Damen, welche schreiben.

[68] Trifft man, wie es sich wohl von selbst versteht, schreibende Damen, so setze man sich doch lieber zu den Damen, welche Strümpfe stricken, so schwer man sich dazu entschließen mag.

Glaubt man aber, man könne die schreibenden[68] Damen in ihrem unmäßigen Novellendichten stören, so setze man sich zu ihnen. Bliebe dadurch auch nur eine einzige Novelle ungeschrieben, so darf man sich schon dieser Störung als einer Wohlthat rühmen. Aber man wird dies niemals können, denn von den etlichen Millionen Metern Novellen, welche jährlich von Damen geschrieben werden, bleiben nicht zwei Meter ungeschrieben.

Man nehme sich aber wohl in Acht, in einer Damengesellschaft über die Blaustrümpfe etwas Böses zu sagen, denn man verletzt die Hälfte der Anwesenden nicht nur, welche schreiben, sondern auch die andere Hälfte, welche jedenfalls bereits beschlossen hat, nächstens zur Feder zu greifen.

Lernt man eine Dame kennen, von der man sagen hört, sie schriebe keine Novellen, so juble man nicht zu früh, denn es wird sich bald herausstellen, daß es nicht wahr ist.

Wird man von einer Dame eingeladen, eine ihrer Novellen anzuhören, so mißverstehe man und sage dankend, man habe bereits gefrühstückt.

Wird man von einer Dame eingeladen, welche keine ihrer Novellen vorlesen will, so verfahre man ebenso, um auszuweichen, denn sie würde trotzdem eine ihrer Novellen vorlesen.

In der Reihe noch anderer Sommerunterhaltungen nehmen die


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II, S. 68-69.
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