Nachruf an Ferdinand Breunung.

[124] Ein guter Mann war es und ein wackerer Musicant, den sie in Aachen begraben. Vor 30 Jahren kam er als Nachfolger Karl Reinecke's hieher an unser Conservatorium und vor 18 Jahren verließ er uns, um Wüllner in Aachen als Musikdirector zu ersetzen. Wie Viele hier gedenken seiner noch in aufrichtiger Neigung und Achtung! Denn nicht allein an unserer Schule hat er gelehrt, auch im städtischen Gesangverein und in der Musicalischen Gesellschaft hat er als Dirigent sich vorbereitet auf die Stellung die ihm denn auch später zu Theil wurde und in welcher er so viel Gutes wirkte. Einige Studienjahre hat er in Leipzig zugebracht, wo Mendelssohn ihn ausgezeichnet Moritz Hauptmann aber eine ganz besondere Neigung zu dem begabten naturwüchsigen thüringischen Knaben gefaßt hatte – reizende Briefe desselben an ihn bestätigen es – und welche dankbare Liebe weihte er seinen hohen Lehrern!

Die Grundlage seiner musicalischen Bildung aber, die empfing er auf der Orgelbank seines Vaters, der in Brotterode, am Fuße des Inselberges, Organist und Schulmeister, ein braver Mann und Lehrer gewesen war. Und die hat vorgehalten. Unser Breunung war in felsenfester Clavierspieler, er las a vista, wie wenn er die Stücke auswendig wüßte – aber als Organist gehörte er sicherlich zu en allerersten[125] – und es ist nur die Folge seines einfachen Wesens, seiner Sorglosigkeit in frühern Jahren, daß er nicht eine Berühmtheit geworden. Ich erinnere mich lebhaft des freudigen Erstaunens, das Franz Lachner ergriff, als Breunung die großen Orgelstücke von Joh. Seb. Bach mit Doppelpedal ihm vorspielte, mit echt künstlerischer Ruhe und Sicherheit und einem so klaren Verständniß, daß es wie eine Offenbarung wirkte. Ganz voll davon reiste der treffliche General-Musikdirector nach Aachen, um dort das Musikfest zu leiten – und um Breunung auf's Nachdrücklichste zu empfehlen, denn er konnte nicht daran zweifeln, daß ein solcher Orgelspieler ein ganz hervorragender Musiker sei. Das war er denn auch. Und die Aachener Concerte wissen davon zu erzählen – sowohl durch die ausgezeichneten Aufführungen, die er leitete, wie durch die Reichhaltigkeit der Programme. Aber die Aachener Musikfreunde wußten auch, was sie an ihm besaßen, sie ehrten ihn und sie lohnten es ihm.

Eine so kräftige Natur, einer jungen Buche aus dem Thüringer Walde glich er, und so traurig hinsterben nach so langen Leiden! Ich sah ihn auf einer Ferienreise in seiner Heimat, er stieg nach Tische auf den Inselberg hinauf, wie man in ein am Wege gelegenes Wirthshaus tritt, und als die Reisenden sich noch besannen, welchen Spazirweg sie beginnen sollten, war er schon sechs Stunden lang in den Wäldern umhergewandert. Auch zeigte sich diese Kraft in dem Widerstande, den er nun schon Jahre lang der tödtlichen Krankheit entgegensetzte – immer wieder obenauf, nach den gefährlichsten Anfällen – aber die Feindin war zu eigensinnig, zu ausharrend – er mußte unterliegen, und eine geliebte Gattin, ein aufblühender Knabe, sie sind gatten- und vaterlos!

Gern hätte ich dir die Hand noch einmal geschüttelt, mein junger Freund, mit dem ich so viele gute, ich darf sagen, weihevolle Stunden verlebt, und mit dem man auch heiter plaudern und scherzen konnte, sich dankbar freuend, wenn du lächeltest mit deinen ernsthaften, festgeschnittenen Zügen. Gedenke unser, wenn du kannst, du hast ein schönes Tagewerk vollendet, und du hast deine Sache gut gemacht.


Köln, den 23. September 1883.

Quelle:
Hiller, Ferdinand: Erinnerungsblätter. Köln 1884, S. 124-126.
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