Unüberlegter und nachteiliger Frevel meiner Kameraden

[51] Meine Kameraden, welche schon von meinem Schicksal unterrichtet waren, zogen mir mit schallendem Gelächter entgegen, als ich auf der Nachtkoppel ankam. Ich mußt ihnen meine Unfälle haarklein erzählen und fand am Ende meiner Erzählung das Sprüchwort bewährt: Wer den Schaden hat, darf für den Spott nicht sorgen! Ich wurde brav ausgelacht.

Da ich wenig zu hüten hatte und sehr müde war, so kroch ich, nach dortiger Sitte, in einen Sack, um so zu[51] schlafen. Kaum hatten die mutwilligen Knaben bemerkt, daß ich eingeschlafen war, als sie mir den Sack über den Kopf gezogen und zugebunden hatten. Unglücklicherweise hatte sich ein starkes Gewitter erhoben und sie zu dem Vieh getrieben, das bekanntlich bei starkem Donner die Flucht ergreift. In der Angst hatten sie vergessen, den Sack wieder aufzubinden. Als mich die heftigen Donnerschläge ermunterten, wußt ich wohl, daß ich im Sacke stak, aber unbegreiflich war es mir, daß ich mich nicht herausfinden konnte, und rief laut um Hülfe. Da mich niemand hörte, so wälzte ich mich in dem Sack eine ziemliche Strecke weit von meiner Lagerstätte und unglücklicherweise an ein Loch, worin sich das Wasser sehr angesammelt hatte, so daß ich dem Jonas im Walfischbauche glich. Dadurch hatte sich der Sack so verdichtet, daß ich kaum noch Luft schöpfen konnte und in Gefahr zu ersticken war. Ängstlich betend fühlt ich in meinem Sacke herum, bis ich ein kleines Loch darin entdeckte, welches ich mit Hülfe der Zähne so vergrößerte, daß ich mit der Hand durchkommen und ihn damit vollends zerreißen konnte. Als ich herauskam, war es ringsum Nacht um mich und so dunkel, daß ich mich nicht zu der Hütte zurückfinden konnte, vor welcher ich gelegen hatte. Ich hörte weder Menschen noch Vieh, daher raffte ich mich zusammen und eilte nach Hause.

Quelle:
Sachse, Johann Christoph: Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers. Von ihm selbst verfasst, Berlin 1977, S. 51-52.
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Der deutsche Gil Blas
Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers
Der deutsche Gil Blas. Eingeführt von Goethe. Oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers