»... schon wieder eine Rechnung!«

[60] Der größte Feind des Menschengeschlechtes ist und bleibt die unbezahlte Rechnung! Die Rolle, die einst die Schlange im Paradies zu spielen hatte, ist ihr zugeteilt, es gibt kein Zeitalter, in welchem sie nicht durch ihre unerwarteten Wirkungen Szenen entfesselt, Aktschlüsse ändert und dramatische Höhepunkte hervorruft.

Man denkt an nichts Böses, sitzt gemütlich beim Mokka, ist im Begriff, eine Zigarette anzustecken und über die neue Autotype, den Durchfall der gestrigen Premiere oder eine eventuelle Absage zu Neumanns Riesenabfütterung zu diskutieren – da kommt das Mädchen, übergibt diskret – aber auffällig – der gnädigen Frau ein lichtgrünes Kuvert. Geschickt probiert die gewandte Hand, den Brief unter dem Tablett zu verbergen und die Konversation auf anregendere Themen umzuleiten. Aber es ist wie verhext. Immer wieder geht des Hausherrn suchender Blick nach dem verschwundenen Umschlag. »Laß dich gar nicht stören, lies doch den Brief oder gib mir die Rechnung ...!« »Lappalie, lohnt sich gar nicht, kann ich blendend vom Wirtschaftsgeld bezahlen«, meint die gnädige Frau und versucht, aus der leeren Kanne noch einen Tropfen Kaffee auszupressen.

Wir kennen diese Introduktionen ja alle! Ein Wort gibt das andere, je heimlicher man tut, desto gefährlicher sieht es aus, also – man reißt nonchalant die grüne Hülle entzwei und stutzt. Dieses Stutzen! – wenn dieses Stutzen nicht wär' – »Laß mal sehen, Schatz« – man sagt »nein«, er sagt »ja« – Rede und Gegenrede – er verspricht: »nicht böse zu sein – im Gegenteil,« und da läßt man sich erweichen, ist großmütig, gibt den Wisch aus der Hand, hofft auf ein Wunder, irgendein erlösendes Geschick und – da bricht auch schon der Sturm los ...

»Man läßt eben nichts anstehen.« »Man zahlt immer gleich bar!« »Die Leute sind alle Schwindler, versprechen alles, halten nichts –« »70 Mark – ein Hut, sind wir denn Morgans?« »Eine Bandschleife 60 Mark.« »Ich möchte mal wissen, ob Frau Alix, Sufi und selbst Erna ...« »Da werden wir eben auf unsere Pfingstreise verzichten ...« und wie die herrlichen Nefrains alle lauten, die immer wiederkehren.

Adams von heute, ihr wißt, was Verführungen auf modisch en Gebieten bedeuten, ihr solltet keine zu strengen Richter sein! Eure Rechnungen werden selten kontrolliert, eure Garderobe immer bewundert, eure »Anziehungs«kraft immer unterstützt! Revanchiert euch auf diesem Gebiet! Verhindert Sünden durch geschicktes Eingreifen und verständnisvolle Großmütigkeit. »Kauft dem Weibe, was des Weibes ist« und überrascht sie mit quittierten Rechnungen, so daß ihr, wenn ihr um die Mokkazeit behaglich den Zucker verrührt und das Mädchen die Post bringt, voller Erstaunen zu fragen nicht umhin könnt: »Schon wieder keine Rechnung?«[60]


Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 60-61.
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