Zweiter Band


Ich reiste nun aus Ungarn, wo ich als Rittmeister in Garnison stand, nach Danzig; ich hatte meine beiden Brüder und meine Schwestern dahin berufen, um nach dem Tode meiner Mutter unsere Familiengeschäfte daselbst in Ordnung zu bringen. Die Hauptsache war aber, eine Reise nach Petersburg zu machen, um daselbst meiner Freunde Rat und Hilfe zu suchen, weil die Wiener Prozesse und Verfolgungen noch immer fortwüteten und meine wenigen Einkünfte, auch sogar meine Rittmeistergage, kaum hinlänglich waren, um Advokaten und Unkosten zu bestreiten.

Besonders merkwürdig ist aber dieses, was mir in der Folge der Herzog Ferdinand von Braunschweig, Gouverneur von Magdeburg, versichert hat: nämlich, daß er wirklich bereits Befehl aus Berlin erhalten hatte, mein Gefängnis zu bereiten, ehe ich aus Ungarn abgereist war. Noch mehr! Man hatte aus Wien nach Berlin berichtet, der König möge auf seiner Hut sein, der Trenck würde sich in der Gegend von Danzig in der Zeit aufhalten, wann er zum Manöver nach Preußen reisen werde.

Kann wohl der ärgste Bösewicht auf Erden solche Bosheit erdichten, um einen redlichen Mann zu beseitigen und unglücklich zu machen, damit man den Raub desto sicherer erhalten könne?

Indessen ist es wirklich geschehen. Meine noch lebenden Zeugen dieser Wahrheit sind des Herzogs Ferdinand zu Braunschweig Durchlaucht und das Berliner Ministerium, aus deren Munde ich die Bekräftigung dieses aus Wien mir damals gespielten Bubenstücks erfahren habe. Es ist die Bestätigung dieser Wahrheit hier umso notwendiger, weil niemand hat begreifen können, warum der große und wirklich großmütige König in der Folge auf eine so grausame Art gegen mich habe verfahren können, welche das Herz aller Rechtschaffenen empört, und warum er bis zum Grabe gegen mich allein wirklich unversöhnlich blieb ...[153]

Wahr ist es demnach unwiderruflich, daß ich durch eigennützige Menschen in Wien verraten und verkauft wurde, denen daran gelegen war, daß ich ewig schweigen sollte.


*


In Danzig besuchten mich nun sogleich nach meiner Ankunft im Monat Mai meine beiden Brüder, auch meine Schwester. Wir lebten 14 Tage vergnügt zusammen und verglichen uns wegen unseres mütterlichen Erbteils. Meine Schwester rechtfertigte sich vollkommen wegen ihres Betragens, da ich im Jahre 1746 Hilfe bei ihr suchte und aus ihrem Hause fliehen mußte, wovon bereits im ersten Bande Erwähnung geschehen, und wir schieden brüderlich einträchtig von einander.

Inzwischen war unsere einzige Bekanntschaft in Danzig der kaiserliche Resident, Herr Abramson, an welchen ich aus Wien Empfehlungsschreiben mitgebracht hatte, und der uns mit Höflichkeit fast verschwenderisch überhäufte.

Dieser Mann war ein geborener Preuße und in seinem ganzen Leben nie in Wien gewesen, hatte aber durch Rekommandation des Grafen Bestuchew unsere kaiserliche Residentenstelle in Danzig erhalten, ohne daß man Bürgschaft für seine Rechtschaffenheit gesucht, noch seine Fähigkeit, sein Herz oder seine Verdienste geprüft hatte.

Kaum waren meine Geschwister nach Hause gereist, so war ich entschlossen, zugleich zur See nach Rußland zu fahren, um daselbst meine alten Freunde zu besuchen. Abramson hingegen wußte mich durch tausend Ränke noch 8 Tage in Danzig aufzuhalten, um die Falle für mich fertig zu machen, in welche ich gestürzt werden sollte, wobei er mit Reimer gemeinschaftlich wirkte. Denn da der König meine Auslieferung von dem Danziger Magistrat forderte, dies aber ohne Beleidigung des kaiserlichen Hofes unmöglich geschehen konnte, weil ich als Rittmeister in seinen Diensten stand, und auch mit hofkriegsrätlichen und Staatskanzlei-Pässen versehen war; so hat vielleicht die eine oder andere Einwendung in der Korrespondenz den Entschluß hinausgezögert. Und eben deshalb wurde Abramson gebraucht, um mich noch einige Tage aufzuhalten, bis die letzte[154] Entscheidung aus Berlin eintraf und der Magistrat in Danzig zu offensichtlicher Verletzung des Völkerrechts und der öffentlichen Sicherheit bewogen war.

Weil ich nun ein solches Verfahren unmöglich vermuten konnte und in stolzer Sicherheit lebte, auch Herrn Abramson für meinen besten Freund hielt, war es ihm umso leichter, mich noch einige Tage in Danzig aufzuhalten. Endlich rückte doch der Tag heran, daß ich mit einem eben segelfertigen schwedischen Schiff nach Riga abreisen wollte.

Mein Schicksal aber hatte es anders beschlossen.

Abramson betrog mich; er schickte seine Leute auf die Reede, um die Zeit der Abfahrt zu erfahren. Ich verließ mich auf seine Antwort, und um 4 Uhr nachmittags sagte er mir, er habe selbst den Schiffer gesprochen, welcher erst am darauffolgenden Tag in See stechen werde; dann werde er mich nach eingenommenem Frühstück in seinem Hause selbst an Bord begleiten.

Ich wollte mein Gepäck dennoch auf das Schiff bringen lassen und auf demselben schlafen, weil ich eine innere Unruhe empfand, die mich von Danzig forttrieb. Er hielt mich aber zurück, riß mich halb gewaltsam mit sich; die Gesellschaft bei ihm war groß und angenehm, ich mußte bei ihm soupieren und gegen 11 Uhr ging ich nach Hause.


Kaum war ich im Bett, mit einem Buch vor mir, in dem ich las, so klopfte man an meine Tür, die nicht verschlossen war, und zwei Kommissare von der Stadt, begleitet von mehr als 20 Grenadieren, traten so geschwind um mein Bett herum, daß ich keine Zeit mehr hatte, nach dem Gewehr zu greifen oder mich zu verteidigen. Meine drei rechtschaffenen Bedienten, die ich bei mir hatte, waren bereits arrestiert, damit sie mir nicht zu Hilfe kommen konnten. Es wurde mir mitgeteilt:

»Der löbliche Magistrat sei genötigt, mich als einen Delinquenten Seiner Majestät des Königs von Preußen auszuliefern.«

Man kann sich vorstellen, wie mir in diesem Augenblick, unter Verrätershänden, zu Mute war. Man führte mich ganz in der Stille in das Gefängnis der Stadt; daselbst blieb ich 24 Stunden. Gegen Mittag kam der kaiserliche Resident Abramson zu mir, stellte sich bestürzt, mitleidig und aufgebracht, und kündigte[155] mir an, er habe bei dem Magistrat gegen meine Auslieferung ernsthaft protestiert, aber zur Antwort erhalten: Man habe im Jahre 1752 gar keine Achtung für zwei Danziger Bürgersöhne namens Rutenberg gehabt, folglich bediene man sich in meinem Falle gerechter Repressalien mit einem kaiserlichen Rittmeister und könne auch dem Könige in Preußen meine mit äußerstem Ernst und Bedrohungen geforderte Auslieferung nicht abschlagen!

Herr Abramson, der im Grunde gar nichts für mich, noch seine Pflicht getan, gar nicht protestiert hatte, sondern bestochen war und gemeinschaftlich mit dem preußischen Residenten als mein Seelenverkäufer mitwirkte, riet mir nun, ich solle ihm meine Schreibtafel und Pretiosen anvertrauen, weil man mir ohnedies alles abnehmen würde. Er wußte, daß ich von meinen Geschwistern gegen 7000 fl. in Wechselbriefen empfangen hatte; diese übergab ich ihm, behielt aber meine Ringe, die allein bei 4000 fl. wert waren, und ungefähr 60 Louisdors im Beutel.

Er umarmte mich, versprach, noch alles zu tun, ja sogar Anstalten vorzunehmen, daß der Pöbel meine Auslieferung verhindern sollte, welche ohnedem erst binnen 8 Tagen erfolgen könnte, weil der Magistrat noch selbst unentschieden wäre über einen so wichtigen Schritt, und ging, Krokodilstränen weinend, als mein bester Freund davon.


In der folgenden Nacht traten zwei Kommissare von der Stadt nebst dem preußischen Residenten Reimer und einer Häscherschar ins Zimmer. Ein preußischer Offizier nebst etlichen Unteroffizieren war dabei, und ich wurde von der Stadt denselben förmlich übergeben. Hierauf ging sofort das Plündern an. Reimer riß mir die Ringe vom Finger, nahm mir die Uhr und die Tabatiere; man raubte mir alles, was ich besaß. Man gab mir weder einen Rock, noch ein Hemd von meiner Ausstattung mit und führte mich zu einer überall verschlossenen Kutsche, in welche 3 Preußen mit mir zusammen einstiegen. Ein Kommando Danziger Miliz umringte den Wagen, und so führte man mich bis an das Tor. Dieses wurde geöffnet; davor empfingen mich ein Haufen Stadtdragoner, welche den Wagen bis Lauenburg an die pommersche Grenze begleiteten; der Wagen[156] war mit 4 Postpferden bespannt und wurde so schnell als möglich vorwärts getrieben.

Diesen Tag habe ich aus meinem Gedächtnis verloren, obgleich er einer der schrecklichsten meines Lebens ist; es geschah aber Anfang Juni. In Lauenburg empfing mich ein preußisches Husarenkommando von 30 Pferden mit einem Lieutenant; und so wurde ich von Garnison zu Garnison bis Berlin transportiert. Die Danziger Dragoner hatten mich bis Lauenburg begleitet.

Es ist also nicht wahr, was der Danziger Magistrat und der mit ihm einverstandene Resident Abramson nach Wien berichtet hatten: ich sei durch meine Unvorsichtigkeit in der Vorstadt von den Preußen aufgefangen und fortgeschleppt worden.

Noch merkwürdiger aber ist dieses, daß man in Wien – auch noch später, nach meiner zurückerhaltenen Freiheit, als die Danziger Verräterei und Mißhandlung der kaiserlichen Uniform von mir aufgedeckt und klar erwiesen wurde – weder für meine Satisfaktion, noch Vergütung, noch für die Ehre unseres Staates auch nur die geringste Rechenschaft gefordert hat. Herr Abramson war zwar nicht mehr zu bestrafen, denn während meiner Gefangenschaft hatte er die kaiserlichen Dienste verlassen und preußische erhalten. Er war von Stufe zu Stufe so tief gefallen, daß er im Jahre 1764, als ich meine Freiheit erhielt, in Königsberg zur ewigen Gefangenschaft im Zuchthaus verurteilt war; seine einstmals reiche Frau hingegen ging betteln ...


Inzwischen, da man sich überall verwunderte, daß meine Monarchin, in deren Dienst ich von den Danzigern so schändlich mißhandelt wurde, einen so ehrenrührigen Fall so ungeahndet nachsah, hätte man doch wenigstens dafür sorgen sollen, daß mir dieser verräterische Magistrat das bei der Arrestierung geraubte Geld mit allen Effekten und Wechselbriefen im Wert von 11 bis 12000 Gulden zurückzahlte. Ich habe mir dieses Recht zwar noch allezeit vorbehalten, weil ich mich damals auf die Ehre, auf den Schutz des kaiserlichen Dienstes stützend, in einer Reichs-Hansestadt sicher glaubte. Genug hiervon!

Der Transport ging also von einer Garnison zur anderen, immer 2 bis 3 oder höchstens 5 Meilen. In allen Städten, wo ich eintraf, fand ich Mitleid, Menschenliebe und alle mögliche[157] Achtung. Nur zwei Tage dauerte die Husarenbedeckung mit einem Offizier im Wagen und 12 Mann um denselben.

Am 4ten Tage kam ich nach N.N., wo der Herzog von Württemberg, der Vater der gegenwärtigen Großfürstin von Rußland, kommandierte. Dieser Herr ließ sich mit mir in eine Unterredung ein, wurde gerührt, und behielt mich bei der Tafel und den ganzen Tag in seiner Gesellschaft, wo ich gar nicht als ein Arrestant behandelt wurde. Er ließ mich sogar einen Rasttag machen, den ich gleichfalls in seinem Hause verbrachte, wo alles versammelt war und die Herzogin, welche erst vor kurzer Zeit geheiratet hatte, mir alle mögliche Gnade, Mitleid und Achtung bezeigte. Auch den dritten Tag blieb ich noch bei seiner Tafel; erst am Nachmittag stieg ich nebst einem Lieutenant seines Regiments in einen offenen Wagen und wurde ohne alle Bedeckung von ihm allein weitertransportiert.


Ich muß diese Erzählung umständlich vortragen, weil sie den edlen, verehrungswürdigen Charakter dieses Herzogs aufdeckt und zugleich zum Beweis dienen möge, daß der beherzte, kurz entschlossene Mann oft verzagt scheinen, der Scharfsichtige blind und der kluge Mann ein Dummkopf sein kann. Fast sollte ich aus dieser Begebenheit schließen, daß mir mein in Magdeburg zu erwartendes grausames Schicksal von der ewigen Vorsehung bestimmt war, dem ich trotz aller Ahnungen und aller günstigen Gelegenheiten dennoch nicht ausweichen konnte. Man darf nur meine Geschichte im ersten Bande von meinen Unternehmungen in Glatz lesen, so wird man erstaunen müssen, warum ich beim wichtigsten Vorfall meines Lebens so unentschlossen gleichgültig schlummerte und dem Abgrund kaltblütig entgegensah, wo ich so leicht hätte vorbeischlüpfen können.

Kurz gesagt, ich habe erst in der Folge bemerkt, daß der großmütige Herzog von Württemberg mir Gelegenheit zur Flucht bieten wollte und deshalb ganz besondere Befehle an seine Offiziere gegeben haben müsse. Fünf Tage dauerte die Reise durch die Gegenden, wo sein Regiment in Garnison stand, und überall blieb ich in der Nacht in Gesellschaft der Offiziere, die mich mit Freundschaft und Menschenliebe überhäuften. Ich wurde gar nicht bewacht, schlief in ihren Quartieren und fuhr[158] mit ihren Equipagen, ohne jede andere Bedeckung als dem Offizier selbst im Wagen.

An den meisten Orten geht die Poststraße kaum eine oder drei Meilen von der Landstraße vorbei; nichts wäre leichter für mich gewesen, als mich zu retten und zu fliehen. Ich war aber mit Blindheit geschlagen – und derselbe Trenck, welcher sich in Glatz durch 30 Mann durchschlug, um seine Freiheit zu behaupten, der niemals empfunden hat, was Furcht ist, blieb hier 4 Tage lang unentschieden!

Ich kam in die Garnison eines kleinen Städtchens, wo ein Rittmeister kommandierte; bei diesem logierte ich im Hause ohne Schildwache. Er tat alles, um mich mit Höflichkeit und Freundschaft zu überhäufen; nachmittags ritt er gar mit der Eskadron aus, wie die Preußen gewohnt sind, ohne Sattel auf Decken vor dem Tor spazieren zu reiten.

Ich blieb ganz allein im Hause zurück, ging in den Stall; daselbst standen noch 3 Pferde, die Sättel und Zäume hingen dabei. Im Zimmer waren Pistolen, Degen und Gewehr. Ich durfte nur aufsitzen und zum anderen Tore hinausreiten. Ich machte Betrachtungen, wollte mich entschließen. Aber eine geheimer Zug machte mich unentschlossen ...

Kurz gesagt, der Rittmeister kam nach Hause; er schien verwundert, daß er mich noch da fand.

Tags darauf fuhr er mit mir ganz allein weiter mit seiner eigenen Equipage. Unterwegs hielt er sogar in einem Walde an, sah einige Champignons oder Schwämme, und hieß mich aus dem Wagen steigen, um einige zu suchen und mitzunehmen. Hier entfernte er sich wohl 100 Schritte von mir – er ließ mir offene Gelegenheit zur Flucht. Und dennoch fuhr ich mit ihm weiter und ließ mich wie ein Schaf zur Schlachtbank schleppen.

Weil ich mich so gut behandelt und so unvorsichtig eskortiert sah, machten sich meine Gedanken ein blendendes Gaukelspiel vor. Ich bildete mir ein, da der Transport gerade nach Berlin ging, würde mich der König sprechen wollen, weil ich ihm damals recht viel von dem bevorstehenden Plane des angezettelten siebenjährigen Krieges hätte sagen können; das ganze Geheimnis war ja durch die Bestuchew'sche Korrespondenz vor meinen Augen aufgedeckt. Und daß ich diese Korrespondenz[159] führte, war in Berlin besser bekannt als in Wien. Deshalb glaubte ich nicht, daß ich in Berlin unglücklich sein würde und blieb wirklich wie mit Blindheit geschlagen.


Doch ach, wie verwandelte sich meine Hoffnung, mein Traumgebilde in Schrecken und Verwirrung, da ich am 4ten Tage aus den Standquartieren der württembergischen Dragoner der ersten Infanteriegarnison in Köslin übergeben wurde! Der letzte Offizier von der württembergischen Eskorte verließ mich mit Wehmut; und nun wurde ich, dem buchstäblichen Befehl gemäß, mit starker Bestückung und unter aller möglichen Vorsicht nach Berlin gebracht.

In Berlin erhielt ich ein Zimmer über der Hauptwache auf dem Neumarkt, mit zwei Schildwachen bei mir und einer vor der Tür. Der König war in Potsdam. In diesem Zustand blieb ich 3 Tage; am dritten traten einige Stabsoffiziere herein, setzten sich um einen Tisch und stellten mir Fragen, deren Ursache ich erst jetzt begreife. Zum Beispiel:

Was ich in Danzig gemacht habe?

Ob ich den Gesandten des Königs, Herrn von Goltz, in Petersburg gekannt habe?

Wer mit mit mir zusammen im Danziger Komplott gestanden habe? Et cetera. –

Sobald ich merkte, wo man hinaus wollte, gab ich auf keine Frage mehr Antwort. Ich sagte, ich sei im Jahr 1745 ohne Verhör noch Kriegsrecht auf die Festung Glatz verurteilt worden, wo ich mir, dem Naturgesetz gemäß, eigenmächtig meine Freiheit verschafft habe. Ich diente jetzt als Rittmeister der Kaiserin Maria Theresia. Ich bäte nunmehr um ein ordentliches Verhör vom Ursprung meines Unglücks im Vaterlande; dann würde ich auf alle Fragen antworten und mich rechtfertigen. Dies hier aber sei keine Prozedur, wo man mir neue Injurien aufbürden wolle, ohne meine Verteidigung anzuhören. Ich blieb also stumm, weil man mir sagte: Hierzu haben wir keine Ordre!

Man schrieb noch über 2 Stunden, Gott weiß, was. Dann fuhr ein Wagen vor, man visitierte mich am ganzen Leibe, ob ich bewaffnet sei, und nahm mir etwa 13 oder 14 Dukaten ab, die ich noch versteckt hatte. Dann wurde ich unter starker Bedeckung[160] über Spandau nach Magdeburg gebracht. Hier übergab mich der Offizier dem Kapitän von der Hauptwache auf der Zitadelle. Gleich erschien der Platzmajor und führte mich in das mir bestimmte Gefängnis, welches bereits für mich zugerichtet war. Hier nahm man mir meine Uhr ab, sowie ein kleines, in Brillanten gefaßtes Portrait meiner Freundin aus Petersburg, welches ich auf dem bloßen Leibe versteckt hatte, und schloß die Türen hinter mir zu.


*


Das Gefängnis war in einer Kasematte, wovon der vordere Teil, 6 Fuß breit und 10 Fuß lang, durch eine Zwischenmauer abgeteilt war. In der inneren Mauer waren doppelte Türen; zum Eingang in die Kasematte selbst hin befand sich eine dritte Tür. Das Fenster in der 7 Schuh dicken Mauer war oben am Gewölbe dergestalt angebracht, daß ich zwar Licht genug hatte, aber weder den Himmel noch die Erde sehen konnte. Gegenüber erkannte ich allein das Dach des Magazins.

Drinnen am Fenster steckten eiserne Stangen, auswendig ebenfalls, und in der Mitte dieses Mauerfensters war ein ganz enges Drahtgitter angebracht, welches wegen der Mauerschräge um einen Schuh kleiner war als das Fenster selbst; hierdurch blieb es unmöglich, hinaus oder hinein zu sehen. Draußen erhob sich ein hölzernes Palisaden-Gatterwerk 6 Schuh von der Mauer entfernt, wodurch die Schildwachen nicht an das Fenster herankonnten, mir etwas zuzustecken.

Drinnen hatte ich ein Bett mit Matratze, welches aber mit Eisen am Fußboden befestigt und unbeweglich war, damit ich es nicht ans Fenster rücken und hinaufsteigen konnte. Neben der Tür stand ein kleiner eiserner Ofen, und bei demselben ein gleichfalls festgenagelter Leibstuhl. Man legte mir aber keine Eisen an; hingegen bestand meine Kost in 11/2 Pfund Kommisbrot und einem Kruge Wasser.

Da ich nun in meiner Jugend einen besonderen Freßmagen hatte und mein Brot meistens so verschimmelt war, daß man kaum die Hälfte genießen konnte – welches vom Geiz des damaligen[161] Platzmajors Rieding herrührte, der bei der großen Zahl der unglücklichen Gefangenen noch Gewinn suchte – so ist es mir unmöglich, meinen Lesern die ungeheure Folter zu schildern, welche mir ein elf Monate dauernder unausgesetzter wütender Hunger verursachte.

Ich hätte täglich 6 Pfund Brot begierig verschlungen. Wenn ich nun alle 24 Stunden meine kleine Portion erhielt, so blieb ich nach ihrem Genuß ebenso hungrig, wie ich vorher war, und mußte abermals 24 Stunden auf neue Labung warten.

Wie gern hätte ich einen Wechsel von 1000 Dukaten auf mein Wiener Vermögen assigniert, um mich nur einmal an trockenem Brot sattzuessen! Kaum gestattete mir der wütende Hunger einen ruhigen Schlaf, so träumte ich, daß ich an einer großen Tafel schmauste, wo eben alle Speisen, die ich vorzüglich gern essen mochte, im Überfluß aufgetragen waren. Ich fraß träumend wie ein Nimmersatt, die ganze Gesellschaft erstaunte über meinen Appetit; der Magen fühlte in Wirklichkeit nichts, desto begieriger fraß ich in meinen Gedanken. Ich erwachte, oder vielmehr: der Hunger weckte mich; dann schwebten mir die vollen Schüsseln vor den Augen, und dem leeren Bauche blieb die rasende Sehnsucht. Der Hunger, der Trieb der Natur forderte immer mehr, immer aufreizender; diese Martern hinderten mir den Schlaf, und desto fürchterlicher erschien mein grausames Schicksal der in die Zukunft forschenden Seele.

Gott behüte jeden ehrlichen Mann vor einer Empfindung dieser Art! Man sollte glauben, wenig essen würde zur Gewohnheit; ich habe aber das Gegenteil empfunden. Mein Hunger stieg mit jedem Tage, und eben diese elf Monate waren in meinem ganzen Leben die grausamsten Büttel meiner Standhaftigkeit. Alle Vorstellungen, alle Bitten halfen nichts:

Es ist des Königs ausdrücklicher Wunsch, man darf Ihnen nichts mehr geben!

Der Kommandant, General Borck, ein geborener Menschenfeind, sagte mir sogar:

Sie haben lange genug auf des Königs silbernem Service Pasteten gefressen, welches ihm der Trenck bei der Bataille zu Soor geraubt hat. Nun mag Ihnen auch unser Kommisbrot auf Ihrem s.v. Scheißhause schmecken! Ihre Kaiserin hat Ihnen[162] kein Geld geschickt; Sie sind das Kommisbrot und die Unkosten nicht wert, welche hier auf Sie verwendet werden! Et cetera.


*


Die 3 Türen wurden verschlossen, ich blieb meinem Nachsinnen trostlos überlassen, und alle 24 Stunden brachte man mir mein Brot und Wasser um die Mittagsstunde. Die Schlüssel zu allen Türen waren bei dem Kommandanten. Allein die innerste hatte ein besonderes verschlossenes Mittelfenster, durch welches mir meine Bedürfnisse hereingereicht wurden. Nur alle Mittwoche wurden die Türen geöffnet, und der Kommandant nebst dem Platzmajor kamen herein zum Visitieren, wenn vorher mein Abtritt durch einen geschlossenen Delinquenten gereinigt war.

Nachdem ich dies ein paar Monate hindurch beobachtet hatte und vollständig sicher war, daß in der ganzen Woche sonst niemand in mein Gefängnis kam, fing ich eine Arbeit an, die ich zuvor genau untersucht hatte und wirklich möglich fand.

Auf dem Platze, wo der Ofen und der Abtritt standen, war der Fußboden mit Ziegeln gepflastert; die Wand war der Schwibbogen zwischen meiner und der benachbarten Kasematte, die niemand bewohnte.

Ich hatte eine Schildwache vor dem Fenster, und fand bald ein paar ehrliche Kerle, die trotz des Verbots mit mir sprachen und mir die genaue Lage meines Kerkers schilderten. Dadurch erfuhr ich, daß ich leicht entfliehen könne, wenn es möglich wäre, mich in diese nächste Kasematte hineinzuarbeiten, wo die Tür unverschlossen war. Dann käme es darauf an, wenn ich einen Freund mit einem Nachen an der Elbe bereit hätte, oder wenn ich mich durch Schwimmen retten könnte. Die sächsische Grenze wäre nur eine Meile weit entfernt.

Hierauf wurde nun mein Entwurf gemacht, dessen einzelne Schilderung dieses halbe Buch füllen würde. Doch ich brauche den Raum für Wichtigeres – sage aber dennoch so viel, weil die Unternehmung wirklich kolossalisch und unendlich verwickelt und merkwürdig war.

Ich arbeitete die Eisen los, welche meinen Abtritt am Boden[163] befestigten, und die, bei 18 Zoll lang, am Kasten mit 3 kleinen Nägeln festgehalten wurden. Die letzteren brach ich inwendig ab; von außen her, wo allein visitiert wurde, steckte ich die Köpfe richtig an ihren Ort. Hierdurch erhielt ich Brecheisen, hob die Ziegel vom Boden auf und fand unter denselben sogleich Erde. Ich begann also den ersten Versuch, hinter diesem Kasten ein Loch in den Schwibbogen zu brechen, welcher 7 Schuh dick war. Die ersten Lagen der Mauern waren Ziegel, dann folgten aber sogleich große Bruchsteine. Nun versuchte ich erst, sowohl die Ziegel des Bodens wie die ersten der Wand genau zu numerieren und zu ordnen, um das Loch wieder akkurat zu schließen. Dieses glückte, ich griff also weiter.

Am Tage vor der Visitation wurde alles ganz behutsam zugemacht. Beinahe einen Fuß hoch durchbrach ich die sichtbare Mauer, die Ziegel wurden wieder eingesetzt, der feinste Kalk wohl verwahrt, der übrige von der Mauer abgeschabt, die vorher vielleicht hundertmal überweißt worden war und unmerklich genügend Stoff für meine Bedürfnisse hergab. Von meinen Haaren machte ich einen Pinsel, strich alles gleich, machte dann den feinen Kalk in der Hand naß, überstrich und blieb dann mit bloßem Leibe so lange an der Mauer sitzen, bis alles trocken und der übrigen Mauer gleich war. Dann wurden die Eisen wieder am Abtritt befestigt, und es war unmöglich, das mindeste zu bemerken.

Während der Arbeit lagen Steine und Schutt in meiner Bettstatt. Hätte man nur einmal in der ganzen Zeit den Verstand gehabt, an einem anderen Tage als am Mittwoch zu visitieren, ich wäre sogleich entdeckt worden. Da dieses aber binnen 6 Monaten nicht geschah, so war mir die Ausführung meiner unglaublichen Unternehmung möglich.

Inzwischen mußte ich auf Mittel sinnen, Schutt aus dem Gefängnis zu schaffen, weil es unmöglich ist, aus einer gebrochenen Mauer alles wieder an die frühere Stelle zu bringen. Das löste ich auf folgende Art:

Kalk und Steine waren unmöglich fortzuschaffen. Ich nahm also Erde, streute etwas in mein Zimmer und trat den ganzen Tag darauf herum, bis sie ein feiner Staub wurde. Diesen Staub streute ich auf mein Fenster. Um hinaufzusteigen, benutzte ich[164] den losgemachten Abtritt. Dann machte ich aus Holzsplittern der Bettstelle einen kleinen Stab; der Zwirn von einem alten Strumpf diente zum Zusammenbinden, und vorn bildeten meine Haare ein Büschel. Im mittleren Drahtgitter am Fenster machte ich ein Loch größer, das von unten nicht bemerkt werden konnte. Dann warf ich meinen Staub ganz dick auf die Fenstermauern und schob ihn mit dem Stabe durch das Drahtgitter bis an den äußeren Rand des Fensters. Dann wartete ich, bis windiges Wetter einfiel, und wenn die Windstöße in der Nacht am Fenster vorbeistrichen, stieß ich mit meinem Pinsel den Staub hinaus.

Auf diese Weise habe ich allgemach gewiß mehr als drei Zentner Erde hinausgeschafft und mir für meine weitere Arbeit Luft geschafft.

Da dies aber nicht hinreichte, so half noch Folgendes:

Ich machte Würste von Tonerde, die dem Kot ähnlich sahen, trocknete sie, und wenn man das Schloß der letzten Tür am Mittwoch öffnete, warf ich sie geschwind in den Abtritt. Der Arrestant eilte mit dem Eimer hinweg und schüttete alles aus; auf diese Weise wurden gleichfalls alle Wochen ein paar Pfund hinausgeschafft. Ich machte auch kleine Kügelchen, und blies mit einem Stück Papier, wenn die Schildwache spazierenging, eins nach dem anderen weit zum Fenster hinaus. Auf diese Weise schaffte ich Platz, füllte den leeren Erdraum unter dem Bretterboden mit Kalk und Steinen aus und arbeitete mich glücklich vorwärts.


Unmöglich aber kann ich die Arbeit schildern, nachdem ich ein paar Schuh tiefer in die Bruchsteine kam. Meine Eisen vom Abtritt, zuletzt auch vom Bett, waren die beste Hilfe. Eine redliche Schildwache steckte mir einmal einen alten eisernen Ladestock zu, der mir gute Dienste leistete. Auch erhielt ich so ein Messer, wie es die Soldaten zu kaufen pflegen, welches eine hölzerne Scheide hat, etwa 2 Kreuzer kostet und Knief genannt wird. Dies letztere hat mir in der Folge unglaubliche Dienste geleistet, wie ich besser unten erzählen werde. Damit schnitt ich Stücke von den Brettern des Bettes ab und machte Späne, mit welchen ich allgemach den Kalk zwischen den Steinen herausarbeitete.[165] Unglaublich ist es aber, was mich diese 7 Schuh dicke Mauer für Arbeit kostete. Das Gebäude ist uralt und der Kalk war an einigen Stellen ganz zu Salpeter kristallisiert, sodaß ich die ganzen Steine zu Staub zerreiben mußte.

Sechs Monate lang dauerte die Arbeit unausgesetzt, ehe ich an die letzte Lage kam, was ich an den Ziegeln erkennen konnte, womit jedes Kasemattenzimmer inwendig ausgemauert war.

In dieser Zeit hatte ich nun Gelegenheit, mit einigen Schildwachen zu sprechen. Unter ihnen war ein alter Grenadier namens Gefhardt, den ich hier deshalb nenne, weil er in meiner Geschichte als ein Beispiel des großmütigsten Menschen auf Erden erscheinen wird. Von ihm erfuhr ich nun die ganze Lage meines Gefängnisses und alle Umstände, wie ich zu meiner Freiheit gelangen könnte.

Nichts fehlte mir als Geld, um einen Kahn zu kaufen und damit auf der Elbe, gemeinsam mit ihm, nach Sachsen zu fliehen. Durch diesen rechtschaffenen Mann geriet ich in Bekanntschaft mit einem Judenmädchen namens Esther Heymann aus Dessau, deren Vater daselbst auf 10 Jahre Gefängnis saß. Dieses redliche Mädchen, welches ich nie sehen konnte, gewann zwei andere Grenadiere, die ihr Gelegenheit gaben, mit mir zu sprechen, so oft sie bei mir auf Schildwache standen. Ich machte aus meinen Spänen einen langen zusammengebundenen Stock, welcher bis vor die Palisadeneinfassung vor dem Fenster reichte. Hierdurch erhielt Papier, auch ein Messer und eine Eisenfeile.


Ich schrieb an meine Schwester – dieselbe, von welcher ich die Geschichte im ersten Bande gemeldet habe. Sie wohnte 14 Meilen von Berlin. Ihr schilderte ich meinen Zustand, gab ihr Instruktion, wie sie für meine Freiheit arbeiten sollte, und bat sie, daß sie diesem Judenmädchen 300 Reichstaler geben sollte, weil ich durch ihre Hilfe Möglichkeit gefunden hätte, aus meinem Kerker zu entfliehen.

Zugleich gab ich der Heymannin einen herzlichen Brief an den kaiserlichen Minister in Berlin, Graf Puebla, mit, und fügte einen Wechsel über 1000 fl. bei, um ihn in Wien einzulösen und die Summe der Heymannin auszuhändigen. Diese 1000 fl. hatte ich ihr als Belohnung für ihre Treue versprochen. Die 300[166] Reichstaler von meiner Schwester sollte sie mir aber bringen, und dann zusammen mit den Grenadieren meine Anstalten zur sicheren Flucht unterstützen, welche auch unfehlbar – entweder durch mein bereits damals halb fertiges Loch in der Mauer, oder durch Hilfe der Jüdin und der Schildwache, mit Durchschneidung der Türen um die Schlösser herum – geschehen wäre. Die Briefe waren offen, weil ich sie nur um den Stock wickeln und ihr auf diese Art zustecken konnte.

Das arme redliche Mädchen geht also nach Berlin, gerade und glücklich zum Minister Graf Puebla. Er gibt ihr allen Trost, übernimmt Brief und Wechsel und befiehlt ihr, mit seinem Gesandtschaftssekretär, Herrn von Weingarten, zu sprechen und alles zu tun, was dieser ihr befehlen würde. Sie geht zu ihm, wird aufs freundlichste empfangen; er fragt sie alles aus, sie vertraut ihm den ganzen Entwurf zu meiner Flucht mit Hilfe der beiden Grenadiere, auch daß sie Briefe zu meiner Schwester nach Hammer bei Küstrin zu tragen habe. Er fordert diesen Brief, liest ihn, forscht alles aus, befiehlt ihr sogleich zu meiner Schwester zu gehen und gibt ihr zwei Dukaten mit auf die Reise, mit dem Befehl, bei ihrer Rückkehr wieder zu ihm zu kommen. Indessen wolle er die Zahlung des Wechsels von 1000 fl. in Wien besorgen und ihr sodann weitere Instruktionen geben.


Das Mädchen geht freudig nach Hammer; meine Schwester, die Witwe war und ihren Mann nicht mehr wie im Jahre 1746 zu fürchten hatte, entzückt über die Nachricht, daß ich noch lebe, gibt ihr 300 Reichstaler und ermuntert sie, alles Mögliche zu meiner Rettung beizutragen. Hiermit eilt sie nebst einem Briefe an mich nach Berlin zurück und bringt die Nachricht dem Herrn von Weingarten. Dieser liest meiner Schwester Brief, fragt sie alles aus, auch nach den Namen der beiden Grenadiere, sagt ihr, die 1000 fl. wären noch nicht aus Wien angekommen, gibt ihr aber 12 Dukaten mit dem Befehl, nach Magdeburg zu eilen, mir die gute Nachricht zu überbringen, dann aber sogleich nach Berlin zurückzukehren und ihre 1000 fl. bei ihm abzuholen.

Das gute Mädchen fliegt nach Magdeburg, geht auf die Zitadelle, begegnet aber zu ihrem größten Glück vor dem Tore dem Weibe des Grenadiers, welches ihr mit Winseln und[167] Tränen erzählt, daß ihr Mann nebst seinem Kameraden Tags zuvor arrestiert worden seien und jetzt, in Eisen scharf bewacht, festsitzen. Die Jüdin hatte einen gesunden Verstand, roch den Braten, kehrte auf der Stelle um und flüchtete glücklich nach Dessau.


Nun will ich diese Erzählung unterbrechen, und meinen Lesern dieses wichtige und schreckliche Rätsel auflösen, weil ich nach meiner erlangten Freiheit von eben dieser Jüdin die ganze Geschichte schriftlich erhalten habe, die ich noch gegenwärtig besitze.

Herr Legationssekretär von Weingarten war, wie bald hernach weltkundig wurde, ein Verräter, dem Graf Pueblo zu viel vertraut hatte. Er stand wirklich als Kundschafter in preußischem Solde und hatte alle Geheimnisse der kaiserlichen Gesandtschaft – auch den in Wien entworfenen Kriegsplan – an das Berliner Ministerium verraten. Bei dem bald danach ausgebrochenen Kriege blieb er wirklich als ein Treuloser in peußischen Diensten zurück.

Da nun Weingarten das Judenmädchen aufs genaueste ausgekundschaftet, so hat der Schelm, um 1000 fl. zu erobern, mich in das Verderben gestürzt und meiner Schwester Unglück und frühzeitigen Tod verursacht. Und seine Verräterei war die Ursache, daß ein Grenadier gehenkt wurde, der andere hingegen 3 Tage Gassen laufen mußte.

Das Judenmädchen allein kam glücklich davon. Nach meiner erlangten Freiheit hat sie mir erst Nachricht und Aufklärung von dem ganzen Vorfall gegeben.

Der Heymännin armer Vater, welcher im Gefängnis saß, empfing mehr als 100 Prügel. Er sollte gestehen, ob ihm die Tochter etwas vom Komplott anvertraut hatte, auch wo sie hingeflüchtet sei. Er starb erbärmlich in Fesseln.

Alle fühlenden Seelen unter meinen Lesern bitte ich aber, bei dieser Erzählung einige Augenblicke innezuhalten und zu urteilen, was meine Seele noch heute empfindet, da ich dieses niederschreibe. Ich selbst geriet durch Weingartens Verräterei in die ungeheuren Fesseln, die mich 9 Jahre folterten. Ein unschuldiger Mensch verlor am Galgen sein Leben. Meine redliche[168] Schwester hingegen mußte mir auf ihre Kosten das neue Gefängnis in der Sternschanze bauen lassen. Der Fiskus strafte sie um eine Summe, deren Höhe ich nie erfahren habe. Ihre Güter wurden bald alle gänzlich ausgeplündert und in eine Wüstenei verwandelt, ihre Kinder gerieten dadurch in bitterste Armut; sie selbst starb im 33ten Lebensjahre, zugrunde gerichtet durch Gram und Verfolgung, durch ihres Bruders Unglück und durch die Verräterei der kaiserlichen Gesandtschaft.

Weingartens Blut konnte meine Faust nicht mehr besudeln. Ich habe ihn gesucht und ich hätte ihn auch am Fuße des Altars gefunden. Er war aber in Sicherheit, und jetzt fault der Bösewicht bereits im Grabe.

Unglückliche Schwester! Gott belohne dich, falls jenseits des Grabes noch Lohn zu erwarten ist. Dein Schicksal blieb mir im Kerker unbewußt. Ich erhielt meine Freiheit, suchte dich, um dankbar zu sein, und fand dich im Grabe. Ich wollte es deinen Kindern lohnen, aber fühllose Monarchen haben mich so arm gemacht, daß es mir unmöglich war, auch diese Pflicht zu erfüllen ...

Genug hiervon. Sogar der rechtschaffene Kaiser Franz vergoß Tränen, da ich ihm diese schreckbare Geschichte in einer Audienz mit Wehmut erzählte. Ich sah sein edles Gefühl, fiel ihm von reinem Dank erschüttert zu Füßen. Der bewegte Monarch riß sich los, verließ mich und schlich in Betäubung zur Tür hinaus.

Vielleicht hätte er mehr getan, als mich bedauert. Er starb aber bald nach diesem Vorfall.

Nun weiter zur Sache.


*


In meinem Kerker erfuhr ich in den ersten Tagen gar nichts; bald aber kam mein ehrlicher Gefhardt wieder auf Schildwache zu mir. Da aber die Posten verdoppelt waren und nunmehr zwei Grenadiere meine Tür bewachten, war das Sprechen ohne Gefahr fast unmöglich. Indessen gab er mir doch Nachricht von den beiden unglücklichen Kameraden.

Der König kam eben nach Magdeburg zur Revue. Er ist selbst in der Sternschanze gewesen und hat in derselben in aller Eile[169] das neue Gefängnis für mich zu bauen befohlen, auch die Ketten angeordnet, in die ich geschmiedet werden sollte. Mein ehrlicher Gefhardt hatte seine Offiziere sprechen gehört, daß dieses neue Gefängnis für mich bestimmt sei. Er gab mir Wind davon, versicherte mir aber, daß es vor Ende des Monats nicht fertig sein könne.

Ich faßte also den Entschluß, eiligst den Ausbruch meines Lochs in der Mauer durchzuführen und ohne auswärtige Hilfe zu entfliehen. Möglich war es; denn von meinem Bett hatte ich einen Strick verfertigt, den ich an eine Kanone binden wollte, um mich daran vom Walle herunterzulassen. Über die Elbe wäre ich geschwommen, und da die sächsische Grenze nur eine Meile entfernt ist, so wäre ich auch sicher glücklich davongekommen.

Am 26ten Mai wollte ich in die Nebenkasematte durchbrechen. Da ich mich aber unter dem Ziegelboden derselben herausarbeiten wollte, fand ich ihn so fest ineinander gefügt, daß ich den Ausbruch auf den folgenden Tag verschieben mußte. Der Tag brach wirklich heran, da ich müde und matt aufhörte; wäre jemand zufällig am folgenden in das Zimmer gekommen, so hätte man das bereits aufgewühlte Loch gefunden. Schreckliches Schicksal, das mich in meinem ganzen Leben verfolgt hat und mich allezeit in den Abgrund stürzte, wenn ich alle Hindernisse überstiegen zu haben glaubte!

Der 27te Mai war ein neuer Unglückstag für mich. Mein Gefängnis in der Sternschanze war geschwinder fertig geworden, als man geglaubt hatte; und gerade da die Nacht anbrach und ich meine Flucht bewerkstelligen wollte, hielt ein Wagen vor meinem Gefängnis. Gott, wie erschrak ich! Du allein weißt, wie mir damals zu Mute war!

Schlösser und Türen wurden geöffnet, in der Geschwindigkeit versteckte ich noch mein Messer zur letzten Nothilfe an einem geheimen Ort auf dem Leibe, und in eben dem Augenblick trat der Platzmajor nebst dem Major du jour und einem Kapitän in mein Gefängnis, mit zwei Laternen in den Händen. Man sprach kein Wort, als:

Ziehen Sie sich an!

Dies war gleich geschehen; es war noch meine Kordua'sche kaiserliche Uniform. Hierauf reichte mir jemand ein paar Eisen,[170] mit welchen ich mich selbst über Kreuz an Hand und Fuß schließen mußte. Dann band mir der Platzmajor mit einem Tuch die Augen zu, man griff mir unter die Arme und führte mich in den Wagen.

Aus der Zitadelle muß man nun durch die ganze Stadt und dann erst zur Sternschanze wieder hinaus fahren. Ich hörte nun nichts als das Geklirr der den Wagen umgebenden Bedeckung, in der Stadt aber einen gewaltigen Zulauf des neugierigen Volkes, weil man ausgesprengt hatte, ich sollte in der Sternschanze enthauptet werden. Sicher ist es auch, daß verschiedene Leute, welche mich damals mit verbundenen Augen durch die Stadt führen sahen, überall erzählt und geschrieben haben, daß am 27ten Mai der Trenck in die Sternschanze geführt und ihm daselbst der Kopf vor die Füße gelegt worden sei. Die Offiziere der Garnison hatten auch Befehl, dieses zu bekräftigen, weil niemand wissen sollte, wo ich geblieben war.

Ich wußte, leider! mein Schicksal, ließ mir aber nichts anmerken, und da mir das Maul nicht zugestopft war, stellte ich mich, als wenn ich den Tod erwarte und redete mit meinen Führern in einem Tone, der sie erschütterte und ihren Monarchen eben nicht von der vorteilhaftesten Seite schilderte, weil er redliche Untertanen durch Machtspruch ungehört verurteilen könnte. Man bewunderte meine Standhaftigkeit in eben dem Augenblick, da ich den Tod durch die Hand des Büttels zu erwarten schien. Niemand antwortete das mindeste, ihr Seufzen ließ mich allein Mitleiden bemerken, und gewiß ist, daß wenige Preußen dergleichen Befehle gern vollziehen.


Endlich hielt der Wagen an, man führte mich in das neue Gefängnis und löste mir beim Schein einiger Lichter das Tuch von den Augen. Aber, o Gott! Wie regte sich mein Gefühl, da mir zwei schwarze, dem Teufel ähnliche Schmiede, mit einer Glutpfanne und Hammer bewaffnet, in die Augen fielen. Der ganze Boden war mit rasselnden Ketten bedeckt. Man ging sogleich ans Werk. Beide Füße wurden mir mit schweren Ketten an einen eisernen, in der Mauer befestigten Ring festgeschmiedet. Dieser Ring war 3 Schuh über dem Boden, folglich konnte ich links und rechts etwa drei Fuß breit Bewegung ausführen.[171]

Dann wurde mir um den nackten Leib ein handbreiter Ring angeschmiedet, welcher mit einer Kette an einer armdicken Stange zusammenhing, die zwei Schuh lang war und an deren beiden Enden man meine Hände in zwei Schellen befestigte, so wie es auf dem Bilde am Titelblatt dieses Buches zu sehen ist. Das ungeheure Halseisen wurde mir diesmal noch nicht angelegt; es folgte erst im Jahre 1756. Nun sagte kein Mensch Gute Nacht. Alles ging in schrecklicher Stille fort. Ich hörte nur noch vier Türen nach einander mit fürchterlichem Gerassel zuschließen.

So verfahren Menschen mit dem unschuldigsten Menschen, wenn Menschen, die Fürsten heißen, einmal Menschenmißhandlung gebieten. Gott! Du allein weißt es, wie mir in solcher Lage mein von Verbrechen vorwurfsfreies Herz pochte!

Hier saß ich nun mir selbst überlassen, allein, auf dem nassen Fußboden in dicker Finsternis. Die Fesseln schienen mir unausstehlich, ehe ich mich an sie gewöhnte, und ich dankte Gott, daß man mein Messer nicht gefunden hatte, womit ich in diesem Augenblick meinem Leben ein Ende machen wollte. Dies ist noch ein wahrer Trost des unglücklichen ehrlichen Mannes, welcher über die Vorurteile des Pöbels erhaben ist; hiermit kann man dem Schicksal, auch Monarchen, Trotz bieten.

Schildern kann meine Feder dem Leser dieser Geschichte nicht, was in dieser ersten Nacht in meinem Herzen, in meinen Entschließungen kämpfte und mich vor dem letzten Entschluß zurückhielt. Ich sah wohl ein, daß dieses Schicksal mir nicht auf kurze Zeit bestimmt sei, weil mir der demnächst ausbrechende Krieg zwischen Österreich und Preußen bekannt war.

Das Ende aber mit Gelassenheit abzuwarten, erschien mir unmöglich. Dabei hatte ich Ursache, zu bezweifeln, ob man sich in Wien noch für mich interessieren würde, weil ich Wien aus Erfahrung kannte und wußte, daß die, welche meine Güter geteilt hatten, gewiß alles Mögliche tun würden, um mich an der Rückkehr zu hindern. Mit solchen Gedanken verrann die Nacht; der Tag erschien, aber nicht in seinem Glanze für mich.

Dennoch konnte ich in der Dämmerung meinen Kerker betrachten:

Die Breite betrug 8 und die Länge 10 Schuh. Neben mir stand ein Leibstuhl. In der Ecke waren 4 Ziegel in die Höhe gemauert,[172] worauf ich sitzen und den Kopf an die Mauer lehnen konnte. Dem Ring in der Mauer gegenüber, an die ich angeschmiedet stand, war ein künstliches Fenster in der 6 Schuh dicken Mauer angebracht, in der Form eines halben Zirkels, aber nur einen Schuh hoch und zwei im Durchmesser. Von innen ging die Öffnung aufwärts gemauert bis an die Mitte, wo ein enges Drahtgitter befestigt war. Dann lief die Abdachung gegen die Erde hinaus, wo man dieses Luftloch oder Fenster mit dicht aneinander stehenden Stangen, ebenso wie inwendig, gesichert hatte.

Da nun mein Gefängnis in dem Graben des Hauptwalles gebaut, von hinten an denselben angelehnt, drinnen 8 Schuh breit und die Mauer 6 Schuh dick war, so stieß das Fenster beinahe an die Mauer des zweiten Walles. Folglich konnte von oben her gar kein Tageslicht, von unten aber nur der Widerschein, noch dazu durch ein so enges Loch, eindringen; hinzu kamen noch die dreifachen Eisen und Gitter.

Mit der Zeit gewöhnten sich meine Augen dennoch so an diese Dämmerung, daß ich eine Maus konnte laufen sehen. Im Winter aber, wo die Sonne gar nicht in den Graben schien, war bei mir ewige Nacht. Inwendig war vor dem Gitter ein Fenster, wovon die mittlere Scheibe als Luftloch geöffnet werden konnte. Neben dem hölzernen Leibstuhl, der alle Tage ausgetragen wurde, stand ein Wasserkrug. In der Mauer konnte man meinen Namen TRENCK, von roten Ziegeln ausgemauert, lesen, und unter meinen Füßen lag ein Leichenstein mit dem Totenkopf, unter welchem ich begraben werden sollte; auch er war mit meinem Namen bezeichnet. Mein Kerker hatte doppelte Türen von zwei Zoll dickem Eichenholz; vor denselben war eine Art Vorzimmer mit einem Fenster, und dieses ebenfalls mit zwei Türen verschlossen.

Weil nun der Monarch ausdrücklich befohlen hatte, daß mir aller Umgang, alle Gelegenheit, mit den Wachen zu sprechen, abgeschnitten werden solle, damit ich keinen mehr verleiten könne und der Kerker deshalb undurchdringlich gebaut werden müsse, so war der Hauptgraben, in welchem mein Palast prangte, von beiden Seiten mit zwölf Schuh hohen Palisaden umschlossen. Den Schlüssel zu dieser fünften Tür hatte allein der wachthabende Offizier.[173]

Mir selbst blieb keine andere Bewegung übrig, als auf der Stelle, wo ich angeschmiedet war, zu springen oder den Oberleib so lange zu schütteln, bis mir warm wurde. Mit der Zeit, da ich mich an die schweren Fesseln gewöhnte, konnte ich auch Seitenbewegungen von 4 Schuh machen, wobei aber die Schienbeine litten.


Das Gefängnis war innerhalb von elf Tagen mit Gips und Kalk aufgemauert worden; ich wurde sogleich hineingebracht, wobei jedermann glaubte, daß ich den frischen Mauerdunst in einem völlig abgeschlossenen Loche keine 14 Tage aushalten würde. Wirklich saß ich an die sechs Monate ständig im Wasser, welches von dem ungeheuer dicken Gewölbe eben da, wo ich stehen mußte, beständig auf mich herabträufelte. Ich kann auch meinen Lesern versichern, daß mein Leib in den ersten drei Monaten niemals trocken wurde, und dennoch blieb ich gesund. So oft man zur Visitation kam, und dies geschah täglich nach Ablösung der Wache, mußte man vorher die Türen einige Minuten lang offen lassen, sonst löschte der erstickende Dunst der Mauer die brennenden Lichter der Laterne aus.

In diesem Zustande saß ich nun, von Freund, Hilfe und Trost verlassen, wo Denken meine einzige Beschäftigung blieb und wo sich in den ersten Tagen, ehe sich die Standhaftigkeit einzunisten und mein Herz zu versteinern fähig wurde, nichts als schreckhafte Bilder meinen von Schmerz und Wut betäubten Begriffen vorspiegelten. Die Lage selbst konnte nicht verzweifelter sein, und ich weiß noch heute nicht die Ursache zu schildern, welche meinen Arm zurückhielt, weil ich über alle Vorurteile wirklich erhaben, niemals die mindeste Furcht gegenüber Vorfällen jenseits des Grabes empfunden habe, auch niemals entschlossen war, jemand um Rat zu fragen, wann es Zeit sei, auf eben der Welt Abschied zu nehmen, in der ich auftrat, ohne daß irgend jemand nach meinem Willen fragte.

Mein Vorsatz war nun einmal, dem Unglück zu trotzen und meinen Sieg gegen alle Hindernisse selbst zu erringen. Dieser Ehrgeiz war vielleicht die stärkste Triebkraft zu meinem Entschluß, welcher endlich durch wiederholte Prüfungen bis zu dem Grade echten Heldengeistes heranwuchs, dessen sich Sokrates im[174] grauen Haare in solchem Maße gewiß nicht rühmen konnte. Er war alt, hörte auf zu empfinden und trank den Giftbecher gleichmütig. Ich hingegen war im Feuer der Jahre, und das Ziel schien auf allen Seiten weit entfernt. Die gegenwärtigen Foltern des Leibes und der Seele waren so, daß ich von meinem Gliederbau wahrscheinlich keine Dauer erwarten konnte.


Mit solchen Gedanken rang ich, als mein Käfig zum ersten Male geöffnet wurde. Wehmut und Mitleiden standen auf jeder Stirn meiner Wächter. Niemand sprach ein Wort, nicht einmal Guten Morgen; und ihre Ankunft war fürchterlich, weil sie mit den noch ungewohnten ungeheuren Riegeln und Schlössern fast eine halbe Stunde lang an den Türen rasselten, ehe die letzte geöffnet wurde. Man trug meinen Leibstuhl hin aus, brachte eine hölzerne Bettstatt oder Pritsche herein, nebst einer Matratze und einer guten wollenen Decke, zugleich auch ein ganzes Kommißbrot von 6 Pfund, wobei der Platzmajor sagte:

Damit Sie sich nicht mehr über Hunger zu beklagen haben, wird man Ihnen Brot geben, soviel Sie essen wollen!

Man setzte einen Wasserkrug von ungefähr zwei Maß dazu, schloß die Türen und überließ mich meinem Schicksal.

Gott! Wie kann ich die Wollust schildern, die ich im ersten Augenblick empfand, da ich mich nach elfmonatigem wütenden Hunger zum ersten Male satt essen konnte!

Kein Glück schien mir im ersten Genuß vollkommener als dieses, und keine Mühle zermalmt die harten Körner geschwinder, als damals meine Zähne im Kommißbrot wühlten. Kein feuriger Verliebter, der lange schmachtet, fällt begieriger in die Arme der ihm bereits übergebenen Braut, kein Tiger hitziger über seine Beute her, als ich im ersten Augenblick über meine Mahlzeit. Ich fraß, ich rastete, stellte Betrachtungen an, aß wieder, fand mein Schicksal schon erleichtert, vergoß Tränen, brach ein Stück nach dem anderen ab, und noch ehe es Abend wurde, war mein Brot im Leibe.

Natur! Was für Gefühl ist in alle deine Bedürfnisse verwebt! Welche Wollust könnte der reiche Weltbürger genießen, wenn er nicht eher zur Tafel ging, bis er 24 oder 48 Stunden gefastet hat! Gewiß, man würde wenig Meisterköche, wenig kostbare[175] Leckerbissen, die den Gaumen augenblicklich kitzeln, brauchen, wollte man sich die Wollust im Essen durch Hunger verschaffen. Wie köstlich schmeckte mir oft im Leben ein Stück verschimmeltes Brot! Man mache freiwillig den Versuch, dann wird man mir für Lehren danken, die nur allein geprüfte Erfahrung mit dem wahrhaften probatum est versichern kann.


Meine Freude dauerte aber nicht lange; und gleich lernte ich, daß ein übertriebener Genuß ohne Mäßigung Ekel hervorbringt. Mein Magen war durch so langes Hungern geschwächt, die Verdauung wurde gehemmt, der ganze Leib schwoll auf, der Wasserkrug wurde leer. Krämpfe, Koliken und zuletzt Durst mit unglaublichen Schmerzen folterten mich bis zum anderen Tage, und schon verfluchte ich die, welche ich kurz vorher deshalb verflucht hatte, weil sie mir nicht satt zu essen gegeben hatten. Ohne Bett wäre ich in dieser Nacht gewiß verzweifelt. Meine grausamen Fesseln war ich noch nicht gewohnt; die Kunst, in denselben zu liegen, hatte ich noch nicht so gelernt, wie sie mich endlich Zeit und Gewohnheit lehrten; ich konnte mich aber wenigstens auf trockener Matratze sitzend krümmen.

Diese Nacht war aber dennoch eine der grausamsten, die ich erlebt habe. Am folgenden Tage, da man meinen Kerker öffnete, fand man mich in einem erbärmlichen Zustand, wunderte sich über meinen Appetit, bot mir anderes Brot an. Ich protestierte, weil ich keines mehr zu brauchen glaubte. Dennoch ließ man eins holen, gab mir zu trinken, zuckte die Achseln, wünschte mir Glück, weil ich allem Anschein nach nicht mehr lange leiden würde, und schloß die Türen wieder zu, ohne zu fragen, ob ich anderer Hilfe bedürfe.

Drei Tage verflossen, bis ich wieder den ersten Bissen Brot essen konnte; indessen war die sonst starke standhafte Seele im kranken Leibe kleinmütig, und mein Tod wurde beschlossen.

Meine Fesseln waren mir unerträglich, und ich konnte mir keine Möglichkeit vorstellen, mich an dieselben zu gewöhnen oder sie auf die Dauer zu ertragen, um Rettung abzuwarten. Der bevorstehende Krieg war mir bekannt, und auf den Frieden zu warten, schien mir unmöglich. Der König hatte befohlen, mir ein solches Gefängnis zu bauen, welches keiner Schildwache bedürfe,[176] damit ich niemand verführen könne. Kurz gesagt, alles schien mir in den ersten Tagen der stürmenden Schwermut ebenso unausstehlich wie unüberwindlich. Ich fand tausend Gründe, die mich überzeugten, daß es nunmehr Zeit sei, meinem Leiden ein Ende zu machen. Und da mich niemand gefragt hat, ob ich in die Welt kommen und geboren sein wollte, so glaubte ich auch, daß ich vollkommen berechtigt sei, gleichfalls ohne jemand zu fragen, dieselbe zu verlassen, so bald mein Hiersein unerträglich würde.

Mit solchen Gedanken schien mir wirklich Geduld zur Unzeit eine Torheit, und länger unentschieden zu warten eine niederträchtige Zaghaftigkeit. Dennoch wollte ich den ersten Regungen eines verzweifelten Schmerzes noch mit aller möglichen Vernunft ausweichen und mir selbst Zeit lassen, alle Gründe und Gegensätze mit kaltem Blut abzuwägen. Deshalb beschloß ich, noch acht Tage zu warten, bestimmte aber den 4ten Juli zu meinem unfehlbaren Sterbetag. Indessen sann ich auf alle möglichen Mittel, mir eigenmächtig zu helfen oder in den Bajonetten meiner Wächter meine Seele auszuhauchen.

Gleich am folgenden Tage wurde ich bei Öffnung meiner vier Türen gewahr, daß sie nur von Holz waren, und es fiel mir der Gedanke ein, mit meinem aus der Zitadelle glücklich herüber gebrachten Messer die Schlösser herauszuschneiden und dann weiter meine Rettung zu suchen. Wäre danach keine Möglichkeit, dann sei es Zeit, den Tod zu wählen. Nun ward sogleich der Versuch gemacht, ob es möglich sei, mich von meinen Eisen zu befreien. Die rechte Hand brachte ich glücklich durch die Schelle, obgleich mir das Blut unter den Nägeln gerann; die linke aber konnte ich nicht herausbringen. Ich wetzte mit einigen Ziegelstücken, die ich von meinem Sitze losschlug, so glücklich an dem nur nachlässig verschmiedeten Stift der Handschelle, daß ich ihn herausziehen und auch diese Faust befreien konnte. An dem Ringe um den Leib war nur ein Haken mit der Kette an der Armstange befestigt. Ich stemmte die Füße gegen die Wand und konnte ihn aufbiegen. Nun blieb mir nur noch die Hauptkette zwischen Mauer und Fuß übrig; ich drehte dieselbe über einander, Kräfte hatte ich von Natur aus, sprengte mit Gewalt von der Mauer weg, und zwei Gelenke zersprangen auf einmal.[177]

Von Fesseln frei, glaubte ich mich schon glücklich, schlich zur Tür, suchte im Dunkeln die Spitzen der durchschlagenen Nägel um das draußen befestigte Schloß und fand, daß ich kein sehr großes Stück Holz herauszuschneiden hatte, um die Tür zu öffnen. Gleich nahm ich mein Messer zur Hand und schnitt unten am Gerüst ein kleines Loch durch, ich fand die eichenen Bretter nur einen Zoll dick. Folglich bestand die Möglichkeit, alle vier Türen an einem Tage zu öffnen.

Hoffnungsvoll eilte ich nun zu meinen Eisen, um sie wieder anzulegen. Doch, ach Gott, was waren hier für Schwierigkeiten zu überwinden! Das zersprungene Gelenk fand ich nach langem Herumtappen und warf es in den Abtritt. Mein Glück war, daß man bis dahin gar nicht visitiert hatte, auch bis zum Tage der Unternehmung selbst nichts untersuchte, weil man keine Möglichkeit vermutete. Ich band also mit einem Stück meines Haarbandes die Kette wieder zusammen. Da aber die Hand wieder in die Schelle zurück sollte, war sie vom gewaltsamen Anziehen geschwollen und jeder Versuch unmöglich. Die ganze Nacht wurde auch an diesem Stift gewetzt, der aber so stark verschmiedet war, daß alle Arbeit vergebens blieb.

Der Mittag, die Visitierstunde kam; die Not, die Gefahr war da, der Versuch wurde erneuert, die Hand hineinzuzwingen. Endlich gelang es mit Folterqualen. Beim Hereintreten fand man alles in Ordnung. Inzwischen aber war es unmöglich geworden, die abgeschundene Hand wieder herauszubringen.

Am 4ten Juli aber wurde kaum die Tür nach dem Visitieren geschlossen, so war auch schon die Hand aus der Schelle heraus und jede Fessel abgelegt. Sogleich ergriff ich mein Messer und fing die Herkulesarbeit an den Türen an. In weniger als einer Stunde war die erste offen, weil sie einwärts aufging und die Querstange nebst dem Schlosse draußen hängen blieb.

Aber, o Gott, wie schwer ging es bei der zweiten!

Das Schloß war bald umschnitten. Da aber die Querstange an demselben befestigt war, und die Tür nach außen geöffnet werden mußte, war kein anderes Mittel übrig, als diese über der Stange ganz durchzuschneiden. Auch dieses wurde durch eine unglaubliche Arbeit ermöglicht. Diese fiel mir um so schwerer, als alles im Finstern allein durch Greifen bewerkstelligt werden[178] mußte. Meine Finger waren alle wund, der Schweiß floß auf den Boden, und das rohe Fleisch blutete in den Händen.

Nun fand ich Tageslicht; ich kletterte über die halbe Tür. Im Vorgemach war ein offenes Fenster, ich kletterte hinauf und sah, daß mein Kerker im Hauptgraben des ersten Walles gebaut war. Ich sah vor mir den Aufgang zu ihm, sah die Wache etwa 50 Schritte vor mir, auch die hohen Palisaden, die noch im Graben vor meinem Kerker zu übersteigen waren, ehe ich auf den Wall kriechen konnte. Meine Hoffnung wuchs und meine Arbeit verdoppelte sich, da ich zur dritten Tür kam, die wie die erste nach innen aufging, folglich nur die Umschneidung des Schlosses erforderte.

Die Sonne ging unter, da ich auch mit dieser fertig war. Die vierte mußte wie die erste in der Quere durchgeschnitten werden. Meine Kräfte hatten mich aber bereits verlassen, und das rohe Fleisch in beiden Händen machte mir alle Hoffnung zunichte. Nachdem ich eine Weile gerastet hatte, wurde dennoch auch die letzte Tür angegangen; und wirklich war auch bereits der Schnitt von einem Schuh Länge fertig, als meine Messerklinge zerbrach und die Klinge hinaus fiel.


Allsehender Gott! Was war ich in diesem schrecklichen Augenblick! Fand sich wohl jemals eines Deiner Geschöpfe mehr als ich zur Verzweiflung berechtigt?

Der Mond schien hell. Ich sah durch das Fenster mit starrem Blick in den Himmel, fiel auf meine matten Knie, suchte neuen Mut und Trost und fand keinen, weder in der Religion noch in der Weltweisheit.

Ohne der Vorsehung zu fluchen und ohne die mindeste Furcht vor meiner Vernichtung, noch vor der Gerechtigkeit eines Gottes, der unseres Schicksals Schöpfer ist und der mir auch nur menschliche Kräfte verliehen hatte in Vorfällen, welche diese Kräfte weit überstiegen, empfahl ich mich dem möglichen Richter der Toten, ergriff das Stück meines Messers und durchschnitt mir die Adern am linken Arm und Fuß. Dann setzte ich mich ruhig in den Winkel meines Kerkers und ließ mein Blut rieseln. Eine Ohnmacht bemächtigte sich meiner Sinne, und ich weiß nicht, wie lange ich in diesem Zustande sanft geschlummert habe.[179] Auf einmal hörte ich meinen Namen rufen. Ich erwachte. Abermals rief es draußen:

Baron Trenck!

Meine Antwort war:

Wer ruft?

Und wer war es –? Mein redlicher Grenadier Gefhardt, der mir auf der Zitadelle alle Hilfe versprochen hatte. Dieser rechtschaffene Mann hatte sich über den Wall zu meinem Gefängnis geschlichen, um mich zu trösten. Er fragte:

Wie geht's?

Ich antwortete, nachdem er sich zu erkennen gegeben:

Ich liege in meinem Blut. Morgen findet ihr mich tot.

Was, sterben? erwiderte er. Hier ist es viel leichter für Sie zu fliehen als auf der Zitadelle! Sie haben gar keine Schildwache, und ich werde schon Mittel finden, Ihnen Instrumente zuzustecken. Können Sie sich nur herausbrechen – für das Übrige lassen Sie mich sorgen. So oft ich hier auf Wache bin, will ich Gelegenheit suchen, mit Ihnen zu sprechen. In der ganzen Sternschanze steht nur eine Schildwache vor der Wache und eine am Schlagbaum. Verzweifeln Sie nicht! Gott wird Ihnen noch helfen. Verlassen Sie sich auf mich.

Nach einer kurzen Unterredung wuchs mein Mut. Ich sah noch Möglichkeit zur Rettung. Eine geheime Freude durchwühlte meine Seele. Gleich zerriß ich mein Hemd, verband meine Wunden und erwartete den Tag, der bald danach mit heiterer Sonne anbrach.


*


Ich lasse meine Leser hier urteilen, ob es ein bloßer Zufall oder die Wirkung der Vorsehung war, daß ich in eben dem Augenblick, da ich die Seele aushauchen wollte, noch Trost und Hoffnung erhielt. Wer rief den ehrlichen Gefhardt gerade damals an mein Gefängnis? Ohne ihn hätte ich nach dem Erwachen aus meinem Schlummer unfehlbar alle meine Adern durchschnitten, um meinen Entschluß zu vollziehen.

Nun hatte ich noch Zeit bis Mittag, zu überlegen, was ferner zu tun sei. Was anderes war für mich zu erwarten, als daß ich noch ärger mißhandelt und angeschmiedet werden mußte als bisher,[180] so bald man meine zerschnittenen Türen und gesprengten Fesseln finden würde?

Nach reiflicher Überlegung faßte ich also folgenden Entschluß, der mir glücklich und entgegen jeder Vermutung gelang. Ehe ich aber diesen erzähle, möchte ich noch einige Worte über meinen damaligen Zustand vortragen.

Meine Mattigkeit kann niemand schildern. Das Gefängnis schwamm im Blut, und sicher war nur noch wenig in meinen Adern übrig. Die Wunden schmerzten, die Hände waren von der ungeheuren Arbeit starr und geschwollen, und ich stand ohne Hemd da, weil es zum Verbinden meiner Adern dienen mußte. Der Schlaf überfiel mich, und kaum hatte ich Kräfte übrig, aufrecht zu stehen. Indessen mußte ich wach bleiben, um meinen Entschluß auszuführen.

Mit meiner eisernen Armstange stieß ich nun die Ziegelbank leicht auseinander, weil sie noch ganz neu gemauert war; alle Steine legte ich mitten in mein Gefängnis. Die inwendige Tür war ganz offen; die obere Hälfte der zweiten verband ich an den Angeln und am Schlosse so mit meinen Ketten, daß keiner hinübersteigen konnte.

Da nun der Mittag herankam und man die äußere Tür öffnete, erschrak jedermann, daß die andere offen war. Man betrat mit Erstaunen das Vorgemach. Nun stand ich in der inneren Tür in der fürchterlichsten Gestalt, mit Blut bedeckt, wie ein Verzweifelter, hielt in einer Hand einen Stein und in der anderen das zerbrochene Messer und rief:

Zurück, zurück, Herr Major! Sagen Sie dem Kommandanten, daß ich nicht länger in Ketten leben will. Er soll mich hier totschießen lassen. Herein kommt kein Mensch, ich werfe und schlage 50 Mann tot, ehe einer hereinkommen kann! Und für mich bleibt mir mein Messer. Sterben will ich hier und trotze Ihrer Gewalt!

