Der junge Landwirt im Beruf.

[29] Jeder junge Landwirt, auch der künftige Hoferbe sollte nach Besuch einer landwirtschaftlichen Lehranstalt wenn irgend möglich, einige Jahre in einem gutgeleiteten Betriebe Stellung als »junger Mann« oder später als Verwalter annehmen. Mancher unserer Schüler wird die landwirtschaftliche Beamtenlaufbahn zum Lebensberuf erwählen. Diesen sei noch ein gutes Wort mit auf den Weg gegeben.

Bemühe Dich stets, Dich durch Pflichteifer, Umsicht, Pünktlichkeit und Ehrlichkeit auszuzeichnen und Dir die Anerkennung Deines Herrn zu erwerben. Was Du auch tust, es sei immer etwas Ganzes und[29] Ordentliches. Sei früh auf dem Hof der Erste und abends der Letzte. Es ist meist Faulheit, wenn ein gesunder junger Mann frühmorgens nicht aus dem Bett finden kann. Hast Du Arbeitskräfte unter Dir stehen, so sei zu diesen immer freundlich, doch fest und bestimmt. Erteile Deine Anordnungen nach vorheriger reiflicher Überlegung kurz und leicht verständlich, so daß Irrtümer ausgeschlossen sind. Hast Du Leute bei der Arbeit zu beaufsichtigen, so unterhalte Dich nie während der Arbeit mit ihnen und stelle sie so an, daß sie das Höchstmaß an Arbeit leisten. Pflege nie mit den Arbeitsleuten plump-vertraulichen Umgang, sonst hast Du Dir bald Respekt und Achtung vergeben. Trinke z.B. als Beamter nie mit Arbeitsleuten aus ein und derselben Flasche, erzähle Dir mit ihnen keine faulen Witze, oder halte Dich ohne Grund längere Zeit in ihren Wohnungen auf usw. Ziehe zwischen Dir und den Arbeitsleuten eine Grenze und halte Dich in allen Dingen zur Herrschaft. Sprich auch den Tagelöhner mit »Herr« und nicht mit »Du« an. Du vergibst Dir nichts, wenn Du ältere Arbeiter höflich und zuerst grüßt. Laß Dich niemals in eine Liebschaft mit einem Dienst-, Haus- oder Stubenmädchen Deiner Herrschaft ein, es ist dies schon manchem jungen Landwirt zum Verhängnis geworden.

Sei in allen Dingen unbedingt ehrlich und lasse Dir nie eine auch noch so kleine Veruntreuung zu schulden kommen. Wache über das Gut Deines Herrn als ob es Dein Eigentum wäre; teile Deinem Chef auch die kleinste Veruntreuung oder den Diebstahl von kleinen Dingen unbedingt mit. Achte sorgfältig darauf, daß die Türen zu Speichern, Futter-Korndöden usw. stets verschlossen sind, dann kann niemand zum Diebstahl verleitet werden. Halte auf dem Hof, in den Geschirrkammern, Maschinenschuppen usw. auf Ordnung und Sauberkeit. Dulde nicht, daß Hacken, Schaufeln und andere Geräte überall umherliegen. – Achte darauf, daß alles Vieh sorgfältig gepflegt und pünktlich gefüttert wird. Dulde keine Tierquälereien. Leuchte jeden abend, ehe Du schlafen gehst, sorgfältig die Ställe ab und melde sofort, wenn ein Tier Beschwerden hat oder einen kranken Eindruck macht. Achte auch darauf, daß alle Tiere regelmäßig getränkt werden. Hast Du selbst ein Gespann zu führen, so füttere rechtzeitig, pflege und behandle Deine Pferde so, daß sie die besten und leistungsfähigsten im Stalle werden. Mußt Du selbst gelegentlich mitarbeiten, so tue dies nicht unwillig, sondern sei besonders fleißig und gib den Arbeitern ein gutes Beispiel. Gehorche den Weisungen Deines Herrn und widersprich ihm nie in Gegenwert der Arbeitsleute. Sprich niemals Untergebenen gegenüber[30] Schlechtes über euren gemeinsamen Arbeitgeber. Es untergräbt stets mit der Zeit auch Deine Autorität. Kritisiere ihn, wenn Du wirklich ein Recht hierzu zu haben glaubst, nur im stillen oder in stets sachlicher und ruhiger Weise mit Dir Gleichgestellten. Sprich niemals weg werfend oder abfällig von ihm; werde ihm wie allen Menschen, auch wenn sie Dir einmal nicht sympathisch sein sollten, gerecht. Hast Du Bücher zu führen, so tue dies regelmäßig und ordentlich mit sauberer Handschrift. – Willst Du nach Feierabend ausgehen oder Sonntags Urlaub haben, so bitte rechtzeitig und höflich darum. Kehre stets zur festgesetzten Zeit vom Urlaub zurück. Wird der Urlaub verweigert, so lasse Dir etwaigen Unwillen darüber nicht anmerken. Verbringe Deine freie Zeit nicht im Gasthof beim Kartenspiel oder in zweifelhafter Gesellschaft. Treibe Dich zu später Abendstunde nicht singend und lärmend auf der Dorfstraße herum. Meide den Alkohol, er hat schon manchen jungen Mann unglücklich gemacht. Lies Fachzeitungen oder ein gutes Buch und unterlasse keine Möglichkeit Dich fachlich weiterzubilden.

Verkehre möglichst mit Deinesgleichen oder gebildeten Leuten im Orte, von denen Du noch lernen kannst, z.B. mit dem Geistlichen, Lehrer, Tierarzt usw. Bitte Deinen Herrn darum, daß er Dich gelegentlich in die Versammlungen landwirtschaftlicher Vereine und Genossenschaften, zu Tierschauen usw. mitnimmt. Halte die Verbindung mit Deiner Landwirtschaftsschule und ihren Lehrern aufrecht.

Hast Du Familienanschluß, so benimm und führe Dich so, daß Dich alle gern haben und wertschätzen. Laß es an Höflichkeit und Zuvorkommenheit gegen die Familienangehörigen Deines Chefs nie fehlen! Lege stets besonderen Wert auf Deine Kleidung und wechsle sie, wenn möglich, vor Tisch.

Halte eine etwaige Kündigungsfrist inne und lause nicht ohne weiteres und ohne triftige Gründe aus Deiner Stelle fort. Nimm eine verdiente Rüge oder einen Tadel ruhig hin, nimm Dir Besserung vor und laß Dich nicht zu unbesonnenen Äußerungen oder Handlungen hinreißen. Werde niemals gegen irgend jemand handgreiflich.

Lege in Anfangsstellungen keinen besonderen Wert auf hohes Gehalt, sondern auf gute Behandlung, Familienanschluß und besonders darauf, etwas Tüchtiges für Leben und Beruf lernen zu können. Wechsle Deine Stellung nicht zu oft und laß Dir ein ordnungsgemäßes Zeugnis ausstellen. Es muß Aufschluß über Deine Führung und Deine Leistungen geben. Glaubst Du Grund zu irgend welchen berechtigten Klagen zu haben, z.B. über zu knappe Kost, so bringe sie stets[31] bescheiden bei Deinem Chef vor, doch nie in Gegenwart dritter Personen.

Laß Dir Deine Rechte von niemand schmälern, ebensowenig dulde eine Verletzung Deiner Ehre, diese sei Dein höchstes und heiligstes Gut. Kurz und gut, bemühe Dich ein tüchtiger Mensch und Landwirt zu werden, der etwas kann und leistet und den andere achten, schätzen und ehren.[32]

Quelle:
Roeder, Fritz: Anstandslehre für den jungen Landwirt. Berlin 21930, S. 29-33.
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