Amtliche Schreiben und Bittgesuche

Amtliche Schreiben und Bittgesuche.

[504] Die besonderen Vorschriften für erstere je nach den verschiedenen Berufszweigen sind den Betreffenden bekannt und können hier nicht umständlich besprochen werden. Nur auf Bittgesuche möchten wir ein wenig näher eingehen, da ein jeder in die Lage kommen kann, ein solches abfassen zu müssen – es brauchen[504] ja nicht gerade Almosen oder materielle Dinge zu sein, welche darin erbeten werden.

In einem Bittgesuch müssen die besonderen Umstände, welche dasselbe veranlaßten, strengster Wahrheit gemäß, übersichtlich klar und doch so kurz als möglich dargelegt, darnach auf Grund derselben die Bitte um Abhülfe mit dringenden Worten ausgesprochen werden. Kriecherei und übertriebene Schmeicheleien müssen, wenn schon überall im Leben, in Fällen, wo man etwas erbittet, besonders streng vermieden werden, da durch sie sicherlich das Gegenteil von dem erreicht wird, was sie bezweckten. Der Empfänger würde eben sofort die Absicht der Schmeichelei erkennen und stolze, feinfühlige Naturen sind stets geneigt, eine beabsichtigte Schmeichelei als eine Beleidigung zu empfinden, da derjenige, welcher sie ausspricht, doch voraussetzt, daß der andere dafür empfänglich und dadurch zu bestechen sei. Etwas wesentlich anderes ist es, thatsächlich vorhandene gute Eigenschaften oder Verdienste anzuerkennen und rühmend hervorzuheben. Die Wahrheit darf eben jeder sagen und wenn diese Wahrheit eine Schmeichelei enthält, kann der, auf den sie sich bezieht, nur stolz darauf sein und sich gerechter Anerkennung freuen. Auch im Bittgesuch wird eine derartige, in rechten Grenzen gehaltene und gewandt ausgedrückte Anerkennung nicht verletzend, sondern fördernd wirken und sollte daher nicht unterlassen werden.

Für Schreiben beregten Inhalts an Privatpersonen[505] mag man ruhig Briefpapier, allerdings möglichst großen Umfangs nehmen. Der vorgeschriebene Rand wird in solchen Briefen noch breiter belassen, ebenso der Raum zwischen Datum und Überschrift sowie der, welcher die Unterzeichnung vom Inhalt trennt. Bittgesuche an Behörden erfordern jedoch Kanzleipapier und zwar wird hier der Bogen seiner ganzen Länge nach in der Mitte gekniffen, so daß derselbe in zwei gleiche Langhälften geteilt erscheint. Oben links wird dann in kurzen Worten der Inhalt des Schreibens angegeben, unten links die Adresse der Behörde, an welche dasselbe gerichtet und zwar etwa in nachstehender Weise:


Datum.


Ergebenes Bittgesuch der

Lehrerwitwe Elise Schmidt,

wohnhaft ... um Erlaß des

Schulgelds für ihren Sohn.


Einer Wohllöblichen Schulbehörde unterbreitet die Unterzeichnete nachstehendes dringendes Bittgesuch:

(Folgt Darlegung der Verhältnisse, worauf in eingerückten Zeilen die Bitte noch einmal zu wiederholen:)

»In Anbetracht dieser traurigen, Verhältnisse und der durch Zeugnisse bescheinigten seltenen Befähigung meines Sohnes[506] wolle eine Wohllöbliche Schulbehörde gütigst verfügen, daß, derselbe von nun an als Freischüler die Anstalt besucht.«


Hochachtungsvoll und

Ergebenst


Elise Schmidt

Lehrerwitwe.

An

eine Wohllöbliche Schulbehörde

zu .....


Der sogenannte Ergebenheits(Devotions)strich vor der Unterschrift ist in derartigen Schreiben unerläßlich. Auch werden dieselben gewöhnlich zu einem Brief langen Formats zusammengefaltet und versiegelt, doch verstößt es auch nicht gegen die Zulässigkeit, sie in einen Umschlag zu stecken und so abzusenden. Die äußere Adresse muß genau mit der bereits im Schreiben angegebenen übereinstimmen.

Vorstehendes Beispiel dürfte für die äußere Form von Bittgesuchen an Behörden genügen. Für die Gestaltung des verschiedenen Inhalts wurden bereits Winke gegeben.


Quelle:
York, B. von: Lebenskunst. Leipzig [1893], S. 504-507.
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