Der Major erschrak, konnte sich nicht entschließen und ließ den Vorfall dem Kommandanten melden.

Indessen setzte ich mich auf meinen Steinhaufen und erwartete mein Schicksal. Mein geheimer Entschluß zielte aber damals wirklich nicht mehr auf Verzweiflung, sondern nur auf eine gute Kapitulation.[181]

Gleich darauf erschien der Kommandant, General von Borck, nebst dem Platzmajor und einigen anderen Offizieren. Er trat in das Vorgemach, sprang aber gleich darauf zurück, sobald er mich zum Wurf bereit erblickte. Ich wiederholte, was ich dem Major gesagt hatte; nun befahl der General sogleich, die Tür zu stürmen. Das Vorgemach war kaum 6 Schuh breit, und mehr als einer oder zwei konnten meine Verschanzung nicht zugleich angreifen. Sobald ich aber den Arm aufhob, um mein Bombardement mit Steinen anzufangen, sprangen sie wieder zurück. Endlich war eine kurze Stille, nach welcher der alte Platzmajor nebst einem Feldprediger an die Tür trat und mich zu beruhigen suchte. Die Unterredung dauerte lange; wer aber von uns die besten Gründe vorbrachte, das überläßt meine Feder dem ungefähren Urteil des Lesers.

Der Kommandant wurde unwillig und gebot den Angriff. Der erste Grenadier lag gleich auf der Erde, die anderen sprangen vor dem Steinregen zurück und hinaus.

Der Platzmajor trat noch einmal herein, mit den Worten:

Um Himmelswillen, lieber Trenck! Was habe ich an Ihnen verschuldet, daß Sie mich unglücklich machen wollen? Ich allein muß verantworten, daß Sie durch meine Unvorsichtigkeit aus der Zitadelle ein Messer mit herübergebracht haben. Beruhigen Sie sich, ich bitte Sie! Sie sind noch nicht ohne Hoffnung noch Freunde!

Meine Hoffnung war:

Aber man wird mich doch nicht noch ärger mit Fesseln belegen als bisher?

Er ging hinaus, sprach mit dem Kommandanten und versicherte mir auf Ehrenwort, der ganze Vorfall solle nicht weitergemeldet werden und alles beim alten bleiben. –

Hiermit war nun die Kapitulation geschlossen, und meine Verschanzungen wurden überstiegen. Man sah meinen Zustand wirklich mit Menschenliebe und Mitleiden an, untersuchte die Wunden, ließ einen Feldscher holen, der mich verband, gab mir ein anderes Hemd und ließ Blut und Steine wegräumen. Indessen lag ich wirklich halb entseelt auf dem Bett; mein Durst war grausam, auf des Chirurgus Rat labte man mich mit Wein. Zwei Schildwachen wurden in das Vorgemach gestellt.[182]

So ließ man mich ohne Eisen 4 Tage lang ruhig liegen. Man gab mir auch täglich eine Fleischsuppe zur Labung; wie mich aber diese erquickte, kann meine Feder nicht schildern.

Zwei Tage hindurch lag ich in immerwährendem Schlummer und mußte, sobald ich erwachte, trinken, ohne jemals meinen Durst zu löschen. Füße und Hände waren geschwollen und die Schmerzen im Rücken und in den Gliedern fast unerträglich. Am 5ten Tage waren die Türen fertig, von denen die innere ganz mit Eisen beschlagen wurde. Man schmiedete mich aber so wie vorher in die Eisen; vermutlich hielt man eine grausamere Art nicht für notwendig. Nur die Hauptkette an der Mauer war stärker als die erste. Im übrigen hielt man aber redlich Wort, was in unserer Kapitulation versprochen war, und bedauerte wirklich mit Wehmut, daß man laut königlicher Ordre mein Schicksal nicht lindern dürfe, wünschte mir viel Standhaftigkeit und Geduld und schloß die Tür zu.

Nun muß ich aber auch meinen Lesern die Art meiner Kleidung schildern. Weil die Arme an einer Stange festgeschmiedet waren, und die Füße an der Mauer, so konnte ich weder Hemd noch Hosen ordentlich anziehen. Es wurde mir also das erstere mit offenen Nähten überall zusammengebunden. Dies geschah alle vierzehn Tage. Die Hosen aber waren auf beiden Seiten zum Zuknöpfen. Ein blauer Kittel von blauem Kommistuch, der gleichfalls zusammengebunden werden mußte, bedeckte meinen Leib. Ein paar wollene Kommißstrümpfe und Pantoffeln dienten für die Füße; die Hemden waren aus Musketierleinwand genäht.

Wenn ich mich nun in dieser wirklich schreckbaren Missetäter-Kleidung betrachtete, in welcher ich, in Fesseln an die Mauer geschmiedet, nach Recht und Mitleid vergebens schmachtete; wenn ich in meiner Herzens- und Gewissensprüfung nicht den mindesten Vorwurf fand, wodurch ich jemals dergleichen Mißhandlungen verdient hatte; wenn ich dann zugleich an mein glänzendes Glück in Berlin und Moskau zurückdachte und die ganze Bürde und Schmach meines gegenwärtigen Zustandes eine Art gerechter Schwermut hervorbrütete, welche auch den echtesten Weisen und Helden im Unglück zur Untätigkeit, Verzweiflung oder Raserei bewegen kann: dann empfand ich wirklich das, was nur der denken, aber niemals schildern kann, welcher[183] so wie ich gegen Schicksalsstürme gekämpft hat. Sicher aber ist es, daß allein der Stolz, die Eigenliebe, oder vielmehr das unbegrenzte Vertrauen auf meine gerechte Sache, besonders aber auf meine Entschlossenheit, auf die Kräfte meines arbeitsamen, erfindungsreichen Kopfes, in der Folge mein Leben erhalten haben. Die schweren Körperarbeiten, der immer unruhige, mit Entwürfen beschäftigte Geist und die Beharrlichkeit, meine Freiheit eigenmächtig zu erringen, erhielten zugleich meine Gesundheit.

Und wer sollte glauben, daß man sich in meinen Fesseln dennoch täglich Bewegung verschaffen könne? Ich schüttelte nämlich den Oberkörper und sprang mit den Füßen in die Höhe, bis mir der Schweiß über die Ohren lief. Bei meiner Müdigkeit schlief ich ruhig, und oft fiel mir der Gedanke ein: Wie mancher General, der alles Ungemach der Witterung im Felde ausstehen muß, wie mancher von denen, die mich in den Kerker stürzten, würden heute wünschen an meiner Stelle mit ruhigem Gewissen zu schlafen!

Wie viel glücklicher bin ich als der, welchen Gicht und Steinschmerzen jahrelang im Krankenbett foltern!


*


Man wird in der Folge dieser Geschichte lesen, daß ich oft viel Geld in meinem Käfig heimlich eingemauert hatte und gern zuweilen 100 Dukaten für ein Stückchen Brot hergegeben hätte; daß ich wirklich Geld hatte, aber keinen Gebrauch davon machen konnte. War ich in diesem Falle nicht mit einem Geizhalse zu vergleichen, welcher bei seinem Geldkasten schmachtet und keine Freude im Wohltun spürt? Ich konnte ja in meinem Kerker, bei meinem verborgenen Gelde, ebenso stolz, so neidisch, so mürrisch lächeln wie der Mammon, der bei seinen Dukaten ängstlich schwitzt.

In der Tat, ich fand in meinem Zustand viel Ähnlichkeit mit einem solchen Geldnarren. Denn ich hatte öfters 400 Louisdors in meinen Mauern vergraben und konnte doch dafür kein Stück Brot kaufen, um den wütenden Hunger zu stillen.

Wäre jemals der Stolz meine Schwäche gewesen, so brauchte[184] ich mir ja nur vorzustellen, ich sei ein alter Feldmarschall, welcher am Podagra im Bette gefesselt seufzt und zwei Schildwachen vor seiner Tür Wer da? rufen hört. Mir widerfuhr ja noch mehr Ehre, denn ich hatte in dem letzten Jahre gar vier, die mich bewachten. Der Ehrgeiz konnte mich auch kitzeln, wenn ich mir einbildete, daß sehr viel an mir gelegen sein müsse, weil man mich so emsig, so sorgfältig beobachtete und so sicher zu erhalten suchte.

Folterten mich Sehnsucht und Liebe, so empörte sich zuweilen die Leidenschaft bis zur Raserei. Endlich siegte die Vernunft; ich rief mir die ehemals genossenen Freuden ins Gedächtnis zurück, wählte eine der von mir erlebten Szenen in der Einbildungskraft nach Belieben, befriedigte die Natur, schlummerte bei süßen Vorstellungen einer noch zu erhoffenden möglichen Zukunft ein und träumte dann zuweilen ebenso wollüstig im Kerker wie der wachende Türke in seinem Serail von den himmlischen Schönheiten. Gewiß dachte ich auch allezeit in meinen Fesseln edler und größer, gewiß erkannte ich auch den Traum irdischer Glückseligkeit und irdischer Glückgüter gründlicher als die, welche mich in diese Fesseln stürzten und bewachten. Freier war ich auch in Seele und Gewissen als viele, die bei Hofe niederträchtig Sklavenfesseln tragen und die täglich zittern müssen, das zu verlieren, was sie ohne Verdienst arglistig erschlichen hatten. Auch die Besitzer meiner slavonischen Güter, die sie mir durch Arglist entrissen hatten und noch gewiß mit Schande genießen, haben vielleicht noch nie so ruhig von meinem silbernen Service gegessen, wie ich mein Kommißbrot verzehrte.

Mein Sinnbild im Kerker wie in der Freiheit, war eine Eule in der Nacht, wenn die anderen Vögel schlafen.


Gestern schien's, ich sei geschaffen,

Aller Vögel Spott zu sein;

Jetzt, da meine Feinde schlafen,

Seh' ich meine Torheit ein.

Mensch! Betrachte hier den Neid!

Alles währt nur eine Zeit;

Lerne von verfolgten Eulen,

Rachsucht durch Verachtung heilen.[185]

Endlich kommt auch deine Nacht,

Die Verleumder schweigen macht;

Und in deinen Trauertagen

Laß dir von der Eule sagen,

Wie sie über Toren lacht! –


Aus dem dritten Bande meiner Schriften möchte ich hier noch folgende Zeilen einrücken, welche meine Trostgründe im Kerker schildern.


Hier in meiner Trauerhöhle

Hält mir die Vernunft das Licht,

Und mit vorwurfsfreier Seele

Fehlt es mir an Großmut nicht.

Wenn Verleumdung zaumfrei wütet,

Wenn der Trieb zur Welt mich nagt,

Wenn die Ruhmsucht Schwermut brütet,

Bleibt mein Herz doch unverzagt;

Und weil das mich nicht verdammet,

Wird die Zeit mein Richter sein.

Urteil, das vom Pöbel stammet,

Macht mich weder schwarz noch rein.

Unglück ist ja kein Verbrechen,

Strafe schimpft nicht, nur die Tat;

Die gerechte Welt soll sprechen,

Was der Trenck verdienet hat.

Mancher trägt der Fesseln Last,

Den die reinste Tugend schmücket,

Und der Schelm, dem alles glücket,

Wohnt verehret im Palast.

Wer im Kerker edel denket

Und im Unglück lachen kann,

Bleibt, wird gleich sein Recht gekränket,

In sich selbst ein großer Mann.

Der Verdienste wahrer Lohn

Stammt nicht von der Fürsten Thron!


*
[186]

Mein ehrlicher Grenadier Gefhardt hatte mich mit frischer Hoffnung beseelt; ich beschäftigte mich demnach mit Nachdenken und neuen Entwürfen, um mir eigenmächtig zu helfen. Man hatte mir, um mich näher zu beobachten, eine Schildwacht vor die Tür gesetzt; und hierzu wurden allezeit die sogenannten Vertrauten oder verheirateten Landeskinder gewählt, die ich aber, wie die Folge meiner Geschichte erweisen wird, leichter und sicherer zu meinem Beistande überreden konnte als fremde Flüchtlinge. Denn der Pommer ist redlich und dumm, folglich leicht zum Mitleiden zu bewegen und dahin zu locken, wo man ihn haben will.

Indessen begann ich mich an meine anfangs unerträglichen Fesseln allgemach zu gewöhnen. Ich lernte meine langen Haare auskämmen und endlich auch sie mit einer Hand zu binden. Mein Bart, der nie rasiert wurde, hatte mir bereits in so langer Zeit ein fürchterliches Aussehen gegeben; ich fing an, ihn auszurupfen. Die Schmerzen waren empfindlich, besonders um den Mund herum. Aber auch dieses wurde Gewohnheit, und in den folgenden Jahren bewerkstelligte ich es alle 6 Wochen oder 2 Monate, weil die ausgewurzelten Haare wenigstens einen Monat brauchen, ehe sie von neuem hervorkeimen, und eben so lange, bis man sie wieder mit den Nägeln ausreißen kann.

Ungeziefer hat mich nie gequält. Die große Feuchtigkeit von der Mauer muß seiner Entstehung zuwider gewesen sein. Geschwollen war ich auch nie, weil ich mir Bewegung, wie bereits oben gemeldet, zu verschaffen wußte. Nur einzig die immerwährende Dämmerung war mir unerträglich.

Übrigens hatte ich zuvor in der Welt viel gelesen, gelernt, auch bereits gesehen und erfahren. Folglich fand ich allezeit Stoff, meine Gedanken von der Schwermut fern zu halten. Ich durchdachte die sich meinen Ideen ungefähr vormalenden Gegenstände ebenso intensiv, als ob ich sie in einem Buche durchläse oder auf dem Papier niederschriebe. Gewohnheit brachte mich endlich so weit in meiner Denkkraft, daß ich ganze Reden, auch Fabeln, Gedichte und Satiren komponierte, sie laut redend in mir selbst wiederholte und sie zugleich meinem Gedächtnis dergestalt einprägte, daß ich nach erlangter Freiheit imstande war, zwei ganze Bände aus meinem Kopfe niederzuschreiben.[187]

So gewöhnt an Kopfarbeit, ohne Feder noch Papier, verflossen mir die Trauertage wie Augenblicke. Und die Folge meiner Erzählung wird zeigen, wie mir diese Arbeit auch im Kerker Achtung und Freunde, und endlich auch die Erlaubnis, auf Papier zu schreiben, Licht – und sogar die Freiheit brachte. All das habe ich meinen in der Jugend durch strengen Fleiß erarbeiteten Wissenschaften zu danken.

Auch Friedrichs Zorn, der ganze Legionen schlug und Kriegsheere vernichtete, konnte mir im Kerker und in Sklavenfesseln weder Ehre noch Seelenruhe noch Großmut und Standhaftigkeit schwächen. Ich trotzte aller Gewalt, stützte mich auf meine gerechte Sache, fand in mir selbst Waffen zum Widerstand und siegte zuletzt dennoch als ein mißhandelter ehrlicher Mann, welcher Fürsten und Verleumder beschämt.


So kann ich mit überzeugter Gewißheit jedem Leser versichern, daß mir auch im Kerker die Jahre wie Tage verflossen. Nur zuweilen, wenn die Sehnsucht nach dem Genuß der schönen Welt erwachte, wenn die Triebe der Natur sich nach der edlen Freiheit drängten, wenn mein Ehrgeiz bei Betrachtung niederträchtiger Fesseln sich empörte, wenn ich meine Feinde siegreich und meine Güterräuber im Wohlstande betrachtete oder wenn ein Anschlag zur Flucht mißlang: dann empfand ich Augenblicke, die mich zur Raserei und Verzweiflung reizten; dann fühlte ich die ganze Bürde meines Zustandes in vollem Gewicht.

Wenn ich mich aber wehr- und schutzlos fand, wenn ich bedachte, daß mich eben die Monarchin, durch deren Dienst ich allein so tief gefallen war, mich im Unglück gefühllos verließ, daß mich mancher rechtschaffene Mann als Missetäter beurteilen könnte und mir alle Wege zur Rechtfertigung abgeschnitten waren – o Gott, wie pochte dann mein Herz! Rache und Wut rangen dann in meiner Seele gegen Gelassenheit und Geduld. Dann hatte alle Weltweisheit ein Ende, und Sokrates' Giftbecher wäre für mich eine Wohltat gewesen.

Ohne Hoffnung ist der Mensch ein Unding. Wahrscheinlich fand ich bei allen Vernunftbetrachtungen wenig für meine Rettung. Ich verließ mich aber auf mich selbst, meine Kunstgriffe und auf meinen redlichen Grenadier Gefhardt.[188]

Der Hauptgrund zu meiner Erhaltung aber war die Liebe. Ich hatte meinen Gegenstand in Österreich hinterlassen und wollte noch für sie in der Welt leben. Ich wollte meinen Gegenstand weder verlassen noch betrüben. Mein Dasein war ihr und meiner Schwester noch nützlich, die so viel für mich gewagt, gelitten und verloren hatte. Für diese beiden Personen wollte ich also mein Leben erhalten – aber ach, da ich nach 10 Jahren meine Freiheit wirklich erhielt, fand ich beide schon im Grabe ...


*


Ungefähr 3 Wochen nach meiner letzten Szene, wo ich zu entfliehen suchte, kam mein ehrlicher Gefhardt zum ersten Male zu mir auf die Schildwacht, weil man, um mich näher zu beobachten, einen Grenadierposten vor meine Tür gestellt hatte. Eben hierdurch erreichte ich meinen Zweck, um auswärtige Hilfe zu finden, ohne welche alle Rettung unmöglich war. Die erste Unternehmung hatte zu viel Aufmerksamkeit verursacht, da ich ein Gefängnis, welches mit so viel Vorsicht besonders für mich erbaut war und von jedermann für undurchdringlich gehalten wurde, schon am neunten Tage meiner Gefangenschaft, durch 18stündige Arbeit, zerstört hatte.

Kaum war mein Gefhardt zum ersten Mal bei mir auf dem Posten, so hatten wir freie Gelegenheit zur Unterredung. Denn, wenn ich mit einem Fuß auf der Bettkante stand, reichte mein Kopf bis an das Luftloch im Fenster. Er schilderte mir nun die ganze Lage meines Kerkers: und der erste Entwurf wurde gemacht, mich unter den Fundamenten desselben, deren Bau er gesehen hatte, und die er als nur 2 Schuh tief beschrieb, auszubrechen.

Vor allen Dingen mußte ich Geld haben. Dies wurde auf folgende Art bewerkstelligt: Er steckte mir nach der ersten Ablösung einen Draht zu nebst einem Blatt Papier, welches um denselben gewickelt war; dann ein Stück dünnen Wachsstock, welches alles recht gut durch mein Drahtgitter hindurchging. Schwefellicht und ein Stück brennbarer Schwamm kamen auch glücklich durch, eine Feder ebenfalls. Hier hatte ich nun Licht, stach mir in den Finger, und mein Blut diente als Tinte.[189]

So schrieb ich nach Wien an meinen echten Freund, den damaligen Hauptmann von Ruckhardt, schilderte mit wenig Worten meinen Zustand, assignierte ihm 3000 fl. auf meine Kasse und veranstaltete die Sache auf folgende Art:

Er sollte 1000 fl. zur Reise behalten und am 15. August zuverlässig in Gummern, einem sächsischen Städtchen, nur 2 Meilen von Magdeburg entfernt, eintreffen. Dort sollte er sich an eben diesem Tage um die Mittagstunde mit einem Briefe in der Hand sehen lassen. Ein Mensch würde ihm daselbst begegnen, welcher eine Rolle Rauchtabak in der Hand tragen würde. Diesem sollte er 2000 fl. in Gold aushändigen und dann wieder nach Wien zurückkehren.

Gefhardt erhielt dieselbe Instruktion und meinen Brief auf die gleiche Art durch das Fenster, wie er mir das Papier zugesteckt hatte, schickte sein Weib mit dem Brief nach Gummern und bestellte ihn glücklich auf der Post.


Nun stieg mein Mut mit jedem Tage. So oft Gefhardt zu mir auf Posten kam, wurden alle möglichen Anschläge gemacht und alle Vorkehrungen zur Flucht getroffen.

Endlich erschien der 15. August. Es verflossen etliche Tage, ehe Gefhardt wieder bei mir Wache stand. Wie hüpfte aber mein Herz, als er mir zurief:

Alles ist glücklich vonstatten gegangen!

Da er nun abends wiederkam, wurde alles verabredet, auf welche Art er mir das Geld zustecken könne. Ich konnte mit meinen zusammengefesselten Händen nicht bis an das Drahtgitter greifen, auch war das Luftloch zu klein. Es wurde also beschlossen, er solle bei nächster Wache Kalfaktordienste verrichten, und dann bei der Füllung meines Wasserkruges mein Geld hineintun und mir zustecken. Dies gelang glücklich. Aber wie erstaunte ich, als ich in dem Kruge statt 1000 fl. die ganze Summe von 2000 fl. fand, von der ich ihm doch erlaubt hatte, die Hälfte zu nehmen! Es fehlten nur 5 Pistolen; mehr wollte er absolut nicht annehmen.

Ehrlicher Mann! Und das tat ein pommerscher Grenadier. Wie seltsam ist dein Beispiel! Nie fand ich in meiner großen Welterfahrung eine so große uneigenützige Seele. In der Folge[190] habe ich ihn dann doch noch, aber mit Mühe, überredet, die 1000 fl. ganz anzunehmen. Meine Geschichte wird aber erzählen, daß er sie nicht genossen hat und daß sein dummes, treuloses Weib sich selbst etliche Jahre nachher unglücklich machte. Er hingegen litt nicht darunter, weil er gerade zu dieser Zeit im Felde stand und ungestraft davonkam.

Nun hatte ich also Geld, um meine Pläne auszuführen. Es wurde der erste Entwurf gemacht, mich unter den Fundamenten des Gefängnisses hindurchzuwühlen. Und das geschah auf folgende Art:

Zuerst mußte ich frei von den Ketten sein. Gefhardt steckte mir ein paar feine Feilen zu. Die Kapsel an der Fußschelle war so weit gemacht, daß ich sie fast 1/4 Zoll vorwärts ziehen konnte; nun feilte ich inwendig das hineinpassende Eisen aus. Je tiefer ich dieses ausschnitt, desto weiter zog sich die Kapsel herab, bis endlich das ganze inwendige Eisen, wo die Kette durchlief, ganz durchschnitten war. Dann zog ich dasselbe samt den Fesseln heraus und war frei, weil die Schelle aufging. Die Kapsel hingegen blieb auswendig ganz; hierdurch kamen die Füße von der Mauer frei, und es war auch bei genauester Visitation unmöglich, den Schnitt zu finden, weil man nur das Äußere beleuchten und untersuchen konnte.

Die Hände aber zwang ich alle Tage durch Zusammendrücken zu größerer Biegsamkeit und brachte auch sie zuletzt glücklich aus den Schellen. Dann umfeilte ich das verschmiedete Gewinde, machte mir aus einem aus dem Boden gezogenen schuhlangen Nagel einen Schlüssel und wand damit nach Belieben die Schrauben auf und zu – so, daß man bei den Visiten nicht das mindeste merken konnte.

Der Ring um den Leib hinderte mich nicht. An der Kette, welche denselben an der Armstange befestigte, wurde in der Mitte eines Gelenks ein Stück herausgeschnitten und das nächst anschließende an einer Stelle dünner geschliffen, so, daß ich es durchstreifen konnte.

Auf diese Art war ich von allen Fesseln frei. Mittags, wenn man visitierte, rieb ich etwas nasses Kommißbrot auf dem rostigen Eisen, um ihm die Farbe desselben zu geben; dann schloß ich das offene Gelenk mit diesem Teig, ließ ihn am warmen[191] Leib über Nacht trocknen, bestrich die Stelle hernach mit Speichel und gab ihm dadurch die Farbe desselben. Durch diese Erfindung war es unmöglich, die durchgeschnittene Stelle zu erkennen, so daß ich mit jedermann wetten will, daß niemand das zerbrochene Gelenk erkennen kann, ohne mit dem Hammer auf jedes einzelne zu schlagen.


Nun konnte ich mich losmachen, wie ich wollte. Das Fenster wurde nie untersucht. Ich machte also die bei den Haken los, mit denen es in der Mauer befestigt war, die aber alle Morgen wieder eingesteckt und wohl mit Kalk verstrichen wurden. Dann ließ ich mir von meinem Freunde Eisendraht zustecken und versuchte, ein neues Drahtgitter zu flechten. Auch das brachte ich zustande. Folglich schnitt ich in der Mitte der Fenstermauer, wo man nie hinsah, das ganze Gitter heraus und lehnte das meinige an diese Stelle. Hierdurch hatte ich freie Verbindung mit den Schildwachen, und ich erhielt frische Luft in meinem Kerker.

Dann ließ ich mir alle erforderlichen Instrumente zustecken, erhielt auch Licht und Feuerzeug, hing inwendig meine Decke vor das Fenster, damit man kein Licht brennen sah, und konnte folglich arbeiten, wie ich wollte.

Endlich, nachdem alles vorbereitet war, ging ich ans Werk.

Der Fußboden meines Kerkers war nicht von Stein, sondern von 3 Zoll dicken eichenen Brettern, von denen man die obere Lage nach der Länge, die andere quer und die untere wieder wie die erste gelegt hatte. Folglich war der Holzboden 9 Zoll dick und mit halbzoll breiten und einen Schuh langen Nägeln in einander befestigt. Wenn ich nun oben um den Kopf herum ein wenig Luft machte, so diente meine dicke eiserne Stange zwischen den Händen am besten, diese Nägel heraus zu heben. Schliff ich nun die Stange auf meinem Leichenstein, so war der beste Meißel fertig, um die Bretter durchzuschneiden.

Dann wagte ich den ersten Schnitt, der aber oben über einen Zoll breit werden mußte, um in der Tiefe arbeiten zu können. So bald dieses geschehen war, zog ich ein Stück Brett, welches gegen 2 Zoll unter die Mauer reichte, heraus, beschnitt es sodann unten so weit, daß es oben genau zusammenpaßte; schmierte die Ritzen mit Brot zu, streute Sand darüber – und fand, daß[192] es unmöglich war, irgend etwas bei den Vititen zu bemerken. Hierauf arbeitete ich unten mit weniger Vorsicht und wurde bald mit diesem dreifachen Boden fertig.

Hier fand ich nun einen feinen weißen Sandgrund, auf welchem die ganze Sternschanze gebaut ist. Die Menge der Holzsplitter wurde sehr mühsam und sorgfältig unter den unteren Brettern verteilt und versteckt.

Ohne Hilfe von draußen aber konnte ich nun nichts weiter anfangen. Denn wenn man einen jahrelang festgelegten Grund durchwühlt, bringt man niemals mehr das in die Öffnung zurück, was hinausgeworfen wird. Mein Grenadier mußte mir also etliche Ellen Leinwand zustecken. Hiervon machte ich mir 6 Schuh lange Würste, welche zwischen den eisernen Stangen durchgezogen werden konnten. Diese füllte ich mit Sand, und so oft in der Nacht Gelegenheit war und mein Gefhardt auf Schildwacht stand, schob ich sie hinaus, worauf er sie vorsichtig leerte und den Inhalt unmerklich ausstreute. So bald ich Luft hatte, ließ ich mir alle erforderlichen Instrumente zustecken, ja sogar Pulver und Blei, auch ein paar Sackpistolen, Messer und ein Bajonett. Alles dies fand sicheren Raum unter dem Fußboden.


Dann fand ich aber, daß die Fundamente meines Kerkers nicht zwei, sondern vier Schuh tief lagen. Um nun so tief hinabzukommen, die Fundamente von unten her zu durchwühlen und auszubrechen, waren Zeit, Arbeit und Vorsicht vonnöten, um nicht gehört zu werden. Alles wurde aber dennoch möglich gemacht.

Das Loch, in das ich steigen mußte, war also 4 Schuh tief und mußte so weit sein, daß ich in demselben knien, arbeiten und mich bücken konnte. Was das für Mühe kostete, oben auf dem Boden zu liegen und dann den Kopf und Leib 4 Schuh tief hinunter zu beugen – das ist unbeschreiblich und erfordert einen Versuch, um sich einen Begriff davon zu machen. Inzwischen mußte es dennoch täglich, wenn ich arbeitete, geschehen, um bis an die Fundamente zu kommen. Bei der Visitation aber war alles wieder hineingeworfen; und um alles, auch meine Ketten, von außen wieder in Ordnung zu bringen, brauchte ich gewiß etliche[193] Stunden Zeit. Das beste war, daß ich mir einen Vorrat von Lichten und Wachsstöcken angeschafft hatte. Da aber mein Gefhardt oft nur nach 14 Tagen wieder zu mir auf Posten kam, so verzögerte sich meine Arbeit gewaltig. Und da das Sprechen mit mir allen Schildwachen bei Strafe des Galgens verboten war, wollte ich nicht wagen, einen neuen Freund zur Hilfe zu suchen, um nicht verraten zu werden.

Indessen litt ich in diesem Winter ohne Ofen gewaltige Kälte. Mein Herz aber war fröhlich, weil ich Aussicht zur Rettung sah; und jedermann erstaunte über meine Munterkeit. Gefhardt steckte mir auch Mundprovision, meist in Form geräucherter Würste oder Fleisch zu; dieses stärkte meine Kräfte. Und wenn ich nicht in der Mauer arbeitete, so hatte ich Papier und Licht, schrieb, dichtete und machte Satiren. Folglich verfloß die Zeit, und ich war auch im Kerker vergnügt.


*


In dieser schlummernden Zufriedenheit ereignete sich aber ein Vorfall, welcher beinahe alle meine Hoffnung vereitelt hätte und dessen Erzählung fast unglaublich erscheinen wird.

Gefhardt hatte mit mir gearbeitet. Gerade in der Morgenstunde, da er abgelöst wurde und ich mein Fenster wieder einsetzen und befestigen wollte, fiel mir dasselbe aus den Händen; 3 Scheiben zerbrachen. Vor der Ablösung kam er nicht mehr auf den Posten; es war auch nicht mehr Zeit, mit ihm zu sprechen und Entwürfe zu machen. Ich saß also wohl eine Stunde in Verzweiflung und in tausend Erwägungen betäubt da. Denn sicher hätte man sogleich das zerschlagene Fenster gesehen, wohin ich in Fesseln gar nicht reichen konnte, folglich weiter visitiert und das eingesetzte und nur angelehnte Drahtgitter gefunden.

Ich faßte also einen Entschluß, und da eben die Schildwacht sich an meinem Fenster mit Pfeifen beschäftigte, redete ich dieselbe mit folgenden Worten an:

Kamerad! Habt Mitleiden, nicht mit mir, sondern mit Eurem Kameraden, der unfehlbar gehenkt wird, wenn Ihr mir nicht beisteht! Für einen geringen Dienst will ich Euch gleich 30 Pistolen aus dem Fenster hinaus werfen![194]

Er schwieg etliche Augenblicke, dann sagte er ganz leise:

Hat Er denn Geld –?

Gleich zählte ich 30 Pistolen und warf sie ihm hinaus.

Nun war die Frage, was zu tun sei. Ich erzählte mein Unglück mit dem Fenster, steckte ihm in Papier das Maß zu, wie groß die Scheiben geschnitten sein müßten. Zum Glück war der Kerl entschlossen, auch witzig, und die Palisadentür im Graben am Tage durch die Gleichgültigkeit des Offiziers nicht verschlossen. Er ließ sich von einem Kameraden auf eine halbe Stunde ablösen, lief in die Stadt, und steckte mir kurz vor der Ablösung die Scheiben glücklich zu, wofür ich ihm noch 10 Pistolen hinaus warf.

Bei der Visitation zu Mittag war nun wieder alles in Ordnung, mein Glaserhandwerk meisterlich vollbracht und mein redlicher Gefhardt gerettet. So vermag Geld alles in der Welt, und gewiß ist dieser Vorfall einer der merkwürdigsten in meiner Geschichte. Den Mann, welcher mir diesen großen Dienst leistete, habe ich nie wieder gesprochen. Wie bange indessen dem Gefhardt war, ist leicht zu erraten. Er kam nach etlichen Tagen wieder auf Posten zu mir und erstaunte über den glücklichen Ausgang noch mehr, da er den Mann, der ihn damals abgelöst, kannte. Dieser hatte fünf Kinder und war der vertrauteste alte Mann in der ganzen Kompanie.


Nun ging die Arbeit vorwärts. Die Fundamente wurden von unten her leicht weggebrochen. Gefhardt war aber durch diesen Vorfall so schüchtern geworden, daß er tausend Schwierigkeiten und Einwendungen fand, je mehr sich mein Loch seinem Ausbruch näherte und ich Anstalten zur Flucht mit ihm besprechen wollte. Er bestand absolut darauf, ich bedürfe äußerer Hilfe, um sicher fortzukommen und nicht zusammen mit ihm unglücklich zu werden.

Es wurde also folgendes beschlossen, was aber gerade meine Pläne und saure achtmonatliche Arbeit zunichte machte:

Ich schrieb abermals nach Wien an meinen Freund Ruckhardt, assignierte ihm Geld und bat ihn, er solle abermals in Gummern erscheinen, und dann zu bestimmter Zeit 6 Tage nacheinander mit 2 leeren Reitpferden am Glacis bei Kloster Bergen in der[195] Nacht bereit stehen, um mir weiterzuhelfen. Alles sei zu meiner Flucht fertig.

Binnen dieser 6 Tage hätte nun Gefhardt schon Mittel gefunden, den Posten bei mir zu erhalten oder zu tauschen; folglich lebte ich nunmehr – aber leider! nur 3 Tage lang – in der süßesten und sichersten Hoffnung. Denn, ach, meine Rettung war von der Vorsehung noch nicht beschlossen. –

Gefhardt schickte sein Weib mit dem Brief nach Gummern. Dieses dumme Weib sagt dem Postmeister, ihr Mann habe einen Prozeß in Wien, und er möchte die Güte haben, diesen Brief sicher zu bestellen, wofür sie ihm 10 Reichstaler in die Hand drückte.

Der sächsische Postmeister argwohnt aus dieser Freigiebigkeit natürlich ein Geheimnis, öffnet den Brief, sieht den Inhalt, und statt ihn zu befördern, oder bei möglichem Argwohn an seinen Herrn nach Dresden zu schicken, wird er ein Verräter und bringt ihn dem Gouverneur in Magdeburg. Dieser war damals der Herzog Ferdinand von Braunschweig, und eben gegenwärtig.

Wie erschrak ich aber, als etwa um 3 Uhr nachmittags der Herzog selbst mit einem großen Gefolge in mein Gefängnis trat, mir meinen Brief vorzeigte und mit gebietender Stimme fragte: Wer mir diesen Brief nach Gummern getragen habe?

