Die Masse bringt es nicht. –

[29] Nur keinen Neid – der überfüllte Kleiderschrank, die vollgestopfte Kommode, fünfzig Krawatten, hundert Taschentücher machen noch nicht das Ebenbild eines Brummel.


Die Masse bringt es nicht -

Der Geschmack triumphiert über Kisten und Kasten, Farben und Schattierungen, Stil und Mode. »Vornehm und unauffällig« ist das A und O. Auch in Deutschland ist ebenso wie in England oder Amerika die einwandfreie »Fassade« wichtig und für eine Karriere oft von entscheidendem Ausschlag.

Geld allein? Nein! Der gut angezogene Herr unserer Tage braucht als Ausstattung:

Zwei bis drei Tagessakkos (hellere und dunkle Tönung), den kleinen Gesellschaftsrock (an Stelle des »Cut«), das heißt Kombination von uni Jackett (dunkel oder schwarz) und sein gestreiftem Beinkleid, Smoking und Frack als Abenddreß. –

Für Sportzwecke: Spezialanzug aus Tweed oder Homespun, vierteilig mit Plusfours respektive Knickerbockers sowie langer Hofe, wodurch in Wirklichkeit zwei Anzüge aus einem entstehen. Sparsamkeit in Steppwerk, aufgesetzten Taschen und Schnickschnack – weniger ist oft mehr!

Ersatzreserve stellen für den Sommer die graue oder biskuitfarbene Flanellhose, das schneeweiße Leinen- oder Cheviotbeinkleid und die Klubjacke.

Sinkt das Quecksilber unter den Gefrierpunkt, tritt her Sportanzug (siehe oben) in seine Rechte, der in Schnee und Eis sich zur »blauen Norweger«-Litewka und wasserdicht gearbeiteten Knöchelhose wandelt.

Ulster und Paletot fechten zehnjährigen Krieg aus. Wer beides besitzen kann, ist gut gesichert; zweireihig bleibt Parole. Nur der Abendmantel verlangt gebieterisch das Schwarz mit verdeckter Vorderleiste über der einen Knopfreihe.

Modische Zwischendinge reizen und ziehen bekanntlich am stärksten an, deshalb liebt der Empfindsame aus Überzeugung aparte Bedarfsgebilde wie: Trenchcoat, Gabardineschlüpfer, imprägnierte Überkleidung. Jedes einzelne Stück dieser Gattung tut wertvolle Sonderdienste, ist immer vonnöten, kennt nicht Zeit noch Stunde ...


Die Masse bringt es nicht -

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 29-31.
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