Umwandlung des Theaters.

[233] Das Schreiben hörte nun etwas auf; denn man hatte an etwas Wichtigerem zu arbeiten. Und um zustande zu bringen, warum und weswegen so viel geschrieben wurde, ein ander Mittel und Weg war nicht, als daß, wenn Madame Hensel allein alles spielen und noch Wohlgefallen sollte austeilen können, sie, wenn nicht Direktrice selbst, doch zum allerwenigsten Vizedirektrice würde. Herr Seyler, der ihr großer Patron war, denn er war auch sehr reich, wurde aus Liebe zu ihr mit noch einigen breit geschlagen, das Hamburger Theater zu übernehmen. Ackermann war es ohnedies sehr verleidet worden, und Schulden hatte er auch noch, und das war denn der Weg, auf einmal aus den Schulden und von der ganzen Last zu kommen. Entrepreneure wollten Herr Seyler, Herr Tyllemann und Herr Bubbers sein; Direkteur Löwe, und seine Frau Aktrice von neuem.[233]

Bubbers, der nicht gern wollte, daß ich wegging, war den anderen entgegen. Nun dachte man, mir durch Kritiken den Mut zu benehmen, aus Hamburg zu weichen, und glaubten, daß ich mir gern alles würde gefallen lassen, was man mir bieten würde, ja, noch dazu Gott danken, daß ich's nur annehmen konnte. – Ballette sollten nicht sein; denn die gehören auf kein regelmäßiges Theater. Kurz, alles sollte ein non plus ultra sein. Und, bei Gott, es wurde es auch.

Habe manchen dumm zu Werke gehen sehen, aber so noch nicht. Kurz, sie machten Einrichtungen, daß sie das Geld nicht stückweis, nein, Hüte voll zum Fenster hinauswarfen. Die Sache sollte noch ein Geheimnis sein. Aber zum Unglück wußte es der dumme Junge, Karlchen Schönemann; der wußte das Glück und den hohen Schwung, daß sein Schwager durch seine Kritiken sich zum Direkteur geschrieben, nicht zeitig genug auszuschwatzen. Der sagte es dem Sekretär des französischen Gesandten, daß sein Schwager Direkteur würde. Der sagte es an den Sekretär Dreyer, und dieser mir.

Den 6. September, an einem Sonnabendnachmittag, kommt's so aus. Aha, nun kommt's und wird alles klar. Den 8. wurde von Herrn Löwe das Stück gegeben »Ich habe es beschlossen«, und zwar zum ersten Male. Hat wenig Beifall gefunden, und die meisten Gesellschaften, sowie sie's durchgelesen, beschlossen auch, es nicht zu geben. Auch ich hatte die hohe Gnade, eine Rolle darinnen zu spielen, das Kammermädchen. Hätt's ihm gern vergeben, wenn er mir auch nichts zugeteilt. Und schon bei der Probe bekam Mad. Hensel mit Herrn Löwe einen Streit, daß sie schwarze Blümchen sollte in den Haaren haben, da sie doch nicht in Trauer ging. Doch er wollte es, weil sein Narr, der Chevalier, es zu sagen hatte und die schwarzen Blümchen der Dame aus der Frisur zieht. Und, notabene, die Dame hat Verstand, sowohl an Geist, als an Geschmack, sich zu kleiden. Doch so was nimmt sich ein Löwe nicht übel, und kurz, er wußte in der Eile oder aus Mangel, selbst was Neues zu sagen, kein ander Mittel, als den Chevalier aus dem »Triumph der guten Frauen« zu befehlen. Tapfer stritten beide miteinander, und ich dachte: »Oh, es wird noch besser kommen, und hatte meine wahre[234] Lust daran. Mad. Hensel frug mich sogar, ob sie nicht recht hätte.« Ich, die ich in meinem Leben nie verblümt sprach, sondern immer so, daß man mich gleich verstehen konnte, antwortete: »Freilich haben Sie recht. Denn Sie sind in der Rolle gescheut, der Chevalier aber ein Narr. Unsinnig ist's: schwarze Blumen ohne Trauer. Doch es kommt von Herrn Löwe her.« Weg ging er; und alle Schurken, die ich ihn genannt, taten ihm nicht so weh, als daß ich seine Autorschaft als dramaturgischer Dichter angriff. Doch etwas zu sagen, hatte er doch keine Courage. Madame steckte keine schwarzen Blümchen in die Haare, und Mad. Boeck, die den Chevalier machte, nahm doch, wo keine waren, um den Autor ja nicht zu kränken, schwarze Blümchen und Worte aus der Frisur.

Bin ich doch schon auf den Abend 8 Uhr, und sollte noch nicht 10 des Morgens geschlagen haben. Gut, daß ich mich besinne, wo ich geblieben. Des Morgens bei der Probe rufe Herrn Ackermann, daß ich ihm was zu sagen hätte. Kam zu mir. »Apropos, Herr Ackermann, gestern habe ich gehört, daß Sie gesonnen wären, auf die Fasten Ihr Theater aufzugeben. Kaufleute aus der Stadt wollen's übernehmen. Nun bin ich acht Jahre bei Ihnen, ohne aufgesagt zu haben. Wissen, wie ehrlich wir Sie behandelt. Hoffe nun gleich Ehrlichkeit von Ihnen, daß Sie mir die Wahrheit sagen werden.« »Wer hat Ihnen das gesagt?« »Der Sekretär Dreyer. Der hat's vom Sekretär des Französischen Gesandten und dieser vom jungen Schönemann, der dabei gesagt, sein Schwager würde Direkteur. Also, Herr Ackermann?« »Ja, es ist wahr. Haben mir und meiner Frau alles zum Ekel gemacht. Aber sie werden untereinander ankommen! Nur tun Sie mir den Gefallen, und sagen noch niemandem was davon!« »Nein, Herr Ackermann, das verspreche ich Ihnen nicht und kann's nicht versprechen. Das Barett soll eingehen. Sind welche hier, die nicht so geschwind wieder Brot haben könnten wie ich, sollen's wissen! Alle, heute noch!« Kaum konnte ich die Zeit erwarten, bis die Stückprobe aus war. Das Tänzerkorps kam. Schon sollte angefangen werden, als ich sagte: »Allons, alle her!« Nun stellte ich sie in eine Reihe. »Herr Boeck, Sie gehören nicht mit dazu. Nun hört auf mich![235] Kund und zu wissen sei euch hiermit durch mich getan, daß ihr mit mir und meinem Bruder alle eurer Wege geht und hiermit auf die Fasten euern Abschied habt. Kaufleute aus der Stadt übernehmen das Theater, und der Kritikenschmierer, Herr Sekretär Löwe, wird Direkteur.« Das war nun wirklich eine Komödie, alle die Gesichter zu sehen. Doch keins sah betrübt. Und von nun an fing erst recht unsere Lust an. Ballett und Tanzproben waren die einzige Schadloshaltung; denn aus der Komödie machten wir uns wenig oder nichts mehr. Ich selbst verlor alle Lust zu spielen.

Quelle:
Schulze-Kummerfeld, Karoline: Lebenserinnerungen. Berlin 1915, S. 233-236.
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