Meine Antwort war:

Ich kenne ihn nicht.

Gleich wurde die allerschärfste Visitation vorgenommen. Schmiede, Zimmerleute, Maurer traten herein. Und nach einer halben Stunde Arbeit fand man weder mein Loch im Boden, noch das mindeste an den Ketten. Nur am Fenster entdeckte man das falsche vorgesteckte Drahtgitter, welches auch sogleich mit Brettern verschlagen wurde; man ließ in demselben nur ein Luftloch von etwa 6 Zoll Breite. Nun fing der Herzog an zu drohen. Ich antwortete mit Standhaftigkeit:

Ich habe die Schildwacht nie gesehen, welche mir diesen Dienst geleistet, auch nie nach seinem Namen gefragt, damit ich ihn nie unglücklich machen könne.

Endlich, da alle Vorstellungen bei mir nichts erreichten, fragte der Gouverneur mit liebreichem Ernst:

Trenck! Sie haben immer gesagt, Sie wären nie verhört noch[196] gesetzmäßig gerichtet worden. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, Sie sollen beides sogleich erhalten, und ich lasse Ihnen sofort alle Eisen abnehmen, so bald Sie mir den Mann nennen, welcher Ihnen diesen Brief bestellt hat!

Hierauf antwortete ich mit männlicher Standhaftigkeit:

Gnädiger Herr! Jedermann weiß, daß ich diese Mißhandlung in Fesseln in meinem Vaterlande nie verdient habe. Mein Herz ist vorwurfsfrei. Ich suche Rettung, wo und wie ich kann. Dann aber, wenn ich Ihnen den mitleidigen Mann nennen könnte, welcher mir aus Menschenliebe beigestanden hat; dann, wenn ich mein Glück durch fremdes Unglück zu befördern niederträchtig genug dächte; nur dann verdiente ich in diesen Fesseln als ein Schurke zu schmachten. Machen Sie mit mir, was Sie wollen und sollen. Bedenken Sie aber, daß ich noch nicht ganz verlassen bin, noch Rittmeister in der Armee bin und Trenck heiße!

Der Herzog stutzte, drohte, ging hinaus und, wie mir hernach erzählt wurde, hat er draußen gesagt:

Ich beklage ihn und bewundere seine Standhaftigkeit!


Indessen war es für einen so klugen Herrn ein großes Versehen, daß er diese Unterredung, die ziemlich lange dauerte und die ich hier nur kurz berühre, vor der ganzen Wache führte und mithören ließ. Dieses brachte mich in ein solches Vertrauen bei allen gemeinen Soldaten der ganzen Garnison, weil sie sahen, daß ich keinen verriet, daß nunmehr die Bahn bereitet war, in Zukunft bei jedem Achtung und Hilfe zu finden; besonders da der Herzog sagte, er wisse, daß ich Geld versteckt und auch bereits unter die Wachen ausgeteilt habe.

Kaum war er eine Stunde fort, so hörte ich ein großes Geräusch bei meinem Gefängnis. Ich lauschte, und was war es?

Ein Grenadier hatte sich an den Palisaden meines Kerkers mit seinem Haarbande aufgehängt. Der Offizier von der Wache kam noch einmal mit dem Platzmajor herein, um eine Laterne abzuholen, die man vergessen hatte. Beim Hinausgehen sagte er mir heimlich:

Es hat sich schon einer von Ihrem Komplott eben aufgehängt!

Wie erschrak ich, weil ich nichts anderes glaubte, als daß es mein ehrlicher Gefhardt sein müsse![197]

Nach einer tiefsinnigen, schwermütigen und kurzen Überlegung fiel mir ein, was mir der Herzog versprochen hatte, falls ich ihm den Mann nennen wollte, der meinen Brief bestellt hatte.

Ich klopfte also an die Tür und forderte, den Offizier zu sprechen. Er kam an das Fenster, fragte, was ich wollte, und ich sagte:

Er möchte dem Gouverneur melden, man solle mir Licht, Tinte und Feder herein geben, so würde ich ihm allein mein ganzes Geheimnis schriftlich entdecken. Dies geschah, und gegen Abend wurden meine Türen geöffnet; man brachte mir Tinte, Feder, Papier und Licht, gab mir auch eine Stunde Zeit, schloß wieder zu und ging davon.

Nun setzte ich mich nieder, schrieb auf meinem Leibstuhl und wollte den Namen Gefhardt nennen, weil ich ihn sicher tot glaubte. Die Hand zitterte mir aber und all mein Blut drang mir beklemmend zum Herzen. Ich stand auf, trat an das Fensterloch und rief:

Mein Gott! Ist denn kein Mensch so redlich, mir den Namen des Mannes zu sagen, welcher sich jetzt erhängt hat, damit ich viele andere vom Unglück erretten kann?

Das Fenster war noch offen und wurde erst am folgenden Tage vernagelt. Zugleich warf ich 5 Pistolen in einem Papier hinaus und sagte:

Freund! Nimm dies Geld und rette deine Kameraden – oder geh hin, verrate mich und lade Blutschuld auf dich! Man hob das Papier auf, eine kurze Stille mit einigen Seufzern folgte, gleich hörte ich aber eine leise Stimme:

Er hieß Schütz, von Ripps Kompanie!

Gleich schrieb ich Schütz statt Gefhardt, obgleich ich den ersten Namen nie nennen gehört hatte und mit ihm in gar keiner Verbindung stand.

Sobald mein Schreiben fertig war, rief ich nach dem Lieutenant. Man kam herein, empfing den Brief, nahm mir Schreibzeug und Licht weg und schloß die Türen zu. Der Herzog hatte aber den Braten gerochen, daß ich mit mehreren in Verbindung stehen müßte. Es blieb also mit mir alles beim alten, und ich erhielt weder Verhör noch Kriegsrecht.[198]

In der Folge habe ich die Umstände näher erfahren, welche dieses fast unwahrscheinliche Rätsel lösen.

Nämlich, als ich noch in der Zitadelle saß, kam einst eine Schildwacht auf den Posten vor meinem Fenster, lästerte, fluchte und sagte laut:

Der Teufel hole den vermaledeiten preußischen Dienst! Wenn nur der Trenck meine Gedanken wüßte, er sollte gewiß nicht lange in seinem verfluchten Loch sitzen!

Gleich ließ ich mich in eine Unterredung ein, und diese ging da hinaus: Wenn ich ihm Geld geben könne, um einen Nachen zu kaufen, mit welchem wir über die Elbe fahren könnten, so wollte er meine Schlösser bald durchfeilen, meine Türen öffnen und mich erretten.

Ich hatte aber kein Geld und gab ihm dafür einen brillantenen Hemdenknopf, der etwa 500 fl. wert war und den man bei mir nicht vermutet noch gefunden hatte. Von diesem Augenblick an hat er sich aber bei mir nicht mehr gemeldet. Oft stand er nach dieser Wache bei mir; ich erkannte ihn an der westfälischen Aussprache und redete ihn an, erhielt aber nie Antwort.

Nun muß dieser Mensch meinen Hemdenknopf verkauft und etwa Geld haben sehen lassen. Wie nun der Herzog von mir wegging, hat der wachthabende Lieutenant diesen Schütz angefahren und zu ihm gesagt:

Du bist gewiß der Spitzbube, der des Trencks Briefe bestellt, denn du hast seit langer Zeit viel Geld verludert und Louisdors sehen lassen. Wo hast du diese hergenommen?

Schütz erschrickt, hat kein gutes Gewissen, argwöhnt, daß ich ihn verraten würde, weil er mich betrogen hatte, kommt eben zur Ablösung auf den Posten zu mir, nimmt in der ersten Betäubung sein Haarband und erdrosselt sich vor meiner Tür an den Palisaden.

Welch wunderbare Fügung des Schicksals in dieser Begebenheit! Es strafte den Betrüger ein ganzes Jahr danach, als er mich hintergangen hatte. Und hierdurch allein wurde der ehrliche Gefhardt gerettet.


*
[199]

Man hatte indessen meine Schildwachen verdoppelt, um mir das Hilfesuchen schwerer zu machen. Gefhardt kam zwar wieder zu mir auf Posten, aber er hatte kaum Gelegenheit, etliche Worte ohne Gefahr zu sprechen. Er dankte mir für die Verschwiegenheit, wünschte mir Glück und sagte, daß die Garnison in wenigen Tagen ins Feld marschieren würde. Wie erschrak ich bei dieser Nachricht! Mein ganzer Entwurf zur Rettung war abermals vereitelt. Ich faßte aber bald frischen Mut, weil meine Unterminierung nicht entdeckt war und ich noch an die 500 fl an Geld, auch Vorrat von Licht und alle Instrumente bei mir versteckt hatte.

Es dauerte auch keine 8 Tage nach dieser Begebenheit, da wirklich der Siebenjährige Krieg losbrach und die Regimenter ins Feld rückten. Der Major von Weyner kam zum letzten Mal herein und übergab mich dem neuen Major von der Landmiliz, namens Bruckhausen, welcher der gröbste Flegel und ärgste Dummkopf auf Erden war. Von diesem Manne werde ich noch öfters Erwähnung tun; seinen Charakter kann man in der Satire im zweiten Bande meiner Schriften unter dem Titel ›Das Schicksal des Herrn Majors Kilian von Mops‹ nachlesen.

Nun verlor ich alle meine alten Majore und Lieutenants, die mir alle ohne Ausnahme mit möglichster Achtung und Menschenliebe begegnet waren und stellte nichts mehr dar als ein alter Gefangener in einer neuen Welt. Indessen wuchs mein Mut deswegen, weil ich wußte, daß sowohl Offiziere als auch Gemeine einer zusammengerafften Landmiliz leichter zu bestechen sind als die regulären Soldaten. Hiervon fand ich als Menschenkenner auch bald die Bestätigung. Es waren nur 4 Lieutenants erwählt, welche sich in der Bewachung der Sternschanze abwechseln sollten; und es dauerte nicht ein Jahr, so war ich mit dreien von ihnen im Einverständnis.

Kaum aber waren die Regimenter ins Feld gerückt, so erschien der neue Kommandant, General von Borck, in meinem Gefängnis, in der Gestalt eines gebieterischen grausamen Tyrannen. Es war ihm vom König ernsthaft aufgetragen worden, mit seinem Kopf für meine Person gut zu stehen; dafür erhielt er Erlaubnis, mit mir zu verfahren, wie er wolle.[200]

Nun war dieser Mann ein wirklicher Dummkopf, ein Mensch mit einem gefühllosen Herzen und ein materieller Sklave seiner Ordre, dabei aber schüchtern, furchtsam und mißtrauisch. Folglich bebte sein Herz, so oft er es für möglich hielt, daß ich aus meinen Fesseln entfliehen könne. Übrigens hielt er mich wirklich für den ärgsten Bösewicht und Vaterlandsverräter, weil sein Monarch mich so grausam verurteilte und so unbegrenzt mißhandeln ließ. Seine Barbarei gegen mich war demnach auf seinen Charakter und auf seine niedrige Seele gestützt.

Er trat also in mein Gefängnis, nicht als ein Offizier zu einem unglücklichen Offizier, sondern als ein Büttel zu einem Missetäter. Gleich erschienen Schmiede und legten mir ein handbreites ungeheures Eisen um den Hals, welches mit einer schweren Kette an der Fußschwelle befestigt wurde. Hinzu kamen noch zwei leichte Nebenketten, die in dem Ringe desselben befestigt wurden, wie es in meinem Bilde am Titelblatt zu sehen ist, wobei ich wie ein Bär an der Kette herumgerissen wurde.

Mein Fenster wurde bis auf ein kleines Loch zugemauert; und endlich nahm er mir sogar mein Bett weg, gab mir kein Stroh, und verließ mich unter tausend Schmähworten auf meine Souveränin, ihre ganze Armee und auf mich selbst; wobei ich ihm aber kein Wort schuldig blieb und ihn bis zur Raserei erbitterte.

Man stelle sich nun meine Lage in den Händen eines solchen Wüterichs vor! Mein Glück, meine einzige Hoffnung war noch, daß man das in der Fußschelle ausgefeilte Eisen nicht entdeckt hatte. Folglich waren alle Ketten am Fußring unbedeutend und zugleich abgelegt. An Instrumenten, wie an Licht, Feuerzeug und Papier hatte ich auch einen guten Vorrat. Und obgleich es unmöglich war, bei den doppelten Schildwachen in den Graben hinaus durchzubrechen, so blieb mir doch die Aussicht übrig, daß ich noch leicht einen wachthabenden Offizier durch Geld zu weiterer Hilfe gewinnen und einen Erretter wie in Glatz finden könne.


*


Wären die Befehle des Monarchen buchstäblich vollzogen worden, so war mir alles unmöglich. Denn laut denselben sollte mir jede Verbindung mit Menschen abgeschnitten werden. Dazu[201] sollten die 4 Schlüssel von meinen Türen auch in 4 verschiedenen Händen sein: einer bei dem Kommandanten, der andere bei dem Platzmajor, der dritte bei dem Major du jour und der vierte bei dem Lieutenant von der Wache; folglich hätte ich nie Gelegenheit gefunden, mit einem allein zu sprechen.

Am Anfang wurde alles getreu vollzogen, außer daß der Kommandant sich nur alle 8 Tage sehen ließ. Dann kamen so viele Kriegsgefangene in Magdeburg an, daß der Platzmajor seinen Schlüssel dem Major du jour übergeben mußte. Und der Kommandant blieb gar aus, weil die Zitadelle fast eine halbe Stunde von der Sternschanze entfernt war. Nun saß in dieser Sternschanze auch nebst mir der preußische General von Wallrabe gleichfalls seit dem Jahr 1746 in Arrest. Er hatte aber im inneren Polygon sein eigenes Haus und 3000 Reichstaler jährlich zu verzehren. Bei diesem mußte der Major du jour nebst dem wachthabenden Offizier zu Mittag essen und blieb meistens bis gegen Abend bei ihm zur Gesellschaft.

Mit der Zeit wurden diese Herren bequem, oder sie hatten Mitleid mit mir, und gaben dem wachthabenden Lieutenant die Schlüssel, wenn bei mir visitiert werden sollte. Hierdurch erhielt ich allmählich Gelegenheit, allein mit ihnen zu sprechen, die sie selbst zuletzt auch suchten. Eben hieraus entsprangen die Folgen meiner Unternehmungen, die ich noch in möglichster Kürze vorzutragen habe, um den Leser nicht mit Arrestanten-Kunstgriffen zu ermüden.


Es waren nur 3 Majore und 3 Lieutenants, welche abwechselten und die Borck hierzu ausgesucht und instruiert hatte.

Indessen war mein Zustand schrecklich. Mein Halseisen mit den ungeheuren Ketten hinderte mir alle Bewegung; und losmachen durfte ich es noch nicht, bis ich nach etlichen Monaten die Stellen festgestellt hatte, wo man alles sicher glaubte und nie untersuchte.

Das Grausamste war, daß man mir mein Bett genommen hatte. Ich saß also auf dem Boden mit an die feuchte Mauer gelehntem Kopfe und mußte die Fesseln am Halseisen beständig mit einer Hand halten, weil sie mich entweder würgten, oder hinten am Genick die Nerven drückten, folglich Kopfschmerzen[202] verursachten. Weil nun die Stange zwischen beiden Händen allezeit die eine hinunter hielt, wenn die andere auf das Knie gestützt die Halsfesseln erleichterte, so erstarrte mein Blut, und die Arme wurden so schwach, daß man sie wirklich schwinden sah. Man kann sich auch vorstellen, wie wenig ich in solcher Lage schlafen oder ruhen konnte. Endlich überstieg das Ungemach meine Leibes- und Seelenkräfte, und ich verfiel in eine schwere hitzige Krankheit. Der Tyrann Borck blieb unbeweglich und wünschte nur meinen Tod zu beschleunigen, um der Sorge meiner Bewachung enthoben zu sein.

Hier empfand ich erst, was eigentlich ein kranker Gefangener ohne Bett, ohne Erquickung, ohne Trost und ohne Menschenliebe ist. Die größte Seele, alle Vernunftschlüsse unterliegen da, wo der Gliederbau geschwächt wird. Und mein damaliger Zustand empört noch heute mein Blut, wenn ich ihn auf diesen Blättern dem Leser schildern will.

Da ich aber einmal beschlossen hatte, mein Schicksal abzuwarten, männlich zu trotzen, und auch noch immer Hoffnung zur möglichen Flucht vor mir sah, überdem bei erfolgendem Frieden mich nicht ganz verlassen glaubte; so ertrug ich mehr, als ein Weltweiser in meinem Falle dulden sollte, der im Kerker Pistolen bei sich hatte.

Meine Krankheit dauerte an die zwei Monate. Ich wurde so schwach, daß mir kaum Kräfte blieben, meinen Wasserkrug an den Mund zu bringen. Wer kann sich denken, was ein Mensch leidet, der ohne Bett noch Stroh in schweren Fesseln an allen Gliedern zwei Monate lang auf der Erde im feuchten Kerker sitzt; der nichts als trockenes Kommißbrot und keinen Tropfen Suppe als Nahrung erhält; den kein Arzt besucht, kein Freund tröstet, und der ohne Angst noch Menschenhilfe in solchem Zustande gesund werden muß!


Die Krankheit selbst ist Plage genug, um auch den Starken kleinmütig zu machen. Und was litt bei mir zugleich die Seele! Hitze und Kopfschmerz, verschwollener Hals im breiten Halseisen brachten mich fast zur Raserei. Und in solchen Anfällen waren dann noch Füße, Hände und Leib wund gerissen.

Genug hiervon! Der lebendig Geräderte, welcher ohne Gnadenschlag[203] auf dem Rade sterben muß, empfindet gewiß nicht, was ich zwei lange Monate hindurch fühlen mußte. Endlich erschien ein Tag, an den ich nur mit Schauder und Schrecken zurückdenken kann. Ich saß in der größten Hitze und Blutwallung, da die Natur mit ihrer Zerstörung rang. Und als ich trinken wollte, fiel mein Krug aus der Hand und zerbrach.

Nun mußte ich 24 Stunden warten, ehe ich zu trinken erhielt. In dieser schrecklichen Lage hätte ich meinen Vater ermordet, um sein Blut zu lecken. Gern hätte ich zuletzt meine Pistolen hervorgesucht; doch die Kräfte fehlten mir, um mein fest verwahrtes Loch aufzubrechen. Hauptsächlich aber hielt mich mein Ehrgeiz zurück. Ich wollte nicht im Kerker sterben und wie jeder Schurke oder wirkliche Missetäter begraben werden.

Da man am folgenden Tage visitierte, glaubte man mich wirklich tot, weil ich die Zunge aus dem Halse lechzend herausstreckte und in Ohnmacht dalag. Man labte mich, fand Leben, und, o Gott! mit was für Begierde verschlang ich das Wasser aus meinem Krug! Man füllte ihn von neuem, wünschte mir Glück, daß mich der Tod bald von meiner Qual erlösen möge, und ging wieder davon.

Indessen hatte man in der Stadt so rührend von meinem Zustande gesprochen, daß sich alle Damen, auch die Stabsoffiziere der Garnison vereinigten und den Tyrannen Borck bewogen, mir mein Bett wiederzugeben. Wirklich wurde ich von dem Tage an, da ich so bitteren Durst gelitten und so viel auf einmal getrunken hatte, täglich stärker und bald wieder, zum Erstaunen aller Menschen, gesund.


*


Das Herz meiner Inspektionsoffiziere hatte ich gewonnen, und nach 6monatigem schwerem Leiden ging die Hoffnungssonne auf einmal wieder für mich auf. Einer von den Majoren vertraute dem Lieutenant Sonntag die Schlüssel an. Er kam allein zu mir und schüttete mir sein Herz aus, klagte über Schulden, Mangel und Not. Ich gab ihm 25 Louisdors, und hiermit war unsere Freundschaft, unser ewiges Bündnis geschlossen.

Allmählich wurden alle drei wachthabenden Offiziere meine[204] Freunde. Sie saßen stundenlang bei mir, wenn ein gewisser Major die Inspektion hatte, den ich gleichfalls ganz auf meine Seite zu ziehen wußte.

Endlich kam es so weit, daß er selbst halbe Tage bei mir zubrachte. Er war arm; ich gab ihm einen Wechsel auf 2000 fl., und hiermit war die Bahn frei, um neue Unternehmungen anzufangen. Geld war notwendig. Ich hatte den Offizieren bald alles gegeben; in meiner Kasse waren keine 100 fl. mehr.

Gleich fand sich Gelegenheit, ein gutes Objekt auszuführen. Des Hauptmanns von K ..., der Majorsdienste tat, Sohn war kassiert und brotlos; sein Vater klagte mir sein Leid. Ich schickte ihn zu meiner Schwester unweit Berlin; diese gab ihm 100 Dukaten. Er kam zurück und brachte mir die Nachricht von ihrer Freude. Er hatte sie auf dem Totenbett angetroffen, und sie schrieb mir in wenigen Zeilen, daß mein Unglück und die Berliner Verräterei im Jahre 1755 ihre Armut und ihre jetzige zweijährige Krankheit verschuldet hätten. Sie wünschte mir Glück zur Rettung und empfahl mir ihre Kinder. Sie ist aber wieder genesen und hat den Obrist von Pape zum zweiten Manne erwählt, starb aber im Jahre 1758. Ihre wahre Geschichte will ich nicht erzählen, weil sie Friedrichs Asche keine Ehre macht und mein eigenes Herz durch neue Erinnerung an das Vergangene unversöhnlich machen könnte.


Nun kam K ... freudig mit Geld zurück. Alles wurde mit dem Vater verabredet. Ich schrieb an meine große Freundin, die Kanzlerin Gräfin Bestuchew, auch an den Thronfolger Peter nach Petersburg, empfahl den jungen Menschen bestens und bat um mögliche Hilfe für mich. K ... reiste nach Hamburg, von da nach Petersburg, wurde sogleich Hauptmann, bald darauf Major durch meine Empfehlung, handelte auch so redlich, daß ich wirklich durch einen Hamburger Kaufmann, welchen der alte K ... kannte und als Korrespondenten gewählt hatte, 2000 Rubel erhielt, welche mir die Kanzlerin schickte. Er selbst aber war in Petersburg für diesen Dienst reichlich beschenkt worden und hat sein Glück gemacht. Dem ehrlichen alten K ... gab ich 300 Dukaten; er war ein armer Teufel und ist bis zum Grabe mein dankbarer Freund geblieben. Ebenso viel wurde allmählich[205] unter die Offiziere ausgeteilt. Und Lieutenant Glotin trieb es gar so weit, daß er die Schlüssel dem Major zurück gab, ohne meine Türen zuzuschließen, und halbe Nächte bei mir im Kerker zubrachte. Der Wache gab er von meinem Gelde zu saufen.


So ging eine Zeitlang alles nach Wunsch, und der Tyrann Borck wurde betrogen. Man steckte mir Licht zu, gab mir Bücher und Zeitungen zu lesen. Meine Tage verflossen wie Stunden, und ich schrieb, las und beschäftigte mich so gut, daß ich fast meinen Zustand vergaß. Nur allein wenn der dumme grobe Major Bruckhausen die Inspektion hatte, mußte alles behutsam vorgehen. Der andere Major namens Z ... wurde allmählich auch mein Freund. Ich gewann ihn, der ein Geizhals war, indem ich ihm versprach, nach erlangter Freiheit seine Tochter zu heiraten, und ihm handschriftlich 10000 fl. vermachte, falls ich im Kerker sterben sollte.

Endlich kam es so weit, daß mir der Lieutenant Sonntag heimlich andere Handschellen machen ließ, welche so bequem waren, daß ich die Hände leicht herausziehen konnte. Dies war möglich, weil nur die Lieutenants und kein anderer meine Eisen visitierten. Die neuen waren alle den alten ähnlich, und Bruckhausen war zu dumm, um etwas zu bemerken. Alle übrigen Fesseln konnte ich nach Belieben ablegen. Wenn ich also meiner Gewohnheit nach Bewegungen machte, so hielt ich die Ketten in der Hand und verursachte mit ihnen das Gerassel, um die aufpassende Schildwache zu betrügen.

Nur allein das Halseisen durfte ich nicht losmachen; es war auch viel zu erkennbar geschmiedet. Es wurde aber das obere Gelenk durchgeschnitten, sodaß das nächste durchgezogen werden konnte; auch dieses wurde von mir auf die bereits beschriebene Art mit Brot vorsichtig zugeschmiert. Folglich konnte ich alle meine Fesseln nach Belieben ablegen und ruhig schlafen. Kaltes Fleisch und Würste trug man mir gleichfalls heimlich zu; so war meine Lage ganz erträglich.


*


Nun aber fing ich an, für meine Freiheit zu arbeiten. Unter den drei Offizieren war jedoch leider! keiner, der das Herz[206] hatte, für mich das zu tun, was Schell in Glatz tat, um mit mir von der Wache fortzugehen.

Das benachbarte Sachsen war in preußischer Gewalt, desto größere Gefahr bedeutete die Flucht; und alle möglichen Vernunftschlüsse blieben bei solchen Leuten vergebens, die nichts wagen und ganz sicher gehen wollten. Bei Glotin und Sonntag war der Wille gut; aber der erste war eine feige Memme und der andere ein Skrupulant, der hierdurch seinen Bruder in Berlin unglücklich zu machen glaubte. Ich hatte doppelte Schildwachen: folglich war es unmöglich, durch mein Loch, welches unter den Fundamenten seit zwei Jahreen fertig war, vor deren Füßen herauszukriechen; und noch weniger konnte ich die 12 Schuh hohen Palisaden vor den Augen der Wächter übersteigen.

Es wurde demnach folgender Entwurf gemacht, der zwar Herkulesarbeit erforderte, aber sicher auszufühen möglich war:

Der Lieutenant S ... hatte ausgemessen, daß von der Stelle, wo ich das Loch im Boden fertig hatte, bis zu dem Eingang zur Galerie im Hauptwall 37 Schuh zu durchbrechen waren. Da sich nun mein Gefängnis an denselben stützte, so konnte ich unter den Fundamenten des Walles neben dem Graben bis in diesen fort arbeiten. Und da der Grund aus feinem weißen Sande bestand, war es um so besser möglich. Sobald ich in diese Galerie gelangen konnte, war meine Freiheit sicher. Man unterrichtete mich, wieviel Schritte ich nach rechts und links zu gehen hatte, um in diesem Souterrain die Tür zu finden, welche in den zweiten Wall führt. Dann hätte mir am festgelegten Tage der Offizier diese Türen heimlich geöffnet. Allenfalls hätte ich Licht, Brecheisen und Bohrer bei mir gehabt, um alle Hindernisse zu beheben. Und dann mußten mir Vorsicht und Geduld weiterhelfen.

Die Arbeit wurde also angefangen und dauerte über 6 Monate. Ich habe bereits gesagt, wie schwer es mir fiel, das Loch, wo ich hinunter stieg, mit den Händen auszuschöpfen; denn jedes Werkzeug hätten meine Schildwachen rauschen gehört.

Kaum hatte ich das Fundament hinter mir weggebrochen und das alte Loch damit gefüllt, so fand ich, daß der Hauptwall wirklich kaum einen Fuß tiefe Fundamente hatte, was ein Hauptfehler einer so wichtigen Festung ist. Mir wurde diese Arbeit leichter, weil ich die Grundsteine meines Kerkers höher[207] wegnehmen konnte und nicht so in der Tiefe zu arbeiten hatte.

Im Anfang ging das Werk vortrefflich. Ich konnte in einer Nacht bis 3 Schuh vorwärts kommen, so lange ich Raum hatte, den ausgegrabenen Sand wieder hineinzubringen. Kaum war ich aber 10 Fuß vorwärts, so empfand ich erst die Beschwerden. Denn ehe ich anfing, mußte zuerst das Loch, wo ich hinunterstieg, mit der Hand ausgeleert werden, was schon etliche Stunden Arbeit erforderte. Dann mußte jede Handvoll Sand aus dem Kanal geholt werden, um auszuräumen und weiter zu minieren. Alles lag auf einem Haufen im Gefängnis und mußte auf dieselbe Art, wie ich es herausgebracht, alle Tage wieder hineingeschafft werden.

Auf diese Art habe ich berechnet, daß ich, da ich mich einmal über 20 Schuh hineingearbeitet hatte, innerhalb von 24 Stunden gegen 1500 bis 2000 Klafter in der Erde auf dem Bauche kriechen mußte, um den Sand heraus und wieder hinein zu bringen. War ich dann hiermit fertig, so mußte erst jede Ritze in meinem Fußboden genau ausgeputzt werden, daß man beim Visitieren den schneeweißen Sand nicht bemerken konnte. Dann erst wurde der aufgebrochene Boden, und zuletzt jede Fessel in Ordnung gebracht. Wenn ich nun auf diese Art einen Tag gearbeitet hatte, war ich so abgemattet, daß ich allezeit drei folgende ruhen mußte.


Um weniger Raum zu benötigen, war mein Kanal so eng angelegt, daß ich ganz eingezwängt kriechen mußte und nicht einmal die Hand über den Kopf bringen konnte. Überdies mußte alles mit nacktem Leibe geschehen, weil man das schmutzige Hemd bemerkt hätte. Der Sand war auch ganz naß, weil man in 4 Schuh Tiefe schon Wasser findet, wo der grobe Kies anfängt.

Endlich verfiel ich auf den Gedanken, mir Sandsäcke zu machen, um alles geschwind heraus und herein zu bringen. Die Offiziere steckten mir zwar Leinwand zu, welche aber nicht ausreichte; überdies hätte sie bei etwaiger Entdeckung zu viel Aufsehen verursacht, woher so viel Leinwand in meinen Kerker gekommen sei. Ich griff also zuletzt mein Bett an, legte mich in dasselbe, wenn Bruckhausen visitierte, als ob ich krank sei, zerschnitt Strohsack und Bettlaken und machte daraus Sandsäcke.[208]

Zuletzt, da ich mich dem Ausbruch näherte, war es fast nicht mehr möglich, mit der ungeheuren Arbeit fertig zu werden. Und oft saß ich in meinem Gefängnis so ermüdet auf meinem Sandhaufen, daß ich es für unmöglich hielt, alles wieder hinein zu schaffen, und wirklich beschloß, die Visitation abzuwarten, ohne mein Loch zuzumachen. Ja ich kann versichern, daß mir in 24 Stunden nicht so viel Zeit übrig blieb, um ein Stück Brot in Ruhe zu essen, wenn ich alles wieder in Ordnung haben wollte. Kaum hatte ich aber eine Weile schwermütig gerastet, so munterte mich der bisher glückliche Fortgang auf, die letzten Kräfte zu wagen. Ich begann von neuem und wurde dennoch fertig, aber oft kaum 5 Minuten vor dem Visitieren.


Als ich nur noch 6 bis 7 Schuh vom Ausbruch entfernt war, ereignete sich eine wunderbare Begebenheit, welche alles vereitelte.

Ich arbeitete, wie gesagt, unter den Fundamenten des Walles neben dem Graben, wo die Schildwachen standen. Alle meine Eisen konnte ich ablegen, nur das um den Hals blieb mit dem daran hängenden Haken fest und war bei der Arbeit, wo ich es festband, losgeworden; folglich hatte eine Schildwache das Klimpern in der Erde, ungefähr 15 Fuß weit von meinem Kerker, gehört. Sie hatte den Offizier herbeigerufen; man legte das Ohr auf die Erde und hörte mich unten die Säcke hin- und herschieben. Am folgenden Tage wurde es gemeldet, und der Major, der gerade mein bester Freund war, trat nebst dem Platzmajor, einem Schmied und einem Maurer herein.

Ich erschrak. Der Lieutenant winkte mir, daß verraten sei. Und nun ging die Visitation an.

Kurz gesagt – die Offiziere wollten nichts sehen, der Schmied und der Maurer fanden alles ganz. Hätte man mein Bett untersucht, so wäre der halbe Strohsack von unten und das Bettlaken vermißt worden. Der Platzmajor war dumm und hielt die Sache für unmöglich. Er hatte also draußen der Schildwache, die mich belauschte, gesagt:

Du Esel hast einen Maulwurf, aber nicht den Trenck in der Erde gehört! Wie wäre es möglich, daß er so weit von seinem Kerker arbeiten könnte?[209]

Und hiermit ging alles fort.

Aber ich hatte keine Zeit mehr zu versäumen. Wäre man nur einmal abends zur Visitation gekommen, so hätte man mich bei der Arbeit gefunden. So klug war aber niemand in den 10 Jahren. Denn Kommandant, Platzmajor und Bruckhausen waren kurzsichtige, elende Menschen. Die anderen hingegen wünschten mir alle Glück und wollten nichts sehen. Ich hätte schon drei Tage nach diesem Vorfall ausbrechen können. Da ich aber gerade an dem Inspektionstage Bruckhausens, meines einzigen Feindes, entfliehen wollte, um ihm einen Streich zu versetzen, so hatte dieser Schuft mehr Glück als Verstand. Er war etliche Tage krank, und K ... mußte seinen Dienst übernehmen.


Endlich erschien Bruckhausen wieder beim Visitieren. Kaum aber war die Tür hinter ihm zu, so griff ich zur letzten Arbeit, weil ich die letzten drei Schuh Sand nicht mehr herausbringen durfte, sondern immer nach vorn zum Ausbruch hin arbeiten und den Sand hinter mir durchwerfen konnte. Man stelle sich vor, wie emsig ich wühlte.

Mein Schicksal wollte aber, daß dieselbe Schildwache, die mich vor etlichen Tagen in der Erde gehört hatte, wieder bei mir auf Posten stand. Dieser, vom Ehrgeiz gekitzelt, weil man ihn einen Esel geheißen und er mich doch sicher gehört hatte, legt sich auf den Bauch und hört mich abermals hin- und herkriechen. Er ruft den Kameraden, sie melden es – der Major wird gerufen; der erscheint, hört gleichfalls alles, geht jenseits der Palisaden, hört mich nahe an der Tür wühlen, wo ich eben zur Galerie durchbrechen wollte.

Gleich wird diese Tür geöffnet; man geht mit Laternen hinein und lauert auf den herauskommenden Fuchs ...

Als ich nun von unten her den Sand wegarbeitete, und die erste Öffnung gewann, sah ich Licht – und die Köpfe derer, die auf mich warteten.

Welcher Donnerschlag für mich! Ich war verraten, kroch also mit allergrößter Mühe durch den hinter mich gewühlten Sand zurück und erwartete mit Schrecken und Schauder mein Schicksal. Immerhin hatte ich so viel Geistesgegenwart, daß ich meine Pistolen, mein Geld, meine Instrumente, Papier, Licht, auch[210] etwas Geld unter dem Fußboden verbarg, welchen ich allezeit wieder durchschneiden konnte. Mein meistes Geld war aber in verschiedenen in den Boden und ins Türgerüst eingebohrten und wieder zugeschmierten Löchern versteckt, und nichts wurde gefunden. Hin und wieder waren aber auch in den Ritzen des Bodens kleine Feilen, auch Messer verborgen.

