a) Guten Morgen!

[14] Erwache und lache! Es ist das Natürliche, wohl gestärkt und ausgeruht in den Zeitkreis des jungen Tages zu treten. Glückliche Jugend, du gehst vielleicht einmal mit kleinen Sorgen und Nöten schlafen! Diese aber fallen von dir ab wie die Schatten der Nacht; darum:

Sei nicht mürrisch, launisch, unwirsch, wenn deine Mutter dich zu deinem Tagewerk wecken muß. Erwache und lache. Der junge Morgen fordert ein fröhlich Gesicht, Hans Frühauf und Grete Hurtig. –


Mädel, wasch' dich, kämm' dich, putz' dich fein!


Sieh, die äuß're Reinlichkeit ist der inneren Unterpfand. Es hat einmal ein Mann gesagt: Der Seifenverbrauch eines Volkes ist der Maßstab seiner Kulturhöhe.

Nun, dann dürfte unser Volk wohl mit an der Spitze der Nationen marschieren. Allen nordischen Völkern wird Sauberkeit an Körper und Kleidung nachgepriesen. Ja, man behauptet, sie haben die Seife erfunden. Freilich gibt es hier und da Schmutzfinken. Ihre nordische Abstammung müßte man allerdings dann anzweifeln. Du willst doch sicher nicht zu diesen faulen Ausnahmen gehören, Gunther, und du, Helga, doch erst recht nicht?

Darum: Gründlich den ganzen Körper gewaschen, das Haar glatt gekämmt, die Nägel gesäubert und beschnitten. Nicht geknabbert. Ich habe es einmal erlebt, daß ein junges Mädchen zu einem jungen Mann, der er die Hand reichen wollte, sagte: »Nein, Ihnen gebe ich die Hand nicht, sie knabbern sich ja die Fingernägel.« Das war wie ein Keulenschlag für den Mann, aber es hat geholfen. Die Zahnbürste nicht geschont.[14] Keine Angst, daß die Kleiderbürste zu schnell abgenutzt wird. Schuhpaste ist auch nicht so teuer, und wenn sie alt ist, wird sie trocken. Also blitzblanke Stiefel. Ein älterer Herr sagte mir mal: Wenn ich mich in meiner Jugend für ein Mädchen interessierte, betrachtete ich erst einmal ihre Schuhe. Waren die nicht in Ordnung, lief sie mit schiefen Absätzen oder ungeputztem Schuhzeug herum, dann hatte ich schon genug.


Die Mehlkiste.


Warum soll ein Mensch nicht seine Haut pflegen? Muß er sich aber deshalb wie ein Indianer bemalen, die Augenbrauen abrasieren – Wimpern anleimen – den Mund mit dem Lippenstift verunstalten – das Haar bleichen – die Nägel grün oder rot polieren, und was es sonst noch für ausländische oder jüdische Unsitten gibt?

Eine also aufgeputzte Dame kam einst in eine Schule, um einen Vortrag zu halten. Darauf wurde sie von den Lehrerinnen gefragt, ob sie in dieser Aufmachung vor deutsche Kinder hintreten wolle. Sichtlich betroffen ging sie in den Waschraum und kam als natürlicher Mensch mit dem anmutigen Gesicht, das ihr der Schöpfer gegeben hatte, wieder hervor. Es war eine bittere Lehre, die sicher nachhaltig gewirkt hat.


Die Parfümwolke.

Sich mit zarten Wohlgerüchen bei besonderen festlichen Gelegenheiten zu umgeben, ist an sich nichts Schlimmes bei Frauen und Mädchen. Aber das will gelernt sein. Jedes Zuviel wirkt widerlich. Jeder, der nicht gerade Stockschnupfen hat, entflieht der Wolke des süßlichen und aufdringlichen Parfüms. Ein parfümierter Mann wirkt ebenso lächerlich wie einer mit einer künstlich gekräuselten Tolle.

Ich hatte einmal einen Hauptmann, der schnupperte eines Tages aus der Kompagnie einen solchen Parfümhengst heraus und sagte ihm vor versammelter Mannschaft: »Mann,[15] waschen Sie sich lieber alle Tage von oben bis unten; dann riechen Sie auch gut.«

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Voller Bauch studiert nicht gern.

Das soll nicht etwa heißen, du sollst mit leerem Magen in die Schule und an die Arbeit gehen. Richte dich stets so ein, daß du ohne Hast deinen Morgenimbiß einnehmen kannst.


Vermeide alles Rennen und Jagen am Morgen.

Hetze nicht die ganze Familie hin und her, nur weil du deine Sachen dir nicht am Abend vorher zusammengesucht hast.

In der Kompagnie hatten wir einmal einen »schuseligen« Einjährigen, der immer erst kurz vor dem Heraustreten seine Sachen zusammenkramte. Der brachte es fertig, daß er einmal ohne Helm antrat; als ihn der Feldwebel wieder nach oben jagte, kam er zwar mit einem Helm aber ohne Gewehr herunter. Das merkte er aber erst, als kommandiert wurde: »Das Gewehr über!« Da hatte er keins. Die ganze Kompagme brach in ein schallendes Gelächter aus. Aus dem Mann ist nie ein Soldat geworden, und etwas anderes wohl auch kaum. Es gibt Menschen, für die müssen immer die andern erst denken. Du gehörst doch hoffentlich nicht zu denen!


Guten Morgen!

ist ein schöner Gruß, ein Trompetenstoß in den jungen Tag hinein. Laß ihn hell erklingen, wenn du ins Zimmer zu den Deinen trittst.


Auf Wiedersehn!

Und dann geht es im Eiltempo zur Schule, an die Arbeit, in die Werkstatt, ins Büro.

Oder schiebst du ohne Gruß davon? Höflich wäre das nicht. Und Mutter hört deine Stimme auch zwischen Tür und Angel noch einmal gern.
[16]

Döse nicht wie ein Schlaftrunkener die Straße entlang.

Du begegnest deinem Scharführer, wohl gar deinem Unterbann- und Bannführer. Er pfeift dich mit Recht an wegen des unterlassenen Hitlergrußes. Da hast du deinen »kleinen Hofjungenärger«, wie Fritz Reuter es nennt, schon weg! Du zweifelst dann an der Wahrheit des schönen Sprichwortes: »Morgenstunde hat Gold im Munde.«

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Schmunzelnd las die Mutter weiter:

Quelle:
Schütte, Carl: Willst du erfahren was sich ziemt? Caputh-Potsdam [o. J.], S. 14-17.
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