagte in Gesellschaft, daß er von Metternich nicht beschäftigt werde und daher Zeit für solche dramatische Kleinigkeiten habe. Der Graf spielte nicht selbst, um so vortrefflicher seine Tochter, die Fürstin Clary.

In diesem Frühjahr wurde ich zum wirklichen auswärtigen Mitglied der Turiner Akademie an Stelle Pastorets ernannt. In dem Artikel der ›Wiener Zeitung‹ strich Ottenfels' kleinliche Gehässigkeit, welche mir auch die Annahme des Doktordiploms von Jena verweigert hatte, die Worte: ›An Pastorets Stelle‹. Als Anerkennung der Widmung meiner Geschichte der Ilkkhane an den König von Bayern bekam ich das Kleinkreuz des Ordens der Bayerischen Krone.

Ich arbeitete in diesem Winter im Geheimen Haus-, Hof- und Staats- und im Hofkammerarchiv, um den Stoff zur Lebensbeschreibung Khlesls zu sammeln. Ich schrieb an die Prälaten aller österreichischen Stifte, an den Bürgermeister von Neustadt, an die Botschafter von Rom, München und Dresden und bat um Mitteilung der in den Archiven befindlichen Schreiben Khlesls. Mein Begehren[338] wurde auch amtlich von der Staatskanzlei unterstützt und von allen Seiten kam man mir freundlich entgegen. Nur in Rom, von wo ich mir besonders reiche Ausbeute versprochen hatte, stieß ich auf Schwierigkeiten von Seiten des Archivdirektors Monsignore Marini. Er leugnete zuerst das Dasein von Akten, die sich auf Khlesls Prozeß und Gefangennahme beziehen, stellte sogar diese Gefangenschaft in Abrede, obwohl sie in der Lebensbeschreibung des Kardinals erwähnt wird. Graf Lützow schrieb mir, Monsignore Marini stelle sich taub und nur eine Summe von Scudis könne sein Ohr lösen. Ich antwortete, ich wolle mich auf dreißig bis vierzig einlassen und wirklich wurde mit diesem Betrage der Schatz gehoben. In Venedig besorgte mir mein Schwager Alfred die Abschriften aus den dortigen Archiven. Er bezahlte sie, und nun wollte der Archivar, daß dafür wie für die Abschriften von Urkunden bei Prozessen Taxen gezahlt würden. Ich machte eine Eingabe bei der Hofkanzlei gegen den Archivdirektor von Venedig, der wissenschaftliche Forschungen besteuern wolle, und erwirkte den Erlaß der Freizügigkeit dieser Abschriften. Außerdem machte ich Auszüge aus arabischen Quellwerken für die Geschichte arabischer Literatur. Für die Akademie konnte ich gar nichts tun, nur ab und zu fuhr ich zu Graf Kolowrat nach Grünberg, um ihn wenigstens durch meine Gegenwart an die Akademie zu erinnern.

Fürst Metternichs Anspruch auf den Titel eines Mäzens wurde zu Anfang des Jahres bestätigt, der ihm für Künstler und Gelehrte neugegründete Orden Pour le mérite verliehen, obwohl Fürst Metternich keines von beiden war. Diese Ordensverleihung war eine große Schmeichelei Humboldts, welcher die Ordensmitglieder vorzuschlagen hatte, kein einziger Österreicher hatte den Orden erhalten, der einzige Kopitar, der im Verzeichnis nicht als Österreicher, sondern als Slave aufgeführt wurde, obwohl Krain, sein Vaterland, zu Deutschland gehört, außer ihm noch Liszt. Und so erschien Fürst Metternich als einziger Repräsentant der Wissenschaft und Kunst in Österreich. Endlicher teilte mir mehrere Monate später mit, daß ihn der Fürst am Tage, nachdem er den Orden erhalten, rufen ließ, ihm den Brief[339] des Königs vorlas und sagte: ›Nun müssen wir aber doch unsererseits etwas für die Wissenschaft und namentlich für eine Akademie tun.‹ Er setzte ihm seine Ideen auseinander, deren eine die war, daß der jeweilige Präsident der Akademie auch zugleich Präfekt der Hofbibliothek sein solle. Schon damals hatte er es darauf abgesehen, diese beiden Stellen auf Karl Hügel zu vereinen, der Fürst beauftragte Endlicher, ihn darüber eine Ausarbeitung vorzulegen, gegen mich und Klemens Hügel aber strengstes Stillschweigen zu bewahren. Erst als sich Endlicher von dem Fürsten für genarrt hielt, machte er mir Mitteilung davon. Ich meinte, die Ordensverleihung zur Betreibung der Akademie beim Erzherzog Ludwig benützen zu sollen und stellte ihn in einer Audienz vor, daß es nun wirklich an der Zeit sei, eine Akademie zu gründen, da Preußen durch die Ordensstiftung nun auch die wissenschaftliche Hegemonie antrete.