Kaum war ich fertig, so rasselten die Türen. Man kam herein – und fand den Kerker bis oben hin mit Sand und Sandsäcken angefüllt. Die Handschellen aber, nebst den Stangen, hatte ich in aller Eile angelegt, um sie glauben zu machen, daß ich mit denselben in der Erde gearbeitet hätte.

Sie waren auch dumm genug, alles zu glauben; und hierdurch gewann ich schon einen Vorteil für die Zukunft. Niemand war dabei geschäftiger als der grobe, dumme Bruckhausen. Er stellte viele Fragen; ich gab ihm aber keine Antwort, außer daß ich ihm versicherte: Ich hätte den Ausbruch schon vor etlichen Tagen vollzogen, wenn sein Glück ihn nicht hätte krank werden lassen. Und allein, weil ich ihm diesen Streich hätte spielen wollen, sei ich gegenwärtig unglücklich!

Das hat ihn auch wirklich so schüchtern gemacht, daß er in der Folge höflicher wurde und mich wirklich zu fürchten anfing.


*


Die Nacht war da; es war unmöglich, den Sandhaufen hinauszuschaffen. Der Lieutenant und die Wache blieben also bei mir. Ich hatte große Gesellschaft; und am Morgen erschien ein Schwarm Arbeiter, welche zuerst das inwendige Loch ausfüllten. Dann wurde dasselbe ausgemauert und die durchschnittene Bohle in des Fußbodens Oberfläche neu gemacht. Der Tyrann Borck kam gar nicht, weil er eben krank war; sonst wäre es mir viel ärger gegangen.

Am Abend desselben Tages waren die Schmiede auch schon mit ihrer Arbeit fertig. Alle Fesseln wurden schwerer gemacht als die ersten. Und anstatt der Schelle über die Fußeisen, wurden dieselben mit Schrauben zusammengezogen und verschmiedet. Alles übrige blieb beim alten.

Bis zum folgenden Tage wurde noch am Fußboden gearbeitet.[211] Ich konnte abermals nicht schlafen, sodaß ich vor Müdigkeit und Schwermut zu Boden sank. Mein größtes Unglück war, daß man mir abermals das Bett wegnahm, weil ich es zu Sandsäcken zerschnitten hatte.

Ehe man die Türen zuschloß, visitierte mich Bruckhausen und der Platzmajor bis auf den nackten Leib. Sie hatten mich öfters gefragt, wo ich den alle Instrumente hergenommen hätte? Meine Antwort war:

Meine Herren! Der Teufel ist mein bester Freund. Er bringt mir alles, was ich brauche. Wir spielen auch ganze Nächte Piket mit einander, weil er mir Licht bringt. Und Sie mögen mich bewachen, wie Sie wollen, so wird er mich doch erretten!

Sie erstaunten, die anderen lachten. Endlich, da sie alles aufs genaueste untersucht hatten und die letzte Tür zuschlossen, rief ich:

Meine Herren! Kehren Sie zurück. Sie haben etwas wichtiges vergessen!

Indessen zog ich eine versteckte Feile aus dem Boden heraus und sagte bei dem Eintritt der Herren:

Ich habe Ihnen nur erweisen wollen, daß der Teufel mir alles bringt, was ich brauche!

Man visitierte von neuem und schloß wieder ab. In dessen, während sie an den vier Schlössern arbeiteten, hatte ich ein Messer und 4 Louisdor hervorgesucht, weil ich mein Geld an verschiedenen Orten versteckt hatte. Das meiste lag unter dem Fußboden. Ich rief sie nochmals zurück; sie kamen mit Murren und Fluchen – und nun übergab ich ihnen Geld und Messer.

Ihre Verwirrung war unbegrenzt. Ich hingegen lachte und spottete nur trotz meines Unglücks mit so kurzsichtigen Wächtern. Und bald war ich durch sie in der ganzen Stadt, besonders beim Pöbel, als ein Zauberer und Schwarzkünstler verschrien, dem der Teufel alles zutrage.


Ein gewisser Major Holzkammer, ein höchst eigennütziger Mensch, benutzte diese falschen Gerüchte. Ein vorwitziger dummer Bürger hatte ihm 50 Taler angetragen, wenn er ihm nur erlaube, mich durch die Tür zu sehen, weil er so gern einen Hexenmeister sehen möchte.[212]

Holzkammer vertraute mir das Geheimnis an, und wir verabredeten uns, diesem Bürger recht die Nase zu drehen.

Alles war veranstaltet; er hatte mir eine ganz abscheuliche Larve hereingegeben, mit einer ungeheuren Nase. Sobald ich nun die Schlösser rasseln hörte, steckte ich diese Larve vor das Gesicht und stand in Zwergengestalt da. Der Bürger erschrak und wich zu rück. Holzkammer sagte:

Geduld! Wenn wir in einer Viertelstunde zu ihm gehen, so hat er wieder eine andere Gestalt!

Dies geschah; nun hatte ich mein Gesicht ganz weiß angestrichen und stand im Hemde da wie ein ausgezehrtes Gespenst, mit niedergeschlagenen Augen. Gleich zog er ihn wieder zurück und kam zum dritten Mal.

Jetzt hatte ich meine Haare unter der Nase zusammengeknüpft und eine zinnerne Schüssel auf die Brust gebunden. Als die Tür aufging, stand ich vor derselben in schreckbarer drohender Gestalt und schrie mit donnernder Stimme:

Zurück, Schurken! Oder ich drehe euch allen die Hälse um!

Alles lief verabredetermaßen davon, und der vorwitzige, um seine 50 Taler betrogene Bürger als erster.

Soviel ihn nun auch der Major bat, keinem Menschen ein Wort von dieser Begebenheit zu sagen, weil es auf das schärfste befohlen war, niemand in die Sternschanze zu führen, so vergingen doch nur wenige Tage, und man sprach in allen Bierhäusern von meiner Zauberkunst. Sogar der Bürger wurde genannt, der mich in einer Stunde in dreierlei Gestalt gesehen und noch viele andere Abenteuer dazugelogen hatte. Die Sache kam vor das Gouvernement. Er wurde zitiert und gefragt; dabei nannte er den Major, welcher ihm diesen Gefallen erzeigt hatte, erbot sich sogar zu eidlicher Aussage, daß er dieses wirklich gesehen habe, und berief sich auf die Augenzeugen. Holzkammer hatte deswegen Verdruß und mußte etliche Tage in Hausarrest.

Wir aber hatten hernach noch manches Gelächter über diesen lustigen Einfall, welcher viel von mir sprechen machte. Besonders, da bisher niemand begreifen konnte, wie es möglich sei, daß ich trotz aller Aufsicht, Fesseln und Wächter dennoch fast alle Jahre neue Unternehmungen zur Flucht vollziehen und alle, die meinen Kerker visitierten, mit Blindheit schlagen könne.[213]

Hieraus ersieht man, wie der Leichtgläubige betrogen wird und wie leicht Wunder und Gaukelspiele zu erfinden sind, woraus eigentlich alle Kirchen- und Hexengeschichten entspringen.


*


Nach dieser fehlgeschlagenen Unternehmung, die länger als ein Jahr Zeit erforderte und mich so geschwächt hatte, daß ich wirklich einem lebendigen Gerippe ähnlich sah, hätte die Schwermut sicher alle meine Seelenkräfte besiegt, wenn mir nicht die weitere Hoffnung zur möglichen Flucht, die sich auf meine wachthabenden Offiziere und bereits gewonnenen Freunde stützte, frischen Mut eingeflößt hätte.

Das Ärgste war für mich der Verlust des Bettes. Ich spürte auch bald die Wirkungen davon; abermals verfiel ich in eine schwere hitzige Krankheit, in welcher ich sicher umgekommen wäre, wenn mir nicht die Majore und Offiziere alle mögliche Hilfe und Menschenliebe erzeigt und den Kommandanten betrogen hätten.

Nur Bruckhausen blieb Menschenfeind und ein blinder Sklave seiner erhaltenen Ordre. Am Tage, wenn er die Inspektion hatte, wurden allein die strengsten Befehle beobachtet; und von meinen Eisen durfte ich mich nicht eher losmachen, bis ich einige Wochen lang die Stellen beobachtet hatte, wo er allein in seiner Dummheit visitierte. Dann aber feilte ich die Gelenke durch, wo ich sicher war, und verstrich die Öffnungen wieder mit meinem Brot – ebenso, wie ich es bereits erzählt habe. Die Hände konnte ich allezeit herausziehen – besonders, nachdem mir die schwere Krankheit alles Fleisch vom Leibe gezehrt hatte. Ein halbes Jahr verfloß, ehe ich meine Kräfte wiederfand und zu einer neuen Herkulesarbeit bereit war.


Endlich fand ich auch ein Mittel, den Bruckhausen vom Kettenvisitieren abzuhalten, so, daß er dieses Amt allein dem wachthabenden Offizier überließ. Er hatte eine feine Nase. – –

Wenn ich nun die ersten Schlösser rasseln hörte, so machte ich durch meinen neben mir stehenden Leibstuhl einen solchen Gestank, daß er zurücktrat, endlich gar vor der Tür stehen blieb.[214]

Bei einer Gelegenheit, wo er, von Stolz aufgeblasen, an einem Tage zu mir hereintrat, da soeben ein Kurier mit der Nachricht einer gewonnenen Bataille eingetroffen war, schimpfte und lästerte er grob gegen alle Österreicher, sogar auch gegen die Person meiner Souveränin, daß ich, endlich bis zur Wut aufgebracht, dem neben mir stehenden Lieutenant den Degen von der Seite riß und ihn an die Wand gespießt hätte, wenn er vor dem Stoß nicht durch einen Sprung zur Tür hinaus entwichen wäre.

Von diesem Tage an war der Grobian so furchtsam, daß er sich nicht mehr zum Visitieren an mich heranwagte, sondern allezeit zwei Mann mit kreuzweise gefälltem Gewehr und Bajonetten vor sich treten ließ, hinter welchen er an der Tür stehenblieb. Auch dieser Vorfall war mir nützlich, weil ich niemand als ihn bei der Visitation zu fürchten hatte. Und um zu zeigen, wie seicht sein Verstand war, auch wie verächtlich ich ihm begegnete, will ich unter anderem nur dieses lächerliche Stückchen erzählen.

Ich fand nämlich, da ich in der Erde minierte, eine 24pfündige Kanonenkugel und legte dieselbe mitten in mein Gefängnis. Er kam zur Visitation, und da er sie gewahr wurde, fragte er mit Verwunderung:

Was, Himmelschwerenot, ist das?

Meine Antwort war:

Es ist etwas von der Munition, die mir mein Teufel liefert. Nächstens werden auch die Kanonen ankommen, und dann sollen Sie allein die Schwerenot spüren und erfahren, was der Trenck ist!

Er stand erstaunt da, hat es gemeldet, und war so dumm, daß er nicht einmal urteilen konnte, auf welche natürliche Weise eine solche Kugel in mein Gefängnis kommen konnte.

Ich empfehle meinen Lesern hier meine Satire, die ich auf ihn verfertigte und die im 2ten Bande meiner Schriften unter dem Titel: ›Das Schicksal des Major Mops‹ zu finden ist. Diese Satire habe ich gemacht, da der verstorbene Landgraf von Hessen-Kassel Gouverneur in Magdeburg war und ich bereits Erlaubnis zu schreiben hatte. Der Landgraf, der den Rekel kannte, ließ sie sich durch ihn selbst vorlesen; und seine Kurzsichtigkeit war so groß, daß er selbst mitlachte und den Sinn gar nicht begriff,[215] obgleich alle seine Waidsprüche darin angebracht und ein Teil seiner wirklichen Geschichte und sein ganzer Charakter darin nach dem Original geschildert war.

Der Landgraf, dem sie sehr gefiel, hat mir das mit meinem Blute geschriebene Manuskript nach meiner erlangten Freiheit selbst zurückgegeben, um es unter meinen öffentlichen Schriften bekannt zu machen. Und der Major Mops, den ich im Leben nie fürchtete, sondern nur verachtete, weil er – neben dem Kommandanten Borck – der einzige in meinem Vaterlande war, welcher wirklich Wollust in meinem Leiden empfand, kann auch in seinem Grabe, welches ihn bereits deckt, über meine Federgeburten nicht mehr zürnen.


Im Zusammenhange meiner Geschichte muß ich folgendes nachtragen. Zu eben der Zeit, da mein Anschlag zur Flucht mißlang, kam ein gewisser General von Krusemarck zu mir ins Gefängnis; als Kornett der Garde du Corps hatte ich mit ihm ehemals in vertraulicher Bruderschaft gelebt. Dieser fragte mich in gebieterischem Tone, ohne Freundschaft, Achtung noch Mitleid zu zeigen, unter anderem auch: Wie ich mich beschäftige, auch ob mir die Zeit lang werde?

Meine Antwort war ebenso trotzig und verächtlich wie seine Frage: Daß ich mich auch denkend zu beschäftigen wisse, und, vom Denken müde, vielleicht in meinen Fesseln angenehmer von meiner gerechten Sache träume als die, welche mich mißhandelten!

Er erwiderte:

Wenn Sie rechtzeitig Ihren eigensinnigen Kopf bezwungen und den besten König um Gnade gebeten hätten, so würden Sie vielleicht heute anders leben. Wer ein Verbrechen begangen hat, und noch dazu trotzt und sich eigenmächtig durch Verführung königlicher Soldaten loshelfen will, der verdient kein besseres Schicksal, als das Ihrige ist!

Hierauf geriet ich in gerechten Zorn und erwiderte:

Herr! Sie sind General des Königs, und ich bin noch wirklicher Rittmeister der Kaiserin Theresia, die mich zu schützen, vielleicht auch noch zu retten, wenigstens aber zu rächen wissen wird. Mein Herz ist vorwurfsfrei, und Sie selbst kennen mich,[216] daß ich diese Fesseln nie verdient habe. Ich hoffe also auf die Zeit und meine gerechte Sache als ein ohne Verhör noch legales Verfahren durch Verleumdung verurteilter ehrlicher Mann. Und in dieser Gestalt wird der Philosoph allezeit seinen Tyrannen zu trotzen wissen.

Er ging scheltend und drohend mit den letzten Worten hinaus:

Man wird den Vogel schon anders pfeifen lehren!


Bald darauf erfolgte die Wirkung dieses edlen Besuches. Es kam Befehl, man solle mir den Schlaf hindern und mich alle Viertelstunden durch meine Schildwachen anrufen und wecken lassen, womit man auch sogleich den Anfang machte. Dieses fiel mir unerträglich schwer, bis ich es gewohnt wurde und auch im Schlummer antwortete. Und diese Grausamkeit hat 4 Jahre hindurch gewütet – bis endlich, ein Jahr vor meiner erlangten Freiheit, der großmütige Landgraf von Hessen-Kassel als damaliger Gouverneur der Qual ein Ende machte und mir den ruhigen Schlaf wieder gönnte. In diesem Zustande verfertigte ich das Trauerlied, welches im 2. Bande meiner Schriften zu finden ist und wovon ich hier nur einige Zeilen einrücke:


Weckt mich nur, ihr meine Wächter!

Wann die Viertelstunde schlägt,

Treibt mit mir ein Spottgelächter,

Lauscht nur, ob mein Fuß sich regt!

Um den grausam starren Willen

Eurer Obern zu erfüllen.


Weckt mich, ihr Tyrannenknechte!

Denn ihr tut nur, was ihr müßt.

Aber den, der ohne Rechte,

Meiner Unruh Ursach ist,

Wird sein böses Herz schon wecken,

Und mit Vorwurfslarven schrecken.


Weckt mich alle Viertelstunden,

Ruft nur meinen Namen laut;

Ritzt mir stets die alten Wunden,[217]

Wenn euch vor der Tat nicht graut!

Doch, so oft ihr mich hier störet,

Glaubt, daß Gott eu'r Brüllen höret!


Allen, die in Fesseln liegen,

Wird der Schlaf ja noch erlaubt;

Niemand stört dem sein Vergnügen,

Der sich träumend glücklich glaubt.

Mir allein wird es verhindert,

Daß der Schlaf mein Leiden lindert.


Jeder Ruf, der hier erschallet,

Spricht: Trenck, denk dein Schicksal nach!

Und wenn mir das Herzblut wallet,

Regt den Schmerz die große Schmach.

Kaum erquickt der Schlaf die Glieder,

Weckt mich schon die Schildwacht wieder.


Ach, ihr bittre Grausamkeiten,

Laßt nur alle Zügel los!

Martert mich auf allen Seiten,

Denn ich bin vom Schutze bloß,

Aber dennoch nicht verlassen,

Denn ich kann mich selbst noch fassen.


Wer mit großem Geiste denket,

Ist im Unglück niemals klein;

Und der mich so tief versenket,

Wird auch mein Erretter sein.

Wer auf Gott und Tugend stützet,

Bleibt im Kerker auch beschützet.


Weckt mich also! Weckt mich, Freunde!

Denn ich wache stets im Geist;

Und wer weiß, wer meine Feinde

Morgen anders handeln heißt,

Auch, ob die, die mich so strafen,

Noch so ruhig, wie ich schlafen?
[218]

Ei, so ruft in Gottes Namen!

Weckt mich, bis der Tag anbricht!

Bis Gott endlich Ja und Amen,

Wann ich zu ihm seufze, spricht.

Denn er hält noch für mein Hoffen,

Kerker, Welt, mir Himmel offen.


*


Wer aber eigentlich diesen Befehl gegeben hatte, dessen Beispiel man noch in keiner Geschichte gelesen hat, dieses darf ich der Feder nicht vertrauen. Ein Major, der mein Freund war, und der mir gern meinen Zustand erleichtern wollte, gab mir aber den Rat: Ich sollte auf das Zurufen gar nicht antworten; man könne mich dazu auf keine Art zwingen.

Dieser Rat glückte. Ich folgte ihm und schloß hierdurch die Kapitulation, daß man mir endlich mein Bett wiedergab. Und unter dieser Bedingung tat ich, was man wollte und ließ mich wecken.

Gleich nach dieser Anordnung wurde der wirklich gegen mich grausame und aufgebrachte Kommandant, General von Borck, krank, im Gehirne verrückt, folglich von seinem Amt abgesetzt; und Obristlieutenant von Reichmann, ein wahrer Menschenfreund, wurde an seiner Stelle Kommandant.


Um eben diese Zeit flüchtete auch der Hof selbst aus Berlin, und Ihre Majestät die Königin, der Prinz von Preußen, die Prinzeß Amalia, der Markgraf Heinrich wählten Magdeburg zu ihrer Residenz.

Nun wurde auch Major Mops höflicher als zuvor; vermutlich, weil er bei Hofe gehört hatte, daß ich noch nicht ganz hilflos verlassen sei und noch dereinst meine Freiheit erwarten könne. Tyrannen und Dummköpfe sind gewöhnlich auch feige und verzagte Menschen. Vielleicht bewog also die Furcht eines möglichen Vorfalls auch diesen Bruckhausen, mir mit mehr Achtung zu begegnen, welches ich auch bald merkte.

Reichmann, der redliche neue Kommandant, konnte zwar an meinen Fesseln und an meiner wirklich schreckbaren Lage nichts[219] abändern, noch sie erleichtern. Er gab aber Befehl, oder sah vielmehr durch die Finger, daß die Inspektionsoffiziere mir anfänglich nur zuweilen, endlich aber täglich die inneren zwei Türen öffneten, um mir auf einige Stunden frische Luft und Tageslicht zu vergönnen. Mit der Zeit ließen sie mir die Türen gar den ganzen Tag offen und schlossen sie nur, wenn sie des Abends vom Wallrabe in die Stadt gingen.

Bei dieser Gelegenheit fing ich an, auf meinen zinnernen Trinkbecher mit einem ausgezogenen kleinen Brettnagel zu zeichnen, endlich Satiren zu schreiben, zuletzt gar Bilder zu gravieren, und brachte es in dieser Kunst so weit, daß meine gravierten Becher als Meisterstücke der Zeichnung und Erfindung teuer als Seltenheiten verkauft wurden, und der beste gelernte Graveur meine Arbeit schwerlich übertreffen wird.

Der erste Versuch war, wie leicht zu erachten, unbedeutend. Man trug aber meinen Becher in die Stadt, der Kommandant ließ ihn weiter sehen und mir einen neuen geben. Dieser neue geriet besser als der erste. Dann wollte jeder Major, der mich bewachte, einen haben; ich wurde täglich geschickter, und ein Jahr verfloß mir bei dieser Beschäftigung wie ein Monat. Zuletzt erhielt ich sogar wegen dieser Becherarbeit die Erlaubnis, Licht zu brennen; welches auch bis zu meiner endlichen Befreiung unausgesetzt fortdauerte.

Laut Gouvernementsbefehl sollte zwar ein jeder Becher dieser Art dem Gouverneur überbracht werden, weil ich in denselben alles schrieb oder in Bildern hieroglyphisch darstellte, was ich von meinem Schicksal der Welt bekannt machen wollte. Es wurde dieser Befehl aber nicht ausgeführt, und die Offiziere, welche mich bewachten, trieben einen Handel damit, verkauften sie auch zuletzt bis auf 12 Dukaten; und nach meiner erlangten Freiheit ist ihr Wert so hoch gestiegen, daß man sie in verschiedenen Ländern Europas in den Kabinetten der Seltsamkeiten noch gegenwärtig findet.

Einen davon hat der verstorbene Landgraf von Hessen-Kassel vor 12 Jahren meiner Frau zum Andenken geschenkt. Der andere ist in Paris zu finden und auf wunderbare Weise aus den Händen der verwitweten Königin Majestät dahin gekommen. Beide habe ich mit allen darauf befindlichen Sinnbildern und[220] Beischriften treulich kopiert und am Ende des 2ten Bandes meiner Schriften angezeigt. Wer nun diesen gelesen hat, der allein kann urteilen, wie künstlich diese Becher gearbeitet sind.

Einer davon geriet zu Magdeburg in die Hände des Fürsten August Lobkowitz, welcher damals gefangen war. Dieser brachte ihn nach Wien, und Ihro Majestät, der hochselige Kaiser, hatten ihn unter Dero Kabinettstücke verwahrt. Zufällig fand sich unter anderem ein Bild auf diesem Becher, welches einen Weinberg mit arbeitenden Menschen vorstellte. Unter demselben war folgende Inschift:


Mein Weinberg war gebaut, ich sah ihn keimen, blühen;

Die Hoffnung reifer Frucht beseelte mein Bemühen!

Doch ach! ich pflanzte nur. Ein Ahab trinkt den Wein,

Und mein Verhängnis will, ich soll ein Nabot sein.


Ma Vigne fleurissolt par mes soins & travaux:

J'esperai des beaux fruits pour le prix de mes maux.

Mais malheur pour Nabot! Jesebel l'a cherie,

Et pour boire mon Vin, me fait perdre la vie.


Dieses auf die biblische Geschichte von Nabot, Ahab und Jesebel und zugleich auf mein Schicksal in Wien anspielende Sinnbild hat bei der scharfsichtigen, großdenkenden Maria Theresia so lebhaften Eindruck gemacht, daß sie Dero Minister sogleich Befehl gab, auf alle mögliche Art für meine Errettung zu sorgen. Vielleicht hätte sie mir auch meine mir entrissenen Güter wiedergegeben, wenn die Besitzer derselben weniger Gewalt und Kredit besessen, oder wenn sie selbst nur noch ein Jahr länger gelebt hätte!

Indessen habe ich doch meiner Becherarbeit zu danken, daß man auch endlich in Wien an mich zu denken anfing und mich nicht schutzlos verließ.

Auf eben diesem Becher stand auch ein Sinnbild, welches einen Vogel im Käfig in einer Türkenhand vorstellte.

Wunderbar ist aber doch die Geschichte mit diesen Bechern. Denn bei Lebensstrafe war verboten, mit mir zu sprechen oder mir Tinte und Feder zu gestatten; und dennoch usurpierte oder[221] erschlich ich allgemach die offene Erlaubnis, alles in Zinn zu schreiben, was ich der Welt von mir sagen wollte, und erschien hierdurch vor den Augen derer, die mich vorher nie kannten, in der Gestalt eines unterdrückten brauchbaren Mannes. Meine Becher erwarben mir Achtung und Freunde; und dieser Erfindung habe ich größtenteils meine endlich erlangte Freiheit zu danken.


Nun muß ich aber noch etwas sagen, um ihren Wert zu heben. Ich arbeitete bei Licht auf glänzendem Zinn und erfand die Kunst, den Bildern durch die Art der Striche Licht und Schatten zu geben. Durch Übung wurden zuletzt die Abteilungen von 32 Bildern so regulär, als ob sie mit dem Zirkel abgemessen wären. Die Schrift war so fein, daß sie nur mit Vergrößerungsgläsern gelesen werden konnte.

Weil aber beide Hände an einer Stange angeschmiedet waren und ich nur eine brauchen konnte, lernte ich den Becher mit den Knien halten. Mein einziges Instrument war ein geschliffener Brettnagel; und dennoch findet man sogar auf dem Rande doppelte Zeilen Schriften.

Übrigens hätte mich diese Arbeit zuletzt zum Narren oder blind gemacht. Jedermann forderte Becher; und ich saß, um gefällig zu sein, gewiß täglich 18 Stunden bei der Gravierung. Das Licht blendete auf dem gländenden Zinn; und die Erfindung aller Zeichnungen und Stellungen griff zugleich mehr, als man glaubt, die Denkungs- und Einbildungskräfte an, weil ich kein Original vor mir und in meinem Leben nichts von der Zeichenkunst gelernt hatte außer dem, was zur Militär- und Zivil-Architektur erforderlich ist.

Genug hier von diesen zinnernen Bechern, die mir so viel Ehre und Vorteile verschafften und manche Trauerstunde verkürzen halfen!

Das Ärgste dabei war das ungeheure Halseisen, welches nebst seinen schweren Ketten mir die Nerven am Nacken drückte und täglich Kopfschmerzen verursachte. Ich wurde auch wirklich zum dritten Male krank, weil ich zu viel still saß und eine Braunschweiger Wurst, die mir ein Freund heimlich zusteckte, mir eine Indigestion verursachte, an der ich beinahe gestorben[222] wäre. Es erfolgte ein Faulfieber, und binnen 2 Monaten sah ich einem Totengerippe ähnlich, obgleich mir von den wachthabenden Offizieren Arzenei und zuweilen auch warmes Essen gegeben wurde.


*


Nun war es aber auch wieder Zeit, an meine Freiheit zu denken und eine neue Unternehmung zu wagen. Mein Geld, welches ich hin und wieder versteckt hatte, war ausgeteilt, und unter dem Fußboden lagen nur noch 40 Louisdors versteckt, die ich erst ausbrechen mußte.

Der alte Lieutenant Sonntag war lungensüchtig und nahm als Invalide seinen Abschied. Diesem gab ich Reisegeld und schickte ihn nach Wien, mit der besten Rekommandation, ihm so lange jährlich aus meiner Kasse 400 fl. zu geben, bis ich meine Freiheit erhielt oder er leben würde. Sein Auftrag war, bei der Monarchin eine Audienz zu suchen und Mitleiden, auch Beistand für mich anhaltend zu sollizitieren. Dabei gab ich ihm eine Anweisung, 4000 fl. für mich von meinem Gelde zu empfangen und mir dieselbe über Hamburg an den Kapitän Knoblauch zu übermachen, der sie mir heimlich zugesteckt hätte. Ich empfahl ihn an den Hofrat von Kempf, welcher während meines Gefängnisses, nebst dem Hofrat von Hüttner, die Administration eines Vermögens führte.

Doch, ach! Niemand wünschte in Wien meine Rückkunft. Man hatte bereits angefangen, mein Gut zu teilen, worüber man nie Rechnung legen wollte. Der gute Lieutenant Sonntag wurde also als ein Kundschafter oder Spion arrestiert und etliche Wochen hindurch im Gefängnis mißhandelt. Endlich gab man ihm, der nackt und bloß war, 100 elende Gulden und ließ ihn über die Grenze führen. Der redliche Mann, ein schmähliches Opfer seiner Treue und Redlichkeit, hat also die Monarchin nicht sprechen können und ging elend und kümmerlich nach Berlin, wo er sich ein Jahr lang heimlich bei seinem Bruder aufgehalten hat und gestorben ist. Er schrieb sein Schicksal dem ehrlichen Knoblauch, und ich habe ihm noch durch denselben aus meinem Kerker 100 Dukaten geschickt. Man urteile, wie mir solchen Nachrichten aus Wien, von meinem Zufluchtsorte, zu Mute war.[223]

Es ereignete sich aber ein Vorfall, daß ein Freund, den ich ewig nicht nennen werde, mich durch Hilfe eines anderen wachthabenden Lieutenants heimlich besuchte. Durch diesen erhielt ich 600 Dukaten, und dieses ist eben der Freund, welcher durch denselben Kanal noch im Jahre 1763 viertausend Gulden dem kaiserlichen Gesandten in Berlin, Baron Riedt, zur Beförderung meiner Freiheit bar bezahlt hat, wovon ich besser unten Erwähnung tun werde. – Nun hatte ich wieder Geld.

Um eben diese Zeit rückte die französische Armee bis auf 5 Meilen an Magdeburg heran. Diese wichtige Festung, die damalige Seele der ganzen preußischen Macht, welche wenigstens 16000 Mann zur Besatzung fordert, hatte keine 1500 zur Verteidigung. Die Herren Franzosen hätten demnach ohne alle Gegenwehr hinein marschieren und dem ganzen Krieg ein Ende machen können. Meine Hoffnung wuchs bei ihrer Annäherung, weil mir die Offiziere alle Neuigkeiten hinterbrachten.

Aber, wie groß war meine Bestürzung, da mir ein Major erzählte: Es wären in der Nacht 3 Wagen in die Stadt gekommen, diese hätte man mit Geld beladen zurückgeschickt, und sogleich hätten sich die Feinde von Magdeburg zurückgezogen.

Diese Anmerkung kann ich meinen Lesern auf Ehre, als eine positive Wahrheit, zur Schmach des damals kommandierenden französischen Generals, versichern. Der Major, welcher mir dieses erzählte, war selbst Augenzeuge; und ob es gleich hieß, das Geld sei zur Armee des Königs geschickt worden, so hat doch leicht jedermann hieraus schließen können, wohin es bestimmt war, weil die Wagen ohne Bedeckung zu eben dem Tor hinaus fuhren, wo die Franzosen nicht weit davon standen. – So wurde damals Maria Theresia von ihren getreuen Bundesgenossen betrogen; und man weiß auch in Paris, wer dieses Geld empfangen und geteilt hat. –

Da auch diese Hoffnung für mich fehlschlug, und ich auch von meiner Freudin, der Kanzlerin in Rußland, nichts mehr zu hoffen hatte, von der man mich in Zeitungen lesen ließ, daß sie nebst ihrem Manne und dem Feldmarschall Appraxin wegen Verräterei und Einvernehmen mit dem Berliner Hof nach Sibirien verschickt und unglücklich geworden sei, so verfiel ich auf ein neues fürchterliches Projekt, um mich zu retten.[224]

Die ganze Magdeburger Garnison bestand damals aus nicht einmal 900 Köpfen Landmiliz, die alle mißvergnügt waren. Ich hatte 2 Majore und 2 Lieutenants auf meiner Seite; und die Wache in der Sternschanze, wo ich saß, bestand nur aus 15 Mann, welche auch meistens bereit waren, meinem Winke zu folgen.

Vor dem Tor der Sternschanze war das Stadttor nur mit 12 Mann und einem Unteroffizier besetzt, und gleich an demselben lag die Kasematte, in welcher 7000 Kroaten als Kriegsgefangene eingesperrt waren.

In unserem Verständnis war noch ein kriegsgefangener Hauptmann, Baron K ... h, welcher unter seinen Kameraden ein Komplott gemacht hatte, um zur bestimmten Stunde in einem gewissen Hause unweit des Tores versammelt zu sein, und meine Unternehmung zu unterstützen. Ein anderer Freund wollte seiner Kompanie Gewehr und Patronen unter einem falschen Vorwand in seinem Quartier bereit halten; und überhaupt waren alle Vorkehrungen so getroffen, daß ich auf 400 Gewehre sichere Rechnung machen konnte.

Dann wäre mein wachthabender Offizier zu mir hereingekommen, hätte die uns etwa verdächtigen zwei Mann zu mir auf Wache gestellt und ihnen befohlen, mein Bett hinaus zu tragen. Indessen wäre ich hinausgesprungen und hätte diese Schildwachen eingesperrt. Kleider und Waffen wären für mich bereit gewesen und zuvor in mein Gefängnis getragen worden.

Dann hätten wir uns des Stadttores bemächtigt; ich aber lief in die Kasematte und rief den Kroaten als Trenck zu, das Gewehr zu ergreifen. Meine anderen Freunde brachen indessen auch los; und, kurz gesagt, der ganze Anschlag war so ausgearbeitet, daß er unmöglich fehlschlagen konnte. Magdeburg, das Magazin der Armee, die königliche Schatzkammer, das Zeughaus – alles geriet in meine Gewalt; und 16000 Kriegsgefangene, die damals in der Stadt lagen, waren hinlänglich genug, den Besitz zu behaupten.

Die gründlichsten Geheimnisse zur Ausführung dieses Unternehmens darf ich meiner Feder nicht anvertrauen. Genug gesagt, daß alles mit der größten Vorsicht und Sicherheit eingefädelt war. Nur dieses muß ich hier noch erinnern, daß in den Sommermonaten die Garnison deswegen so schwach war, weil die[225] Bauern damals wegen Mangel an Arbeitern den Kapitänen einen Gulden täglich für jeden Beurlaubten zahlten und die Beurlaubten selbst dennoch zufriedenstellten. Der Kommandant sah aber bei den Kapitänen durch die Finger.


Nun nahm aber ein gewisser Lieutenant G ... e Urlaub, als ob er seine Eltern in Braunschweig besuchen wolle. Ich gab ihm Reisegeld, und er eilte nach Wien. Dort hatte ich ihn an die Hofräte von Kempf und H ... r adressiert, ihm nur einen Brief mitgegeben, worin ich 2000 Dukaten von meinem eigenen Gelde forderte und versicherte, daß ich hierdurch bald in Freiheit sein, auch mich der Festung Magdeburg bemächtigen würde. Alles übrige Umständliche sollte dem Überbringer mündlich geglaubt werden.

G ... e kommt in Wien glücklich an; man stellt ihm tausend Fragen, besonders verschiedene Male nach seinem Namen. Er gibt sich zum Glück einen anderen, der wirklich auch verraten wurde.

