Die Ausführung von Besuchen.

[22] Es gibt mancherlei Anlässe, die die Abstattung von Besuchen notwendig machen. Nimmst Du eine Stellung in einer fremden Wirtschaft als junger Mann oder Beamter an, so machst Du Deinem neuen Chef einen Vorstellungsbesuch. Will man sich mit Berufsgenossen und anderen Personen, mit denen man in Zukunft näher verkehren will oder muß, bekannt machen, so muß man ihnen einen Anstandsbesuch abstatten. Ferner macht man Besuche, um Glückwünsche oder auch sein Beileid auszusprechen.

Die zulässige Zeit für alle diese Besuche ist vormittags zwischen 11 bis 13 Uhr, ev. auch nachmittags zwischen 17 und 18 Uhr. Die Besuche werden im allgemeinen nur Sonntags ausgeführt, da Wochentags die meisten Personen beruflich abgehalten sind, was besonders auch für Landwirtskrise zutrifft.

Besitzt Du keinen Cutaway, so darfst Du als Besuchskleid ohne Bedenken Deinen dunklen Anzug anziehen. An der Wohnung der zu besuchenden Person machst Du Dich durch Läuten oder Klopfen an der Tür bemerkbar. Öffnet Dir ein Dienstmädchen, so läßt Du Dich durch Abgabe einer Visitenkarte anmelden. Besitzt Du eine solche nicht, so nenne Deinen Namen und den Zweck Deines Besuches. Bittet man Dich ins Besuchszimmer, so schließt Du die Tür hinter Dir, so daß den Anwesenden Deine Vorderseite zugewendet ist.

Ist die Herrschaft nicht zu Hause, so läßt man seine Karte dort; der beabsichtigte Anstandsbesuch gilt dann als ausgeführt, nicht aber ein Vorstellungsbesuch. Wirst Du gebeten näher zu treten, so legst Du im Vorzimmer Schirm oder Überrock ab und gehst dann in das Empfangszimmer. Die Kopfbedeckung nimmst Du mit in das Zimmer, sie muß aber in der Hand behalten werden, darf also nicht auf den Stuhl oder Tisch gelegt werden. Platz nehmen darf man erst nach erfolgter Aufforderung und wenn sich die Person, der der Besuch gilt, selbst gesetzt hat. Nach erfolgter Begrüßung wird sich je nach Art des Besuches ein Gespräch entwickeln. Antworte freundlich und bescheiden auf alle gestellten Fragen, ohne selbst viele Fragen zu stellen. – Die[22] Dauer des ersten Besuches darf nicht länger als 15–20 Minuten betragen. Nach der Uhr zu sehen, ist natürlich unschicklich, die Zeit muß abgeschätzt werden. Bei Vorstellungsbesuchen wird sich die Zeitdauer je nach der Art des Vorgesetzten verkürzen oder verlängern.

Nach Verlauf der Zeit erhebst Du Dich, um Dich zu verabschieden. Ein etwaiges Bedauern über Deinen raschen Aufbruch hast Du nur als Höflichkeitsform zu betrachten. Den Stuhl oder Sessel läßt Du dort stehen, wo Du auf ihm gesessen hast. Beim Verabschieden grüßt man durch eine Verbeugung und sucht durch Rückwärtsgehen die Tür zu erreichen. Am Benehmen der Personen, denen Du Besuch machst, wirst Du erkennen, ob Dein Besuch gern gesehen ist oder nicht.

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 22-23.
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