305. Aderlässe.

[406] (Schubarts Gedichte, 2. B. S. 78.)


Des Lebens Purpurstrahl

Fährt schäumend aus der kleinen Ritze;

O Schöpfer, wann verfliegt einmal

Dies Blut, das ich in fauler Rast verspritze?
[406]

Soll alle meine Kraft,

Im Feuer banger Qualen schmelzen?

Gebrichts nicht bald an neuem Saft,

Die Kügelchen des Blutes fortzuwälzen?


Du bist so heiß, o Blut!

Was sprudelst du in dieser irdnen Schale?

Hast du noch Gluth, noch Sonnengluth?

Zückt Freyheit noch in deinem rothen Strahle?


O Arzt, so binde du

Nur schnell, nur schnell mit deiner Binde

Die offne Ader wieder zu;

Denn Freyheit ist des Deutschen größte Sünde!


Doch willst du nimmer heiß,

O Blut, aus deinen Röhren schießen;

Willst frostig, wie zerschmolznes Eis

Vom nackten Fels, in kalten Tropfen fließen;


So fließe, fließe nur –

Kein Fürst wird deine Kälte strafen;

Denn kalte, frostige Natur

Schickt sich allein für arme deutsche Sklaven.

Quelle:
Laukhard, Friedrich: Zuchtspiegel für Eroberungskrieger, Advokaten und Aerzte. In: Zuchtspiegel für Fürsten und Hofleute, Paris [i.e. Leipzig] 1799, S. 406-407.
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