Endlich erteilt man ihm den Rat, sich nicht in so gefährliche Unternehmungen zu mischen und sagt ihm: Es sei so viel Geld nicht in meiner Kasse, und fertigt ihn mit 1000 Gulden ab, anstatt ihm die von mir verlangten 2000 Dukaten zu geben. Hiermit kehrte er zurück, erhielt aber Wind und war so vernünftig, daß er Magdeburg nicht wiedersah.

Denn kaum war er 4 Wochen abwesend, so trat der damalige Gorverneur, Erbprinz von Hessen-Kassel, eben der letztverstorbene regierende Landgraf, in mein Gefängnis, zeigte mir meinen Brief mit dem Projekt, den ich nach Wien geschickt hatte, vor und fragte: Wer diesen Brief bestellt habe, und wer die Leute wären, die mich befreien und Magdeburg verraten wollten?

Ob nun dieser Brief direkt an den König geschickt worden war oder auf geradem Weg in die Hände des Gouverneurs geraten war, dies habe ich nie entdecken können. Genug, ich war verraten und abermals in Wien verraten und verkauft.

Nun kann man sich meine Bestürzung vorstellen, da der Gouverneur mir meinen Brief vorzeigte. Ich behielt aber Geistesgegenwart und leugnete geradeweg meine Handschrift, schien auch selbst über einen so arglistigen Streich ganz erstaunt. Der Landgraf suchte mich zu überzeugen und erzählte mir sogar den[226] Inhalt des mündlichen Auftrags, welchen der Lieutenant Kemnitz in Wien sollte vorgetragen haben, um Magdeburg in die Hand des Feindes zu spielen. – Hieraus erkannte ich die Verräterei klar. Weil aber kein Lieutenant Kemnitz in der Garnison existierte und sich mein Freund zum Glück nicht ganz in Wien aufgedeckt und diesen falschen Namen gegeben hatte, so blieb alles ein nicht zu entwickelndes Rätsel; um so mehr, da das Ganze unwahrscheinlich schien und niemand glauben konnte noch wollte, daß ein Arrestant meiner Art und in meiner Lage die ganze Garnison gewinnen oder übermannen könne.

Der gute und beste Fürst verließ meinen Kerker und schien mit meiner Ausflucht zufrieden zu sein, besonders, da sein Herz keine Freude am Unglück der Menschen empfand.


Indessen erschien am folgenden Tage eine ganze Kommission in meinem Gefängnis. Es wurde ein Tisch hereingetragen, wobei der Kommandant, Herr von Reichmann, selbst präsidierte. Man klagte mich als einen Landesverräter an. Ich beharrte darauf, meine Handschrift zu leugnen. Beweise und Zeugen zur Konfrontation waren keine da; und auf die Hauptfrage einer beschuldigten Verräterei antwortete ich ad Protocollum:

Ich sei kein Übeltäter, sondern ein redlicher Patriot, welcher durch Verleumdung, ohne Verhör noch Kriegsrecht, noch legale Prozedur in diese Fesseln geraten sei.

Mein Hauptargument war dieses:

War ich in Glatz mit Recht verurteilt, so bin ich ein Bösewicht, der verdiente Fesseln brechen will: Bin ich aber unschuldig verdammt, und ist mir kein Fehltritt, viel weniger ein Verbrechen erwiesen, so sind alle Folgen gerechtfertigt, durch die ich mich aus Gewalt eigenmächtig zu retten suche. Übrigens sei ich dem Könige von Preußen keine Treue, keine Pflicht schuldig, welcher mich ungehört verdammt und mir Ehre, Brot, Vaterland und Freiheit durch einen Machtspruch entrissen habe. –


Hiermit war das Verhör abgeschlossen, nichts wurde erwiesen noch aufgedeckt, und alles blieb beim alten. Weil man aber doch Offiziere im Verdacht hatte, so wurden alle drei, die mich bisher bewachten, umgeändert, wodurch ich meine zwei besten Freunde[227] verlor. Es währte aber nicht lange, so hatte ich schon wieder zwei andere durch Geld gewonnen; was mir leicht fiel, weil ich den Nationalcharakter kenne und zur Landmiliz nur arme oder unzufriedene Offiziere gewählt werden konnten. Alle Vorsicht des Gouverneurs war demnach vergebens. Und im Grunde des Herzens wünschte damals schon jedermann, daß ich Mittel finden möge, meine Freiheit zu behaupten.

Ewig werde ich auch die Großmut und Nachsicht nicht vergessen, welche der edel fühlende Landgraf in diesem kitzligen Falle an mir erwies. Ich habe ihm etliche Jahre danach in Kassel persönlich gedankt und bei dieser Gelegenheit sehr viel von ihm selbst erfahren, was meinen Argwohn auf die Wiener Verräter bestätigte. Ich fand bei ihm viel, recht viel Gnade, Vertrauen und Achtung.

Da ich kurz nach dieser Begebenheit abermals schwer krank wurde, schickte er mir seinen Arzt, das Essen von seinem Tische, ließ mich 2 Monate hindurch nicht von meinen Schildwachen wecken, mir auch das Halseisen abnehmen – worüber er wirklich einen harten Verweis vom Monarchen ertragen hat, wie er mir in der Folge mündlich versicherte, da ich ihn in Freiheit sah.


*


Ich hätte nun noch einen ganzen Band mit Erzählungen von noch zwei anderen Hauptunternehmungen zur Flucht zu schreiben, will aber meine Leser nicht mit Wiederholungen ermüden, sondern bedarf des Raumes für merkwürdige Vorfälle. Indessen muß ich doch beide ganz kurz vortragen.

Sobald ich wieder einen wachthabenden Offizier auf meiner Seite hatte, machte ich den Entwurf, bei eben dem Loche wieder auszubrechen, wo mir der erste Anschlag mißlang. Da es mir nicht an Instrumenten fehlte, so waren Fesseln und Fußboden bald wieder durchschnitten und alles so gut vorbereitet, daß ich keine Visitation zu fürchten hatte. Hier fand ich nun gleich mein verstecktes Geld, Pistolen und alle Bedürfnisse.

Es war aber unmöglich, mich vorwärts zu arbeiten, bevor ich einige Zentner Sand hinausgeschafft hatte. Dies geschah auf folgende Art. Ich machte zwei verschiedenen Öffnungen im Fußboden;[228] die eine war der falsche, die andere der wirkliche Angriff. Dann warf ich einen großen Haufen Sand in mein Gefängnis, machte aber das Loch mit aller Vorsicht wieder zu. Hierauf arbeitete ich bei dem anderen so laut, so unvorsichtig, daß man mich draußen unfehlbar in der Erde wühlen hören mußte.

Um Mitternacht wurden plötzlich alle Türen geöffnet, und man fand mich bei der Arbeit, bei welcher ich selbst überfallen zu werden wünschte. Niemand begriff, warum ich unter der Tür ausbrechen wollte, wo dreifache Schildwachen standen. Die Wache blieb bei mir im Kerker. Am Morgen aber kamen etliche Arrestanten, welche den Schutt mit Karren hinausfahren mußten. Das Loch wurde wieder zugemauert und mit neuen Brettern geschlossen; meine Fesseln wurden wieder neu angeschmiedet. Man lachte über meine unmögliche Unternehmung, nahm mir zur Strafe mein Licht und auch mein Bett weg, welches mir aber beides nach 14 Tagen wiedergegeben wurde.

Das rechte Loch wurde niemand gewahr, wo ich die meiste Erde hinausgeworfen hatte. Und da Major und Lieutenant meine Freunde waren, so wollte auch niemand bemerken, daß man dreimal mehr Sand ausführte, als die gefundene Öffnung fassen konnte. Nunmehr glaubte man aber, nach einer so lächerlichen wie unmöglich scheinenden Unternehmung, daß es die letzte sein werde; und sogar Bruckhausen wurde im Visitieren ganz nachlässig.


Nach etlichen Wochen kam der Gouverneur nebst dem Kommandanten zu mir; statt aber wie Borck zu drohen und zu schmähen, sprach der Landgraf ganz gütig zu mir, versicherte mir seine Fürbitte und Protektion nach erfolgtem Frieden und sagte mir auch, ich hätte mehr Freunde, als ich selbst glauben könne; auch daß der Wiener Hof mich nicht verlassen habe.

Mein Vortrag, meine Erklärung erschütterte seine Seele und rührte ihn bis zu Tränen, die er vergebens verbergen wollte. In diesem Augenblick bemächtigte sich die Freude aller meiner Sinne; ich warf mich ihm zu Füßen, redete wie Cicero und fand einen Fürsten, der edel dachte. Er versprach mir alle mögliche Erleichterung; ich hingegen gab ihm mein Ehrenwort, daß ich[229] nichts mehr zur Flucht unternehmen wolle, so lange er Gouverneur in Magdeburg bliebe. Die Art meines Vortrags war für ihn überzeugend; sogleich befahl er, mir das ungeheure Halseisen abzunehmen und ließ mir das zugenagelte Fenster wieder öffnen; befahl, die inwendigen Türen täglich zwei Stunden offen zu lassen; ließ mir einen kleinen eisernen Ofen in den Kerker setzen, den ich selbst von innen heizen konnte; gab mir bessere Hemden, die mir die Haut nicht wund rieben; befahl auch, mir ein Buch weißen Papieres herein zu geben. Auf dieses durfte ich meine Gedanken und Gedichte zum Zeitvertreib niederschreiben. Dann sollte der Platzmajor die Blätter zählen, damit ich keine mißbrauchen könne, und mir wieder andere weiße, gleichfalls gezählte, zurückgegeben.

Tinte wurde mir aber nicht gestattet. Ich stach mir also in den Finger und ließ Blut in einen Scherben laufen; wenn es geronnen war, ließ ich es wieder in der Hand erwärmen, das Flüssige ablaufen und warf die fibrösen Teile weg. Auf diese Art hatte ich nicht nur gute flüssige Tinte zum Schreiben, sondern auch zugleich Farbe zum Malen.

Nun war ich also Tag und Nacht mit Bechergravieren oder Satirenschreiben beschäftigt und hatte offene Gelegenheit, alles vorzutragen, was ich wollte, meine Talente zu entdecken, auch Mitleiden und Achtung zu erwecken; besonders, da ich wußte, daß meine Gedichte, Sinnbilder und Gedanken zuweilen öffentlich bei Hofe vorgelesen wurden und Ihre königliche Hoheit Prinzeß Amalia, auch die großmütige Königin selbst einen Gefallen daran bezeigten.

Bald erhielt ich Aufträge, für gewählte Gegenstände zu arbeiten. Und eben der Mann, welchen der Monarch lebendig begraben wissen wollte, dessen Namen sogar niemand nennen sollte, hat wirklich nie mehr gelebt noch von sich sprechen gemacht, als da er in diesem Grabe seufzte.

Kurz gesagt, man fing an, mich näher zu kennen, meine Schriften rührten und haben mir auch wirklich die Freiheit zuwege gebracht.

Meinen erarbeiteten Wissenschaften, meiner Gegenwart des Geistes in großen Gefahren habe ich demnach alles zu verdanken. Diese konnte mir Friedrichs Macht nicht nehmen, und durch[230] diese allein erhielt ich das, was sein Zorn und Machtspruch mir auf ewig zu entreißen gesonnen war. Ich erhielt, sage ich, meine Freiheit – obgleich der aufgebrachte Monarch bei verschiedenen Fürbitten allezeit geantwortet hatte:

C'est un homme dangereux; durant que j'existe, il ne verra par le jour.

Oder:

Er ist ein gefährlicher Mensch; so lange ich lebe, wird er das Tageslicht nicht wiedersehen!

Und dennoch hab ichs zugleich mit ihm noch 22 Jahre lang gesehen, und mit allgemeinem Beifall im größten Teil Europas, ohne mich anders als durch behauptete Tugend und Rechtschaffenheit an einem Monarchen zu rächen, welcher mich nur mißhandelte, weil er mich nicht kannte, einen übereilten Machtspruch nicht widerrufen und seinem Volke fehlbar scheinen wollte. Auch in allen meinen seitdem an das Licht der Wahrheit gerichteten Schriften habe ich ihn nur zu besänftigen, auch seine Ehre, seine Seelengröße zu rechtfertigen gesucht. Er starb, überzeugt von meiner Rechtschaffenheit, aber dennoch ohne mich zu belohnen; was vielleicht allein deswegen nicht geschah, weil er dieses niemals nach dem Maß der Beleidigung vollwichtig erfüllen zu können glaubte.

Dennoch ruhe seine Asche in Frieden, weil ich meinem Schicksal die erworbenen tiefen Einsichten und den allgemeinen Ruhm zu danken habe, welcher mich gegenwärtig auf allen meinen Schritten begleitet!


Ich kehre nunmehr in meinen Kerker zurück, wo ich nach der letzten Unterredung mit dem Landgrafen ruhiger als mancher Fürst in seinem Palaste mein Schicksal abwartete und mich mit meiner Becherarbeit und der Feder beschäftigte.

Die Hoffnung wuchs mit jedem Tage, und da man mir die Zeitung zu lesen gab, sah ich den Frieden als das Ziel meiner Wünsche näher kommen. So lebte ich fast 18 Monate in stiller Gelassenheit, ohne eine neue Unternehmung zu wagen.

Der regierende Landgraf zu Kassel starb, und Magdeburg verlor seinen großmütigen Gouverneur. Der Kommandant von Reichmann war aber auch ein Menschenfreund und zeigte Mitleid[231] und Achtung für mich. An Büchern fehlte es mir auch nicht; folglich waren alle meine Minuten beschäftigt und die Zeit strich ungefühlt vorbei, da mir Kerker und Fesseln bereits zur Gewohnheit wurden und die sicher zu erhoffende Freiheit sich mir in den angenehmsten Bildern träumend und wachend vorspiegelte.

Ich schrieb in dieser Lage den ›Macedonischen Helden‹ und das Gedicht ›Der Traum und die Wirklichkeit‹, welche seitdem in meinen öffentlichen Schriften bekannt geworden sind. Ich schrieb auch die Fabeln, welche man im ersten Bande derselben findet und die zumeist mein eigenes Schicksal schildern. Die merkwürdigsten aber sind ›Der unglückliche Hund‹, ›Der Kanarienvogel‹, ›Die Nachtigall und der Bauer‹, ›Der unglückliche Zeisig‹, ›Die rachgierige Fliege‹, ›Der Esel und der Hirsch‹ und andere mehr, die man daselbst nachschlagen kann, weil sie eigentlich zu dieser Lebensgeschichte gehören.

Die meisten und besten Schriften aus dieser Zeit sind aber für mich verloren gegangen. Der Geist arbeitete im Kerker mit mehr Empfindung, und die Ausdrücke waren lebhafter, als gewöhnlich ein freier Mensch in seiner bequemen Studierstube schreiben kann. Vielleicht finde ich in Berlin noch etwas wieder, um meine damaligen Gedanken der scharfsichtigen Welt mitzuteilen.

Ich habe aber gewiß acht Bände mit meinem Blute geschrieben, die ich vielleicht nie wieder finden werde.


*


Nun ereignete sich der Vorfall in Rußland. Elisabeth starb, Peter änderte das Verbindungssystem, Katharina stieg auf den Thron und erzwang den Frieden. So bald ich hiervon Nachricht erhalten hatte, wollte ich mich für alle Fälle absichern. In Wien war durch den redlichen Hauptmann K ... meine Korrespondenz offen, man versicherte mir Hilfe, gab mir aber zugleich zu verstehen, daß meine Güterbesitzer und Rechnungsführer das Gegenteil bearbeiteten. Ich wagte nun noch einmal einen Offizier zu überreden, daß er mit mir entfliehen sollte.

Umsonst! Ich fand keinen Schell mehr. Der Wille war gut, aber der Mut zur Ausführung fehlte.[232]

Ich öffnete also mein altes Loch, wo ich bereits etwas Raum gemacht hatte; und meine Freunde halfen mir auf allerhand Art, etwas Sand herauszuschaffen. Mein Geld war ziemlich geschmolzen, man versah mich mit allen erforderlichen Instrumenten, mit frischem Pulver, auch einem guten Degen. Alles wurde unter dem Boden versteckt, den niemand mehr visitierte, weil ich so lange ruhig gewesen war.

Mein Vorhaben war dieses:

Ich wollte den Frieden abwarten; falls ich aber durch denselben nicht gerettet würde, dann sollte mein unterirdischer Gang bis zur Galerie im Walle fertig sein, um nur in dieser die Öffnung zu machen und zu entfliehen.

Zur vollkommenen Sicherheit war folgendes verabredet:

Ein alter Lieutenant von der Landmiliz hatte in der Vorstadt von meinem Gelde ein kleines Häuschen gekauft, wo ich mich allenfalls verbergen konnte. Zu Gummern in Sachsen, eine Stunde von Magdeburg, standen zwei gute Pferde nebst einem Freunde bereit, die daselbst ein ganzes Jahr auf mich warten mußten. Die Abrede war, daß sogleich nach erfolgtem Frieden in jedem Monat, am ersten und auch am fünfzehnten, mein Freund an die Glacis von Kloster Bergen reiten und auf ein bestimmtes Signal hin mir zu Hilfe eilen sollte.


Nun kam es nur darauf an, mein Gefängnis zu durchbrechen, um auf alle Fälle bereit zu sein. Ich durchschnitt also einige obere Bretter auf dieselbe Art wie die ersten, nahm allgemach die ganze doppelte untere Lage, die 6 Zoll dick war, weg, zerschnitt sie mit meinem Meißel in Stücke, verbrannte diese im Ofen und füllte den hierdurch gewonnenen leeren Raum mit dem Sande aus meinem unterirdischen Kanal. Hierdurch gewann ich fast den halben Weg. Dann steckten mir meine Freunde einen Vorrat von Leinwand zu, wovon ich Sandsäcke machte, die ich geschwind ein-und ausschieben konnte. Hierdurch kam ich glücklich bis an die Galerie zum Ausbruche. Dann wurde alles geschlossen, fest gemacht und so gut verwahrt, daß ich bei der genauesten Visitation nichts zu befürchten hatte, weil ich vom unteren Holze überall so viel stehen ließ, daß das obere befestigt blieb. Die eben durchschnittenen Bretter waren alle doppelt[233] festgenagelt und verursachten keinen Verdacht, besonders da die neu angekommene Garnison nicht einmal wissen konnte, ob sie ganz oder stückweise gelegt waren.


Während dieser schweren Arbeit, die mich wieder ganz entkräftet hatte, wurde wirklich Friede, und bei Einrückung der alten Feldregimenter verlor ich alle meine Freunde und Nothelfer auf einmal.

Nun muß ich aber, ehe ich weiterschreite, eine schreckliche Begebenheit erzählen, an die ich nicht ohne Schauder denken kann und von der ich ebenso oft fürchterliche Träume hatte, als ich sie irgendwo erzählen mußte.

Da ich unter den Fundamenten des Walles arbeitete und eben im Begriffe war, einen Sandsack herauszuziehen, stemmte ich mich hinter mir mit einem Fuß an einen großen Stein, welcher herunterfiel und mir den Rückweg versperrte. Wie groß war mein Schrecken, da ich lebendig in der Erde begraben lag! Nachkur zem Hin- und Herdenken fing ich an, seitwärts den Sand wegzuarbeiten, um mich umwenden zu können. Zum Glück hatte ich vor mir noch etliche Fuß Raum; diese füllte ich mit dem Sande, den ich unter und neben mir wegwühlte. Es wurde mir aber die Luft so dünn, daß ich mir tausendmal den Tod wünschte und alle Versuche machte, mir die Kehle zuzuhalten.

Endlich war jede weitere Arbeit unmöglich; der Durst raubte mir die Sinne. So oft ich in den Sand biß, fand ich wieder etwas Luft. Die Beängstigung vermag aber keine Feder auszudrücken, und nach meiner Rechnung habe ich gewiß 8 Stunden in diesem schrecklichen Zustande zugebracht. Welch ein grausamer Tod! Welch eine grauserfüllte Nacht für mich!

Ich wurde ohnmächtig, erholte mich wieder, arbeitete weiter. Nun stand aber die Erde schon vor mir bis an die Nase aufgefüllt, und ich hatte keinen Raum mehr übrig, um Platz zur Wendung zu machen. – Dennoch gelang es; ich krümmte mich zusammen, und mein Loch war weit genug, um in demselben umzukehren.

Nun kam ich an den herabgestürzten Stein, welcher den ganzen Kanal ausfüllte. Weil er vorn offen war, fand ich nun etwas mehr Luft. Ich wühlte vor diesem Steine unten ein tiefes Loch[234] und zog ihn in dasselbe hinein; hierdurch konnte ich über denselben wegkriechen und kam glücklich wieder in mein Gefängnis. Es war schon heller Tag, da ich hinein kam, und meine Kräfte hatten mich so verlassen, daß ich mich niederlegte und mich außerstande sah, allen Schutt wieder hinein zu räumen und mein Loch zuzumachen. Kaum aber hatte ich eine Stunde gerastet, so war meine Standhaftigkeit schon wieder da. Ich griff zum Werk, vollbrachte es glücklich; und kaum war ich fertig, so rasselten meine Schlösser zur Visitationsstunde.

Man fand mich totenbleich, ich klagte über Kopfschmerzen, und etliche Tage lag ich mit Husten und Mattigkeit so krank, daß ich glaubte, meine Lunge müsse angegriffen sein. Die Gesundheit kam aber mit den Kräften wieder; diese Nacht war unter allen meinen erlebten Schreckensstunden die allerabscheulichste.

Lange Zeit träumte ich, daß ich lebendig in der Erde läge; und noch jetzt, da ich bereits 23 Jahre in Freiheit lebe, schreckt mich zuweilen eben der Traum von dieser wirklich erlebten Nacht ...

So oft ich nach dieser Begebenheit wieder zu meiner Arbeit in die Erde kriechen mußte, hing ich mir allezeit ein Messer um den Hals, um bei solchem abermaligem Vorfall meine Qual zu verkürzen. Wirklich aber waren an dieser Stelle, wo der Stein heruntergestürzt war, viele andere wackelig, unter denen ich allezeit durchkriechen mußte; und dennoch geschah es noch viel hundertmal, und nichts hielt mich zurück, um meinen Zweck zur Freiheit zu erreichen.


Da ich, wie bereits gemeldet, mit meinem unterirdischen Kanal bis zum Ausbruch fertig war und der Frieden wirklich erfolgte, schrieb ich alle möglichen Briefe nach Wien an meine Freunde, besonders ein bewegtes Memorandum an meine Souveränin. Ich nahm von meinen bisherigen Wächtern rührenden, zärtlichen Abschied, die mir nichts als Liebe und Gutes erzeigt hatten und mir noch vor der letzten Ablösung alles zusteckten, wessen ich bedurfte, um mir selbst zu helfen. Und die gewöhnlichen Feldregimenter der Magdeburger Garnison rückten wirklich ein.

Ehe aber dieses geschah, verflossen etliche Wochen, und ich[235] erfuhr, daß General von Riedt vom Wiener Hofe als Gesandter in Berlin ernannt worden war. Nun kannte ich die Welt aus geprüfter Erfahrung und wußte, daß dieser Herr allezeit Geld brauchte. Deshalb schrieb ich ihm einen bewegten Brief und bat ihn, mich nicht zu verlassen und mehr für mich zu tun, als vielleicht sein Auftrag von Wien erfordere. Zugleich schloß ich eine Anweisung auf 6000 fl. bei, welche ihm in Wien von meinem Gelde bezahlt werden sollten; 4000 fl. hat er sogleich von einem meiner Verwandten hierzu empfangen, den ich hier nicht nennen darf.

Diesen 10000 fl. habe ich eigentlich meine erst neun Monaate nachher erfolgte Freiheit zu danken, denn eine in meinem Besitz befindliche Wiener Rechnung erweist, daß die 6000 fl. schon im April 1763 von meinen Administratoren auf Hofbefehl für Ordre des General Riedt an die Staatskanzlei des Fürsten Kaunitz bar bezahlt wurden. Die anderen 4000 fl. habe ich nach meiner erlangten Freiheit meinem Freunde, der sie vorgeschossen hatte, dankbar zurückgezahlt.


Ich hatte nun, noch ehe die Garnison abzog, bereits Nachricht, daß bei Abschluß des Hubertusburger Friedens nichts für mich geschehen war. Unser damaliger Bevollmächtigter hatte erst nach bereits ratifizierten Artikeln ganz kaltblütig meinetwegen mit dem preußischen Minister, dem gegenwärtigen Grafen von Hertzberg, gesprochen, aber nichts ernsthaft betrieben, noch sollizitiert. Von Berlin gab man mir aber Versicherung, für mich ernsthaft bei dem Könige einzutreten; und auf dieses Versprechen konnte ich mehr bauen als auf die Wiener Protektion, welche mich 10 Jahre hindurch so hilflos, so verächtlich im Unglück verlassen hatte. Deshalb beschloß ich, noch drei Monate zu warten, ob etwas erfolgte, dann aber erst eigenmächtig aus meinem Gefängnis zu entfliehen.

Die Ablösung der Garnison geschah; und nun war alles neu für mich. Die Offiziere von der Wache waren alles Edelleute und schwerer zu gewinnen als die Landmiliz, und die Majore vollzogen ihre Befehle buchstäblich. Ich brauchte zwar keinen mehr für meine Pläne, mein Herz sehnte sich aber doch nach den gewohnten Freunden; und nun hatte ich wieder nichts als[236] mein Kommißbrot als Nahrung, weil mir niemand mehr das mindeste zusteckte. Die Zeit begann mir lang zu werden. Man hatte bei der Übergabe alles genau visitiert und nichts gefunden. Es war aber doch möglich, daß eine klügere Untersuchung alles entdecken und meine Vorbereitungen zunichte machen konnte. Ein blinder Zufall hätte dieses leicht verursachen können, den ich hier als etwas besonderes erzählen muß.


*


Ich hatte seit zwei Jahren eine Maus so zahm gemacht, daß sie den ganzen Tag auf mir herumspielte und mir aus dem Munde fraß. Ich bemerkte auch an diesem kleinen Tier so entschiedene Merkmale einer mehr als mechanischen Seele, daß ich nicht wagen darf, meine Beobachtungen diesen Blättern beizufügen. Die Theologen würden schnarchen, die Mönche grunzen und die Weltweisen, welche der menschlichen Seele allein die denkenden Kräfte, den Tieren aber nichts als den sogenannten Instinkt beimessen, würden mich einen Märchenschreiber heißen oder wohl gar als einen Ketzer aus der gelehrten Zunft verstoßen, verkleinern und anfeinden. Wenn ich lebe, so erscheint ohnedies eine Abhandlung aus meiner Feder, welche diesen Stoff ausarbeiten soll. Und darin soll meine Maus und eine Spinne gewiß in einer merkwürdigen Rolle auftreten.

Diese wirklich kluge Maus hätte mich nun beinahe unglücklich gemacht. Sie hatte in der Nacht an meiner Tür genagt und in meinem Zimmer Kapriolen auf einem hölzernen Teller aufgeführt. Die Schildwachen hörten es und riefen den Offizier; dieser hört auch und meldet weiter, es gehe in meinem Gefängnis nicht mit rechten Dingen zu ...

Auf einmal wurden mit Tagesanbruch meine Türen geöffnet, und Platzmajor, Schlosser und Maurer traten herein. Man fing an, alles aufs genaueste zu durchsuchen. Boden, Mauern, Ketten, auch mein Leib wurden visitiert; man fand aber nichts. Endlich fragte man mich, was ich in der vergangenen Nacht gearbeitet und gepoltert hätte. Ich hatte die Maus selbst gehört und klagte das arme Tier an. Gleich wurde befohlen, sie abzuschaffen. Ich pfiff, gleich war sie auf meiner Schulter. Nun bat ich für ihr[237] Leben, und der wachthabende Offizier nahm sie mit sich in sein Zimmer, mit dem heiligsten Versprechen, er wolle sie einer Dame schenken, wo es ihr gut gehen sollte.

Er nahm sie mit, ließ sie im Wachtzimmer laufen. Sie war aber für keinen anderen Menschen zahm und hatte sich gleich versteckt. In der Nacht hatte sie aber, wie die Schildwachen am folgenden Morgen gemeldet, an meiner äußeren Tür beständig genagt, und die Merkmale waren sichtbar. Zu Mittag, da man zum Visitieren herein kam und damit beschäftigt war, lief mir auf einmal meine Maus an den Beinen empor, auf die Schulter, und machte allerhand Sprünge, um ihre Freude zu bezeigen.

Hierbei ist dieses zu merken: Sie lief nicht heraus, sondern wurde in einem Schnupftuche tags zuvor bis in das Wachzimmer getragen, welches 100 Schritte von meinem Kerker entfernt war. Wie fand sie nun ihren Herrn wieder? Wie kannte sie die Stunde, wo am Tage visitiert wurde und wo sie offene Türen zu finden wußte? Und dennoch ist es wahrhaftig und wirklich geschehen. Jedermann war erstaunt und wollte diese Maus haben; der Major nahm sie mit für seine Gemahlin. Diese hat ihr einen schönen Käfig machen lassen, in welchem sie aber nichts gefressen hat und nach einigen Tagen tot gefunden wurde.

Ich war wirklich wegen des Verlustes dieses geselligen Tieres einige Tage ganz unruhig. Da ich aber fand, daß sie an einer Stelle im Fußboden, wo ich den Querschnitt mit Brot und Staub verstrichen, dieses Brot so abgenagt hatte, daß meine Wächter wirklich bei der letzten scharfen Visitation mit Blindheit geschlagen waren oder vielleicht nichts sehen wollten, daß das Brett durchschnitten war; so erkannte ich das notwendige Opfer meiner treuen Gesellschafterin, und die Wächter waren beruhigt, auch überzeugt, daß ich nichts mehr für meine eigenmächtige Befreiung unternommen hätte noch wagen dürfe.


Dieser Vorfall mit der Maus beschleunigte aber meinen Entschluß; ich wollte nicht noch 3 Monate warten. Da ich bereits meine Anstalten erzählt habe, laut welchen ich nur in jedem Monat den ersten und den fünfzehnten festgesetzt hatte, wo die Pferde außerhalb der Festung auf mich warteten; so verstrich der erste August allein deshalb, weil ich den redlichen Major[238] von Pfuhl nicht unglücklich machen wollte, welcher mir mehr Menschenliebe als die anderen erzeigte und an eben diesem Tage die Inspektion in der Sternschanze hatte. Es wurde also der fünfzehnte August hierfür festgesetzt; länger wollte ich nicht warten.

Mit diesem festen Entschluß vergingen einige Tage in Sehnsucht, den Tag abzuwarten, an welchem ich mich eigenmächtig retten konnte.

Auf einmal ereignete sich ein Vorfall, welcher einer der merkwürdigsten in meiner Lebensgeschichte ist. Der Major du jour, welcher sonst allezeit selbst mein Gefängnis aufzuschließen gewohnt war, mußte eiligst in die Stadt, wo Feueralarm geschlagen wurde, und gab dem Lieutenant die Schlüssel, um bei mir zu visitieren.

Dieser kam herein, sah mich mit Mitleiden an und fragte:

Ach, lieber Trenck, haben Sie denn in sieben Jahren unter den Landmilizoffizieren keinen Erretter, wie in Glatz den Schell, finden können?

Mein Freund! Freunde solcher Art sind selten zu finden. An Willen hat es keinem gefehlt. Jeder wußte, daß er durch mich glücklich werden konnte. Aber keiner hatte Herz genug im Leibe, um eine entschlossene Unternehmung auszuführen. Geld habe ich ihnen genug gegeben, aber wenig Hilfe von ihnen erhalten.

Wo nehmen Sie denn das Geld her?

Von Wien, mein Freund! Durch geheime Korrespondenz, die sie mir beförderten. Und noch gegenwärtig bin ich damit für einen Freund versehen. Kann ich Ihnen damit Dienste leisten? Ich gebe es freudig; und ich fordere nichts von Ihnen!

Gleich zog ich 50 Dukaten aus einem Loch hervor, welches an der Schwelle des Türgerüstes hierzu gebohrt war, und gab sie ihm. Er weigerte sich, nahm sie aber endlich mit Zaghaftigkeit an, versprach sogleich wiederzukommen, ging hinaus, hing die Schlösser nur zum Schein davor und hielt Wort. Nun erklärte er sich offenherzig, daß er ohnedem wegen Schulden desertieren müßte und längst den Vorsatz gefaßt habe; könne er mir also forthelfen, so wäre er zu allem bereit, ich solle ihm nur den Entwurf zur Möglichkeit machen.[239]

Wir blieben zwei Stunden allein zusammen; das Projekt war bald gemacht, approbiert und sicher zur glücklichen Ausführung gefunden; besonders, da ich ihm sagte, daß meine Pferde in Gummern bereitstünden. Gleich war Brüderschaft und ewige Freundschaft geschlossen. Ich gab ihm noch 50 Dukaten, und niemals hatte er so viel Geld in seinem Besitz gehabt; denn seine ganzen Schulden, wegen derer er desertieren wollte, betrugen keine 200 Reichstaler. Da er aber von Hause gar nichts hatte, so war es unmöglich, dieselben von seiner Gage zu bezahlen.

Unsere Abrede war kurz diese:

Er sollte sich vier Schlüssel anschaffen, welche denen von meinen Türen nur im äußeren Anblick ähnlich wären. Diese sollte er am Tage, da wir unser Vorhaben ausführen wollten, verwechseln, weil sie indessen, da der Major mit dem arretierten General Walrabe zu Mittag speiste, in der Wachtstube verwahrt wurden. Dann, so bald der Major in der Stadt wäre, sollte er seine Grenadiere teils für einige Stunden beurlauben oder in allerhand Aufträgen in die Stadt schicken, am Schlagbaum den Posten einziehen, dann aber zu mir hereinkommen und meinen beiden Schildwachen befehlen, mein Bett hinauszutragen. Indem sie hiermit beschäftigt wären, wollte ich aufspringen und diese Leute in meinen Kerker einsperren. Dann setzten wir uns ungehindert auf die zu bestimmter Stunde bereitgehaltenen Pferde und galoppierten nach Gummern. Binnen 8 Tagen bei seiner zweiten Wache sollte alles bewerkstelligt werden.

Kaum hatten wir uns so weit verabredet, als die Schlagbaumschildwacht für den herankommenden Major ins Gewehr rief. Eiligst sprang der Lieutenant hinaus, schloß die Türen, und der Major ging zum Walrabe hinein.


*


Nun war kein Mensch glücklicher als ich in meinem Kerker. Dreifache Hoffnung lag jetzt vor mir, um meine Freiheit unfehlbar zu erhalten: Die mir zugesicherte Vermittlung des kaiserlichen Gesandten in Berlin, mein bereits fertiges unterirdisches Loch und der neue Lieutenant von der Wache.

