Überzug nach Camin

[59] Ich mußte nun der Bostelschen Familie nach Camin folgen, wo Bostels Schwiegereltern wohnten.

Es wurde viel über die Veranlassung des Feuers und besonders viel über folgende sonderbare Geschichte gesprochen: Einige Bauern aus dem Dorfe Lüttow hatten die Nacht vor dem Brande Feuer in dieser Gegend fliegen sehen. »Das ist der Drache«, sagt der eine. – »Wart«, sagt der andere, »den will ich festmachen.« Er zieht darauf ein Rad vom Wagen, steckt es link wieder an und fährt mit seinen Kameraden unter der Versicherung weiter,[59] daß der Teufel nun nicht wieder herauskönne, wo er eingezogen wäre, er müßte denn entweder das Dach mitnehmen oder das Haus in Flammen setzen.

Diese alberne Rede lief von Munde zu Munde; die Obrigkeit stellte darüber strenge Untersuchung an, welcher sich der Urheber durch die Flucht entzog, ohne bei meiner Zeit wieder zum Vorschein zu kommen.

Wie sich aus der gerichtlichen Untersuchung ergab, war die eigentliche Veranlassung des Feuers diese: Der Nachbar des Bostels, dessen Name mir entfallen, hatte eine trächtige Kuh am Morgen mit einer Kohlenpfanne geräuchert und wahrscheinlich eine brennende Kohle im Stalle verloren. Zur Strafe dafür ward er von der Nachbarschaft ausgeschlossen und mußte vor den Flecken bauen.

Dieses Mannes eingezogene stille Lebensart war schon dem abergläubischen Publikum verdächtig; als aber das Feuer bei ihm ausbrach, so wurde die Meinung laut, daß er den Drachen hätte, und man würde in der ersten Wut und Hitze ihn ins Feuer geworfen haben, wenn man ihn gefunden hätte. Zudem hatte er die böse Gewohnheit, bei jeder Gelegenheit im Zorn oder Scherze zu sagen: »Leckt gih den Tübel in Ars, heu het swarte Boosken an!« (Küßt dem Teufel den Hintern, er hat schwarze Hosen an!) Worauf ich selbst einmal von jemanden bemerken hörte, daß er ihn doch gesehen haben müßte.

Quelle:
Sachse, Johann Christoph: Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers. Von ihm selbst verfasst, Berlin 1977, S. 59-60.
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Der deutsche Gil Blas
Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers
Der deutsche Gil Blas. Eingeführt von Goethe. Oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers