Weinen, Lächeln, Lügen.

[17] Drei nachweislich wichtige Requisiten unserer Schönen! Meist nicht mehr wirksam, da zu stark aufgetragen. »In der Beschränkung zeigt sich erst –« das meiste, nämlich die Wirkung.

Es gibt süße kleine Mädchen, die immer feuchte Augen vorführen, die bei jeder nur möglichen Gelegenheit überlaufen, es gibt noch viel mehr hochgewachsene Schönheiten, die sich das divahafte Lächeln so angewöhnt haben, daß sie selbst bei den schmerzlichsten Gelegenheiten nicht mehr davon ablassen können, und es gibt unzählige fesche junge Damen, die von früh bis abends – lügen müssen! Es mag Gründe geben, die Wahrheit nur mäßig zu lieben, aber sie gar nicht zu beachten, ist ein gefährliches Experiment, und wenn man dann plötzlich die Wahrheit spricht, kommt es nach Oskar Wilde »früher oder später an den Tag«!

Weinen, Lächeln und Lügen sind die sichersten Reserven! Seid sparsam! Eine Träne im richtigen Augenblick erreicht mehr als ein tägliches monotones Weinen, das langweilt, und der Reiz eines seltenen Lächelns überwältigt und begütigt.

Schwieriger ist es mit der Lüge. Wenn man Beleidigungen umgehen, andern nützen und sich selbst Annehmlichkeiten verschaffen kann, sind Höflichkeitslügen (nur von solchen ist hier die Rede!) zu entschuldigen, um so mehr, wenn es in reizender, geschickter, amüsanter, nicht nachzuweisender Form geschieht. Aber es muß nicht unbedingt soweit gehen, wie es eine kürzlich aufgefangene Unterhaltung wiedergibt.

Freundin A: Wieso bist du mit diesem blonden Doktor soviel zusammen? Ich merke doch, wie du dich verstellst, dich zusammennimmst, dir förmlich Gefühle für ihn suggerierst.

Freundin B: Das verstehst du nicht, gut eingeredet, – immer noch besser als schlecht empfunden![17]

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 17-18.
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