Berauscht in Freude und Aussicht glücklicher siegreicher Zukunft,[240] bin ich vielleicht gerade in den Augenblicken, da mein Verstand am wirksamsten wählen und entscheiden sollte, meiner Urteilskraft beraubt gewesen; oder die Eigenliebe hat mich betäubt, daß ich einen Entschluß faßte, welcher jedem vernünftigen Leser aber so unüberlegt wie verwegen, dummdreist und bedauernswürdig erscheinen wird!

Ich geriet auf die törichten Gedanken, daß ich die Großmut des großen Friedrich auf die Probe stellen wollte. Fände ich diese nicht und schlüge dieser Anschlag fehl, dann hätte ich auf alle Fälle meinen Lieutenant zum sicheren Erretter.

Diesem tausendfach beweinten Entwurf gemäß, in den ich mich selbst verliebt hatte, und deshalb mit Sehnsucht den Tag erwartete, redete ich den zur Visitation hereintretenden Major zu Mittag auf folgende Art an:

Ich weiß, Herr Major, daß der Gouverneur, der großmütige Herzog Ferdinand von Braunschweig, gegenwärtig in Magdeburg ist. (Dies hatte mir mein Freund gesagt.) Gehen Sie sogleich zu ihm und sagen Sie ihm, er möchte zuvor mein Gefängnis visitieren, die Schildwachen verdoppeln lassen und dann befehlen, zu welcher Stunde am hellen Tage ich mich außerhalb der Werke der Sternschanze auf der Glacis bei Kloster Bergen in vollkommener Freiheit sollte sehen lassen! – Wäre ich dieses zu bewerkstelligen imstande, dann hoffte ich auf die Protektion des Herzogs, welcher diesen Auftritt dem Könige melden sollte, um ihn meines reinen Gewissens und meiner allezeit rechtschaffenen Handlungen zu überzeugen.

Der Major erstaunte, sah den Lieutenant an und glaubte wirklich, ich sei im Gehirne verrückt, weil ihm der Vortrag lächerlich und die Ausführung meines Vorhabens platterdings unmöglich schien. Ich beharrte aber ernsthaft auf meiner Bitte.

Er ritt in die Stadt und kam nebst dem Kommandanten, Herrn von Reichmann, mit dem Platzmajor Riding und dem anderen Inspektionsmajor zu mir zurück, mit der Antwort:

Der Herzog ließe mir sagen, wenn ich dieses, was ich mich anheischig mache, zu bewerkstelligen imstande sei, dann versichere er mich seiner ganzen Protektion, auch der Gnade des Königs, und sogleich wolle er mich von allen Fesseln befreien!

Nun forderte ich allen Ernstes die Bestimmung der Stunde.[241] Noch scherzte man und hielt alles für unmöglich. Endlich hieß es, ich sollte sagen, auf welche Art, ohne es auszuführen; es wäre genug, wenn ich die Möglichkeit nachwiese. Im Weigerungsfall würde sogleich mein ganzer Fußboden aufgebrochen werden und man würde mich Tag und Nacht mit einer Wache im Zimmer beaufsichtigen. Der Gouverneur wolle sich nur von der Möglichkeit überzeugen, aber keinen wirklichen Ausbruch gestatten.


Nach langem Kapitulieren und den heiligsten Versicherungen warf ich ihnen auf einmal alle meine Fesseln vor die Füße, öffnete mein Loch, gab ihnen mein Gewehr und alle meine Instrumente, auch zwei Schlüssel zu Ausfalltüren in den unterirdischen Galerien. Ich ließ sie in die erste 37 Schuh weit von meinem Kerker gehen und mit dem Degen den Durchbruch sondieren, welcher in wenigen Minuten geschehen könnte. Dann sagte ich ihnen jeden Schritt, den ich inwendig zur Tür in jedem Wall zu gehen hatte. Beide waren seit 6 Monaten unverschlossen, zu den anderen gab ich ihnen die Schlüssel. – Und endlich entdeckte ich ihnen auch, daß ich bei Kloster Bergen auf jeden Wink Pferde bereit habe, deren Stall sie aber zu entdecken außerstande wären!

Sie gingen hinaus, sahen sich alles an, kamen wieder herein, machten Einwürfe, stellten Fragen, die ich so gut beantwortete wie ein Ingenieur, der die Sternschanze gebaut hatte. Dann traten sie wieder hinaus, wünschten mir Glück, blieben etwa eine Stunde weg, kamen sodann wieder und sagten zu mir: Der Herzog sei erstaunt über den erhaltenen Bericht. Sie beglückwünschten mich noch einmal und führten mich ohne Fesseln hinaus, in das Zimmer des wachthabenden Offiziers. Am Abend kam der Major zu uns, gab ein herrliches Souper und versicherte mir, nunmehr werde alles gut gehen; der Herzog habe bereits nach Berlin geschrieben.


Am folgenden Tage aber wurde die Wache verstärkt, zwei Grenadiere traten in das Offizierszimmer der Schildwachen, die ganze Wache lud vor meinen Augen scharfe Patronen, und, kurz gesagt, man machte Vorkehrungen, als ob ich eine Unternehmung wie zu Glatz ausführen wolle. Sogar die Ziehbrücken wurden am hellen Tage aufgezogen. Dann sah ich vor meinen[242] Augen sogleich eine Menge Menschen an meinem Kerker arbeiten und viele Wagen mit Quadersteinen hinunterfahren.

Indessen waren aber die wachthabenden Offiziere freundlich und liebreich zu mir, die Tafel war gut, wir aßen zusammen, aber ein Unteroffizier und zwei Mann blieben ständig bei uns im Zimmer; folglich war jede Unterhaltung sehr behutsam geführt.

Dieses dauerte vier oder fünf Tage, bis endlich mein neuer Freund, auf den ich mich ganz verließ, zu mir auf die Wache kam. Er schien der alte zu sein; die Zeugen gestatteten uns wenig Unterhaltung, indessen fanden wir doch zuweilen Gelegenheit. Er war erstaunt über meine zur Unzeit gemachte Entdeckung und sagte mir, der Herzog wüßte überhaupt nichts davon. In der ganzen Garnison hieße es nur: Man habe mich abermals bei einem Ausbruch überrascht.

Hier ging mir schon ein Licht auf – aber, leider! zu spät. Ich versicherte meinem Freund, ich habe alles nur getan, weil ich mich auf sein Wort verließ. Er beteuerte mir dasselbe, versprach alles, und nun war mein Mut unbegrenzt; ebenso war in meinem Herzen aber auch die Rache gegen ein so niederträchtiges Verhalten des Kommandanten beschlossen.


Binnen 8 Tagen war der neue Bau meines Gefängnisses fertig. Der Platzmajor erschien nebst dem Major du jour, und man führte mich wieder in meinen Kerker zurück. Hier wurde ich nur mit einem Fuß an der Mauerkette befestigt, die aber doppelt so schwer war wie die vorherige. Alle übrigen Fesseln wurden mir nicht mehr angelegt. Der Fußboden war nunmehr mit großen Quadersteinen gepflastert; und damit war mein Gefängnis wirklich undurchdringlich gemacht. Nur mein Geld blieb gerettet, das ich in den Türgerüsten und im Ofenrohr versteckt hatte. Ungefähr 30 Louisdors trug ich am Leibe; diese wurden gefunden und weggenommen.

Da man mich nun wieder anschmiedete, sagte ich dem Kommandanten in erbittertem Tone:

Ist das die Folge des herzoglichen Ehrenworts? Habe ich solche Mißhandlung für meine Großmut verdient? Ich weiß aber schon, daß man falsch berichtet hat! Die Wahrheit wird dennoch offenbar[243] werden und Schurken beschämen. Nunmehr erkläre ich Ihnen aber, daß Sie den Trenck nicht mehr lange in Ihrer Gewalt haben werden. Und bauen Sie mir einen Kerker von Stahl, so werden Sie mich nicht festhalten!

Man lachte über meine Drohungen. Reichmann aber sprach mir Mut zu, hieß mich hoffen und sagte, ich würde vielleicht bald auf eine gute Art meine Freiheit erhalten. Ich pochte hauptsächlich auf die mir allein bekannte Hilfe von meinem wachthabenden neuen Freunde und war viel mehr verwegen und drohend als niedergeschlagen und kleinmütig, was jedermann in Verwunderung setzte.

Ich muß dem Leser aber auch hier das Rätsel erklären, warum man eigentlich so unerwartet mit mir verfuhr. Nach meiner erlangten Freiheit reiste ich nach Braunschweig und erfuhr vom Herzog selbst, daß die damals meinetwegen zu ihm gegangenen Herren Majors nicht die Wahrheit berichtet, sondern, um einen Verweis wegen nachlässigen Visitierens zu vermeiden, ihm gemeldet hatten, sie hätten mich bei der Arbeit ertappt und bei genauer Untersuchung gefunden, daß ich ohne ihre Wachsamkeit entflohen wäre. Einige Zeit danach aber habe der Herzog die Wahrheit erfahren, dem Könige den Vorfall gemeldet; und von dieser Zeit an habe der Monarch nur auf eine Gelegenheit gewartet, um mir die Freiheit wiederzugeben.


So geht es in unserer Welt, leider! mit den edelsten Handlungen. Sie werden selten im wahren Lichte demjenigen vorgetragen, der über Verdienste entscheidet. Und in diesem getreulich erzählten Falle war ich das wirkliche Opfer eines unzeitigen Ehrgeizes. Die, welche mich bewachten, schämten sich, daß sie so blind visitiert hatten, und, um einen kleinen Verweis zu umgehen, der doch keinem von ihnen wesentlich geschadet hätte, wurde der redliche Trenck auf die Schlachtbank geführt!

Nun saß ich also neuerlich in meinem Kerker. Mein Herz empörte sich gegen den fühllosen Monarchen, noch mehr aber gegen den grausamen Gouverneur. Und beide waren doch hintergangen und unschuldig an der Ursache meiner Klagen.

Ich hoffte nun Tag und Nacht auf den Eintritt meines sicheren Erretters. Wie erschrak ich aber, da am Tage seiner festgesetzten[244] Wache ein anderer Lieutenant eintrat! Noch schmeichelte ich mir, daß ihn diesmal nur ein Zufall zurückgehalten hätte. Aber ich wartete wohl drei Wochen vergebens; er kam gar nicht wieder. Fragen durfte ich nicht; endlich erfuhr ich, daß er aus den Grenadieren ausgetreten sei und folglich die Sternschanze nicht mehr zu versehen hätte.

Ob ihn nun etwa sein Entschluß für mich gereut, oder ob er zu verzagt zur Ausführung war, ob ihn die von mir gegebenen 100 Dukaten auf andere Gedanken gebracht und sein Glück befördert haben – dies alles ist mir unbekannt geblieben, und ich verlange es auch auf ewig nicht zu wissen. Liest er jemals im Wohlstande dieses Buch und hat er mich wirklich hintergangen, so lese er zugleich hiermit meine herzliche Verzeihung und schätze mich noch deswegen im Grabe, weil ich ihm nie geschadet habe. Ein anderer, den er so im Unglück verlassen hätte, nach so teuren Versicherungen und wirklich empfangenem Handgelde, wäre vielleicht rachgierig gewesen.

Ich bin noch allezeit der Meinung, nachdem er seine Schulden bezahlen konnte, habe ihn die Unternehmung gereut und darum habe er seine Sternschanzenwache vertauscht. Unglück genug für mich, er blieb wirklich aus; und nunmehr hatte alle Hoffnung für mich ein Ende.


Jetzt fing ich erst an, meinem grausamen Schicksal nachzusinnen und meine Torheit, meinen unzeitigen Stolz bitter zu bereuen. Die Schwermut bemächtigte sich aller meiner Seelenkräfte. Ich hatte mir mein unübersteigliches Schicksal selbst zu verdanken. Fast ein halbes Jahr lang hätte ich ungehindert und ohne alle Gefahr aus meinem Kerker entfliehen können; alle möglichen Vorbereitungen waren getroffen und nichts stand mir entgegen – aber meine eigene Schuld, mein blindes Vertrauen auf Menschengroßmut, auf Freundeshilfe vereitelte meine Hoffnung und stürzte mich in einen Zustand, aus dem mich wirklich nichts mehr retten konnte.

Neun Jahre hindurch fand ich trotz aller Vorkehrungen, meinen Kerker undurchdringlich zu machen, noch allezeit Mittel durch meine Erfindungskraft. Nun aber hatte ich selbst alle Aussichten für die Zukunft vereitelt und mich allein als die Ursache[245] meines künftigen Leidens zu betrachten. Tausend Vorwürfe nagten jetzt an meiner Seele; und sicher hätte ich zu leben aufgehört, wenn mich nicht noch die Erwartung einer auswärtigen Hilfe aus Wien oder Berlin zurückhielt.

Die Stabsoffiziere merkten bald, daß ich meine ganze Heiterkeit und gewohnte Standhaftigkeit zu verlieren begann. Ich wurde tiefsinnig, mürrisch und schwermütig, arbeitete auch nur noch wenig an meinen Büchern und schrieb nur Klagelieder oder verzweifelte Traueroden.

Ehemals konnte mir niemand einen anderen Trost geben, als diesen: Geduld, mein lieber Trenck! Es kann doch wenigstens nicht mehr ärger werden! Oder man machte mich hoffen, der König könne ja nicht ewig leben. – Trauriger Trost für einen Mann in meiner Lage! Wurde ich krank, so wünschte man mir Glück, weil mein Leben bald ein Ende haben würde. Wurde ich wieder gesund, zu aller Menschen Verwunderung, dann beklagte man mich, weil ich noch nicht gestorben sei und meine Foltern noch länger dulden müsse.

Welcher Mensch auf Erden war wohl jemals so in ein Schicksal verwebt, wie das meine war?


*


Der Friede war bereits seit 9 Monaten geschlossen, und noch immer erfolgte nichts für mich. Eben aber, da ich mich schon wirklich ohne Rettung verloren glaubte, brach am 24. Dezember mein Erlösungstag heran.

Es war gerade zur Zeit der Wachtparade der königliche Lieutenant von der Garde, Graf Schlieben, als Kurier in Magdeburg eingeritten und brachte den Befehl, daß ich sogleich aus meinem Arrest entlassen werden sollte. Die Freude auf dem Paradeplatz, auch in der ganzen Stadt, war allgemein, weil mich jedermann schätzte, bewunderte oder bedauerte.

Der Kommandant hielt mich für schwächer, als ich war und wollte mir die frohe Botschaft nicht auf einmal beibringen, um durch eine jähe Freude keine Wallung in meinem Blute zu verursachen. Wie wenig kannte er meine Geistesgegenwart in allen Vorfällen, die wirklich durch Gewohnheit des immer mit mir[246] spielenden Glückswechsels bis zum höchst möglichen Grad einer philosophischen Standhaftigkeit oder wohl gar bis zur Verachtung aller irdischen Vorfälle herangewachsen war!

Man rasselte auf einmal an meiner Tür, und ich sah zuerst den Kommandanten, dann aber einen Schwarm Menschen hereintreten, die mich aber alle mit heiterem und lachendem Gesicht anblickten. Ich war verwundert. Bald aber sagte der erste:

Mein lieber Trenck! Diesmal hab ich die Freude, Ihnen die erste gute Nachricht zu bringen. Der Herzog Ferdinand hat endlich bei dem König erwirkt, daß man Ihnen Ihre Fesseln abnehmen soll!

Gleich trat auch der Schmied herbei und fing seine Arbeit an.

Sie werden auch ein besseres Zimmer erhalten, fuhr der Kommandant fort. Hierauf fiel ich ihm in die Rede:

Ich bin also gewiß in Freiheit, und Sie wollen mir die Freude nicht auf einmal beibringen! Sagen Sie mir trocken weg die Wahrheit. Ich weiß mich zu mäßigen.

Ja, war die Antwort. – Sie sind frei!

Gleich umarmte er mich zuerst, und die anderen folgten.

Nun fragte man gleich:

Was wollen Sie für ein Kleid?

Meine Uniform, erwiderte ich.

Der Schneider war schon da und nahm das Maß.

Morgen früh, sagte Herr von Reichmann, – muß diese Uniform fertig sein, Meister!

Er entschuldigte sich mit der Unmöglichkeit wegen des heiligen Abends und Christfestes.

Gut, hieß es. – Der Herr sitzt morgen nebst seinen Gesellen in diesem Loche, wenn das Kleid nicht fertig ist!

Gleich war es möglich und heiligst versprochen.

So bald der Schmied fertig war, führte man mich auf die Wache in das Offizierszimmer. Hier wünschte mir jedermann von Herzen Glück, und der Platzmajor ließ mich den üblichen Eid aller Staatsgefangenen schwören:


1. Daß ich mich an niemand rächen,

2. daß ich weder die sächsischen noch preußischen Grenzen betreten,[247]

3. noch von allem, was mir geschehen, schreiben oder sprechen, und

4. daß ich, so lange der König lebe, keinem Herrn weder im Militari noch Zivil dienen wolle.


Hierauf gab mir der Graf Schlieben einen Brief von dem kaiserlichen Minister in Berlin, dem General Riedt, ungefähr folgenden Inhalts:

»Daß es ihn herzlich freue, Gelegenheit gefunden zu haben, um bei dem Könige meine Freiheit zu erwirken. Nun sollte ich aber auch alles willig und freudig tun, was der Graf Schlieben von mir fordern würde, welcher befehligt sei, mich nach Prag zu begleiten.«

Schlieben sagte nun:

Lieber Trenck, ich habe Befehl, Sie heute nacht von hier im verdeckten Wagen über Dresden nach Prag zu führen und nicht zu gestatten, daß Sie auf der Reise mit irgend jemandem sprechen. General Riedt hat mir 300 Dukaten gegeben, um alle Kosten zu bestreiten. Ich will sogleich einen Wagen kaufen. Da aber heute nicht alles fertig sein kann, so ist mit dem Herrn Kommandanten verabredet worden, daß wir erst morgen nacht von hier abreisen werden!

Nachdem ich alles freudigst versprochen, blieb der Graf Schlieben bei mir; die anderen gingen nach einer kurzen Unterredung in die Stadt, und ich speiste zu Mittag nebst dem Major du jour und dem wachthabenden Offizier bei dem General Walrabe in seinem Arrest, wo dieser Greis erst im Jahre 1774, nach 28jährigem, aber sehr erträglichen Gefängnis gestorben ist. Sein Schicksal hatte er aber verdient.


*


Indessen war ich frei, ging überall spazieren in den Werken, um mich an Luft und Licht zu gewöhnen, suchte auch im Kerker mein noch verstecktes Geld zusammen, welches noch gegen 70 Dukaten betrug. Die ganze Wache wurde herrlich bewirtet. Jedem Mann gab ich einen Dukaten, und meinen Schildwachen, die eben auf Posten standen, da ich frei wurde, jedem 3 Dukaten, und der abgelösten Wache 10 Dukaten zum Austeilen.[248]

Dem eben wachthabenden Offizier schickte ich ein Geschenk aus Prag, und den Rest meines Geldes händigte ich dem Weibe meines ehrlichen Grenadiers Gefhardt aus. Dieser war gestorben, und sie hatte während der Zeit, da er im Felde diente, einem jungen Burschen vertraut, daß sie 1000 fl. von mir empfangen hätte. Dieser war mit dem von ihr erhaltenen Gelde unvorsichtig, wurde untersucht und verriet das Weib, welche deshalb zwei Jahre im Zuchthaus zugebracht hatte. Der Mann kam aber ungestraft davon, weil er nicht gegenwärtig war. Hätte er Kinder hinterlassen, so würde ich gewiß noch heute für sie sorgen.

Der Witwe des Mannes, der sich bei meinem Kerker im Jahre 1756 erhängte, gab ich 30 Dukaten, die mir Schlieben auszahlen ließ.

Die ganze Nacht war unruhig und meine Wache fröhlich, bei der ich den größten Teil derselben zubrachte.

Am Morgen des Weihnachtstages hatte ich Besuche von allen Stabsoffizieren der Garnison. In der Stadt durfte ich aber nicht erscheinen. Bis Mittag war ich mit Stiefeln, Uniform und Degen ganz gekleidet; und ich gefiel mir selbst im Spiegel. Mein Kopf war aber von Entwürfen, Freude und Glückwünschen so betäubt, daß ich mich auf die einzelnen Vorfälle dieser ersten Tage gar nicht mehr zu besinnen weiß.

Was für Betrachtungen konnte ich nicht bei diesen Veränderungen anstellen! Ich war, ich blieb ja derselbe Mann, der ich im inneren Wert noch vor 24 Stunden im Kerker war; und welch ein Unterschied im Betragen auch in den Gesichtszügen aller derer, die mich vorher so streng bewachten! Nun war ich geehrt, geliebt, gesucht, geschmeichelt – und warum? Weil ich nicht mehr die Fesseln trug, die ich doch nie verdient hatte. Welt! Was sind die Menschen in einem despotischen Staate? Was sind echte Verdienste, reine Tugend da, wo Machtsprüche über unseren Wert, über unser Schicksal entscheiden?


Nun rückte der Abend heran; Graf Schlieben erschien mit dem Wagen, der mit 4 Postpferden bespannt war, und wir fuhren nach wirklich zärtlichem Abschied zum Tor hinaus.

Wer hätte mich aber wohl jemals glauben machen können, daß ich bei der Abreise von Magdeburg noch Tränen vergießen[249] würde! Es ist auch ein wunderbares Rätsel, wenn ich sagen kann, daß ich 10 Jahre lang in Magdeburg lebte, ohne jemals diese Stadt gesehen zu haben. Und dennoch ist es wahr.

Mit Einzelheiten der Reise will ich kein Blatt füllen. Mein Gefängnis hatte 9 ganze Jahre, 5 Monate und etliche Tage gedauert. Wenn ich nun hierzu den Arrest in Glatz von 7 Monaten rechne, so habe ich in allem elf Jahre, die beste Zeit im Kern meiner Jahre, im unverdienten Kerker elend zugebracht, die mir kein Monarch auf Erden wiedergeben noch vergüten kann. Dabei ist mein Leib so geschwächt worden, daß ich im gegenwärtigen Alter die Folgen meiner überstandenen Martern erst zu empfinden anfange, wenn das Bett mein Kerker wird.

Jeder Leser wird nunmehr glauben, daß mit dieser Epoche auch meine Drangsale ein Ende haben. Ich versichere aber auf Ehre, daß ich noch lieber auf 10 Jahre nach Magdeburg in mein Gefängnis zurückkehren, als all das noch einmal ertragen wollte, was mir nach meiner erlangten Freiheit in Österreich, besonders in den letzten 6 Jahren, widerfahren ist. Vielleicht komme ich noch in die Lage, wo ich alles getreu, ohne Gefahr noch Rücksicht erzählen darf, was ich seit dieser Freiheit binnen 22 Jahren in Wien erlitten und abgeschüttelt habe ...


*


Am 2ten Januar kam ich also nebst dem Grafen Schlieben glücklich in Prag an. Dieser übergab mich noch am selben Tage dem damaligen Gouverneur daselbst, dem Herzog von Zweibrücken. Dieser empfing mich liebreich und gnädig; wir speisten zwei Tage nacheinander bei ihm, und ganz Prag war neugierig, mich als einen Mann kennenzulernen, der stark genug war, 10 Jahre lang so viel Ungemach zu ertragen. Ich empfing daselbst 3000 fl. von meinem Gelde und schickte dem General Riedt die 300 Dukaten zurück, die er dem Grafen Schlieben zu meiner Equipierung und eilfertigen Reise gegeben hatte und die er in seinem Briefe von mir begehrte, obgleich er bereits 10000 Gulden von mir in bar empfangen hatte. Ich zahlte dem Schlieben die Rückreise nebst einem Geschenk und schaffte mir einiges Nötige an.[250]

Nachdem ich etliche Tage in Prag gerastet hatte, brachte eine Estafette von Wien – die ich, nota bene, mit 40 fl. aus meinem Beutel bezahlen mußte – den Befehl an das Gouvernement, daß ich sogleich unter guter Bedeckung als Arrestant von Prag nach Wien gebracht werden sollte!

Mein Degen wurde mir wieder abgefordert, der Hauptmann Graf Wela nebst zwei kommandierten Unteroffizieren setzten sich mit mir in einen Wagen, den ich kaufen mußte, und führten mich gefangen nach Wien. Ich nahm noch 1000 fl. in Prag auf, um diese Kosten zu bestreiten; außerdem mußte ich noch in Wien dem Hauptmann 50 Dukaten für seine Rückreise bezahlen.

Niemand kann sich vorstellen, was mein Herz bei dieser Behandlung empfand. Ich sollte im Triumph, als ein seinem Lohn entgegeneilender Patriot nach Wien reisen, der das Schlachtopfer seiner Treue war – und wurde wie ein Missetäter behandelt!

Man brachte mich als Arrestant in die Kaserne. Daselbst wurde ich in das Zimmer des Lieutenants von Blonket geführt, welcher Befehl hatte, mich an niemanden schreiben, auch mit niemandem sprechen zu lassen als mit dem, welcher von Herrn Hofrat Kempf oder Hüttner ein Erlaubnisbillet aufweisen konnte. Welches leicht zu lösende Rätsel! Denn beide waren während meiner Gefangenschaft die Administratoren meines Vermögens gewesen.

In diesem Zustande lebte ich 6 Wochen. Endlich sprach der damalige Regimentskommandant von Poniatowsky, der gegenwärtige Feldmarschall-Lieutenant, Graf d'Alton, mit mir. Ich überzeugte ihn von meinem begründeten Argwohn, warum ich eigentlich in Wien Arrestant war. Diesem rechtschaffenen Mann allein habe ich es zu danken, daß der gottlose Entwurf meiner Feinde, mich auf ewig als einen im Gehirn verrückten Menschen in die Festung Graz einzusperren, fehlschlug. Hätten diese mich nur einmal von Wien weggebracht, so war ich sicher verloren und mußte im Narrenhause verschmachten.

Die Monarchin hatte man glauben gemacht, ich sei halb rasend und tobe und wüte beständig mit den entsetzlichsten Drohungen gegen den König von Preußen. Da nun eben die römische Königswahl vor sich gehen sollte, so wäre sicher zu befürchten, daß ich in meiner Tollkühnheit und Rachsucht etwa dem preußischen[251] Gesandten einen Affront machen könnte, welches Folgen nach sich ziehen würde. Übrigens habe ja auch der General Riedt in Berlin dem König versprechen müssen, daß ich mich in Wien gar nicht sollte sehen lassen und daß man mich in guter Obacht und Verwahrung halten sollte.


Die großdenkende Maria Theresia aber fühlte Mitleid und fragte, ob mir nicht zu helfen sei.

Die Antwort war, man habe mir bereits verschiedene Male zur Ader gelassen, ich bleibe aber allezeit ein höchst gefährlicher Mensch. Überdem sei ich ein Verschwender, weil ich binnen 6 Tagen in Prag 4000 fl. aufgenommen und durchgebracht habe; man müsse mir demnach Kuratores anordnen und mich vor Ausschweifungen sicher verwahren.

So spricht der Schurke vor dem umnebelten Throne, wenn er rechtschaffene Männer von demselben entfernen und für sich selbst im Trüben fischen will!

Nun sprach der damalige Obrist d'Alton von mir und meinem Schicksale bei Hofe mit der Oberhofmeisterin Gräfin Paar, welche eine ehrwürdige und edeldenkende Frau war. In diesem Augenblick tritt des verstorbenen Kaisers Majestät zur Gräfin in das Zimmer. Man spricht von mir; der Monarch fragt: Ob ich denn ganz verwirrt sei und gar keine lichten Momente habe?

D'Alton sagt:

Euer Majestät, er ist jetzt sieben Wochen in meiner Kaserne und allezeit der vernünftigste, gelassenste Mann gewesen, den ich in meinem Leben gekannt habe. Es müssen große Intriguen hinter dem Geheimnis verborgen liegen, da man ihn als einen Narren behandelt und auch bei Hofe so schildert. Ich bin Bürge dafür, daß er es nicht ist! –

Am folgenden Tage schickte der Kaiser den Grafen von Thurn, Obristhofmeister des Erzherzoges Leopold, zu mir, um mit mir zu sprechen. Hier fand ich nun gleich meinen Mann, einen rechtschaffenen aufgeklärten Weltweisen und redlichen Deutschen. Diesem erzählte ich nun, wie ich während meines Gefängnisses zweimal zu Wien verraten und verkauft worden sei. Wir sprachen wohl zwei Stunden, und sehr viel, weit mehr, als mir die Klugheit in diesen Blättern zu sagen gestattet. Sein[252] Herz, sein ganzes Vertrauen war für mich gewonnen. Und bis zum Grabe ist er mein Freund geblieben. Er ging fort, versprach mir allen Schutz und kam am folgenden Tage wieder, um mich zur Audienz zu Sr. Majestät dem Kaiser zu führen.


Hier sprach ich mir nun alles von der Leber. Die Audienz dauerte über eine Stunde. Endlich wurde der Monarch so gerührt, daß er vom Stuhle aufstand und eiligst in das Nebenzimmer gehen wollte. Hier wurde ich gewahr, daß ihm die Tränen aus den Augen fielen.

Meine Feder ist zu schwach, um Ausdrücke zu finden, die mein dankbares Herz gern mit allem Feuer hervorbringen möchte, um den Kaiser Franz in seiner damaligen Gestalt der Nachwelt verehrungswürdig zu machen. – Ich wurde stumm, mein Auge, meine Tränen sprachen. Der Kaiser riß sich von mir los, und ich schlich mit erschüttertem Gefühl und mit einer Art von Wollust zur Tür hinaus, welche nur der Menschenkenner und wahrhaft ehrliche Mann zu empfinden vermögend ist. Franz war in meinen Augen, durch diesen Auftritt, allezeit größer als Caesar und Friedrich, obgleich ihn die Welt unter die schwachen Fürsten rechnet. Ich bin Bürge dafür, daß er groß dachte. Und hätte ihn mir der Tod nicht zu eben der Zeit entrissen, da er mich wirklich seiner Gnade und Achtung würdig fand, so würde ich meine in Ungarn verlorenen Güter längst zurück erhalten haben.

Ich fuhr im Taumel der Freude in meine Kaserne zurück; schon am nächsten Tage aber kam Befehl, daß ich aus meinem Arrest zu entlassen sei. Ich ging mit dem Grafen d'Alton zur Gräfin Paar, die mich zu sehen verlangte. Und durch ihre Vermittlung erhielt ich die erste Audienz bei meiner Monarchin im Kabinett.


Unbeschreiblich ist die liebreiche Art, mit welcher mich die Kaiserin empfing. Wie wurde ich bedauert, wie gnädig meine Standhaftigkeit und Treue gepriesen! Ich konnte gar nicht zum Vortrage kommen, ihre Huld kam mir zuvor und ließ mir keine Zeit, meine gerechte Klage vorzubringen. Sie sagte, sie wisse alles, was mir in Wien für gottlose Streiche gespielt würden,[253] sie fordere aber von mir: Ich sollte gar nicht vom Vergangenen sprechen, meinen Feinden verzeihen, alle neuen Verdrießlichkeiten fliehen und meine Rechnungsführer trocken weg absolvieren.

Ich wollte sprechen. – Ich bitte Ihn, hieß es, – klag Er mir über nichts. Ich weiß alles. Tue Er nur, was ich von Ihm fordere, ich werde Ihm gewiß alles ersetzen. Er braucht, Er verdient Ruhe!

Was war zu tun?

In das Narrenhaus gehen – oder unterschreiben, was man von mir verlangt?

Gleich erhielt ich Befehl, mit dem Herrn von Pistrich zum Herrn Hofrat von Ziegler zu gehen. Es geschah, ich wurde auf den anderen Tag bestellt und mußte in beider Gegenwart folgendes unterschreiben:


1. Daß ich das Trenck'sche Testament als gültig anerkennen,

2. daß ich auf die slavonischen Güter renunziieren und mich allein der Gnade der Monarchin überlassen,

3. daß ich meine Kuratoren und Rechnungsführer solennissime absolvieren,

4. und mich nicht in Wien aufhalten wolle.


Ist es wohl möglich, mehr von einem Manne zu fordern, der Lohn verdient hatte? Heißt dies nicht Gewalt, wenn man unterschreiben oder ins Gefängnis kriechen muß –?

Wahr, wirklich wahrhaft hat man auf solche Art mit mir verfahren. Wahr bleibt es ewig, daß die beste Monarchin an mir groß und edel zu handeln gehindert wurde. Wahr ist es auch, daß man mich allein deshalb keiner Achtung würdig glaubte und willkürlich mißhandeln ließ, weil ich keine Messe hören wollte und meine Güterbesitzer unter dem Schütze der Jesuiten sicher waren.

Ich sage hier nicht, was ich damals in meinem empörten Herzen beschloß. Meine Eigenliebe versicherte mir aber, daß ich in allen Ländern Europas mit meinem arbeitsamen Kopfe, mit meinen erlernten Wissenschaften, durch Tugend und getreuliche Erzählung meines Schicksals Brot und Ehre erwerben könnte.[254] Ich hatte damals keine Kinder, folglich war mir aller Verlust und auch das Überbleibsel meines Vermögens gleichgültig.

Ich hatte so viel in der Welt für die Ehre getan und gelitten; nun aber, da ganz Deutschland aufmerksam war, welchen Lohn ich von meiner Monarchin erhalten würde, saß ich in Wien in Arrest und wurde wie ein Wahnsinniger der Kuratel solcher Leute überlassen, die mich ausgeplündert hatten.


Schon stand ich im Begriffe, andere Grenzen zu suchen, da ich in eine tödliche Krankheit verfiel, die mich beinahe ins Grab gerissen hätte. Die Monarchin erfuhr meinen Zustand, empfand Mitleiden und schickte mir ihre Hofärzte, auch sogar einen Barmherzigen Bruder als Krankenwärter, die ich aber zuletzt alle aus meinem eigenen Beutel bezahlen mußte. Mein von mir selbst gewählter Doktor hätte mich gewiß wohlfeiler wiederhergestellt. Das nannte man Gnade und Distinktion.

Dann erhielt ich, ohne es zu begehren, vom Hofkriegsrat das Dekret als Obristwachtmeister, wofür ich aber die Taxen bezahlen mußte. Von der Wirklichkeit blieb ich ausgeschlossen und an dem Titel war mir wenig gelegen, der mir bereits um 10 Jahre früher in anderen Diensten angetragen wurde. Merkwürdig ist aber dieses in meinem Majorspatent, daß in demselben folgender Ausdruck steht:

»Ihro Majestät hätten in Betreff meiner, ungeachtet des langwierigen Gefängnisses, bezeigten rühmlichsten und unverfälschten Treue und meines Diensteifers, dann in Erwägung meiner besonderen Talente und guten Eigenschaften, mir den Charakter eines kaiserlichen Majors zu erteilen gnädigst geruht.«

Sollte man bei solchen Ausdrücken nicht für mich den Generalsrang, oder die Rückgabe meiner slavonischen Güter erwarten? – Und was folgte? Der Titel eines invaliden Majors, nachdem ich bereits vor 15 Jahren als Rittmeister gedient hatte! Meine Schuld war es auch gewiß nicht, daß ich in Danzig von dem kaiserlichen Residenten Abramson, in Berlin von dem kaiserlichen Gesandschaftssekretär Weingarten und in Wien zweimal von solchen Menschen verraten und verkauft und unglücklich gemacht wurde, denen daran gelegen war, mich arm und für den Staat untätig zu machen. Dieses Patent war also keine[255] Ehre für einen Trenck, besonders, da ich nunmehr seit 23 Jahren kein anderes erhalten habe und noch immer Herr Major geheißen werde.

