Das Kapitel von der »letzten Frau«.

[116] Es muß erwähnt werden; so schwierig es ist, so wichtig ist es auch. Weil die meisten Damen, es klingt burlesk, aber es ist Tatsache – an dieser sogenannten »letzten Frau« scheitern.

Man sitzt bei Tisch – plötzlich wird eine der jugendlichen Tänzerinnen unruhig, versucht die andere zu hypnotisieren, die das mißversteht und auf irgendeinen vorhandenen oder schon wieder verschwundenen Verehrer bezieht. Endlich wird auch sie unruhig, und da versteht man sich gegenseitig. Nun die Einleitungen: lange Debatten: »Mußtest du nicht telephonieren – ach ja, richtig.« »Nein, mein Taschentuch, in der Garderobe – aha, Taschentuch.« »Willst du nicht auch das deinige?« Und so weiter. Schließlich der geräuschvolle Aufbruch, dem sich meistens dann noch eine Dritte bereitwilligst anschließt.

Wozu um Himmels willen »tant de bruit pour ...«? Das, was diskret und unauffällig geschehen soll, wird doppelt betont. Haben Sie schon beobachtet, wie sich die anwesenden Herren belustigen, wenn der Strudel der Damen plötzlich aufbricht? Eine kann nicht ohne die andere. Weshalb? Würde ein sachliches Aufstehen: »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick«, oder ein Nach-dem-Tanz-Verschwin den: »Ich bin gleich wieder am Tisch«, nicht vornehmer und geeigneter sein? Wir sind alle keine Engel, also warum so betont – verschämt? Nicht mehr paar-oder trioweise – meine Damen – denken Sie daran!

Und dann: die »letzte Frau« von heute. Die wenigsten haben eine Ahnung. Sie ist der Retter in der Not: Strumpfbänder, Strümpfe, Nähzeug, Ondulationsscheren, Aspirin, Antineuralgikum, französischer Puder, alle Sorten Parfüme, Nagelscheren und Zahnbürsten, Manikürkästen, Gürtel und Schleier – kurzum ein »Warenhaus en détail« finden Sie im Souterrain oder wo sie jeweilig placiert ist. Ein kolossal beruhigendes Gefühl im Strom unübersehbarer Ereignisse – die einem die »letzte Frau« mitunter zur – ersten Frau – machen.


Das Kapitel von der »letzten Frau«

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Das Kapitel von der »letzten Frau«

Quelle:
Reznicek, Paula von: Auferstehung der Dame. Stuttgart 7[o.J.], S. 116-117.
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