Neunundvierzigstes Kapitel

Kartenspiele.

[166] An einem Spieltische hat ein Gast nur auf persönliche Aufforderung des Hausherrn oder der Hausfrau Platz zu nehmen.

Eine Dame darf sich ihren Platz am Spieltisch wählen. Ein Herr darf dies nicht.

Den Preissatz eines Spiels hat Hausherr oder Hausfrau festzusetzen, und haben sie dabei die Durchschnittsverhältnisse ihrer Gäste zu berücksichtigen, jedenfalls aber auf Minderbegüterte Rücksicht zu nehmen.

Wollte einer der Gäste den durch die Wirte vorgesehenen Tarif erhöhen, so wäre dies gegen letztere ein grobes Vergehen.

Herren haben erst am Spieltische Platz zu nehmen, wenn die Damen sich bereits gesetzt haben.

Sind Damen beim Spiele beteiligt, so läßt man gewöhnlich die älteste derselben die Karten abheben.[166]

Es ist unfein, den Personen, die zusehen, seine Karten verbergen zu wollen, da man ihnen dadurch ein Mißtrauensvotum bezeigt.

Selbst eine nicht mehr junge Dame darf einen Platz am Spieltische nicht den ganzen Abend behaupten, wenn sie merkt, daß noch andere sich auch gern beteiligen möchten. Ist ein Spieler im Gewinn, so darf er seinem Partner auf einen diesbezüglichen Wunsch eine Revanche nicht verweigern.

Er darf überhaupt nicht sofort nach größeren Gewinnen das Spiel aufgeben, wenn ihn nicht bereits große vorausgegangene Verluste hierzu berechtigen.

Eine Spielschuld muß im Verlaufe von vierundzwanzig Stunden ausgeglichen werden.

Man darf unter keinen Umständen damit warten, bis die Summe gefordert wird.

Die den Spieltisch umstehenden Zuschauer haben keinem der Mitspielenden einen Rat zu erteilen, wenn sie nicht darum angegangen werden, selbst wenn sie durch Wettengagements beim Spiele beteiligt sind. In Gesellschaft derartig leidenschaftlich zu spielen, daß man vollkommen seine Ruhe und Selbstbeherrschung verliert, ist gegen den guten Ton. Lassen sich Damen von der Leidenschaft beim Spiel hinreißen, so wirkt dies direkt abstoßend.[167]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 166-168.
Lizenz:
Kategorien: