»Nil mirari«.

[10] Nach dem alten Lateiner wörtlich übersetzt: »sich über nichts wundern!« Aber es ist mehr gemeint. Vielleicht klingt Selbstdisziplin zu philiströs und gefällt Ihnen »sich selbst in der Hand haben« besser.

Selbstbeherrschung bis zum Äußersten! Eine Dame ist gegen die Geschehnisse des Lebens gewappnet. Nervenzustände wären bei geringfügigen Gelegenheiten Verschwendung. Deshalb schließt man mit den täglichen Obliegenheiten eine Art Rückversicherung. Kann nicht von ihnen überrumpelt, erstaunt oder niedergeschmettert werden, soweit es sich um Klatsch, verlorene Handtaschen, unzuverlässige Schneiderinnen, unpünktliche Chauffeure, mißlungene Spekulationen auf physischen und psychischen oder finanziellen Gebieten handelt.

Den Mißlichkeiten des Lebens bleibt man überlegen, lächelt höchstens ein wenig mokant, schöpft Erfahrungen, erweitert seine Ansichten, aber verliert nie die Ruhe. Was nicht heute ist, ist morgen – was verpaßt, ist nicht zu ändern, und was unverhofft – kommt oft – nil mirari ...[10]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 10-11.
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