Damenkaffee

[106] in voller Blüte. Wenn auch die Männerwelt dieser so sehr beliebten Erscheinung völlig fernsteht, oder doch wenigstens nur dann und wann und indirekt von ihm schwer geschädigt wird, so möchte ich doch nicht unterlassen, nach bestem Wissen diejenigen Fingerzeige zu publizieren, die mir wichtig scheinen, weil sie auch vielleicht den Damen nützlich sein können.

Man darf den Damenkaffee nicht mit dem Jour fixe verwechseln, da er sich durch die peinlichste Einseitigkeit von diesem abhebt. Der Jour fixe ist eine viel fruchtbarere Institution, weil er beide Geschlechter zuläßt, während der Damenkaffee, wie ja schon der Titel andeutet, ausschließlich von Frauen gebildet wird. Man kann also wohl, wenn man Lust hat, von einem gebildeten Damenkaffee sprechen. Man hat allerdings sehr selten Lust.

Der Damenkaffee hat zwei Seiten, denn als Getränk ist er genießbar.

Den Damenkaffee als weibliche Körperschaft nennt man auch Kaffeeklatsch. Man thut ihm aber Unrecht, denn er ist viel schlimmer.

Man findet den Damenkaffee in allen Schichten der weiblichen Bevölkerung, aber der Unterschied besteht nur in der Güte des Getränks und in der Qualität des dazu herumgehenden Kuchens, der zum Einstippen bestimmt ist. Ob hieraus unter den Damen[106] das Wort Stippvisite entstanden ist, das wissen sie nicht.

Die Thatsache, daß vom Damenkaffee das männliche Geschlecht ausgeschlossen ist, hat wohl darin ihre Erklärung zu suchen, daß die Damen die Konkurrenz der Männer und Jünglinge fürchten, welche auf dem Gebiet des Klatschens gleichfalls sehr leistungsfähig zu sein pflegen, so daß der unlautere Wettbewerb sich nur zu deutlich fühlbar machen würde.

Wenn man naiv ist und von den Damenkaffees nichts weiß, so erinnere man sich daran, daß man eines Tages erfuhr, man sei angeschwärzt, ohne daß man wußte, von wo aus, und ferner auch nicht wußte, wie man sich vertheidigen könne. In dieser Weise hat sich der Damenkaffee bemerkbar gemacht.

Wird man in einem Damenkaffee auf die Tagesordnung gesetzt, so ist man das Gegenteil von dem, was man ist. Ist man solide, so ist man leichtsinnig, ist man ehrlich, so ist man ein Intriguant, hat man eine untadelhafte Vergangenheit, so hat man in jeder Ecke seines Hauses ein Skelett. Ist man zufällig ein Dummkopf, so macht man sich etwas daraus.

Man beauftrage den Diener nicht, jeden Morgen genau nachzusehen, ob einem etwas am Zeuge geflickt ist, wenn man weiß, daß ein Damenkaffee stattgefunden hat, und wenn man ferner weiß, daß Freundinnen daran teilnahmen. So deutlich machen es die Damen nicht.

Wenn beim Damenkaffee erzählt worden ist, man habe ein Liebesabenteuer bestanden, so ärgere man sich, wenn es nicht wahr ist, aber man ärgere sich nur, weil es nicht wahr ist. Nichts trauriger, als vom Klatsch eines Vergehens angeklagt zu werden, welches man nicht begangen hat.

Hört man aus dem Damenkaffee erzählen, man sei heimlich verlobt und habe die allerheimlichsten Zusammenkünfte,[107] so weiß jeder, daß man das betreffende Fräulein einmal flüchtig gesehen hat.

Es ist Gefahr vorhanden, daß ein Abenteuer, welches man mit einer Teilnehmerin des Damenkaffees besteht, von dieser selbst in Ermangelung eines anderen Stoffes der Unterhaltung und im Drange der Klatschsucht aufs Tapet gebracht wird. Man thut also gut, Damen, welche einem Kaffee angehören, links liegen zu lassen und sich lieber nach einer anderen umzusehen.

Trifft man eine Frau, welche sich entrüstet über den Damenkaffee ausspricht und energisch erklärt, sie habe noch nie geklatscht, so kann man mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß sie Mitglied mehrerer Damenkaffees ist und eine große Praxis im Klatschen hat. Man sei also vorsichtig.

Man protestiere nicht, wenn man die große Glocke tönen und brummen hört, an die etwas gehängt worden ist, da dies die Folge hat, daß das Getöne und Gebrumme erst recht vernommen und geglaubt wird. Man wende das beste Mittel an: die völlige Wurstigkeit.

Ist man verlobt, so verbiete man der Braut, jemals einem Damenkaffee beizuwohnen. So lange der Brautstand dauert, wird dies Verbot meist geachtet. Alsdann findet der Eintritt in den Damenkaffee sicher statt.

Man versuche nicht, einer Damenkafferin das Klatschen abzugewöhnen, um nicht ihrer schweren Erkrankung und Tötung schuldig zu werden. Schon jeder Versuch ist erstens schädlich und zweitens nutzlos.

Wenn man eine Frau klagen hört, alle Damenkaffees seien tödlich langweilig, so darf man überzeugt sein, daß sie sie höchst amüsant findet und sie nicht missen kann.

Man schelte die Damen unpünktlich, und man thut ihnen nur dann Unrecht, wenn sie Mitglieder[108] eines Damenkaffees sind. Als solche ist die Pünktlichkeit ihre Höflichkeit, als seien sie Könige.

Hier ist ein flüchtiger Blick auf die


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 41906, Bd. I, S. 106-109.
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