Sind Sie snobistisch?

[15] Der Snobismus regiert unsere Zeit. Man spricht so viel über ihn, daß man ihn unwillkürlich pflegt. Und das Sonderbare dabei, daß er von einer großen Anzahl Urteilsfähiger für eine annehmbare – von einem beträchtlichen anderen Teil als eine furchtbare Eigenschaft hingestellt wird.

Abgeleitet von »Snob«, einem Wort, das den englischen Gecken persiflieren soll, ist der Ausdruck »Snobismus« wohl gleichbedeutend mit: unnatürlicher Eitelkeit, Übertreibung, Geziertheit – er gipfelt, gleich einer Karikatur, in dem Ausruf des Psalmisten: vanitas vanitatum!

Unterdrücken Sie das »Snobtum« in Ihnen – gnädige Frau! Nicht die Namen Ihrer Gäste auf den Tischkarten sind ausschlaggebend für den Wert Ihrer Persönlichkeit, nicht die teuersten Blumen sind immer die schönsten und die kostbarsten Porzellane die prächtigsten. Sie brauchen sich nicht eines Freundes zu schämen, der keinen Hispano fährt, und wenn statt eines Dieners im englischen Jäckchen und weißer Schürze ein schwarzgekleidetes Mädchen das Frühstück bei Frau Dr. X serviert, so ist sie, trotz gegenteiliger Urteile, absolut gesellschaftsfähig. Ihr Abendkomplet, verehrte Freundin, muß nicht unbedingt 1500 M. kosten und von Poiret sein, trotz Ihrer verächtlichen Blicke ist der rosa Georgettetraum Ihrer Freundin von einer kleinen Schneiderin für 200 M. ebenso wirkungsvoll! Seien Sie nicht so snobistisch, machen Sie sich das Leben nicht ungemütlicher und schwieriger, als es ohnedies schon ist.

Aber, verehrte gnädige Frau, seien Sie ein wenig snobistisch in der Auswahl Ihrer Flirts, bei den Erzählungen von Klatschgeschichten und bei allen intimen, persönlichen Angelegenheiten, kurzum – beim Thema: Diskretion! Seien Sie dabei ein bißchen hochmütig, blasiert und zurückhaltend – es kommt Ihnen zugute – jede andere Art Snobismus jedoch überlassen Sie ruhig den weniger gescheiten Evastöchtern ...[15]


Sind Sie snobistisch

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 15-16.
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