Betretung einer neuen Lebensbahn

[73] Kaum war ich aus der Schule entlassen, so sagte der Vater zu mir: »Deine Kinderjahre sind nun vorüber; jetzt mußt du ein Geschäft ergreifen, wodurch du dir deinen künftigen Lebensunterhalt sicherst; prüfe dich, wozu du besondere Lust hast, und wähle.«

Ohne mich lange zu bedenken, sagte ich ihm, daß ich besondere Vorliebe zum Bauernstande in mir spüre und ihn daher bat, mich wieder zu Bostels zu tun.

Diese Erklärung schien der Vater nicht erwartet und weit größere Dinge mit mir im Sinne zu haben, daher macht' er mich sowohl auf die unangenehmen Ereignisse aufmerksam, die mir bei Bostels begegnet wären, als auch auf die hübschen Vorkenntnisse im Rechnen und Schreiben, durch welche ich im Kaufmannstande mein Glück machen könnte.

Da der Vater keinen Widerspruch vertragen konnte, so mußt ich es geschehen lassen, daß er mit dem Kaufmann[73] Burgermeister zu Mölln einen schriftlichen Vertrag abschloß, nach welchem ich fünf Jahre lang die Schnitt- und Materialhandlung bei demselben erlernen sollte.

Es ist eine gewöhnliche Sitte der Eltern, bei der Wahl des Gewerbes ihrer Kinder mehr ihre Vorliebe für das eine oder das andere Geschäft als die Neigung ihrer Kinder zu Rate zu ziehen, und daher kömmt es wahrscheinlich, daß so wenig Menschen mit ihrem Stande zufrieden sind.

Quelle:
Sachse, Johann Christoph: Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers. Von ihm selbst verfasst, Berlin 1977, S. 73-74.
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Der deutsche Gil Blas
Der deutsche Gil Blas oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers
Der deutsche Gil Blas. Eingeführt von Goethe. Oder Leben, Wanderungen und Schicksale Johann Christoph Sachses, eines Thüringers