Fünfunddreißigstes Kapitel

Trinkgeld.

[123] Das Geben von Trinkgeldern ist durchaus keine Unsitte. Es gehört auch zum guten Ton.

Die Empfänger sind meist auf solche Erkenntlichkeitsbeweise angewiesen.

Reiche Leute sollen daher bei betreffenden Gelegenheiten auch nicht mit Trinkgeldern knausern.

Man spare lieber bei anderer Gelegenheit, bei persönlichen Bedürfnissen, aber nicht am Trinkgeld.

Wenn reiche Leute bedenken, wieviel sie das Jahr über für unnützen Luxus ausgeben, wie wenig im Vergleich hierzu der Trinkgeldetat ausmacht, und wie sehr sie arme Angestellte, die auf ihre Freigebigkeit nach dieser Richtung hin angewiesen sind, mit einem angemessenen Trinkgeld erfreuen, dann werden sie sich sicher ohne Murren diesen freiwilligen Zoll auflegen.[123]

Hingegen sollen sich unbemittelte Leute, wenn die Gelegenheit des Trinkgeldgebens an sie herantritt, durchaus nicht über ihre Kräfte anstrengen.

Jeder soll nach seinen Verhältnissen geben, dann wird er sicher nicht gegen den guten Ton verstoßen.

Die üblichsten Trinkgelder sind für die Dienerschaft bei Gesellschaften, dem bedienenden Kellner, Hausdiener, Portier eines Hotels, am Kurbrunnen, in der Badeanstalt, einem Bediensteten, der ein Geschenk bringt usw.

Beauftragt man den Portier eines Hauses, einer dort wohnenden Herrschaft einen Brief, eine Bestellung oder irgendeinen Gegenstand zu übermitteln, so hat man ihm für die Dienstleistung ein kleines Trinkgeld zu verabreichen.[124]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 123-125.
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