Die drei Monate in Hainfeld verflossen mit der Fortsetzung der Erinnerungen aus meinem Leben, die ich in den frühesten Morgenstunden vor dem Frühstück schrieb, am Vormittag las ich arabische Handschriften und den Tacitus, nachmittags ordnete ich das Archiv genauer.

Beim Landtag in Graz verweilte ich diesmal länger als gewöhnlich, wegen des großen Ballfestes, das Graf Wickenburg den in Graz anwesenden Erzherzogen Albrecht, Johann und Franz Karl gab.

Die erste Nachricht, welche ich in Wien nach meiner Rückkehr erhielt, war die, daß Fürst Metternich vor wenigen Tagen in der Konferenz von einem bösen Schwindel befallen worden sei, der so arg war, daß man für sein Leben fürchtete. Dr. Jäger zweifelte an seinem Aufkommen. Nach einigen Tagen war der Fürst wieder sichtbar, und ich bat ihn um die Anordnung eines Schreibens an unsere Gesandten, meine Forschungen für Khlesls Lebensgeschichte zu unterstützen, was er sofort gewährte. In Hainfeld hatte ich die zehn Foliobände von Khevenhüllers Annalen gelesen, war also mit der nötigen Vorkenntnis der Zeitgeschichte und der Namen aller Staatsmänner gerüstet, deren Schreiben für mich von Interesse sein konnten. Nach vielen derselben forschte ich vergeblich im Hausarchiv,[340] konnte nicht einmal Schreiben des bei Kaiser Rudolf allmächtigen Obersthofmeisters Rumpf und des unter Kaiser Matthias eine so große Rolle spielenden Geheimen Rates, des Freiherrn Khuen von Belasy, finden. Außer den Staatsschreiben der Kaiser Rudolf und Matthias und den Vertrauten der Erzherzoge Ferdinand und Maximilian, der Feinde Khlesls, fand ich einen sehr interessanten Briefwechsel eines anderen Feindes des Kardinals, des Herrn von Unverzagt, mit der Erzherzogin Maria, der Mutter Ferdinands II.

Zugleich mit diesen Forschungen durfte ich mit dem Lesen der mir für sechs Monate geliehenen Handschriften der Leydener Bibliothek nicht zurückbleiben, die ich für die Geschichte der arabischen Literatur auszog. Für diese ließ ich in der Hofbibliothek die Belehrungen des hl. Grogentius, des Bischofs von Arabien, abschreiben und übersetzen, und der Erzbischof gab mir ein großes Bündel Khleslscher Akten zur Abschrift. Fürst Dietrichstein stellte mir die Bibliothek und das Archiv in Nikolsburg zu diesem Zwecke zur Verfügung. Die Handschriftenkästen in meiner Bibliothek wurden mir zu eng, und ich bat, die orientalischen Handschriften um den Ankaufspreis an die Hofbibliothek abtreten zu dürfen. Der Katalog war nun beendet, und ich suchte alle Rechnungen meiner Korrespondenten von Konstantinopel, Haleb und Kairo zusammen, um die Ankaufspreise festzustellen. Graf Moriz Dietrichstein ließ die Handschriften nochmals von Gervay, Rosenzweig und Krafft schätzen und schrieb mir zwei sehr verbindliche Briefe. Die zehntausend Gulden, die ich für die Handschriften bekam, legte ich für meine zweite Tochter als Heiratsgut an.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Josef von: Erinnerungen aus meinem Leben. 1774–1852. Wien und Leipzig 1940, S. 337-341.
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