Pumps

[49] »Wieder so ein neumodischer Unfug«, murmeln die alten, würdigen Herren, wenn sie etwas vom Pump hören. Erstens, ihr Herren, ist der Pump kein neumodisch Ding, sondern eine Mode, so alt wie der Kientopp, und zweitens kein Unfug, sondern eine der vernünftigsten Errungenschaften, die wir bisher der englischen Herrenmode zu entlehnen Gelegenheit hatten. Der Pump ist der englische, tiefausgeschnittene Halbschuh, den der Gentleman zu seinen zwei verschiedensten »Uniformen« trägt, zum Paraderock und zur Litewka – zum Frack und zum Pyjama. Unverkennbar ist der Stil eines Kleidungsstückes, das zu Hause gleiche Berechtigung hat wie im Ballsaal – ein Paradox für alle modisch nicht ganz auf der Höhe stehenden Herren!

Der Pump ist nur aus mattglänzendem schwarzen Leder gefertigt – ihn ziert eine kleine, gerade beschnittene Schleife aus Seidenrips oder Leder. Ein Gummiband über dem Absatz hält ihn fest am Fuß. Der Pump ist der Ballschuh des Herrn geworden. Er hat es nicht allzu leicht gehabt, sich durchzusetzen. Ursprünglich war er nur für den legeren Smoking zugelassen – für den Frack galt da noch der hohe Stiefel mit schwarzem Tuch- oder Ledereinsatz. Es ist übrigens keineswegs gesagt, daß der hohe Knopfstiefel zum Frack keine Berechtigung mehr hat. Er ist nach wie vor beliebt – nur wirkt der Pump wesentlich eleganter, und zum Tanzen ist er unbedingt erforderlich. Und da schließlich des Balles letzter Sinn der Tanz ist, wird der Pump seinen Siegeszug über die Parketts aller Großstädte antreten. Zur Psychologie des Pumps ist allerhand zu sagen. Er mildert die steife Korrektheit des Fracks (ebenso wie das Taschentuch in der äußeren Brusttasche), er schafft eine ungezwungenere Atmosphäre, er hat merkliche Anklänge an die zierlichen Seidenschuhe der Damen. Die prononzierte Eleganz, die ihm vor Jahren anhaftete, schwand mit der gesteigerten Aufnahme. – Da der Pump den größten Teil des Fußes freiläßt, wird der Strumpf zu einem gar wichtigen Faktor. Als korrekt gilt der glatte, ungemusterte, undurchbrochene[50] Seidenstrumpf, der durch die Dünne seines Gewebes wirkt. Beliebter sind im allgemeinen in ziemlich groben Streifen durchbrochene Strümpfe, auch solche mit Zwickel werden getragen. Daß Schwarz die einzige Farbe ist, und die schwarz-weißen oder grauen »Modelle« an die breiten Füße eines Niggertänzers in die Music-Hall gehören – das ist wohl klar.[51]

Daß der Pump nur bis zu einem gewissen Alter in Betracht kommt, mag – wie alle ausgesprochenen Herrenmoden – bei uns zutreffen.


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Diese Grenze ist aber erst durch das Aufhören der Tanzfähigkeit, also recht weit gezogen. In England und Amerika leisten die älteren Herren keineswegs Verzicht auf die bei uns der Jugend vorbehaltenen »Torheiten«, und in Pumps fuhren die Chamberlains in die Nachtsitzungen des Parlaments.

Bei Tage und auf der Straße ist der Pump unwahrscheinlich, deplaciert. Selbst die größte Verlegenheit sollte ihn – schon rein aus praktischen Gründen – nicht auf den Asphalt treiben, und wenn es auch nur ein sonntäglich vormittaglicher Besorgungsgang über die Straße ist.

Der Engländer trug vor Geburt der Pumps – und auch ab und zu jetzt noch – den Lackschnürstiefel. Die Ferse des Schuhes ist oft mit Sammet gefüttert, der Absatz ist 31/2-41/2 cm hoch.

Pumps aus Damwild gehören ins Raritätenkabinett. Pumps mit zwei Löchern und einer Schnur sind ganz gewöhnliche Halbschuhe, die man zum Sakko trägt.


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In den durch hohe Absätze ausgezeichneten amerikanischen Pumps befinden sich des öfteren an der Spitze kleine Seidentaschen, die beim Tanzen Halt geben und gleichzeitig den dünnen Seidenstrumpf vor allzu schnellem Zerreißen hindern. – Diese kleinen technischen Interna geben nicht im kleinsten den eigenen Reiz des Pump wieder – den Reiz, der nicht zum kleinsten in seiner doppelten Seele verborgen ist – in der familiären und der festlichen. Dazu muß man beobachtet haben, wie in irgendeinem Wintergarten, in irgendeinem Ballsaal ein plumper amerikanischer Pump langsam und vorsichtig auf ein zartrosa Schuhchen drückte. –

Quelle:
Koebner, F. W.: Der Gentleman. Berlin 1913, [Nachdruck München 1976], S. 49-52.
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