Schikanen der Mode.

[34] »In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister« – der idealste Wahlspruch, gleichermaßen geeicht für den Kleiderbudgetgeplagten wie für den Blasphemiker in goldener Assiette. Bitte, weder sträfliche Vernachlässigung noch häßliche Übertreibung – nicht alles mitmachen, was Augenblicksmode ist oder zu sein scheint! Die Schöpfer oder Propheten neuer Richtungen übermarkieren sowieso in puncto Stil, der ja auffallen, beobachtet und diskutiert werden soll – sie wissen zwar, die Praxis sieht anders aus aber – semper aliquid haeret ...

Wohl dem, der sich auf befestigten Geschmack verlassen kann – er darf sich getrost einen Anzug »von der Stange holen« und wird nicht danebengreifen, findet man doch auch da der kurz vor der Tischzeit noch schnell beim Tailleur vorbeigeht, um sich in Windeseile einen Reisemantel zu beordern, weil man sonst ohne Riesenkaros schief über die Achsel angesehen würde. Nur wer als Filmstar oder Großbankierssohn geboren ist oder eine vierstellige Zahl als Wochenbezug einstreicht, kann sich Ausgefallenes leisten.

Individualität um jeden Preis? – Nein, Vorsicht ist besser als das Nachsehen – das Gute aus Novitäten heraussuchen, die Solidität nicht vergessen und schließlich auf die Gesamtwirkung bedacht sein. Eins muß zum andern – und alles zu einem selbst passen!


Schikanen der Mode

Nicht blind und erfolgwütig spinatgrüne Cheviots oder kaffeebraunes Tuch wählen, weil diese gerade »Saisonschrei« sind. Auch nicht niedrige Vatermörder, taillierte Röcke ohne Rücksicht auf Figur und Teint sich zulegen und begeistert »Ja und Amen« flüstern, weil der Prinz von Babylon oder der Maharadscha von Popelanien einen Reitanzug aus Giraffenhaut oder eine japanseidene Smokingjacke nonchalaut vorführten.

Nicht »Modefax«, nicht »Geck« spielen, keine »Mission« fühlen wollen! Nur die Erscheinung des »Dandy« sowie des verantwortungsvollen Schauspielers steht außerhalb dieses Zusammenhangs. Der seriöse Gentleman scheut belustigte Kritik, die überall lauert, wie das Beispiel der zwei vorlauten Buben erhärtet, die einem Jüngling mit walzenförmiger Oxfordhose zuriefen: »Kuck mal, der trägt Muttis alte Röcke!«[34]

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 34-35.
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