Das leichte Finden – der schwere Abschied!

[112] Vorspiel:


»Gebackene Gansleber – wie herrlich!«

»Äpfelscheiben und Zwiebeln dazu – ich könnt' dafür sterben!«

»Treiben Sie eigentlich Sport?«

»Aber so eine Frage. Welchen nicht?! Im Golf bin ich sogar scratch

»Die Dame neben Ihnen – ich kann gar nicht hinsehen – so einen Geschmack – entsetzlich –«

»Frau Gertie aus Linz – ihre grellen Farben und gefärbten Haare sind scheußlich. Lieben Sie eigentlich Shaw?«

»Ich adoriere ihn seit Jugend. Besitzen Sie die neue Wedekind-Ausgabe?«

»Welche Frage! Waren Sie nicht neulich auch in der Premiere im Ronacher? – Alle unsere Mitmenschen sind widerlich versnobt!«

»Nur die Einsamkeit hat noch irgendwelche Reize –«

»Wie wir uns verstehen!« (Entsprechende Fortsetzung.)


Das unvermeidliche Nachspiel:


»Ich bleibe am Fenster. Geh doch ins Nichtraucher, wenn dich die Zigarre stört. Immer zu zweit, ist zum Auswachsen!«

»Heut vor einem Jahr – wie hast du dich geändert!« (Blättert in der Vogue.)

»Man stumpft sich eben ab. Red' bitte nicht immerzu, ich lese gerade im Morgenblatt ...«

»Zeitungen interessieren mich nicht für einen Kreuzer!« (Beißt in einen Apfel.)

»Wie unfein, in den Apfel zu beißen! Ich habe die charmante Frau Gertie heute abend zu uns gebeten.«

»Die Frau mit dem unerhörten Farbensinn! Ich bin jedenfalls im Kino verabredet.«

»Ja, ja – das geistige Niveau der Frauen – – –«

»Und die Manierlosigkeit der Männer!«

»Ich kann das alles nicht mehr hören – mir hängt es zum Hals heraus!«

»Wir haben überhaupt nie zusammengepaßt –«

»Du warst blind, Schnucki!«

»Deine Schuld, mein Kind!«

»›Mein Kind‹ – das hab' ich grad gern!«

»Trennen wir uns doch in Güte –«

»Ich höre immerfort ›Güte‹ –« (Der unvermeidliche Schluß.)


Moral:


»Kritischer beim Start – taktvoller beim Finish« –

das einzig mögliche Begleitmotiv bei allen unseren Aventüren!


Das leichte Finden - der schwere Abschied!

Quelle:
Reznicek, Paula von / Reznicek, Burghard von: Der vollendete Adam. Stuttgart 1928, S. 112-114.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Geschichte der Abderiten

Geschichte der Abderiten

Der satirische Roman von Christoph Martin Wieland erscheint 1774 in Fortsetzung in der Zeitschrift »Der Teutsche Merkur«. Wielands Spott zielt auf die kleinbürgerliche Einfalt seiner Zeit. Den Text habe er in einer Stunde des Unmuts geschrieben »wie ich von meinem Mansardenfenster herab die ganze Welt voll Koth und Unrath erblickte und mich an ihr zu rächen entschloß.«

270 Seiten, 9.60 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon