Vom Benehmen im Ballsaal und vom Tanzen.

[24] Als junger Mann mußt Du auch die Kunst des Tanzens, soweit dies für einen Landwirt nötig ist, beherrschen. Das Tanzen ist nicht[24] nur ein Vergnügen, sondern auch eine nützliche und gesunde Leibesübung.

Zum Ball erscheint man im schwarzen Anzug. Beliebt ist zurzeit bei jungen Herren der Cutaway mit schwarz-weißem Selbstbinderschlips. Bei Bällen in bester Gesellschaft trägt man den Frack oder Smoking, doch dürfte dies für Dich noch nicht in Frage kommen.

Sogleich bei Beginn eines Tanzes gehst Du in flottem Schritt auf die Dame, mit der Du zu tanzen wünschst zu, verneigst Dich vor ihr und gebrauchst dabei etwa folgende Worte: Dürfte ich um die Ehre dieses Tanzes bitten?; oder auch nur: Dürfte ich bitten. Sollte die Dame aus berechtigten Gründen den Tanz abschlagen, so darfst Du Dich keineswegs ungehalten hierüber zeigen. Hüte Dich mit derselben Dame mehrmals hintereinander zu tanzen, dies gibt oft Anlaß zu unliebsamen Redereien. Schwestern und nahe Verwandte sind hierbei ausgenommen.

Beim Tanzen darfst Du nicht springen oder hüpfen, sondern Dich, während Du über den Fußboden gleitest, nur auf den Fußspitzen heben und senken. Vermeide alles Gezierte, rase nicht durch den Saal; drehe Dich aber auch nicht auf einem Fleck. Halte Dich nicht steif aber auch nicht krumm, beuge den Kopf weder nach vorn noch nach der Seite. Willst Du in Gesellschaften beliebt sein, mußt Du gern, gut und auch viel tanzen!

Tanze nicht nur mit den umschwärmten Ballschönheiten, sondern auch mit den weniger gesuchten Tänzerinnen. Du wirst gerade unter diesen oft die angenehmsten Bekanntschaften machen. –

Hast Du während des Tanzes jemand getreten oder gestoßen, so bitte um Entschuldigung. Sprich während des Tanzes nicht viel, lache nicht, schaue aber auch nicht zu düster drein. Sich gegenseitig ins Gesicht zu sehen ist unschön. Du darfst die Dame nicht zu fest an Dich drücken, aber auch nicht zu weit von dir entfernt halten. Unschicklich ist es zu tanzen, ohne der Dame die Hand zu halten. Das Links- und Rückwärtstanzen ist nicht erlaubt. Tanze in einer ordentlichen Rundung um den Saal, nicht bloß in einer Ecke oder unter dem Kronleuchter.

In den Pausen bei den Rundtänzen und beim Gegentanz unterhalte der Herr seine Dame auf angenehme Art. Versäume nicht der Dame einige Artigkeiten zu sagen, vermeide es andere Damen zu loben. Nach Beendigung des Tanzes führt man die Dame wieder an ihren Platz zurück und dankt ihr durch eine Verbeugung etwa mit den Worten:[25] Es war mir ein Vergnügen; oder: Ich danke sehr. – Tritt einem jungen Mädchen, das Achtung verdient, nicht zu nahe. Denke daran, daß Deine Mutter auch einmal ein junges Mädchen war, und daß Du es ungern sehen würdest, wenn jemand Deiner Schwester zu nahe tritt. – Der Tänzer folge stets willig den Anordnungen des Ballvorstehers oder des Tanzordners und richte sich im allgemeinen nach den örtlich bestehenden Sitten und Gebräuchen. Vermeide es als guter Deutscher ausländischexotische oder auffallende Tänze zu tanzen. Vermeide jeden Streit mit anderen Herren. Bei Fehlern und kleinen Ungeschicklichkeiten, die Du begehst, werde nicht verlegen, aber auch nicht ungeduldig, wenn andere sie begehen. – Ist zum Gang nach dem Ballsaal eine Treppe zu steigen, so gehe treppauf stets der Dame voraus.

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 24-26.
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