Vor allem war dieses damals auch keine Belohnung für mich, zu einer Zeit, wo viele junge Offiziere das Majorspatent um etliche 1000 Gulden kaufen konnten. Hätte man vielmehr meine Rechnungsführer gezwungen, mir nur 30000 fl. von dem mir entrissenen Gelde zurückzuzahlen, so hätte ich mir dafür den Obristentitel kaufen können und unsere großen Generale wären jetzt meine Freunde und Kameraden, und ich würde auch heute noch nicht unter die Invaliden der Monarchie gerechnet werden.

Wer waren also, und wer sind noch meine Verfolger?

Hauptsächlich die Jesuiten und Mönchsfreunde. Dann aber ein eigennütziger Advokat, der gern mein Kurator sein wollte; oder ein Rechnungsführer, der Protektion suchte, um nicht gehängt zu werden; oder eben solche Leute, die noch alle dasselbe Schicksal zu erwarten haben, weil Joseph gerecht ist ...


Genug hiervon. Ich wurde wieder gesund, suchte Audienz – fand sie aber nicht mehr.

Ich präsentierte mich bei dem Fürsten Kaunitz. Dieser Herr, der mich nie gekannt, betrachtete mich von seiner Höhe als ein kriechendes Insekt unter dem Schwarm anderer Insekten. Ich sah nicht rückwärts und ging mit stolz erhobenem Kopfe zur Tür hinaus. Unten am Tor hielt jemand die Hand auf und gratulierte mir zur Audienz!

Ich ging zum Feldmarschall. Dieser redete mich mit den merkwürdigen Worten an:

Mein lieber Trenck, wenn Sie nicht kaufen können, so wird es unmöglich sein, Sie jetzt in Wirklichkeit bei der Armee anzustellen. Sie sind auch zu alt, um unser schweres Exerzitium noch zu lernen!

Wohl gemerkt, ich war damals 37 Jahre alt.

Auch hier ging ich mit Achselzucken zur Tür hinaus.

Nun wandte ich mich an die Monarchin mit einem Memorandum, welches gelesen zu werden verdiente, falls es der Raum hier gestattete. Ich sagte von den slavonischen Gütern gar nichts, bat aber um Rückerstattung der mir geraubten oder vorenthaltenen[256] Gelder aus meinen Kapitalien, und zuletzt eine Vergütung von 12000 fl., die mir bei meiner Arrestierung in Danzig durch die Verräterei des kaiserlichen Residenten Abramson geraubt wurden. Ingleichen eine öffentliche Genugtuung vom Danziger Magistrat, da mich derselbe zur Schmach des kaiserlichen Dienstes und unter Mißachtung desselben so schändlich an die Preußen mitten aus seiner Stadt auslieferte, et cetera ...


Die Monarchin ließ mir zwar während meiner schweren Krankheit meine Rittmeistergage für die 10 Jahre meiner Gefangenschaft als besondere Gnade auszahlen, welche gegen 8000 fl. betrug. Sie bestätigte mir auch diese Gage als eine ewige Pension.

Ich werde aber in der Folge erweisen, daß ich nunmehr seit 23 Jahren nicht einen Groschen von dieser Pension genossen habe ...

Meiner Schwester Kinder, die meinetwegen unglücklich geworden, habe ich nicht verlassen und ihnen bis dato nicht einmal das zurückzahlen können, was mir ihre Mutter im Unglück bar zugesteckt hatte. Und dennoch nannten mich Schurken in Wien einen Verschwender, einen Mann, der mit nichts zufrieden ist! Und dennoch hieß es überall, Ihro Majestät die Kaiserin hätten mich aus Magdeburg gerettet! Nein, positiv nein. Denn der Friede war schon seit 9 Monaten geschlossen, ohne daß man an mich im Ernste gedacht hätte.

Die wahre Geschichte ist eigentlich diese; so haben sie mir Se. Königliche Hoheit Prinz Heinrich, der Herzog Ferdinand von Braunschweig und hauptsächlich der Staatsminister Graf von Hertzberg mündlich erzählt und versichert, nämlich:

General Riedt hatte bereits seit 6 Monaten 10000 fl. von mir in der Tasche und dachte vielleicht nicht mehr an mich. An einem Galatage aber, am 21. Dezember, war der König in besonders fröhlicher Gemütsverfassung. Ihre Majestät die Königin, die Prinzeß Amalia und der jetzt regierende Monarch redeten den kaiserlichen Minister an: Jetzt sei es Zeit, für den Trenck zu sprechen!

Sogleich suchte er Gelegenheit, fand sie, und der König sagte Ja.[257]

Dieses Ja verursachte wirklich in der ganzen Gesellschaft eine so allgemeine Freude, die dem Monarchen selbst mißfiel. – Das übrige, welches am meisten hierzu beigetragen hat, mag der Leser aus meiner Geschichte erraten oder sich wichtige Verbindungen vorstellen ...

Ich habe zwar viel gesagt, doch die Bescheidenheit ließ mich das Wesentliche verschweigen. Meine eigenen Kunstgriffe, meine Berliner Freunde und mein bares Geld allein haben mich aus Magdeburg befreit. Und vielleicht hat der König selbst die großen Personen gereizt, um den General Riedt an seine Pflicht zu erinnern. Punktum über diesen Gegenstand, der nicht ewig Rätsel bleiben wird!


*


Übrigens muß ich hier noch wenige Worte von mir selbst sagen, daß ich nämlich in den ersten Wochen nach erlangter Freiheit mir wirklich selten gegenwärtig und meistens in tiefsinnigen Gedanken zerstreut war. Ich hatte mich im Arrest so an das Denken gewöhnt, daß mir sinnliche Gegenstände nur als Träume erschienen. Öfters blieb ich auf der Straße stehen, besah mich, zweifelte an meinem Dasein und biß mich in die Finger, um mich zu überzeugen, daß ich lebe und wache.

Niemand hat wohl je das Hofgetümmel an Galatagen so lächerlich gefunden wie ich. Tausend Menschen warteten in allerhand buntfarbigen Kleidern und Gestalten auf etwas, was sie sehen wollten. Die Tür öffnete sich – eine alte, ehrwürdige Matrone trat heraus. Sie lächelte – alles lächelte untertänigst mit. Sie sprach etliche Worte, vielleicht von Wind und Wetter, mit einem Manne, der ein rotes Käppel und rote Strümpfe trug, – bald wieder mit einem Äsop, der ganz unbedeutend schien. Alles drängt sich hervor, um eben die Ehre zu genießen; – die Matrone ging in ihr Zimmer zurück, dann war auf einmal ein Gemurmel und Geschrei wie in einer Synagoge. – Und das hieß man Appartement, wo die gelehrten Männer und die besten Patrioten keinen Zutritt haben, weil sie keinen Schlüssel an der Hüfte tragen dürfen!

Hier bemerkte ich, daß ich ein Weltweiser geworden war, der nicht nach Hofe taugt.[258]

Ich ging nach meiner Krankheit in Wien auf dem Wall spazieren. Die Frühlingsluft, der heitere Himmel erfüllten meine Seele mit Empfindung der edlen Freiheit, eine gewisse Art von Freude, die ich niemand schildern kann. Die Lerche trillerte ihr Morgenlied, und mein Herz pochte schneller mit jedem Pulsschlag. Kurz gesagt: In diesem Augenblick empfand ich, daß ich ein Mensch war. Nun begegne mir, was immer noch geschehen kann, dachte ich bei mir selbst, – wenn nur meine Füße, mein Wille, mein Herz nicht gefesselt sind! Wenn ich die Sonne als freier Mensch sehen, oder wie diese Lerche mich willkürlich von der Erde entfernen kann, wo unserer Freiheit Netze gestellt werden! Hier dankte ich Gott mit gerührter Seele und beschloß, von Wien zu fliehen und mir einen Winkel zu suchen, wo die Tugend keine Fürstenmacht noch Verleumder und Machtsprüche zu fürchten hat.

Kam ich in große Gesellschaft, so betäubte mich alles Geschwätz, und die vielen Lichter wirkten so lebhaft auf meine Augennerven, daß ich mit Kopfschmerzen und Ekel schwermütig nach Hause ging.


*


Nun ereignete sich zufällig die Gelegenheit, daß ich meinen Zweck erreichen konnte.

Der Feldmarschall Laudon reiste nach Aachen, um daselbst die Bäder zu brauchen. Diesen Mann hatte ich allezeit verehrt und persönlich geliebt, da er noch Pandurenhauptmann von meines Vetters Regiment war. Er nahm aber Abschied von der Obristhofmeisterin Gräfin Paar. Ich kam dazu; gleich darauf trat die Monarchin ins Zimmer, man sprach von Laudons Reise und sie sagte mir:

Trenck! Ihnen wäre das Bad in Aachen auch not wendig, um Ihre Gesundheit herzustellen!

Gleich war ich bereit, folgte ihm in ein paar Tagen nach und begleitete ihn dann bis Aachen, wo wir gegen 3 Monate blieben.

Die Lebensart in Aachen und Spaa gefiel mir, wo Menschen aus allen Ländern auftreten und regierende Fürsten, um nicht[259] allein zu bleiben, mit Menschen von allerhand Ständen und Gattung Umgang suchen zu müssen. Ich fand daselbst in einem Tage mehr Freunde, mehr Achtung, mehr Vergnügen, als ich in meinem ganzen Leben in Wien gefunden habe.

Kaum war ich 4 Wochen daselbst, so ließ mir die Obristhofmeisterin Gräfin Paar, welche bis zum Grabe meine Freundin und Beschützerin war, schreiben: Daß Ihre Majestät die Kaiserin für mich gesorgt hätten und mich glücklich machen würden, sobald ich nach Wien zurück käme!

Ich forschte durch Kundschafter, worin dieses Glück bestehen sollte, konnte aber nichts entdecken, hoffte also alles von meiner Monarchin, die mein Schicksal kannte.

Indessen starb der Kaiser Franz in Innsbruck. Dies beschleunigte die Rückreise des Generals Laudon, und ich folgte ihm auf dem Fuße nach Wien.


Gleich ging ich zur Gräfin Paar, und durch sie erhielt ich nach wenigen Tagen eine Audienz.

Die Monarchin sah mich mit gnädigen Blicken an und redete mich mit folgenden Worten an:

Trenck, ich will Ihm zeigen, daß ich Wort halte. Ich habe für Sein Glück gesorgt – ich will Ihm eine reiche, sehr vernünftige Frau geben!

Ich erschrak. Der liebenswürdige Gegenstand war eine 60jährige alte Betschwester, ein Weib, das ich genau kannte, das vom höchsten Grad des Geizes besessen, dabei dumm und zänkisch war. Ich antwortete also:

Ich muß Euer Majestät die Wahrheit sagen. Diese möchte ich nicht, und wenn sie alle Schätze auf Erden besäße. Ich will nicht unglücklich, sondern glücklich sein. Ich habe in Aachen gewählt, mein Ehrenwort gegeben und will ein ehrlicher Mann bleiben.

Hiermit hatte die Audienz ein Ende. Die erzürnte Monarchin, die es wirklich gut meinte, sagte mir mit einer gewissen Verachtung:

Sein Eigensinn verursacht all sein Unglück. Folge Er Seinem Kopf, ich wünsche Ihm Glück.

Hiermit war ich abgefertigt und sah mein Urteil für ewig gefällt.[260]

Wenn ich jemals durch ein altes Weib mein Glück hätte machen wollen, so konnte dieses schon 1750 in Holland mit drei Millionen geschehen. Es war also dieses Anerbieten ein trauriger Ersatz für meine slavonischen Güter und die anderweitig erlittenen Verluste und Drangsale. Noch weit unmöglicher war ein solcher Entschluß, da ich in Aachen wirklich verliebt war, da mir Vernunft, eigene Wahl, Geschmack, Schönheit und ein edler Charakter dahin winkten, um im Ehestande glücklich zu sein.


Versprochen war ich damals noch nicht mit meiner gegenwärtigen Frau. Es war aber bereits im Herzen versprochen, daß ich nach Aachen zurückkehren und meinen ernsthaften Gegenstand erst näher kennenlernen wollte. Feldmarschall Laudon, der sie kannte, hat viel dazu beigetragen. Er kannte mein Herz und meine feurigen Entschlüsse. Er wußte, daß ich eine heimliche Rache im Busen trug und leicht in neue Verwicklungen geraten könnte. Er riet mir, und Professor Geliert, mein Freund, den ich in Leipzig besuchte und befragte, riet mir auch, daß ich meinen zu großen Unternehmungen fähigen Leidenschaften durch einen vernünftigen Ehestand ein Gebiß anlegen, mir allein Ruhe suchen und mich von allen Geschäften der großen Welt entfernen sollte.

Ich folgte diesem Rat, welcher mit meinen Wünschen übereinstimmte, kehrte im Dezember 1765 nach Aachen zurück und verehelichte mich daselbst mit der jüngsten Tochter des ehemaligen daselbst regierenden Bürgermeisters de Broe zu Diepenbendt. Er war bereits tot und hatte ehedem von eigenen Mitteln in Brüssel gelebt, wo auch meine Frau geboren und erzogen worden ist. In Aachen wurde er durch die Liebe der Bürgerschaft gezwungen, dieses Ehrenamt anzunehmen. Er entstammte einem alten adligen Geschlecht aus der Grafschaft Artois in Flandern, und seine bei Aachen begüterten Vorfahren hatten, ich weiß nicht aus welchen Ursachen, das reichsritterliche Diplom von Wien erhalten. Die Mutter meiner Frau war eine Schwester des Vizekanzlers in Düsseldorf, Baron Roberte, Herrn zu Roland.

Meine Frau ist mit mir im größten Teil Europas bekannt und hat überall den rühmlichsten Beifall erworben. Sie war dabei jung und schön, tugendsam und redlich. Sie hat mir elf Kinder[261] geboren, von denen noch acht leben, auch alle mit eigenen Brüsten gesäugt und rühmlich erzogen. Gott gebe, daß ich sie versorgen kann, wie sie es verdient und wie ich es verpflichtet bin! Denn durch meine Verfolgungen hat sie während unseres 22jährigen Ehestandes viel mitgelitten.


In meinem letzten kurzen Aufenthalt in Wien wagte ich einen neuen Schritt. Ich suchte eine Audienz bei unserem gegenwärtigen Kaiser Joseph; ich sprach von meinem Schicksal und besonders von den gründlichen Kenntnissen, die ich mir von den Mängeln in seinen Staaten erworben hätte. Ich fand seine Aufmerksamkeit und einen Monarchen, der sich unterrichten wollte, um sein Volk glücklich zu machen. Ich erhielt Befehl, ihm meine Gedanken schriftlich aufzusetzen. Dies geschah in 19 ganzen Bogen trocken Deutsch, worin ich jedem Gegenstand im Zivil-, Militär- und ökonomischen Fache seinen ungeschminkten Namen gab.

Dürfte ich diese Schrift jemals dem öffentlichen Druck übergeben, sie würde mir gewiß Ehre machen und erweisen, daß der Monarch sie nicht unberücksichtigt ließ und viele wichtige Entwürfe aus derselben wirklich in die Tat umgesetzt wurden. Bis ich indessen dieses vielleicht bekannt machen darf, lese man den fünften Band meiner sämtlichen gedruckten Schriften mit Staatseinsicht. Dort habe ich einen Teil meiner damaligen Gedanken verwebt und so vorgetragen, daß man das übrige erraten kann.

Der Monarch nahm diese Schrift gnädig auf. Sie blieb jedoch bisher ohne Wirkung. Ich aber eilte nach Aachen.


*


Im ersten Jahr begegnete mir daselbst nichts besonderes. Ich lebte ruhig, und da mein Haus ein Sammelplatz aller großen und umgangswürdigen Fremden war, welche die Bäder selbst zu brauchen hinreisen, so fing ich an, in der großen Welt bekannter zu werden und machte mir überall Freunde der edelsten und erhabensten Gattung. Ich besuchte auch den Professor Geliert in Leipzig, zeigte ihm meine Manuskripte und fragte ihn um Rat, in welchem Fach ich in der gelehrten Welt mit Beifall[262] aufzutreten wagen dürfe. Er wählte vorzüglich meine Fabeln und Erzählungen, tadelte aber die übertriebene, höchst gefährliche Freimütigkeit in meinen Staatsschriften. Ich bin ihm nicht gefolgt und habe deshalb viele Verdrießlichkeiten erdulden müssen.

Nun gebar mir im Dezember 1766 meine Frau ihren ersten Sohn. Hier nahm ich Gelegenheit, und schrieb folgenden Brief nach Wien an den jungen Monarchen, unseren gegenwärtig mit Ruhm herrschenden Kaiser. Dieser Brief ist im 8 ten Bande meiner Schriften unter dem Titel Belisarius an den Kaiser Justinian in verdeckter Gestalt zu finden und bereits im zweiten Bande des ›Menschenfreundes‹ gedruckt worden. Der kurze Auszug desselben ist dieser:

»Ich habe hier in Aachen mit Euer Majestät Vorwissen eine Frau genommen; und heute hat sie mir einen Sohn geboren, dem ich in der Taufe den Namen Joseph gegeben habe. Der hiesige kaiserliche Kämmerer und Obrist, Baron Rippenda, vertrat Euer Majestät Stelle.

Ich werde diesen Sohn für Euer Majestät Staaten erziehen, und lieber Gift mit der Muttermilch trinken als die Grundsätze des Vaters entbehren lassen. Gnädigster Kaiser! Er heißt aber dennoch nicht Joseph nach Wiener Brauch; denn so lange ich lebe, bedarf er nichts. Wenn ich aber sterbe, so heißt er Joseph, um seinem Monarchen zu sagen, daß er der Sohn und rechtmäßige Erbe der beiden Trenck sei, deren große Güter in Slavonien durch offenbare Ungerechtigkeit in fremde Hände geraten sind.

Meine Wiener Feinde werden mir zwar täglich gefährlicher; ich stütze mich aber auf Dero Gerechtigkeit, und bin in allen möglichen Vorfällen des Glücks


Euer Kaiserlichen Majestät

alleruntertänigster treuer Patriot Trenck.«


Auf diesen Brief erhielt ich nun folgende Artwort, die ich aus erheblichen Ursachen hier bekannt mache, weil sie eigenhändig geschrieben war und noch in meinen Händen ist.
[263]

»Lieber Obristwachtmeister Baron Trenck!

Ich nehme in Gnaden auf, daß Sie, obwohl ohne mich vorher darum zu fragen, Ihrem Sohne den Namen Joseph beigelegt, auch den Obrist Rippenda gewählt haben, um bei der Taufe meine Stelle zu vertreten. Zu einem Merkmal meiner Ihnen künftig zuwenden wollenden besten Gesinnung mache ich Ihnen hiermit zu wissen, daß ich Ihre Gage künftig nicht in Wien, sondern in Brüssel zu beziehen, aus erheblichen Gründen angewiesen habe.

Ihre patriotischen und mir wohlgefälligen Schriften können Sie fortsetzen und mir einschicken, weil ich die Wahrheit gern lese. Lieber wird es mir aber sein, wenn ich sie in natürlicher Gestalt, als in satyrischer Einkleidung, lesen kann.

Ich bin Ihr

Joseph.«


Bald hernach erhielt ich Befehl, mit Ihro Majestät Kabinettsekretär, Baron Röder, in Korrespondenz zu bleiben. Was nun seitdem geschehen und geschrieben worden ist, bleibt für diese Blätter ein Geheimnis. Genug hier gesagt! Daß mein bester Wille, dem Staat wirksam und ohne allen Eigennutz zu dienen, bei allen Vorfällen abermals vereitelt wurde, weil aufgeklärte redliche Köpfe meiner Gattung zu hell sehen, zu trocken vortragen, zu stolz auf eigenem inneren Weg bestehen und folglich den Gnadenweg verfehlen ...

Im Jahre 1767 schrieb ich den ›Macedonischen Helden‹, welcher nunmehr in ganz Deutschland ebenso bekannt ist wie der Eulenspiegel. Er brachte meiner Feder Ehre, mir selbst aber neuen Verdruß und neue Verfolgungen; dennoch hat es mich nie gereut, daß er da ist. Ich selbst habe die Befriedigung genossen, dieses merkwürdige Gedicht fünf regierenden Monarchen persönlich auszuhändigen; und keiner hat es verbrennen lassen. Meine Souveränin aber war über den Inhalt sehr aufgebracht, besonders weil ich sogar dem König David die trockene Wahrheit gesagt hatte; und die Jesuiten fingen an, mich öffentlich zu verfolgen.

Meine Kenntnisse erweiterten sich indessen täglich; man fing allgemach an, mich als einen Staatskenner zu suchen,[264] und bei dieser Gelegenheit fand ich selbst die beste Aufklärung. Ich unternahm einen Handel mit ungarischen Weinen in England, Frankreich, Holland und im Reiche. Hierdurch hatte ich Gelegenheit, alle Jahre große Reisen zu machen, und da sich meine persönlichen Bekanntschaften täglich durch die Zusammenkünfte in Aachen und Spaa erweiterten, wo ich Gelegenheit hatte, den Fremden in meinem Hause Höflichkeit zu erzeigen, so fand ich auch in allen Ländern, wo ich hin kam, Freunde und Beförderer meiner Absichten.

Meine Wiener Einkünfte blieben daselbst fast gänzlich für Prozesse, Kuratoren und Agenten zurück, das übrige vernichteten die erzwungenen Wiener Reisen, wohin ich dreimal hofkriegsrätlich zu erscheinen gezwungen wurde und niemals das mindeste für mich erwirken konnte.

Man schilderte mich endlich als einen gefährlichen Mißvergnügten, der nicht mehr in den Erblanden leben wollte; und hierdurch hatten meine Feinde offenes Feld, mir zu schaden. Ich blieb aber in allen Fällen und trotz aller Verfolgungen ein ehrlicher Mann, und wo ich hin kam, war jeder begierig, mich zu kennen. In Wien allein blieb ich ungesucht, ungenannt, ungebraucht.


Bei meiner Monarchin war nichts mehr für mich zu hoffen, wo der Beichtvater mich bereits als einen Erzketzer und Verfolger der allein seligmachenden Kirche mit aller möglichen Priesterlist geschildert hatte.

Indessen konnte niemand hindern, daß mir meine Schriften viel Geld eintrugen und in ganz Deutschland mit großem Beifall verbreitet wurden. Die Aachener Zeitung stieg im ersten Jahr so weit, daß für das zweite Jahr gegen 4000 Exemplare bestellt wurden; und für jedes hatte ich einen Dukaten reinen Verdienst. Die Herren Reichspostmeister, die aus ihren Postamtszeitungen einen großen Gewinn ziehen, wurden aber neidisch, da die Aachener alle übrigen verdrängte; und sogleich entstand die verbrüderte Verfolgung ...

Das Schicksal aller Reformatoren traf mich, die ihren Lohn erst jenseits des Grabes zu erwarten haben, wovon sie nichts mehr empfinden.[265]

Meine Souveränin schrieb an den Reichsobristpostmeister, und bat ihn, daß er die Aachener Zeitung in allen seinen Postämtern verbieten solle. Ich erhielt Wind davon und hörte mit dem neuen Jahr selbst auf. Indessen schrieb ich ein kleines Traktat über die polnische Teilung, das Beifall fand, mir aber auch neue Feinde auf den Hals lud ...

Vom Jahre 1774 bis 1777 brachte ich meine Zeit meistens mit Reisen in allen englischen und französischen Provinzen zu. Und ich wurde durch meine Schriften so bekannt, daß ich mich in London und Paris hätte für Geld sehen lassen können. Herr Franklin, der amerikanische Minister, wurde mein Busenfreund. Und sowohl er wie der Kriegsminister, Graf Saint Germain, auch der Staatsminister Vergennes machten mir die vorteilhaftesten Vorschläge, nach Amerika zu reisen. Frau und Kinder hielten mich allein ab; ich hätte aber sicher ihr Glück besser in einem anderen Weltteile als in Europa gemacht.


Auch der Landgraf von Hessen-Kassel, mein besonders gnädiger Herr, eben der, welcher als Erbprinz zur Zeit meiner Gefangenschaft Gouverneur in Magdeburg war und mir so viel Gutes erzeigt hatte, trug mir an, ein Kommando unter seinen Truppen in Amerika anzunehmen. Ich gab aber zur Antwort:

»Gnädiger Herr! Mein Blut wallt nur in meinen Adern für die Freiheit. Nie werde ich helfen, Sklaven zu machen. Ich würde also mit Dero braven Grenadieren sicher die Partei der Amerikaner ergreifen!« ...

Im Jahre 1776 kam der königlich preußische Etatsminister Graf von Hertzberg nach Aachen, um daselbst die Bäder zu gebrauchen. Seiner Seelengröße habe ich zu danken, daß ich gegenwärtig in meinem Vaterlande mit Ehre und Beifall auftreten darf; und meine Kinder werden, so oft sie dieses lesen, an die Grundsätze einer echten Dankbarkeit mit Ehrfurcht denken, die ich ihnen einzuflößen für meine erste Pflicht erkannte ...

Nun war ich müde, in Unruhe zu leben, verließ das undankbare Aachen und reiste nach Wien, um mir in Österreich ein Landgut zu kaufen und daselbst, entfernt von allen Welthändeln, die wahre Ruhe des Weisen zu genießen, meine Talente aber allein der Landwirtschaft zu widmen.[266]

Die bayrischen Händel kamen eben in Gärung. Hierdurch hielt ich es nicht für gut, in Kriegszeit außer Land zu bleiben und kaufte für mein Geld die Herrschaften Zwerbach und Grabeneck, nebst dem Amte Knoking und dem freien Sinzenhofe in der Gegend bei Melk in Österreich für 51000 fl., welche samt übrigen Kosten der Lehn- und Landmannschaftstaxen auf 60000 fl. zu stehen kommen. Das ganze Gut war total ruiniert, und mein Fleiß, meine Industrie und mein Geld sollten den Wert erheben.

Um diesen Kauf abzuschließen, mußte ich mit schweren Kosten elf Monate in Wien sollizitieren.

Im Juli starb meine Schwiegermutter in Aachen; Ende September erschien ich in Wien, zum ersten Male mit meiner Frau und allen meinen Kindern. Sie machte der Obristhofmeisterin ihre Aufwartung und erhielt gleich Audienz bei der Monarchin. Nun hatte sie das Glück, deren ganzen Beifall und ihre Gnade zu erhalten; und niemand würde es mir glauben, wenn ich schreiben wollte, was sie ihr in ihrer Audienz gesagt und für Versicherungen ihrer Huld gegeben hat. Sie stellte meine Frau selbst den Erzherzoginnen als ein Muster rechtschaffener Weiber vor und befahl der Obristhofmeisterin, sie überall bekannt zu machen.

Am folgenden Tage schickte die Kaiserin den Herrn von Pistrich zu mir mit einem Dekret, wo sie meiner Frau eine Pension von 400 fl. versicherte und ließ ihr dabei sagen, sie würde schon noch mehr tun.

Meine Frau hatte um eine Audienz für mich gebeten. Gleich war diese bewilligt und gleich erhielt ich sie.

In dieser sagte Ihro Majestät zu mir:

Er hat dreimal bei mir Sein Glück in Händen gehabt – und allezeit hat Er es von sich gestoßen!

Die Audienz dauerte lang. Sie sprach als Mutter und verlangte meine Kinder zu sehen, mit dem Beisatze:

Von einer so rechtschaffenen Mutter müssen gewiß auch gute Kinder erzogen werden!

Nun kam die Rede auf meine Schriften. Hier sagte sie:

Was könnte Er mit Seiner Feder Gutes in meinen Ländern stiften, wenn Er für die Religion schreiben wollte![267]

Kurz gesagt, ich konnte mir nunmehr für eine glückliche Zukunft alle Hoffnung machen. Ich blieb noch einige Zeit in Wien, wo meiner Frau mehr Ehre und Achtung widerfuhr, als vielleicht noch keiner fremden Dame widerfahren ist.

Wir kehrten nach Zwerbach zurück, auf meine gekaufte Herrschaft, und lebten ruhig. Da wir aber eben noch einmal nach Wien reisen wollten, um bei Hof um einigen Ersatz meines ehemaligen Güterverlustes zu sollizitieren und der Monarchin Gnade in Anspruch zu nehmen, starb die große Maria Theresia, und alle unsere Hoffnungen waren vereitelt.

Auf ihrem Totenbett hatte sie beständig befohlen, man solle ihr die Trenck'schen Schriften vorlesen, und unerachtet der Beichtvater, Prälat der Dorotheer, von allem, was ich verloren hatte, gründlich unterrichtet und überzeugt war, hat er doch in diesen letzten Augenblicken, da es noch die vorteilhafteste Zeit war, für mein Recht zu sprechen, gar nichts getan und niederträchtig geschwiegen, obgleich er mir heiligst geschworen hatte, es bei Gelegenheit zu tun.

Meine Frau hat die Pension, welche die Monarchin allein in Betracht unserer erlittenen Drangsale und wegen unserer zahlreichen Kinder gab, nicht länger als 9 Monate genossen. Der neue Monarch vermischte sie vielleicht mit anderen Unwürdigen, die dem Staat zur Last fielen, und nahm sie ihr weg. Vielleicht hat sie aber mehr zu hoffen, wenn die mir erpreßten Seufzer dereinst sein Landesvaterherz rege machen, oder ihm durch diese Schriften bekannt werden.

Es blieb mir nun nichts übrig, als mich in meinem Zwerbach zu begraben und dort meine Notdurft zu suchen.

Nun war ich kaum bei meiner Landwirtschaft, so zeigte mir das Glück auch hier seine Tücke. Denn binnen 6 Jahren habe ich zweimal totalen Hagelschlag, ein Jahr Mißwuchs und sieben Überschwemmungen, Schafumfall und alle möglichen Widerwärtigkeiten erlitten.

Hierdurch wurde ich arm; besonders, da durch reichshofrätliche Prozedur das Geld meiner Frau in Aachen und Köln verloren ging.

Die unglücklichen Bauern konnten nicht zahlen. Ich habe nebst meinen Söhnen eigenhändig mitgearbeitet. Und meine gute Frau,[268] die in der großen Welt zu leben gewohnt war, behalf sich selbst, nebst acht Kindern, ohne Magd. Kurz gesagt, wir lebten arm und kümmerlich, so daß wir mit eigenen Händen unser täglich Brot verdienen mußten.

Da ich nun für mich nichts mehr von Hagelschlag noch Kuratoren abwarten wollte und in meinem Kopf, in meiner Feder ein sicheres Treibhaus für meine Bedürfnisse besitze, so beschloß ich im vorigen Jahr, meine sämtlichen Gedichte und Schriften in 8 und meine Lebensgeschichte in 2 Bänden öffentlich herauszugeben. Dieser Vorsatz ist binnen 14 Monaten ganz erfüllt worden. Meine Arbeit findet in ganz Deutschland Beifall, erwirbt mir auch Achtung, Ehre und Geld. Ich bin nunmehr fest entschlossen, so zu leben, als ob ich gar kein anderes Eigentum auf Erden als meinen Kopf besäße und allein durch meine Schriften das Nötige zu verdienen.


*


Am 22ten August lief endlich die Nachricht ein, daß der große Friedrich diese Welt verlassen habe; und der gegenwärtig regierende Monarch, der größte unter allen Menschenfreunden, welcher Augenzeuge meines Schicksals im Vaterlande war, schickte mir sogleich einen Kabinettspaß, um mit sicherem Geleite nach Berlin zu reisen. Alle alte Konfiskation ist aufgehoben, und mein Bruder in Preußen hinterläßt sein ansehnliches Vermögen meinen Kindern.

Ich reise demnach nunmehr mit kaiserlicher Erlaubnis in mein Vaterland, aus welchem ich seit 42 Jahren verdrängt und verstoßen war. Ich reise dorthin, nicht als ein begnadigter Übeltäter, sondern als ehrlicher Mann, um den Lohn des Gerechten einzuernten. Dort finde ich meine Freunde, meine Blutsverwandten, auch alle, die mich im Unglück kannten, und umarme sie als ein Märtyrer echter Tugend, der seine verdienten Lorbeeren von allen Menschenkennern zu erwarten hat, und dort einen großmütigen Regenten sicher findet.

Eine neue Epoche für meine Geschichte!


Schon lange hatte ich gegründete Ursachen, jeder aufgehenden Sonne zu fluchen und ihr mit Schrecken und Schauder entgegen[269] zu sehen. Für mich selbst ist der Tod wirkliche Wohltat, weil ich ihn als den sichersten Führer von der Bewegung zur Ruhe erkenne und nach ihm keine schreckenden Träume mehr zu fürchten habe, die aus Erinnerung des Vergangenen entspringen. Meine Kinder aber fühlen noch ihr Jugendglück, und vielleicht will ich dann wirklich zu leben aufhören, wenn ich meine Vaterpflichten erfüllt habe.

Mein Gott, mein ewiger Richter, den ich mir denke, ließ mich Mensch werden, um durch bittere Erfahrung meiner Mitbürger Lehrer zu werden. Mein Nervengebäude war mit solchen Säften befeuchtet, welche starke Leidenschaften rege machen; stark wurde meine Seele, um große Dinge zu durchdenken; stark mein Gedächtnis, durch unausgesetzte Anstrengung; stark mein Gliederbau, um große Bürden des grausamsten Schicksals standhaft zu ertragen.

Meinen Lesern, die durch redliche Aufdeckung meiner Geschichte meine Freunde wurden, empfehle ich nicht mich, weil ich nichts mehr bedarf, sondern meine rechtschaffene Frau und meine guten Kinder.

Und hiermit erkläre ich öffentlich:


Daß ich mich an keinem Feinde anders rächen will als durch Verachtung; daß ich alles Vergangene gern, aber schwer vergesse; daß ich auch von Monarchen keine Ehrenstellen und keine Gnade suche, weil ich kein Verbrechen begangen habe; auch daß ich als ein freier Mensch leben und sterben will – so sterben, sag ich, wie ich gelebt habe.


Geschrieben im Schloß Zwerbach,

den 18. December 1786.

Trenck.

Quelle:
Trenck, Friedrich Freiherr von der: Des Friedrich Freiherrn von der Trenck merkwürdige Lebensgeschichte. In: Eberhard Cyran, Trenck, Memoiren und Kommentar, Berlin: Haude & Spener, 1966, S. 7–283., S. 150-270.
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